München ist überall

Freitag, 10. Mai 2013

Ein Buchbesprechung ohne Buch und Autor.

Der noch unbekannte Autor schlägt Alarm: Klüngelwirtschaft, hohe Steuerunlust, Verwandte als Angestellte - das ist die Realität in der bayerischen Landeshauptstadt. Doch München ist überall. Die Parallelgesellschaft ehrenwerter Kreise ist nicht auf München spezialisiert.

Die in München entstandene Parallelgesellschaft charakterisiert der noch unbekannte Autor als geschlossene Gesellschaft, in der sich Eliten selbst organisieren und nichts von Gemeinsinn an sich heranlassen wollen. Schrittweise weicht jeglicher Sinn für Recht zurück. Nepotismus und Egoismus sind die Vorschriften der Münchner Parallelgesellschaft. Sie sind die Grundpfeiler ihrer Ordnung. Steuerbetrug ist insofern kein krimineller Akt mehr, sondern eine Haltung des Widerstandes gegen den ausufernden Sozialstaat und seiner Alimentierung fauler Taugenichtse. Der noch unbekannte Autor nennt diese Haltung eine A-Hund-is-a-schoo-Mentalität. Sie beurkundet dem Steuerverweigerer nicht etwa eine asoziale Ader, sondern Gewieftheit, die man heute schon haben müsse, um gegen die Diktatur der Gutmenschen anzukommen.

Im noch nicht geschriebenen Kapitel "We are family!" berichtet der Autor über die nepotistische Gepflogenheit in München. Bayerische Abgeordnete fallen immer wieder dadurch auf, Hartz IV-Beziehern mangelnde Bereitschaft zur Arbeitsaufnahme anzuhängen. Denn in ihren Familien kommt dergleichen nicht vor. Der pater oder die mater familias sorgt nämlich dafür, dass alle Familienmitglieder versorgt sind. Zwar wisse man in den Kreisen der Münchner Parallelgesellschaft durchaus, dass solcherlei Anstellungen einen Geschmack von unrechtmäßiger Bevorteilung habe, doch kümmert das dort reichlich wenig. Man schmarotzt sich an den öffentlichen Kassen reich, holt auch noch Vetter und Base mit ins Boot, verweigert dabei aber jegliche Transparenz. Besonders gefährlich erscheint die gruppenspezifische Isolierung von ethischen Standards dieser Parallelgesellschaft. Dies alles bleibt aber ohne Sanktionen.

Besonders besorgniserregend ist, dass sich in manche Münchner Stadtteile gar keine Polizei mehr hineinwagt. Selbst die Staatsanwaltschaft hat es aufgegeben, etwaige Fälle von Klüngelei oder Steuerbetrug zu verfolgen. Die Reintegration dieser Personen aus der Münchner Parallelgesellschaft scheint aussichtslos. Unhaltbare Zustände von Korruption, von Bevorteilung und Freundschaftsdienste, im Slang des Kiez auch Amigo-Auftrag genannt, erlauben eine Resozialisierung nur schwerlich. Massive Übergriffe gegenüber kritischen Journalisten und Juristen verdeutlichen zudem die Gewaltbereitschaft dieses Kreises. Es herrscht in diesen Gegenden ein höflich anmutender, jedoch in Wirklichkeit derber Verhaltenskodex, ein Bushidō voll halbseidener Tugenden: Man feiert unter sich die Verschlagenheit, den Größenwahn, die Hinterfotzigkeit und die Selbstbereicherung. Der noch unbekannte Autor meint, es handelte sich hier zweifellos um eine versaute Gesellschaftsschicht, die keinerlei Ambitionen zeige, sich dieser gruppenspezifischen Verhaltensweisen zu entledigen.

Der bayerische Landtag fängt durch die Angestelltenverhältnisse auf Verwandtschaftsbasis manche Arbeitslosigkeit ab. Dennoch scheitert das Konzept des Förderns und Fordens augenscheinlich nicht zu fruchten. Trotz aller Bemühungen ziehen sich die Leistungsempfänger in eine Parallelwelt zurück, in der sie Dienstleistungen billig verrichtet bekommen, untereinander über die Staatskleptokratie jammern, die neuesten Abzockmaschen besprechen und immer neue Felder der Inanspruchnahme öffentlicher Gelder erschließen. Der noch unbekannte Autor warnt eindringlich, dass Deutschland drauf und dran ist, sich abzuschaffen. Wir setzten unser Land aufs Spiel, wenn wir dieser Parallelgesellschaften nicht bald Herr werden.

München ist überall, von wem auch immer geschrieben, ist noch nicht erschienen. Vielleicht möchte sich ja ein Ex-Senator oder Bezirksbürgermeister der Materie annähern?


8 Kommentare:

Anonym 10. Mai 2013 um 11:06  

Es meldet sich hier der noch unbekannte Verleger:
Was wir natürlich noch brauchen sind noch einige wissenschaftliche Studien, um das ganze abzurunden.
Gerne auch einseitig oder Erekenntnisse der letzten Jahrtausende.

Wir brauchen einfach etwas um die Substanz zu stärken.
Viele Fußnoten und Verweise auf ein Quellenverzeichnis, über dessen Inhalt sich der normale Mensch sowieso kein Urteil bilden kann, ist dringend anzuraten.
Das stärkt ihre Positionen.

Mit freundlichen Grüßen Verleger Unbekannt

Anonym 10. Mai 2013 um 17:32  

Man sieht daran allerdings auch: Wo Korruption herrscht, geht es auch vielen Leuten gut.

Anonym 10. Mai 2013 um 17:33  

Dieses Buch würde ich mir sogar mal kaufen. Wäre spannender als die Beschreibungen von Neukölle.

ad sinistram 10. Mai 2013 um 17:34  

Wo Korruption herrscht, geht es vielen Leuten gut? Ahja...

Anonym 11. Mai 2013 um 00:30  

Welche Leute es sind, lässt diese These offen.

Anonym 11. Mai 2013 um 10:59  

An den unbekannten Verleger:
Da Sie auf der Suche nach wissenschaftlichen Studien sind, möchte ich hier auf ein paar Studien hinweisen, die sich der Thematik zumindest annähern (konkret zu ihrem Thema werden Sie eher nichts finden). Forschung zu Eliten war lange von Soziologen besetzt, es gibt aber auch Ansätze aus den Wirtschaftswissenschaften (bspw. Netzwerkanalysen zu Managerverflechtungen z.B. bei Mehrfachmandaten etc.), Politikwissenschaften oder der Psychologie. Evtl. sollte die Recherche auch „breiter“ erfolgen – es gibt verschiedene Erklärungsansätze zu (lokaler) Elitenbildung, die auf unterschiedlichen Theorien aufbauen, die in der wissenschaftl. Literatur getrennt voneinander diskutiert werden. Z.B. können Prozesse der Korruption oder Bildung elitärer Zirkel auch durch die Soziale Normen Theorie erklärt werden (in verschiedenen Gruppen bilden sich eigene Normen heraus) oder durch Machtverteilung in Gruppen.

Ein schöner Überblick zu bestehenden (auch älteren) Ansätzen der Elitenforschung findet sich hier:
http://www.uni-due.de/apo/Elitenzirkulation.pdf

Interessant auch folgende Studie zu Eliten in Frankreich und Grossbritannien mit Bezug auf Pierre Bourdieu:
Maclean, M.; Harvey, C.; Chia, R. 2010: Dominant Corporate Agents and the Power Elite in France and Britain. Organization Studies, 31(03): 327–348.

Die Auswirkung von politischen Skandalen auf die Erosion politischer Institutionen untersuchen:
Bowler, S. & Karp, J. A. 2004. Politicians, Scandals, and Trust in Government. Political Behavior, 26(3): 271-287

In Bezug auf Managereliten ist folgende Studie zu empfehlen, die einen Überblick zu wesentlichen Forschungsbereichen (Auswirkung von Vorstands- und Aufsichtsratsverflechtungen, Analyse und Zusammensetzung von Vorständen und Aufsichtsräten) gewährt:
Pettigrew, A.M. 1992. On Studying Managerial Elites. StrategicManagement Journal 13 163-182.

Sehr interessant ist eine netzwerkanalytische Studie zu den Medici, die zeigt, dass eine Grundlage ihres Aufstieges die besondere Struktur ihres Beziehungsnetzwerkes war. Hier wird auch beschrieben, dass die Elitenbildung innerhalb bestimmter Stadtgebiete erfolgte, also Nachbarschaft war ein wesentliches Element:
Padgett, J.F., C.K. Ansell. 1993. Robust Action and the Rise of the Medici, 1400-1434. Amercian Journal of Sociology 98(6) 1259-1319.

Zur Bedeutung von Nachbarschaft wäre auch diese Studie hier interessant, die zeigt, wie es zu Normverfall und kriminellem Verhalten in Kölner Stadtvierteln kommt. Hier werden ärmere Viertel untersucht, die Ergebnisse lassen sich evtl. aber übertragen auf reiche Viertel:
Friedrichs, J. & Blasius, J. 2003. Social Norms in Distressed Neighbourhoods: Testing the Wilson Hypothesis. Housing Studies, 18(6): 807-826.

Sterngucker 11. Mai 2013 um 16:07  

"München ist überall, von wem auch immer geschrieben, ist noch nicht erschienen"

Stimmt und wieder auch nicht. Ich kann nur empfehln, Flick - Die gekaufte Rpublik" und wer dann noch nicht über die Tasten geko... hat, Wilhelm Schlötterer und "Macht und Missbrauch - Franz Josef Strauß", zu lesen.

Anonym 11. Mai 2013 um 21:06  

Da hat die Titanic schon was zu geschrieben.

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