Eine stets besonders besorgte Industrie

Freitag, 29. Juni 2012

Die Achse Bertelsmann-Springer kampagniert mal wieder. Weniger bombastisch als sonst, aber gut gestreut durch Programm und Geschmier' - sie gibt sich in boulevardesker Empörung und Besorgnis. Sexualstraftäter sind das Steckenpferd dieser emotionsgeladenen Diskurse. Mit spitzem Unterton und einer bürgerlichen political correctness, die ins Unkorrekte tendiert, die zur savanarolaschen Raserei wird, erzählen sie von den Abertausenden von Vergewaltigungen, Belästigungen, Ungerechtigkeiten gegenüber Opfern und Bevorteilung von Tätern - und sie stützen den Mob, der den Rechtsstaat mit einem billigen Rache-Dienstleister, einem schalen Vergeltungs-Service verwechselt.

Eine Gesellschaft von Gewalt- und Sexualstraftätern

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Vor der Zäsur

Donnerstag, 28. Juni 2012

Noch einige Augenblicke bis zur Zeitenwende in Deutschland und Europa, nur noch einige Stunden. Noch nicht ganz; noch ist Hoffnung. Und die schielt auf das Bundesverfassungsgericht. Das wird sodann einige Spitzfindigkeiten anbringen, drei bis fünf Ungereimtheiten beanstanden und folglich nur noch zusehen, wie die Abwicklung des politischen Gestaltungsrahmens geformt, wie dieser erlischt und radikal versachzwangt wird. Ratifiziert wird die Übernahme der nationalen Souveräntitäten in Europa durch die Brüsseler Exekutive in einigen Wimpernschlägen dennoch sein - fehlt nur noch die Unterschrift des Bundespräsidenten. Auf dessen Weigerung kann man in etwa so hoffen, wie auf die belebende Wirkung eines Aderlasses.

Die Linke, diese angeblich einzige antidemokratische Partei im Parlament, versucht kurioserweise das zu retten, was wir noch Demokratie nannten, weil uns der Präfix Post- irgendwie immer nicht einfiel. Der Dank hierfür wird sein, dass sich Die Linke noch mehr isoliert, dass man sie zu den Bestattern des europäischen Gedankens erklärt und als Spielverderber anschwärzt. Was für Zeiten! Da prescht die Reaktion progressiv voran, da wird der Ständestaat mit ganz neuen kontinentalen Mitteln aufgefrischt - und soziale, ausgleichende Politik führt, obwohl benötigt, obwohl sie Konjunktur haben müsste, nur auf das Abstellgleis der öffentlichen Wahrnehmung und Akzeptanz. Die Linke bekommt hin und wieder zu hören, sie wolle nur Macht und ginge dafür den populistischen Weg - wollte und täte sie ausschließlich dies, hätte sie lediglich dieser Sehr Großen Koalition beitreten müssen, die den ESM zu ratifizieren verspricht.

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Ridendo dicere verum

Mittwoch, 27. Juni 2012

"Noch heißt es nur, dass das Prekariat verantwortungslos sei, Kinder bekomme, die wir uns nicht leisten könnten als Gesellschaft. Dabei könnten wir sie uns leisten, wenn wir denn wollten. Wir könnten es uns sogar leisten, sie gut zu bilden, sie teilhaben zu lassen am sozialen und kulturellen Wohlstand. Könnten wir! Wollen wir nur nicht! Man will keine Ahmeds oder Kevins, will keine Kinder von unten oder von sonstwoher - man will Rüdiger-Pascals, die irgendwann mal beruflich als Vermögensverwalter ihres Erbes fungieren. Daher werden Gummis verteilt und Pillen gereicht, damit den gewollten Kindern dieser Gesellschaft ein wohliges Leben beschert ist; ein Leben, in dem sie die Armut der anderen nicht mehr finanzieren müssen; ein Leben als erwünschte Kinder, als erwünschte Jugendliche, als erwünschte Erwachsene - das Wunschkind elitärer Absichten eben: das Herrenmenschentum!"
- Roberto J. De Lapuente, "Auf die faule Haut: Skizzen & Essays" -

Tore für ihr Europa

Dienstag, 26. Juni 2012

oder: Merkel hofft auf ESM-Sieg von Löws Truppe - und die stützt der Kanzlerin EM-Vorhaben. Oder war es andersherum? Eine Unterscheidung scheint bald stündlich schwerer...

Dass die Politik die Nähe des Sports sucht, ist weder neu noch besonders originell. Wie sie die Kanzlerin allerdings sucht, diese Nähe, das hat es vormals in Deutschland noch nicht gegeben. Noch nie zuvor benutzte die politische Richtlinienkompetenz dieses Landes so kalkuliert den Tribünenplatz oder den Zugang zum Entmüdungsbecken. Wie darauf die Fußball-Nationalmannschaft reagiert, das dürfte hingegen auch so ein Fanal sein. Nie zuvor scheint eine nationale Auswahl so ehrerbietig mit der Ausbeutung ihres Sports zu politischen Zwecken umgegangen zu sein - kein Nationaltrainer vor Löw katzbuckelte je so ungeniert devot vor einem Kanzler.

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Unser Erich heißt Angela

Montag, 25. Juni 2012

Die Welt dreht sich um unsere eiserne Kanzlerin!, stand über dem Zeitungsartikel. Und ein Nationalspieler zeigte sich erfreut darüber, dass diese Frau aus Eisen zur Viertelfinalpaarung nach Danzig käme, was den Artikel mit der Überschrift "Sie gibt uns ein gutes Gefühl!" krönte. Außerdem, mal quergelesen: Die Kanzlerin allein gegen alle! oder Die Kanzlerin ist die Stimme der ökonomischen Vernunft! oder Die Kanzlerin bleibt standhaft! oder Merkel eisern; alle gegen Merkel! oder Merkel gegen den Rest der Welt! oder Begeisterter Applaus für Klartext-Rede! Ein hübsches Potpourri an Kitsch, Schmiere und Schmalz. Lobgesänge, die auch aus dem DFB-Lager kommen; Löw schwäbelte vor sich hin, dass er sich über jeden Besuch freue, er sich aber nicht reinreden lasse in seine Aufstellung, ihr aber auch nicht reinrede in ihre Politik. Jeder tut, was er am besten könne. Die Kanzlerin und Fußball ist überhaupt so ein Thema, auch dazu hymnische Journalisten-Prosa: Der Mensch kommt zum Vorschein!

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Einigkeit und Sieg und Geilheit!

Freitag, 22. Juni 2012

Jetzt müssen doch alle zusammenhalten. Alle zusammenstehen. Alle zusammenrücken. Wir sind doch eins. Stehen geschlossen, stehen gemeinschaftlich hinter den Gittern, die uns vom Fußballplatz sondern. Auf Plätzen, in Kneipen, in Gärten. Alle fixiert auf Eintracht, Gleichklang, Harmonie. Neunzig Minuten Einhelligkeit - und dann vielleicht nochmal neunzig Minuten - und abermals neunzig Minuten süßes Miteinander. Und letztlich vielleicht weitere Tage siegestrunkener Frieden, selige Brüderlichkeit, euphorische Schwesterlichkeit.

Der Arbeitslose und sein Fallmanager fordern vereint Eckball.
Der sich von den Alten ausgebeutet wähnende Junge und der von den Jungen als zu teuer bezeichnete Alte brüllen simultan Das war Einwurf, blinder Sack!
Der Neonazi und der abgeklärte Demokrat kooperieren im Jubel.

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Nomen non est omen

Heute: Sozialromatik

Ein Gastbeitrag von Markus Vollack.
"Hollande ist beileibe nicht der ausgabenfreudige Sozialstaatsromantiker, als den ihn die Strippenzieher des Kanzleramts im französischen Wahlkampf dargestellt hatten."
- Zeit Online vom 30. Mai 2012-
In der öffentlichen Begriffsverwendung gibt es die Bezeichnungen des Sozialromantikers, der Sozialromantik, des Sozialstaatsromantikers, und der sozialromantischen Vorstellungen. Die Begriffe sind negativ besetzt. Damit werden vor allem Vorschläge, des Sozialstaates betreffend, als realpolitisch und pragmatisch nicht umsetzbar deklariert.

Brot und Spiele für die Mittelstandswampe

Donnerstag, 21. Juni 2012

Es ist ein hartnäckiges Gerücht, dass sich bei Uninformierten hält: RTL ist mitnichten der konzipierte Sender für Hartz IV-Empfänger, Ungebildete oder andere prekarisierte Gesellschaftsschichten! Eigentlich ist es nicht nur die Bewahrung eines Gerüchtes, wenn man das behauptet - es ist Rufmord an denen, die man arroganterweise als Unterschicht bezeichnen könnte. Die schaut natürlich auch RTL - und möglicherweise sogar überproportional häufiger als der Mittelstandsbauch. Aber das ist ein nebenher zufällig erzeugter, vielleicht nicht mal bewusst gewollter Effekt. RTL bedient nicht das Prekariat, es serviert der Mittelschicht, überdies sogar der besser situierten Mittelschicht, ein bunt gewürfeltes Programm der Eintönigkeit.

Beratung für den Mittelstand

Nachrichten und Neuigkeiten flimmern dort als eine schlecht getarnte Form von konsumistischer Lebensberatung über die Mattscheibe. Man bekommt erklärt, welches Produkt wie günstig und wie gut ist - Lohnt sich der Kauf? - Wohin in den Urlaub? Empfehlung für das Wochenende: Gehen Sie in einen Freizeitpark! Der Freizeitpark Soundso hat zufälligerweise diese Woche eine Sonderaktion! - Sinnvoll für die Zukunft: Privat rentenversichern! Mehr Infos finden Sie online! - Wie Sie sich bei der Hitze im Büro abkühlen können! - Darf ich im Büro EM gucken? Beratung und Verkaufsanreize, Konsum und Verlockung...

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Mal wieder weniger Demokratie wagen

Mittwoch, 20. Juni 2012

Der Standort Deutschland ist gefährdet. Zur Abwechslung sind es nicht zu hohe Löhne, die ihn ins Straucheln geraten lassen - und auch keine Wirtschaftskrise. Es ist die Demokratie - kein Defizit an ihr, sondern zu viel davon, bringt den Standort an Abgründe. Nachdem sich die Münchner an den Urnen gegen den Bau einer weiteren Startbahn aussprachen, unkt es aus Politik und Wirtschaft nun erneut, dass Großprojekte in Deutschland keine Chance mehr hätten. Deutschland verkomme zum fortschrittsfeindlich Areal - nach Stuttgart 21 und dem Protest der Anrainer des Frankfurter Flughafens, jetzt auch noch das Nein der Münchner. Der Wutbürger lähmt die Republik.

Bislang sprach man von Wutbürgern, wenn es sich um demonstrierende Menschen handelte. Nun ist schon Wutbürger, wer bei einem Bürgerentscheid sein basisdemokratisches Recht wahrnimmt. Dieses Zuviel an Demokratie erzeugt nicht Partizipation, mahnt nun die Wirtschaft, es hemmt in ersten Linie und macht das Land rückschrittlich. Die Menschen wüssten nämlich gar nicht, was gut für sie ist - weitere Lärmquellen in ihrem direkten Umfeld seien nämlich nicht unbedingt schlecht, weil sie Arbeitsplätze brächten, nur verstehe das der plebiszitäre Wutbürger nicht. Er ist so wütend, dass er nichts mehr sieht, dass er erblindet ist. Früher nannte man das demokratisches Grundrecht, was man heute als Wut zu diskreditieren versucht.

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Sit venia verbo

Dienstag, 19. Juni 2012

"Gerade die Betonung des Gebotes: Du sollst nicht töten, macht uns sicher, daß wir von einer unendlich langen Generationsreihe von Mördern abstammen, denen die Mordlust, die vielleicht noch uns selbst, im Blute lag."

Terror durch Müßiggang?

Montag, 18. Juni 2012

Innenminister Friedrich sprach sich kürzlich dafür aus, so genannten Salafisten das Arbeitslosengeld zu streichen. Belege dafür, dass sich der deutsche Salafismus ausschließlich aus der Arbeitslosigkeit rekrutierte, gibt es allerdings keine. In der arabischen Welt mag er dies tun - was auch nicht verwundert, denn dort ist die Arbeitslosenrate ohnehin stattlicher, womit sich jede politische Strömung zwangsläufig übermäßiger aus der Arbeitslosigkeit mobilisiert. Für Deutschland läßt sich diese Behauptung hingegen nicht verifizieren - es fehlt an eindeutigen Erhebungen hierzu. Es ist nicht mehr als eine populistische Vermutung.

Narrativ der Christsozialen

Es ist mittlerweile Jahre her, dass Christine Haderthauer, damals Generalsekretärin der Christsozialen, forderte, man sollte nicht integrationswilligen Muslimen das Arbeitslosengeld II kürzen. So sprach sie seinerzeit unwidersprochen. Ob denn diese hinlänglich als integrationsunwillig bezeichneten Muslime überhaupt arbeitslos seien: diese Frage stellte sich öffentlich gar nicht erst. Man nahm es an, ließ das Bauchgefühl walten und es blieb als Aussage mit Wahrheitsgehalt stehen. Friedrich greift nun dieses Bauchgefühl neuerlich auf und adelt es zur ministeriellen Aussage mit Kopf und Verstand. Sein sozialdemokratischer Kollege, der Integrationsmuffel als Abschaffung Deutschlands publizierte, nahm ja immerhin noch an, dass Muslime auch in Dönerbuden und Gemüseläden integrationsunlustig seien.

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Gott als Kampfwille und Gefechtsstellung

Samstag, 16. Juni 2012

Militärbischof Overbeck meinte kürzlich, dass "ohne Religion und ohne gelebte Praxis von Religion [...] kein Menschsein" möglich sei. Soldaten setzten "Gewalt [...] im äußersten Notfall und vor allem verantwortungsvoll" nur dann ein, wenn sie "mit einem festen Glauben [...] solche Entscheidungen" treffen. Religiosität sei quasi Gewissensstütze für Soldaten. Eigentlich belanglos, was da jemand, der bischöflich Nächstenliebe christianisiert und sich mit einem Militär- verziert, absondert - qua Position disqualifiziert er sich ja selbst. Doch zwischen den Zeilen postuliert dieser Mann etwas, was man als den gerechten Krieger bezeichnen könnte - Morden ist möglich, es hat bloß religiös zu geschehen. Geschieht es ohne Gott, ist es eine gottlose Tat - ansonsten: Deus lo vult! Dann ist es mit Gott abgeklärt und nicht mehr sündig. Man merkt, mancher Kirchenmann speist geistig noch an der Tafel von Urban II. - allen Mitgliedern der katholischen Kirche sollte man das jedoch nicht unterstellen.

Die Vereinigten Staaten riefen erst kürzlich noch zum gerechten Krieg - Militärgeistliche wie jener skizzieren das Werkzeug hierzu: den gerechten Krieger. Er muss gläubig sein, sogar fest gläubig, wie Overbeck meint. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass man in einem Gefecht, in dem man eiskalt vorgehen muss, einfach nur auf atheistische Soldaten zurückgreifen kann. Die wüten dann wie beim Sacco di Roma: brandschatzen, morden, verstümmeln und vergewaltigen. Denen macht das Blut, die herauslappenden Organe, der Gestank, das Wehgeschrei, die Tränen von Frauen und Kindern und was da sonst noch so alles anfällt, nichts aus. Kurz gesagt, sie kennen keine menschliche Regung. Sie mögen zwar Menschen sein, aber dessen, was den Mensch als einzige Kreatur befähigt, Empathie zu zeigen, sind sie qua ihrer Gottlosigkeit verlustig gegangen - menschliche Hüllen nur, Randexistenzen an der Schwelle zum wirklichen Menschen.

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Zuversicht an Sterbebetten

Freitag, 15. Juni 2012

Wie wäre das eigentlich, wenn ich heute herausfände, dass man aus der toten Materie eines menschlichen Organismus', einen sehr günstigen Kraftstoff mit hohen Energie- und niedrigen Verbrauchswerten destillieren könnte? Hypothetisch! Man stelle sich nur mal vor, im menschlichen Leichnam läge der Schlüssel zu einer umweltfreundlichen Lösung der Mobilitätsfrage. Vielleicht ergäbe sich gar ein Treibstoff, der keinerlei Verbrennung benötigte. Wie das genau funktionieren soll, wie ich an diese obskure Substanz gelangte, kann ich nicht beantworten. Jedoch könnte ich literarische Stilmittel anwenden, die meine Ahnungslosigkeit übertünchten. Ich könnte von Destillation, sich wandelnde Aggregatszuständen, wechselseitigem Verdampfen, Sieden und Köcheln berichten, von Konzentrationen und Kondensationen, wahlweise auf Verdunstung und Sublimation hinweisen und das alles mit fachmännischen Adjektiven zieren. Letztlich gelänge es mir, den Leser von meinem profunden Wissen zu überzeugen. Doch einerlei, darum geht es jetzt nicht. Ich hätte es also entwickelt - irgendwie, mit Phantasies Hilfe. Was geschähe dann? Wielange würden uns moralische Bedenken behindern; wann würden erste Stimmen, erst zögerlich im fortschrittlichen Feuilleton, später als Parole für die Masse, die Nutzung dieser Energiequelle fordern?

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Ridendo dicere verum

Donnerstag, 14. Juni 2012

"Die wohlfeilste Art des Stolzes hingegen ist der Nationalstolz. Denn er verräth in dem damit Behafteten den Mangel an individuellen Eigenschaften, auf die er stolz seyn könnte, indem er sonst nicht zu Dem greifen würde, was er mit so vielen Millionen theilt. Wer bedeutende persönliche Vorzüge besitzt, wird vielmehr die Fehler seiner eigenen Nation, da er sie beständig vor Augen hat, am deutlichsten erkennen. Aber jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er stolz seyn könnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu seyn."
- Arthur Schopenhauer, "Parerga und Paralipomena" -

... und sind so klug als wie zuvor

Mittwoch, 13. Juni 2012

Wie mittelalterlich geprägte Unfreie in der sich formierenden Frührenaissance benehmen wir uns. Lauschen den Berichten, die uns Abenteurer aus der Neuen Welt vermitteln und staunen bass darüber. Kopfschüttelnd meist, manchmal ratlos. Denn es sind Meldungen über Wilde, über Gesellschaften, die wir als primitiv erachten. Wie einst unsere Ahnen sitzen wir in der Stube, horchen dem, was uns jemand erzählt, was der erzählt bekam von einem, der es erzählt bekam von jemanden, der einem echten Seefahrer begegnet war. Heute übernehmen diese vermittelnde Funktion meist Journalisten.

Damals horchten sie den Geschichten von dunklen, gegerbten Männern, die in ihrer Wildheit jede Kulturleistung versagten - sie spitzten tollkühnen Märchen von Gemeinwesen, die keine Struktur, keine Organisation kannten, in denen die ungezügelte Sittenlosigkeit täglich vorstellig wurde - sie vernahmen Erzählungen von brachialen Riten und brutalen Traditionen. Es waren Reiseberichte über Menschen - dessen war man sich bewusst. Schon 1537 wurden sie in einer Bulle Papst Pauls III. als veros homines bezeichnet. Sie wurden als Menschen erkannt. Und exakt dieser Umstand machte die Geschichten ja so spannend, so bestürzend und zu einem fast schon boulevardesken Ringelreigen. Wie konnte man als Mensch nur so leben?

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Verfüg-, verschiebbares Humankapital

Dienstag, 12. Juni 2012

Menschen die in Arbeitslosigkeit geraten, werden von Wirtschaft und Politik als herumschiebbare Substanz für den Arbeitsmarkt betrachtet. Diese Aussage ist nicht besonders neu. Mit welcher Chuzpe und welchem eiligem Elan aber neuerdings die Arbeitsministerin arbeitslos werdende Personen verschiebt und herumstößt, das ist man so (noch) nicht gewohnt.

Die Deutschland-PSA

Die erklärt nämlich lapidar, dass man aus den ehemaligen Beschäftigten von Schlecker Erzieherinnen machen werde. Punkt. So einfach geht das heute - freie Entscheidung, freie Berufs- und Arbeitsplatzwahl, eine Form von Qualitätsauswahl und -sichtung potenzieller Kandidaten: Fehlanzeige! Kaum arbeitslos, schon die Verfügungsmasse einer Politik, die sich als pragmatisch und anpackend auszeichnen will - kaum arbeitslos, schon herumgeschubst von einer Politikerin, die sich mittels schneller Vorschläge eine Kontur als Anpackerin verschaffen möchte. Ganz nach dem Gusto neoliberaler Statiker, versteht sich.

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