Der kommunistische Körper

Mittwoch, 8. Februar 2012

Da werden hochrationelle Diskurse verspritzt, wie die Organspende zu regeln sei: effektiv, zweckdienlich, wirtschaftlich. Dass sich jedermann bejahend zur posthumen Entnahme etwaiger seiner Organe äußern sollte: das sehen Ärzte und Ethikrat, sehen ebenso die laienhaften Befürworter der Organspende, für äußerst beschwerlich an. Gleichsam bürokratisch erschwere man hier eine ökonomisch straffer geführte Transplantationsabwicklung - Menschen müssten bloß sterben, weil sich Verstorbene vormals zu Lebzeiten nicht die Mühe machten, für das Ausweiden ihres Leibes zu votieren, weil sie keine Schürfrechte an der zurückgeblieben Hülle verliehen. Dabei sind die Psychotricks, mit denen Hinterbliebene auf Spendenkurs gebracht werden sollen, nur Dilettantismus - fachmännisch verschmitzter gehen es solche an, die auf eine Gesetzesänderung hinwirken. Entweder sollte es für jeden Bundesbürger verpflichtend werden, Ja oder Nein anzukreuzen - oder aber, jeder ist Organspender post natum, bis er diesem Status widerspricht.

Ethisches Dilemma

Die Diskussionen werden in der trockenen Metaphorik von Weltverbesserern vorgetragen. Weil sie glauben, mit ihren Absichten die Welt zu einem besseren Ort zu machen, ist am Ob gar nicht mehr zu rütteln. Nur das Wie wird debattiert. Die Pläne sind ja immerhin so rein, so gut, dass eine Grundsatzdiskussion gar nicht mehr angebracht wird. Dabei ist natürlich klar, dass Transplantationen Leben retten können. Muß aber deshalb die Praxis so protransplantatorisch umgeformt werden, dass aus den Menschen eine Art apriorisches Rohstofflager wird? Organisches Humankapital? Wo bleibt eigentlich die Ethik? Sicher, der Ethikrat empfindet es als hochgradig ethisch, wenn er empfiehlt, aus Gründen höherer Organbestände und damit verbundener Lebensrettungen durch Transplantationen, die Beschaffung von notwendigen Zellen und Gewebe zu vereinfachen. Das dient den Patienten und ist demzufolge zweifelsfrei gut. Aber ist es ethisch, den menschlichen Körper des Individuums im Sinne der "Volksgesundheit" zu einem Gegenstand ernennen zu wollen, auf den in gewisser Weise die Allgemeinheit Anspruch hat? Ist es gut und richtig, dass der Mensch a priori posthumes Abbaugebiet ist, es sei denn, er äußert sich zu Lebzeiten gegenteilig ?

Aktivistische Gesinnungsterroristen

Denn wahr ist auch, dass man durchaus aneckt, wenn man sich nicht rundweg solidarisch mit Occupy the Organs! erklärt. Wie ein Verbrechen am Nächsten wird es manchmal aufgefasst, wenn man seinen toten Körper nicht ausgeplündert wissen möchte. Man sei doch dann tot, brauche den körperlichen Talmi nicht mehr, sei doch entweder gar nicht mehr oder als seelisches Wölkchen, entweder im Raum oder nirgendwo, entweder im ewigen Seelenleben oder als Nichts im Nichts - je nach Konfession und Weltanschauung macht man die Organentnahme schmackhaft. Warum über den Tod hinaus am Körper festhalten?, fragt man dann. Spende doch; tu' Gutes auch noch, wenn du nicht mehr bist!, rät man dann. Weigert man sich, weil man beispielsweise ein schlechtes Gefühl dabei hat, sich als ausgeschlachteten Kadaver vor dem geistigen Auge zu sehen, schimpft man das gerne als Egoismus. Zu viel Anhänglichkeit an den eigenen Körper, gilt als verantwortungslos in einer Gesellschaft, die nur an lebendigen Körpern hängt; die Körperlichkeit als eine ökonomische Frage zwischen Kosten und Nutzen begreift.

Sich selbst ausreichend Würde schenken, als kompletter Torso seiner eigenen Beerdigung beiwohnen zu wollen, begreift man gesinnungsaktivistisch, gesinnungsterroristisch, wie man zuweilen ist, als Anschlag auf die allgemeine Medizin und auf den Anspruch der Allgemeinheit, möglichst lange und gesund leben zu wollen. Dass der verstorbene Körper einen selbst gehört, das will man als Anachronismus verstehen - in einer Zeit, da die Wissenschaft Leben rettet, sollte wohl auch die verstorbene körperliche Materie an die Allgemeinheit zurückgehen. Umkehrung der Eigentumswerte - eine Art organischer Kommunismus. Ein kommunistischer Körper! Was in der Wirtschaft bis aufs Blut verteidigt wird, soll bei Individualrechten nicht mehr sein dürfen. Diese ganz besondere Erbschaftssteuer kommt allen zugute - das könnte man daher ruhig gegen Ethik und Anstand als Gesetz verabschieden. So in etwa die Denkart. Man hüte sich vor denen, die es besonders gut meinen, denn ihr Handeln ist absolutistisch und jede Kritik ist damit ein Einwurf aus dem Reich des Bösen, daher rückständisch, dumm und gefährlich.

Organspende ausschließlich gut?

In Debatten zu der Erhebungspraxis ausbeutbarer Körpernachlässe sind sich alle einig, dass Organspende eine richtige Sache sei. Es wirkt fast so, als treffen in diesbezüglichen Talkrunden noch am Leben befindliche Organvorratslager aufeinander, die nur über die Organisation der Bevorratung disputierten, nicht aber über den Sinn der Lagerhaltung überhaupt. Totalverweigerung kommt ihnen gar nicht in den Sinn. Einem derart ethischem Unterfangen, darf man sich doch nicht verweigern. Man kann über das Wie und die Modalitäten quatschen - aber die einzige akzeptable Wahrheit ist: der tote Körper hat eine Funktion, die er verdammt nochmal auch erfüllen soll. Deutlicher: der Körperhalter hat seiner Verantwortung vor der Gesellschaft nachzukommen. Organspende ist schließlich gut - und weil dem so ist, muß man mitmachen.

Nun kann man zur Organspende stehen wie man will. Vermutlich ist sie so schlecht wie sie gut ist. Vor- und Nachteile, Pro und Contra: Abwägen letztlich, wie alles hienieden abwägbar ist. Organspende hat die ars moriendi, den Umgang mit dem Tod, einmal mehr aus unserem Alltagsleben gelöst. Siechtum wird an die Peripherie unserer Gesellschaft verfrachtet. Insofern haben religiöse Kritiker der modernen Medizin durchaus recht, denn der Sterbende wird heute nicht mehr als zum Leben zugehörig empfunden, sondern als austherapierter Sonderfall, dem man möglichst wenig begegnen möchte. Aber natürlich kann man nicht sagen, dass Organspende daher per se verwerflich ist. Sie nutzt ja offensichtlich Menschen, spendet ihnen nochmals Lebenszeit - das ist nicht zu verachten, denn das wäre letztlich tatsächlich unmoralisch. Gleichwohl ist der Betrieb um die Organspende aber als eine ausschließlich persönliche Entscheidung zu sehen. Für den Spender wie für den Empfänger auch. Es gibt genug Menschen, die ein neues Organ nicht wollen - und es gibt Menschen, die sich aus vielerlei Gründen nicht posthum zerpflücken lassen möchten.

Die krude Theorie der Befürworter ist ungültig

Selbst wenn es keine Gründe gibt, mit der man die Ablehnung rechtfertigen könnte, so hebt dies das Monopol am eigenen Körper doch nicht auf. Diese Entscheidung ist unangreifbar - sie darf auch nicht als Entscheidung dagegen verstanden werden. Erstens sollte der Mensch a priori Nichtspender sein, bis er sich anders äußert, womit man sich schon mal nicht explizit dagegen aussprechen muß. Und zweitens ist selbst eine bewusste Entscheidung gegen die Organentnahme nach dem Ableben keine Entscheidung gegen die Lebensansprüche eines anderen Menschen, der ein solches Organ benötigte. Anders gesagt: wenn ich mich weigere, mein Herz nach dem Tod zur Verfügung zu stellen, dann verweigere ich einem Herzpatienten damit nicht sein Weiterleben, ich entscheide mich lediglich für die Vollständigkeit meiner sterblichen Überreste, meines Körpers letzthin. Darüber frei zu verfügen, das ist nicht Verweigerung, es ist vielmehr posthume Körperbejahung und auch im Tode legitim. So gesehen die Allumfassenheit von Körper und Geist, die selbst nach dem Ableben erhalten bleiben kann und darf.

Die krude Theorie der Befürworter eines generellen Organspendengebotes enteignen den Körper - den toten Körper, um ehrlich und genau zu sein. Das mindert den Raub jedoch nicht. Sie rauben die Ansprüche desjenigen, der sein Leben mit diesem Körper verbrachte und überstellen ihn den Allgemeinheit. Dagegen gilt es sich entschieden zu wehren. Solche Absichten sind die geistige Vorstufe derer, die in den Favelas junge Kinder rauben und ausschlachten, um in den reichen Industrienationen deren Innereien zu verscherbeln. Im Angesicht dieses Leides, das manchem Kind in Südamerika widerfährt, wäre die Organspende generell zu überdenken - auch das wäre ein Ansatz für einen Rat, der sich Ethikrat nennen möchte. Aber hier wagt sich niemand ran...



31 Kommentare:

Anonym 8. Februar 2012 um 07:51  

„Solche Absichten sind die geistige Vorstufe derer, die in den Favelas junge Kinder rauben und ausschlachten, um in den reichen Industrienationen deren Innereien zu verscherbeln. Im Angesicht dieses Leides, das manchem Kind in Südamerika widerfährt, wäre die Organspende generell zu überdenken ...“

Da kann ich Ihnen nur Recht geben. Angesichts dieses Wahnsinns, dass Kinder, Arme, "Verbrecher" (in China), Flüchtlinge (siehe Link) als Organ-Ersatzteillager mißbraucht werden, lehne ich die Organspende rigoros ab. Da dreht sich bei mir der Magen um. Da kommt mir das kotzen. Nur in Ausnahmefällen - Spende für einen nahen Angehörigen - ist das für mich akzeptabel.
Auch die Organtransplantation ist ein Teil des westlichen, faustischen Machbarkeitswahns. Man sollte nicht vergessen: Auch die Menschen, die ein Organ bekommen, müssen sterben! Wäre es da nicht besser, man würde sich beizeiten mit dem eigenen Tod auseinandersetzen? Auch hier zeigt sich, wie durch und durch krank die westliche Gesellschaft ist - Verdrängung des Todes. FRANZ von Assisi bezeichnete den Tod als "Bruder Tod". FRANZ war 44 Jahre alt, als sein Bruder kam, er legte sich auf die bloße Erde - Erde zu Erde - und starb.


http://www.welt.de/politik/ausland/article13723382/Das-blutige-Geschaeft-mit-Organen-vor-Israels-Grenze.html

Anton Reiser

Anonym 8. Februar 2012 um 08:04  

Bonjour,

ob es daran liegt, daß ich selbst keinen großen Wert mehr auf ein langes Leben in dieser enthumanisierten Welt lege?
Meine Entscheidung ist ein klares NEIN zu der Verwertung meines Körpers!
Ich spende meine Hülle, meine Organe und meine Knochen nur Wesen, die weniger korrupt und machtgierig sind als Menschen.

Mögen nach meinem Tod sich die Würmer und Käfer mal genüsslich sattessen!
So profitieren wenigstens nützliche und soziale Wesen von meinen Resten.

A la prochaîne


Christine Reichelt

Anonym 8. Februar 2012 um 08:37  

Zum Zwecke einer möglichst frühen Entnahme noch vitaler Organe hat man den Begriff des "Hirntods" konstruiert.

In anderen europ. Ländern kennt man dieses Wort genau so wenig wie den "Lebertod", den "Herztod" oder den "Nierentod".

Dagegen wird häufig als Verlegenheitsdiagnose "Herzversagen" genannt, an dem wir ja schließlich alle einmal sterben werden, denn ich kenne keinen, der nach Beendigung der Herztätigkeit noch weiterlebte.

hercule 8. Februar 2012 um 08:46  

Das Jammern über die fehlenden Organspender ist an Heuchelei kaum zu überbieten. In einer Gesellschaft, in sogar die Notdurft kostenpflichtig ist, wird plötzlich der Altruismus bemüht. Das erscheint allen Bürgern verdächtig, denen man beigebracht hat, sich so teuer wie möglich zu verkaufen. Ebenso wie beim viel gelobten Ehrenamt liegt es auf der Hand, dass es vor allem darum geht. Geld zu sparen. Es ist wie in den amerikanischen Schlachthöfen: Selbst der Todesschrei der Schweine läßt sich noch zu Geld machen...

Anonym 8. Februar 2012 um 09:03  

Lieber Roberto,

Dein heutiger Essay hat mich sehr angerührt, weil ich – wie Christine wohl auch! – oft über dieses Thema nachdenke: Wie sehr hänge ich am Leben? Was wäre ich bereit zu riskieren, um ein paar Jahre mehr herauszuschinden? Und wie sähe es aus, wenn es dabei nicht um mich selbst ginge, sondern um eines meiner Kinder?
In Wirklichkeit ist es ja wohl auch nicht so, dass nun wirklich JEDER Hinz und Kunz seine Organe spenden soll oder kann. Gefragt sind die Herzen, Nieren, Netzhäute etc. ja nur von gesunden Menschen: leichtsinnigen jungen Motorradfahrern etwa (oder auch Kindern, wie Du schreibst). Oder, wie Gerüchte besagen, womöglich noch von aufmüpfigen Palästinensern in Israel oder Roma in Makedonien oder Hühnerdieben in China.
Wer ein gewisses Alter mitsamt den zugehörigen Gebresten erreicht hat, lagert vermutlich keine verwertbaren Ersatzteile mehr in seiner sterblichen Hülle und hat gut klugschietern…
Was mich an dieser Diskussion stört, die eigentlich keine ist, weil sich hier jeder auf die Seite der Guten, der Transplantationsbefürworter, drängelt: Grundsätzlich tut man so, als würde JEDE Transplantation dem Empfänger das Leben retten. Wovon man nie etwas hört oder liest, sind Fälle, in denen jemand TROTZ Transplantation elend zugrunde ging.
Ja, die gibt es nämlich auch, und womöglich gar nicht so selten.
Ich weiß von einem kleinen Mädchen aus unserem Landkreis, das vor einigen Jahren schwer herzkrank wurde – übrigens als Folge einer Herzmuskelentzündung nach, ganz banal, einer verschleppten Blasenentzündung. Nach etlichen grausamen Monaten des Hoffens und Bangens (besonders schrecklich natürlich für die Eltern, deren Ehe daran letztlich zerbrochen ist) verunglückte (endlich! wie man wohl zynisch sagen muss) ein passendes Spenderkind, und das kleine Mädchen bekam sein neues Herz.
Leider stieß ihr Körper dieses Organ ab, obwohl es doch alle theoretischen Anforderungen für ein optimales Transplantat erfüllte. Und das kleine Mädchen starb schließlich, obwohl die Ärzte der Medizinischen Hochschule ihm, wenn ich mich recht erinnere, sogar noch ein zweites „neues“ Herz einsetzten. Es hat sich letzten Endes nur ein halbes Jahr länger im Krankenhaus gequält.
Natürlich – sowas weiß man erst hinterher, und Eltern, die erfahren, dass ihr Kind dem Tod geweiht ist und seine einzige Überlebenschance in einem Spenderorgan besteht, greifen verständlicherweise ohne jedes Zögern nach diesem Strohhalm. Aber, nun ja, man sollte eben auch bedenken: Es ist wirklich eher ein Strohhalm als ein prall aufgeblasener Rettungsring…

Liebe Grüße
Saby

ad sinistram 8. Februar 2012 um 09:15  

Letztlich, liebe Saby, unterstreicht das nur, dass die ars moriendi verlorengegangen ist - man darf sie natürlich nicht verherrlichen, aber es zeigt auch, dass das Abwägen zwischen Leben und Tod tabuisiert wurde. Tatsächlich wollte ich einwerfen, dass nicht alle Transplatationen zielführend, also lebensverlängernd sind - jedenfalls nicht nachhaltig. Aber das war nicht die Intention des Textes. Der war: Es ist kriminell, den Körper seines Nächsten als potenzielles Ersatzteillager anzusehen, auch wenn viele Menschen als so ein Lager gar nicht in Betracht kommen, weil sie selbst zerschunden sind. Aber da geht es um die Tendenz und um den Aspekt, dass es Gutmenschelei (ich gebrauche den Begriff nicht gerne, aber hier passt er zu gut) gibt, die radikal verfügt, dass einfach jeder muß, wenn er nicht widerspricht.

Anonym 8. Februar 2012 um 09:53  

Vielen Menschen ist offebar nicht klar, welche Tendenzen zur Zeit im Gange sind: ACTA, Facebook, Patente auf Leben und nun noch die angestrebte Organspenderpflicht.
Es sind meistens globale Konzerne, welche Druck machen. Deshalb sind warnende Mahner wichtig. Auch wenn die Entwicklungen letzlich nicht aufgehalten werden können.

der Herr Karl

Anonym 8. Februar 2012 um 11:16  

Bezeichnend ist ebenfalls, dass man den freilaufenden Organregalen - landläufig als Menschen bezeichnet - von keiner Seite eine umfassende Aufklärung zukommen lässt.

Weder die Vergabevereine (Eurotransplant, DSO) noch Krankenkassen und schon gar nicht die Polik informiert den zukünftigen Pflicht-Organ-"Spender" darüber, dass mit dem gesetzlich verordneten Organhandel tüchtig Geld verdient wird.

Sei es die Pharma-Industrie, die den Organempfänger nach Erhalt "seines" biologischen Ersatzteils oft lebenslang mit Medikamenten vor dem Verlust Organs bewahren darf/muss.

Die Vergabe- bzw. Koordinationsvereine arbeiten in letzter Instanz auch nicht aus reiner Organ- *hüstel* Menschenliebe. Diese werden aus Kassenbeiträgen bzw. über eine Pauschale pro Organ finanziert.

Daher kann ich diesen Instanzen schon mal gar nicht die Nächstenliebe zusprechen. Mit Masse macht man Kasse...

Und das zu guter Letzt die Politiker eine Zwangsverpflichtung für "Organspenden" durchsetzen (wollen), selbstverständich nur zum Wohl ihres (Ersatzteil-) Volkes wundert mich kaum noch. Sicher sind noch lukrative Posten für systemkonforme Taschenfüller - ähm Politiker - in dieser Branche frei.

Diese ganze Transplatation-Wesen ist dermassen intranzparent, dass ich inzwischen nicht mal an eine faire Vergabe der Organe glauben mag. Wundern würde es mich jedenfalls nicht, wenn Dank unseres Mehrklassen-Krankensystems ein etwas verkürztes Prozedere für Privat-Versicherte existieren würde.

Alles in allem bleibt mir bei diesem Thema immer ein fahler Geschmack haften, wenn ich das Wort Organ im Zusammenhang mit "Spende" lese oder höre.

Mit freundlichen Grüßen
Stephan

ad sinistram 8. Februar 2012 um 11:48  

Mal etwas in Facebook gestöbert. Da gibt es eine Gruppe für Organspende. Ist ja auch in Ordnung. Was da aber für Radikalinskis rumrennen, erschreckt doch. Organspendepflicht, Schelte aller, die nicht spenden wollen... ich meine, ich wußte vorher, was da so kreucht und fleucht, aber manchmal ist die Phantasie ein fader Abklatsch der Realität - die Frechheit, die sich Mitmenschlichkeit nennt, kennt keine Grenze, sie würde auch den Menschen von seinen Körper enteignen.

Anonym 8. Februar 2012 um 12:51  

man muss menschen zu guten taten zwingen. deswegen ist eine spendenpflicht als gesetz wichtig. wer gutes tut darf alles!!!

Anonym 8. Februar 2012 um 13:37  

Ich war viele Jahre aus Gründen der Nächstenliebe bereit, meine Organe zu spenden und trug immer meinen Organspenderausweis mit mir herum. Ich war überzeugt davon und habe mich - das gebe ich zu - moralisch über diejenigen erhoben, die sich nicht zur Organspende bereit erklärten.

Dann habe ich herausgefunden, dass auf meinem Organspendeausweis eine dicke, fette Lüge stand. Dort stand, dass nach meinem Tod meine Organe entnommen werden dürfen. Nur - wen interessieren die Organe einer Toten? Es handelt sich eben nicht um Tote, sondern um Sterbende! Das Hirntod-Kriterium ist nicht unangreifbar, sondern massiv umstritten!

Siehe beispielsweise :

http://www.bpb.de/publikationen/NWBGPO,0,Wie_tot_sind_Hirntote_Alte_Frage_neue_Antworten.html

(ein Link der Bundeszentrale für politische Bildung).

Kurz gesagt, es kann einem niemand garantieren, dass man nicht furchtbare Schmerzen erleidet bei der Extransplantation. In anderen Ländern, beispielsweise der Schweiz ist eine Vollnarkose gesetzlich vorgeschrieben - in Deutschland nicht. Allerdings spritzen die Anästhesisten Mittel zur Muskelrelaxans.....

Damit ist für mich in Sachen Organspende alles klar. Ich spende nicht und ich werde auch keine Organspenden annehmen. Ich könnte nicht mit der Vorstellung leben, dass ein anderer Mensch wegen mir unerträgliche Schmerzen erleiden musste.

Der Tod ist nicht das Schlimmste....

Anonym 8. Februar 2012 um 13:59  

Danke für diesen Artikel.

Nach dem Link von "Sinai" kann ich nur eins sagen: ich bin entsetzt.


Was sind das nur für Ärzte, die sich für so eine zutiefst verachtende, mörderische Handlung
hingeben ?

Welche Grausamkeiten stehen in diesem menschenverachtenden System noch auf dem Plan ?

mit traurigem Gruß
Hartmut

Anonym 8. Februar 2012 um 14:07  

wovon absolut abzuraten ist:

als hartz4mensch mit einem organ"spende"ausweis im gepäck in eine klinik einzureiten...

hat doch schon mal so ein gutmensch vorgeschlagen, hartz4leute könnten ihr schmales budget mit einer "frei"willigen organ"spende" aufbessern. ich glaube, dass sterben lassen im op und anschliessendes ausschlachten jetzt schon vorkommt.

Dirk 8. Februar 2012 um 14:41  

Zwang ist ja wohl das Allerletzte...

Ich möchte jedoch zu Bedenken geben, dass die unappetitlichen Auswüchse in Sachen Organspende insbesondere in den armen Gegenden dieser Welt nicht zuletzt natürlich auch darauf zurückzuführen sind, dass es gerade im "entwickelten" Westen kaum Bereitschaft zur Spende (außer, es betrifft die Verwandten) gibt. Ich würde auch nicht die Organspende an sich verteufeln, sondern viel eher die momentan angewendete Praxis, die letztendlich ja auch nur EIN Beispiel für die Bestrebungenn der Herrschenden hin zu einer total durchökonomisierten Welt ist.

Anonym 8. Februar 2012 um 15:01  

Hallo zusammen,

1. Die Pflicht zur Spende hat den Vorteil, dass man immer Organe entnehmen kann. (Man hat den Nichtspender-Ausweis nicht gefunden.)
2. Sind Patientenverfügungen mittlerweile verpflichtend? Oder darf die Medizin immer noch über den Kopf des Patienten anders entscheiden?
3. Wer sich per Patientenverfügung gegen lebensverlängernde Maßnahmen entscheidet aber für eine Organspende, der handelt widerspüchlich. Die lebensverlängernde Maßnahme ist notwendig, damit das Organ frisch bleibt.

Grüße
Klotzkopf

Anonym 8. Februar 2012 um 15:56  

Durch die zunehmende Privatisierung von
Krankenhäusern wächst der Druck, und es spielen kommerzielle Interessen eine immer größere Rolle. Nicht auszudenken […], welche Synergien durch so eine Organfledderei bei "Hirntoten" entstehen könnten.

Anonym 8. Februar 2012 um 16:31  

man soll nicht nur organspendepflicht einführn. man muss auch rauchverbot bestimmen. damit die organe gesund bleiben und gespendet werden konnen.

klaus baum 8. Februar 2012 um 17:49  

es gab vor zirka 6 jahren eine kampagne gegen die kinderlosigkeit von frauen im optimalen gebäralter.
eine nachbarin, zirka 30 jahre alt, sagte, diese kampagne mache ihr ein schlechtes gewissen, dass sie noch kein(e) kind(er) hätte.
du beschreibst etwas ähnliches: schlechtes gewissen, weil man noch im tod an seinen organen festhält.

das führt einerseits auf die gewissensmacher, allgemeiner jedoch auf das phänomen der bewußtseinsindustrie.
die tendenzmacher haben unser bewußtsein fast völlig im griff. benötigen profiteure organe, gibt es eine kampagne dafür, organe zu spenden, zu verkaufen.
sollen wir die merkel wählen, werden uns ihre vermeintlichen verdienste täglich eingehämmert .... usw.
dass wir uns täglich so manipulieren lassen, ist der eigentliche skandal.

Anonym 8. Februar 2012 um 18:17  

Ein Mensch unter "anderen" Menschen:

Das Licht der Welt erblickt bedeutet, stets nützlich und voll verwertbar für "andere" Menschen sein zu müssen.

Geboren, um Liebe zu schenken. Gelebt, um stets zu leisten. Gestorben, um ausgenommen zu werden.

Wir wären wohl eine sehr selbst verzehrende Spezies. Rücken weit ab von der Achtung vor dem Leben eines jeden Einzelnen selbst.

Doch wer verzehrt? Das sind scheinbar "andere". Demzufolge gibt es wohl eher "Menschen" und "Andere", statt Menschen und andere Menschen, oder nicht?

landbewohner 8. Februar 2012 um 18:48  

das sterben ist nun einmal teil des menschlichen lebens und ich denke damit sollte sich jedermann abfinden, auch wenn der tod manchmal überraschend und ungerecht daherkommt.
dazu kommt dann noch die ständig zutage tretende kriminalität sobald der faktor geld im spiel ist. und während auf der einen seite über rationierung nachgedacht, bzw diese schon angewandt wird, soll die doch recht teure transplantation von organen ausgeweitet werden. warum kommt mir da nur der gedanke, daß hier der ärmere "unnütze" teil der gesellschaft zum erstzteillager für die "leistungsträger" umfunktioniert werden soll.

Anonym 8. Februar 2012 um 19:08  

Ein guter Artikel, er hat nur eine Schwäche. Vitale Organe können nicht nach dem Tod gespendet werden. Der Körper des Spenders muss leben. Deshalb wird der Organspender auch bei der Entnahme narkotisiert (analgosediert).
Mittlerweile werden auch von vielen Ärzten Hirntote nicht mehr als tot bezeichnet. Wissenschaftler der Harvard Medical School wollen die Organentnahme als "justified killing" bezeichnen. Das klingt zwar brutal, ist aber zumindest ehrlich.

Peter 8. Februar 2012 um 19:56  

Normalerweiser lese ich in hiesigem Blog nur schweigsam mit. Bei diesem Beitrag + Kommentaren fühle ich mich jedoch gezwungen, auch einmal meinen Senf in die Mayonnaise zu geben.

@Roberto J. De Lapuente:
Dass die Diskission über Pro & Contra des Bestimmungsrecht am eigenen Körper im Falle einer Organspende schwer zu führen ist, dürfte klar sein. Diese Diskussion auf jedoch nicht "trocken" und "[hoch]rationell" zu führen, halte ich für wenig hilfreich. Man kann auch ethische Bedenken durchaus in dieser Weise vortragen, und muss dafür nicht (hoch)emotionale, irrationelle oder ideologische Ausfälle bemühen.

Ich bin ebenfalls der Meinung, dass jeder für sich selbst entscheiden soll, ob mensch seine Organe und Gewebe spenden will oder nicht. Der schon lange verfügbare "Organspenderausweis" bietet hierfür eine meiner Meinung nach ausreichende Willensbeurkundung. Auch mit der Option der ausdrücklichen Ablehnung jeglicher Spende. Von mir aus könnte man diesen Ausweis auch in den elektronischen Personalausweis bzw. die Krankenversicherungskarte integrieren. Dies hätte den Vorteile, dass die Menschen ab und zu (bei Ummeldung, Neubeantragung) dazu angehalten wären, sich über den Verbleib ihres Körpers Gedanken zu machen.

Dieses fehlende Denken über das eigene Dasein und das, was man hinterlässt, sehe ich drängender und ausschlaggebender an, als die von ihnen vorgebrachten Argumente wider die Vereinnahmung für die Volksgesundheit, die kapitalistische Ausschlachtung der Toten und den westlichen Körperkult.

Es geht bei dieser Debatte weniger darum, riesige Ersatzteillager für den siechen Volkskörper aufzubauen, sondern mehr, den Menschen eine bewusste Entscheidung abzunehmen, die sie (scheinbar) in nicht ausreichendem Maße gewillt sind zu treffen. Wie diese Entscheidung ausfällt, sollte nicht be- oder gar verurteilt werden.

Im Spendenfall werden Organe grundsätzlich nur dann entnommen, wenn sie benötigt werden. Eine Lagerung "auf Bedarf und Vorrat" findet meines Wissens nach nicht statt.
Und wo wir gerade bei der Medizin sind: Der Hirntod ist mitnichten eine wortwitzige Konstruktion, sondern im Gegensatz zum genannten Herzstillstand / Herztod das wirkliche Lebensende.
Wer etwas anderes behauptet, hat wahrscheinlich noch nie eine erfolgreiche Defibrillation bzw. Herzdruckmassage erlebt.

Ob der westliche Körperkult so viel schlimmer ist als ein hier scheinbar verbreiteter misantropher Leichenkult ( alá "Ich will wenn dann schon 'ne schöne Leich' sein, an der sich die Würmer ergötzen können") mag ich auch nicht bejahen.
Und Organspenden für den illegalen Organhandel (mit)verantwortlich zu machen, ist wirklich das Hinterletzte. Soll man wirklich alles abschaffen und verbieten, sobald ein paar Verantwortungslose versuchen daraus illegal Kapital zu schlagen?

Ehrlich, Leute, anstatt über Kapitalimus, Entrechtung, Bürokratimus und andere Verbrechen gegen die Menschlickeit herumzuzetern, solltet ihr lieber raus gehen und daran was ändern. -.-

Just my 2 cents,
Peter

PS: Ja, ich bin Organspender. Mit Ausweis. Und das ist auch gut so.
Wenn jemand mit meinen Organen wenigstens noch ein paar schöne Tage erleben kann, dann soll er das tun.

Anonym 9. Februar 2012 um 06:36  

Die Vernunft, bzw. die hochgelobte Rationalität und Sachlichkeit hat Kant bereits infrage gestellt, Metzinger tut es und ich tue es auch; eine der größten Menschheitslügen. Oft genutzt, um eine Seite zu übervorteilen. Die Gefühle anderer sind uns lästig, stehen den Zielen unserer „rationalen“ Forderungen im Wege. Alles andere ist eine Lüge, Makulatur.

@Peter
Dass die Diskission über Pro & Contra des Bestimmungsrecht am eigenen Körper im Falle einer Organspende ... Dass eine solche Diskussion, Bestimmungsrecht über den eigenen Körper, überhaupt zu führen ist, entbehrt schon jeder rationalen Grundlage. Wer über den Körper anderer zu bestimmen/herrschen wünscht, handelt nicht rational. Rational wäre, einfach zu sterben, wenn die Zeit gekommen ist (der Natur als Organismus würde ich eine gewisse Rationalität einräumen, nicht dem Menschen). Doch dem stehen Überlebenstriebe (nicht Sachlichkeit) entgegen. Gleiches Recht für alle, würde ich da formulieren.

In Erwägung zu ziehen, daraus ein Gesetz zu machen, ist kein rationaler, völlig sachlicher Beweggrund. Suchen Sie einen solchen, Sie werden ihn nicht finden. Der Faktor um den es sich dreht: Überleben wollen, Angst vor dem Tod; bei Angehörigen Angst vor Verlust. Die Ärzte wollen helfen/Erfolge ... und natürlich verdienen.

Da krankt es schon. Es steht sich gegenüber: Hyperemotional der Wunsch nach Überleben/keinen Verlust zu erleiden/Leben retten und die nicht freiwilligen/zwangsverpflichteten Spender haben sich emotional zurückzuhalten. Es wird auf Sachlichkeit verwiesen (welcher Seite dies am meisten von Nutzen ist, versteht sich von selbst). Und jetzt kommt das Paradoxe: in dem man auch noch an Gewissen appelliert.

Drehe den Spieß jetzt einfach mal um, appelliere an die Sachlichkeit. Erklären Sie mir rein rational, logisch, sachlich, wieso ein Mensch, so er organisch vom Tode bedroht ist, unbedingt überleben muss. Wenn Ihnen nach 30 Std. immer noch kein rein sachlicher Grund eingefallen ist, liegt das daran, dass es keinen gibt. Es sei denn, sie beginnen damit – und das möchte man ja verhindern – einzuteilen, in Lebenswertigkeiten. Dieser Mensch ist werter zu leben, als der andere, deswegen muss man ihn einfach retten um jeden Preis. Und auch da nähern wir uns längst den Empfindungen. Eigentlich ist nichts rein sachlich, was der Mensch so tut, das glaubt er nur. Sie i.Ü. auch. Sie haben hier keinen sachlichen, rein rationalen Grund für Ihren Einwurf; Sie fühlen sich gestört/belästigt/überfordert (was auch immer …) in dieser Form zu diskutieren. Wären Sie rein sachlich, hätten sie sich den Vorwurf erspart; die Reaktionen verstehen sich logisch von selbst und so würden sie das logisch-rational-sachlich kompensieren/steuern können ; doch Sie fühlten den Drang zu schreiben.

Hier geht es nicht darum, ob jemand Organspender sein möchte, denn dann hat er das mit seinen Emotionen abgemacht. Sondern darum, ob man Organspender sein muss, eine Zwangsverpflichtung. Dass Spender andere davon zu überzeugen wünschen, ist ebenfalls nicht rein rational.

Diese Diskussion auf jedoch nicht "trocken" und "[hoch]rationell" zu führen .. Hochemotional sollte man diskutieren, denn ausschließlich um hyperemotional geht es, für beide Seiten. Man hat ein Recht darauf, sich als Besitzer des Körper zu fühlen und dies derart emotional zu verteidigen.

Wer diese Sachlichkeit fordert, wünscht seinen Willen durchzusetzen, sich einen unlauteren Vorteil zu verschaffen. Und hat nebenbei die Folgen – und sie wissen nicht, was sie tun – nicht bis zum Ende durchdacht. Eines führt zum anderen, tut es immer, so ist es jetzt schon. Sonst gäbe es den Organhandel-Schwarzmarkt nicht. Wenn man hier die Freiwilligkeitsbasis gleich von Rechtswegen abschafft … schmeißen wir die letzten Zipfel des Sozialen im Wesen Mensch über Bord und nähern uns dem Kannibalismus (passiert recht häufig, bevor sich eine Spezies ganz ausrottet). Wollen wir hoffen, wir müssten uns niemals in diesem Leben an solche Worte erinnern.

Anonym 9. Februar 2012 um 06:42  

@Peter
Illegale Organausschlachtung und legale Organtransplantationen muss man durchaus zusammen sehen. Nach der "Philosophie" des Kapitalismus - Utilitarismus [BENTHAMs "Das größte Glück der größten Zahl (greatest-happiness-principle)" - BENTHAM stellte übrigens seinen Leichnam zur weiteren Verwertung zur Verfügung] muss man beide Tatsachen (Die Reichen benutzen die Armen als Ersatzteillager + legale Transplantationen) zusammen sehen. Die Frage lautet: Wird durch die Fähigkeit des Menschen, Organe zu transplantieren, das Glück der Gesamt-Gesellschaft erhöht. Meine Antwort ist eindeutig: NEIN! Das Gesamt-Elend wurde erhöht - allein wenn ich den Sinai-Artikel lese, dreht es mir den Magen um. Im Kosovo soll sogar der Staatspräsident im Organhandel mit serbischen Gefangenen verwickelt sein. Anstatt etwas gegen Malaria zu tun (das würde "das größte Glück der größten Zahl" erhöhen) - dazu benötigt man vergleichsweise wenig Geld - werden aberwitzig teure Operationen durchgeführt. Ein Beweis mehr für die völlige Dekadenz des Westens, der nur auf Kosten der dritten Welt lebt und gleichzeitig etwas von Menschenrechten faselt.

Anton Reiser

Anonym 9. Februar 2012 um 07:38  

@Anonym 6:36

Ein Super Dankeschön für Ihre Ausführungen !

Dies ist einer der besten, wenn nicht der beste Beitrag (Kommentar),den ich hier gelesen habe.

Viele, dankende Grüße
Hartmut

flavo 9. Februar 2012 um 08:56  

Ganz abgesehen davon, dass es mit der Todesfestellung so einfach nicht ist und man so oder so von einer 2-stelligen Prozentzahl ausgehen kann, bei der der Tote nur vermeintlich tot ist. Einem Lebenden werden in einem solchen Fall dann Organe entnommen, damit der andere überlebe und er sterbe.
Ars moriendi wird wohl der Drehpunkt dieses Problems sein. Vermutlich ist es am weisesten, die Organspenderei explizit in der Freiwilligkeit zu belassen. Man muss anerkennen, dass es die Möglichkeit der Transplantation gibt und dadurch Menschen, deren einzige Rettung dies wäre, darauf hoffen, eine solche zu erhalten. Andererseits gibt es Menschen, die ihre Organe zur Verfügung stellen. Dies ist ja auch nicht ganz ao abwegig. Aber alle tun es wiederum nicht. Man wird hier wohl nie eine endgültige Begründung finden können, die das Prinzip der Selbstbestimmung über den eigenen Körper unterwandern sollte.
Man muss auch sehen, dass dieses Problem bei den Betroffenen und deren Angehörigen gemäß den herrschenden Lebensführungsschemata verarbeitet wird. Auch hier kommt alsbald ein rechnerischer Geist, ein optimierender, eine managerialer Geist zum Tragen und greift immer weiter aus, bis es genug Organe gibt und alles effizient und schnell über die Bühne gibt. Die Organspender sind die grosse Masse, die desorganisierten Arbeitsspender, die Energiemaden, die im Käfig gegen einander Strampeln und niemals zusammen gegen den Käfig strampeln.
Und natürlich, wenn man Gutes tun will und sich als Wahrnehmer der Übel in der Welt herausstreichen will, es gibt genug anderes, auch medizinisch Affines.

Anonym 11. Februar 2012 um 19:00  

Oh, es macht mich ganz, ganz wütend!
Der Artikel selbst genauso wie die Kommentare der Menschen darunter, die meinen, eine humanistische Weisheit für sich gepachtet zu haben...
Allein die Aussage: "Wenn die Widerspruchsregelung eingeführt wird, sind wir fast so weit wie China etc., wo Kinder ausgeweidet und ihre Organe in den Industrieländern "verscherbelt" werden..."

Organspende in Deutschland ist NICHT kommerziell! Es verdient niemand daran, außer den Menschen, die länger leben dürfen, weil jemand freiwillig (!) eine Organspende zugelassen hat. Sich gegen die Möglichkeit einer Organspende zu entscheiden, bleibt weiterhin jedem überlassen.

Dieses Getue, als würde man (wie zum Steuern-zahlen) vom Staat zur Organspende gezwungen...

Und das ständige Verwechseln von Lebendspenden (die in D möglichst gar nicht und wenn, dann nur in akuten Fällen und bei direkten Verwandten durchgeführt werden) mit den Organentnahmen nach festgestelltem Hirntod. Dass das komplett gleichgesetzt wird, spricht für polemische Dummheit der Eiferer.

ich lese ab und zu den schönen Blog "Kids and me", wo ein Pädiater ähnliche Erlebnisse mit menschlicher Verbohrtheit und blinder Beeinflussbarkeit durch verdummende Medien schildert - speziell zum Thema Impfung. Und ich muss sagen, dass ich da gewisse Parallelen sehe...

(Ach, ich möchte mal einen der Organspende-ablehnenden Menschen erleben, dessen enger Angehöriger dringend eine Organspende benötigt, um weiterleben zu können. Sowas soll ja vorkommen.)

Wissenschaftlicher Fortschritt öffnet neue Türen, und diese mögen nicht immer angenehm sein, weil mensch da ab und zu nachdenken muss, wo es früher keine Entscheidungsfreiheit gab. Das eigenständige Denken an dieser Stelle abzuschaffen und generell alle Aspekte von Organspenden zu verteufeln, klingt (wie in allen anderen Bereichen auch) wie die bequemst(!)mögliche Lösung.

ThorstenV 13. Februar 2012 um 23:25  

Wer sind denn dieses Leute, die einen Organspendezwang fordern? Leider nennt der Artikel keine Namen und Fakten hierzu. Oder ist nur gemeint, dass die Spende der Default sein soll, wenn sich jemand nicht äußert? Ist das dann schon Zwang? Die breite Mehrheit scheint mir der Auffassung zu sein, dass es jedem freistehen muss eine Spende abzulehnen. Mir ist jedenfalls nicht geläufig, das irgendwer von Bedeutung das anders sieht.

Das andere seine Entscheidung für ethisch falsch halten und das auch deutlich artikulieren, muss der mündige Bürger aushalten können.

Beim Hirntod, ist die Problematik auch, dass die Definition des Todes aus einer Zeit stammt, als die Unterscheidung tot/lebendig noch leicht war und für alle praktisch vorkommenden Fälle problemlos möglich. Definitionen kann man natürlich ändern und auch statt zwei nun drei Zustände lebend/sterbend/tot oder sogar noch mehr einführen, aber sinnvollen Gehalt hat das nur, wenn man es zusammen damit betrachtet, wie dieses verschiedenen Stufen ethisch einzuordnen sind.

Beispielsweise ist der Hirntod auch das Kriterium für die Mediziner, lebenserhaltende Maßnahmen einzustellen. Hier kommt es dann dazu, dass der Organspender dann sogar länger am Leben erhalten wird. Wie soll man also dann zukünftig intensivmedizinisch mit Hirntoten umgehen? Sind diese weiter zu behandeln, was ja jetzt schon über Wochen oder gar Monate hin möglich ist und sich durch den Fortschritt immer weiter in die Zukunft erstecken wird?

ThorstenV 14. Februar 2012 um 00:20  

Wird durch die Fähigkeit des Menschen, Organe zu transplantieren, das Glück der Gesamt-Gesellschaft erhöht. Meine Antwort ist eindeutig: NEIN!

Meine Antwort: Das hängt vom umgebenden Gesellschaftssystem ab.

werden aberwitzig teure Operationen durchgeführt. Ein Beweis mehr für die völlige Dekadenz des Westens, der nur auf Kosten der dritten Welt lebt und gleichzeitig etwas von Menschenrechten faselt.

Wenn man von der Gleichwertigkeit jedes menschlichen Lebens ausgeht, kann es aus utilitaristischer Sicht geboten sein, die Medizinkosten stattdessen zum größten Teil in die Entwicklungshilfe zu stecken. Das hat allerdings nur mehr wenig mit Transplantation zu tun, nämlich nur mehr insofern als diese eine von vielen der teuren Behandlungsmethoden ist.

Siehe hierzu und zu Problem der Umsetzungh, Peter Singer, Praktische Ethik.

ThorstenV 14. Februar 2012 um 00:39  

@ Anonym 9. Februar 2012 06:36

Rational wäre, einfach zu sterben, wenn die Zeit gekommen ist

Wie bestimmt sich das, dass "die Zeit gekommen ist"? Ist bei einem Tumor die Zeit gekommen? Bei einer Infektion? Wenn der Lastwagen auf einen zukommt?

(der Natur als Organismus würde ich eine gewisse Rationalität einräumen, nicht dem Menschen).

Die objektive Grundlage dafür kann ich nicht erkennen.

Erklären Sie mir rein rational, logisch, sachlich, wieso ein Mensch, so er organisch vom Tode bedroht ist, unbedingt überleben muss.

Muss er das? Jeder hat das Recht medizinische Behandlung abzulehnen. Das einzige Problem hier ist, das mitunter Menschen die das tun für unzurechnungsfähig erklärt und trotzdem behandelt werden. Das ist aber nicht transplantationsspezifisch, sondern kommt dort eher nicht vor.

Dieser Mensch ist werter zu leben, als der andere, deswegen muss man ihn einfach retten um jeden Preis.

Das hat mit der Praxis der Transplantation nichts zu tun, da diese grundsätzlich allen offensteht. soziale Unterschiede wirken sich hier im Vergleich zu anderen Dingen nur gering aus.

ThorstenV 14. Februar 2012 um 13:06  

Kurz gesagt, es kann einem niemand garantieren, dass man nicht furchtbare Schmerzen erleidet bei der Extransplantation. In anderen Ländern, beispielsweise der Schweiz ist eine Vollnarkose gesetzlich vorgeschrieben - in Deutschland nicht. ...

Damit ist für mich in Sachen Organspende alles klar.


Nicht so klar ist, ob Ihnen dann mit einer Regelung wie in der Schweiz nicht hinreichend gedient wäre.

Das Problem des nicht mitteilungsfähigen Leidenden geht weit über das Thema Transplantation hinaus und hat damit speziell wenig zu tun,ich verweise etwa auf die Diskussion über bei ambulanten Eingriffen verwendete "Analgetika", die in Wirklichkeit vor allem die Erinnerung an das Schmerzgeschehen ausschalten,nicht dessen akutes Erleben. Man kann das durchaus so sehen, dass sich die Medizin hier der notwendigen Diskussion nicht hinreichend stellt http://de.wikipedia.org/wiki/Johnny_zieht_in_den_Krieg

Man muss hier viel früher und anders ansetzen, beispielesweise schon bei Demenzpatienten in Altenheimen. Es ist ein unter Pflegekräften wohlbekanntes Phänomen, dass diese manchmal "grundlos" "böse" oder "ärgerlich" sind. Selten, aber manchmal eben doch wird der Grund auch überraschend gefunden z.B. hat man den Patienten in der Hektik im Rollstuhl auf einen dort hineingerutschten Gegenstand gesetzt, was nahelegt, dass das "Böseseien" auch dann nicht immer eine bloße Stimungsschwankung ist, wenn ein Grund nicht offensichtlich ist.

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