Ridendo dicere verum
Mittwoch, 11. August 2010
"Der Sozialismus an sich ist kostbar! Wert, dass man ihn erhält. Aber der Eure - seht ihn Euch an! Eine Ruine! Kaum habt Ihr begonnen ihn aufzubauen, ist er noch immer nicht fertig. So geht das nicht! Das muß wieder weg, sonst kann da nie was draus werden! Der Sozialismus, Genossen, braucht eben Luft. Zum Atmen, zum Bauen! Die größten Schlösser, sind sie nicht stets auch mit Luft auch gebaut? Den Sozialismus, den Euren, habt Ihr zu fest gefügt! Lockert ihm hier eine Säule, da einen Schlußstein. Bald werdet Ihr sehn, wie er sich rührt. Wie er herabkommt vom Sockel, sich demütig neigt vor seinen hilfreichen Kritikern. Seht: er geht in die Knie und macht endlich Platz: dem besseren Sozialismus! Wie Ihr ihn Euch, seid ehrlich verdiente Genossen, einst selber erträumtet. Damals: als ich noch jung war! Nun seid Ihr fett und krumm dazu, und wenn ich Euch spotte, könnt Ihr noch nicht einmal lachen! Dabei, Genossen, der Sozialismus ist eine so große Idee, die Hoffnung der Menschen; ohne den Sozialismus geht die Geschichte nicht weiter, kann abgeblasen werden, führt zu nichts mehr!
Der Sozialismus: Ach ja!
Leider nur scheiterten stets die größten Ideen an den kleinlichen Schwächen der Menschen. Besonders der Funktionäre, sagte schon unser Pastor! Was hilft uns dagegen? - Der Sozialismus an sich! Nicht der reale, der zusammengebastelte... Nein! Der Konkrete! Der wie er wirklich wäre, wenn es ihn wirklich gäbe! Wenn er nicht nur real, sondern... Nein, wirklich Genossen... auf sowas muß man eben auch schon mal warten können! Euer Eifer in Ehren, jedoch konntet Ihr nicht behutsamer sein? Ihr sagtet: Da! - Das ist unser Sozialismus! Genossen, so sagt man das nicht! Ihr müßt es sagen auf neue Weise! Sagt es nicht so dogmatisch! Sagt: Er ist Scheiße geworden! Das überzeugt! So gewinnt man sich Freunde - und sei es der Klassenfeind! Natürlich, Genossen, gilt es auch wachsam zu sein, jedoch: mit dem Klassenfeind läßt es sich reden! Bittet ihn nur recht höflich, sich freundlicherweise nicht einzumischen, sagt ihm, Ihr haltet Euch auch aus dem Seinen heraus! Dann wird er Euch schon gewähren lassen! Wenn Ihr im pluralistischen Meinungsstreit erwäget den Sozialismus, sein Für und Wider, sein Wider und Für, von Anbeginn zu Anbeginn, von Neuem aufs Neu, obs nun ein So- oder So-zialismus - oder ein anderer sein muß. Genossen, zeigt keinerlei Stärke, das legt man Euch nur als Schwäche aus. Die gute Sache siegt von alleine - dachte schon Jesus... Rings lauert der Feind. Laßt lauern dahin! Senkt Eure Waffen! Das wird ihn zu Tode erschrecken! Ersticken wird er an seiner Angst. Oder auch nicht: das ist das Risiko. Aber wenn er erstickt - wie steht Ihr da? Wunderbar! Glänzend, kein Stäubchen von Orthodoxie.
Genossen, nehmt meinen Rat an und laßt Euch bekehren!
Sonst werde ich mich über Euch beschweren!
Beim Stern, beim Spiegel und bei der FAZ!
Die haben für sowas immer Platz!
Amen!"
- Dieter Süverkrüp, "Der Sozialismus, Genossen" -