Inmitten Zierkissen
Dienstag, 10. August 2010
Vereinzelt vernimmt man sie noch, die Vergleiche, die unsere Zeit mit der der Weimarer Republik in Verwandtschaft stellen. Wie damals herrsche Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit, drifte man in radikale Exzesse ab - wie vorzeiten drängen sich Erwerbslose mit griffigen Werbephrasen auf: Mache alles! oder Ich bin ein Mann für alle Fälle! schilderten sie sich selbst aus - nur der Duktus sei heute moderner, so smart wie die smarte Fassade unserer Epoche, heute sage man: jede Arbeit ist für mich zumutbar! Weimar ist!, das hört man oft, ist für viele zur fixen Idee geworden. Dabei wird ein wesentlicher Aspekt ausgeblendet, der unsere Zeit nicht mit Weimar verschwistert sein läßt.
Die Jahre zwischen 1919 und 1933 waren Jahre, die wie nie zuvor - und kaum danach - politisch geprägt waren. Die Menschen, selbst untere Schichten, selbst Gesellen und häusliches Gesinde, waren - wenn auch nur ansatzweise manchmal - politisiert. Man besuchte Versammlungen, schloss sich Parteien oder Organisationen an, wollte Fortschritt oder Bewahrung, Demokratie oder Autorität, Zivilität oder Militarismus - je nach Gesinnung, je nach Intellekt. Es wurde viel Scharfsinniges gefordert und befürwortet, viel Irrsinniges natürlich auch, viel Menschenverachtendes sowieso - es ging politisch zu, mit allen Schattenseiten einer solchen Mentalität. Die Weimarer Republik war ein Projekt auf tönernen Beinen, aber Stillstand betrieb sie nicht - es rührte sich was! Kommunisten und Spartakusbund, Nationalsozialisten und Stahlhelm, SPD und Zentrum - jede Seite mobilisierte ihre Klientel. Es ging so politisch zu, dass eines der wichtigsten Vorhaben der neuen kastanienfarbenen Machthaber war, das Politische aus dem Alltag zu verbannen - Politik sollte fortan von einer Partei gemacht werden; sie sollte diese leidige Aufgabe auf sich nehmen, um den Alltagsmenschen zu entlasten. Die Auflösung der Demokratie wurde aus deren Sicht notwendig, um die ausartenden politischen Kämpfe, die für sie Lähmung darstellten, endgültig in den Griff zu bekommen. In mancher Hinsicht war die Weimarer Version den anderen aus Bonn und Berlin demokratisch tatsächlich überlegen: dort florierte der Meinungspluralismus, dort nahmen die Menschen rege Anteil an der res publica, an der öffentlichen Sache - alle Nachteile, wie die Duldung von großsprecherischen Menschenmetzgern, Straßen- und Saalschlachten inbegriffen.
Eine solche politisch aufgeladene Stimmung, wie sie damals vorherrschte, findet man heute nicht mehr vor. Man kann Geschichte ohnehin nicht miteinander vergleichen; Geschichte wiederholt sich nicht. Will man aber Parallelen ziehen, was völlig legitim ist, so kann die Weimarer Zeit nicht herhalten. Denn heute leben wir in einer vollkommen entpolitisierten Ära - die Menschen drängen Politik in Parteiausschüsse, nehmen das von dort Ausgekotzte dann abnickend, manchmal auch leicht murrend zur Kenntnis, kümmern sich aber ansonsten lieber um ein nach Außen relativ abgeschottetes Privatleben. Sie wollen Heimeligkeit, keine Kontroversen und Erörterungen. Politik ist damit zu einem Geschäft geworden, dass von ausgebildeten Geschäftsleuten ausgeübt wird - man ist dankbar dafür, dass sie es auch leiten, damit das politische Geschwätz nicht zu jedermanns Sache werden muß. Laß mich mit Politik in Ruhe!, hört man oft; Seien Sie mal nicht so politisch!, ist auch eine Aufforderung, die nicht rar wird in unseren Tagen. Wir sind zu einer unpolitischen Gesellschaft heruntergekommen, machen uns aber selber weis, dass dieser Abstieg ein Fortschritt sei; wir sind zu einer unpolitischen Gesellschaft mutiert, die die politische Denkarbeit einer gesellschaftlichen Hautevolee übergeben hat, damit man sich selbst um die unmittelbaren Dinge des Lebens kümmern kann. Politisch zu denken, für eigene Ideale zu streiten, Farbe zu bekennen ist aus der Mode geraten - "die da oben" werden es schon in unser aller Namen richten!
Eher paßt sich die Mentalität unseres Zeitalters an die Gegebenheiten des Vormärz an. Politisch zu denken galt im Biedermeier als unsittlich - das Heim wurde zum Rückzugsort, weil die Öffentlichkeit zum Flanieren und Plauschen umfunktioniert wurde. Das eigene Domizil galt als Bollwerk gegen die Widrigkeiten des öffentlichen Lebens. Nie mehr Revolution wollte man erleben, nie mehr die Folgen am eigenen Leib spüren. Wenn der Preis das politische Schweigen war, so zahlte man ihn gerne, zog man sich bereitwillig ins heimische Wohnzimmer zurück. My home is my castle!, wurde zum Schlachtruf des Biedermeier. Zwischen Häkeldeckchen und Zierat, die den häuslichen Muff etwas auflockern sollten, die die abgegrabenen Energien, die der Politik nicht mehr zugeführt wurden, sondern nun in aufwändige Schnörkel und Schleifchen, Accessoires und Zierkissenparaden gesteckt wurden, dämmerte der zoon politikon, das politische Lebewesen, in Betäubung hinüber. Die wenigen politischen Köpfe, die Texte schrieben, sich stur an ihre politische Gesinnung klammerten, galten als halbseiden, als nicht ganz gesund - der politische Kopf war ein kranker Kopf; Politik war demnach ein krankhafter Auswuchs, wenn sie aus dem Wohnzimmer heraus betrieben wurde. Die hohen Herrn, darüber war man sich einig, könnten das alles viel besser, viel gerechter.
Weimar ist nicht mit uns vergleichbar - der Vormärz hingegen mit Abstrichen schon. Letzterer hielt sich hartnäckig, überdauerte einige Dekaden, während die Republik von Weimar de facto schon nach einer Dekade am Ende war. Zu Weimar war es Menschenwürde, den Menschen Lohn und Brot zu geben oder je nach Geisteskraft, schädliche Subjekte aus dem Volkskörper auszulesen. Selbst die widerlichen Lesarten von Menschenwürde waren demnach politisch konzeptioniert - nach den Befreiungskriegen war Menschenwürde, zwischen seinen gestickten Kissen auf dem Kanapee zu hocken; kein politischer, ein unpolitischer Rückzug in die Würde, in das, was man für Würde hielt. Auch wir sprechen heute viel von Menschenwürde, manche meinen es sicherlich sogar ernst, nur scheint die entpolitisierte Mehrheit überhaupt kein Bedürfnis mehr danach zu haben, für mehr Würde zu streiten - schnell heim auf das Sofa, sich in Decken einmummeln, Gemütlichkeit spüren, Behaglichkeit genießen: dort ist die große Politik nicht zu Gast, dort kann der Quark um die Menschenwürde draußen bleiben.
Der Vormärz war eine langfristige Ära - und es deutet vieles darauf hin, dass auch wir vor einer langen Zeitspanne entpolitisierten Handelns stehen. Weimar war schnell Geschichte, als Folge einer durchpolitisierten Gesellschaft - heute riecht es nicht nach schnellen Enden. Es steht auch gar nicht zur Debatte darüber zu grübeln, was uns lieber sein könnte: Weimar oder Vormärz. Alles hatte seine Zeit und wir wiederholen nichts. Auch nicht den Vormärz, der uns ein wenig ähnelt! Der als Begriff ohnehin fadenscheinig ist, weil er von einer Revolution kündet, von einem Vorstadium, das es vermutlich aber gar nicht gibt - festgefahrene Strukturen, Anästhesie der Massen, tittytainment und allerlei Einlullungsmechaniken verunmöglichen die Repolitisierung merklich. Aber von einem biedermeierschen Kolorit, den diese aktuelle Gesellschaft aufweist, kann man durchaus reden. Und noch etwas gilt es zu bedenken: wir gleichen Weimar weniger als denen, die nach Weimar kamen. Denn auch jene sahen eine unpolitische Gesellschaft mit Freuden, auch jene erkannten den Vorteil unpolitischer Menschenmassen.
Die Jahre zwischen 1919 und 1933 waren Jahre, die wie nie zuvor - und kaum danach - politisch geprägt waren. Die Menschen, selbst untere Schichten, selbst Gesellen und häusliches Gesinde, waren - wenn auch nur ansatzweise manchmal - politisiert. Man besuchte Versammlungen, schloss sich Parteien oder Organisationen an, wollte Fortschritt oder Bewahrung, Demokratie oder Autorität, Zivilität oder Militarismus - je nach Gesinnung, je nach Intellekt. Es wurde viel Scharfsinniges gefordert und befürwortet, viel Irrsinniges natürlich auch, viel Menschenverachtendes sowieso - es ging politisch zu, mit allen Schattenseiten einer solchen Mentalität. Die Weimarer Republik war ein Projekt auf tönernen Beinen, aber Stillstand betrieb sie nicht - es rührte sich was! Kommunisten und Spartakusbund, Nationalsozialisten und Stahlhelm, SPD und Zentrum - jede Seite mobilisierte ihre Klientel. Es ging so politisch zu, dass eines der wichtigsten Vorhaben der neuen kastanienfarbenen Machthaber war, das Politische aus dem Alltag zu verbannen - Politik sollte fortan von einer Partei gemacht werden; sie sollte diese leidige Aufgabe auf sich nehmen, um den Alltagsmenschen zu entlasten. Die Auflösung der Demokratie wurde aus deren Sicht notwendig, um die ausartenden politischen Kämpfe, die für sie Lähmung darstellten, endgültig in den Griff zu bekommen. In mancher Hinsicht war die Weimarer Version den anderen aus Bonn und Berlin demokratisch tatsächlich überlegen: dort florierte der Meinungspluralismus, dort nahmen die Menschen rege Anteil an der res publica, an der öffentlichen Sache - alle Nachteile, wie die Duldung von großsprecherischen Menschenmetzgern, Straßen- und Saalschlachten inbegriffen.
Eine solche politisch aufgeladene Stimmung, wie sie damals vorherrschte, findet man heute nicht mehr vor. Man kann Geschichte ohnehin nicht miteinander vergleichen; Geschichte wiederholt sich nicht. Will man aber Parallelen ziehen, was völlig legitim ist, so kann die Weimarer Zeit nicht herhalten. Denn heute leben wir in einer vollkommen entpolitisierten Ära - die Menschen drängen Politik in Parteiausschüsse, nehmen das von dort Ausgekotzte dann abnickend, manchmal auch leicht murrend zur Kenntnis, kümmern sich aber ansonsten lieber um ein nach Außen relativ abgeschottetes Privatleben. Sie wollen Heimeligkeit, keine Kontroversen und Erörterungen. Politik ist damit zu einem Geschäft geworden, dass von ausgebildeten Geschäftsleuten ausgeübt wird - man ist dankbar dafür, dass sie es auch leiten, damit das politische Geschwätz nicht zu jedermanns Sache werden muß. Laß mich mit Politik in Ruhe!, hört man oft; Seien Sie mal nicht so politisch!, ist auch eine Aufforderung, die nicht rar wird in unseren Tagen. Wir sind zu einer unpolitischen Gesellschaft heruntergekommen, machen uns aber selber weis, dass dieser Abstieg ein Fortschritt sei; wir sind zu einer unpolitischen Gesellschaft mutiert, die die politische Denkarbeit einer gesellschaftlichen Hautevolee übergeben hat, damit man sich selbst um die unmittelbaren Dinge des Lebens kümmern kann. Politisch zu denken, für eigene Ideale zu streiten, Farbe zu bekennen ist aus der Mode geraten - "die da oben" werden es schon in unser aller Namen richten!
Eher paßt sich die Mentalität unseres Zeitalters an die Gegebenheiten des Vormärz an. Politisch zu denken galt im Biedermeier als unsittlich - das Heim wurde zum Rückzugsort, weil die Öffentlichkeit zum Flanieren und Plauschen umfunktioniert wurde. Das eigene Domizil galt als Bollwerk gegen die Widrigkeiten des öffentlichen Lebens. Nie mehr Revolution wollte man erleben, nie mehr die Folgen am eigenen Leib spüren. Wenn der Preis das politische Schweigen war, so zahlte man ihn gerne, zog man sich bereitwillig ins heimische Wohnzimmer zurück. My home is my castle!, wurde zum Schlachtruf des Biedermeier. Zwischen Häkeldeckchen und Zierat, die den häuslichen Muff etwas auflockern sollten, die die abgegrabenen Energien, die der Politik nicht mehr zugeführt wurden, sondern nun in aufwändige Schnörkel und Schleifchen, Accessoires und Zierkissenparaden gesteckt wurden, dämmerte der zoon politikon, das politische Lebewesen, in Betäubung hinüber. Die wenigen politischen Köpfe, die Texte schrieben, sich stur an ihre politische Gesinnung klammerten, galten als halbseiden, als nicht ganz gesund - der politische Kopf war ein kranker Kopf; Politik war demnach ein krankhafter Auswuchs, wenn sie aus dem Wohnzimmer heraus betrieben wurde. Die hohen Herrn, darüber war man sich einig, könnten das alles viel besser, viel gerechter.
Weimar ist nicht mit uns vergleichbar - der Vormärz hingegen mit Abstrichen schon. Letzterer hielt sich hartnäckig, überdauerte einige Dekaden, während die Republik von Weimar de facto schon nach einer Dekade am Ende war. Zu Weimar war es Menschenwürde, den Menschen Lohn und Brot zu geben oder je nach Geisteskraft, schädliche Subjekte aus dem Volkskörper auszulesen. Selbst die widerlichen Lesarten von Menschenwürde waren demnach politisch konzeptioniert - nach den Befreiungskriegen war Menschenwürde, zwischen seinen gestickten Kissen auf dem Kanapee zu hocken; kein politischer, ein unpolitischer Rückzug in die Würde, in das, was man für Würde hielt. Auch wir sprechen heute viel von Menschenwürde, manche meinen es sicherlich sogar ernst, nur scheint die entpolitisierte Mehrheit überhaupt kein Bedürfnis mehr danach zu haben, für mehr Würde zu streiten - schnell heim auf das Sofa, sich in Decken einmummeln, Gemütlichkeit spüren, Behaglichkeit genießen: dort ist die große Politik nicht zu Gast, dort kann der Quark um die Menschenwürde draußen bleiben.
Der Vormärz war eine langfristige Ära - und es deutet vieles darauf hin, dass auch wir vor einer langen Zeitspanne entpolitisierten Handelns stehen. Weimar war schnell Geschichte, als Folge einer durchpolitisierten Gesellschaft - heute riecht es nicht nach schnellen Enden. Es steht auch gar nicht zur Debatte darüber zu grübeln, was uns lieber sein könnte: Weimar oder Vormärz. Alles hatte seine Zeit und wir wiederholen nichts. Auch nicht den Vormärz, der uns ein wenig ähnelt! Der als Begriff ohnehin fadenscheinig ist, weil er von einer Revolution kündet, von einem Vorstadium, das es vermutlich aber gar nicht gibt - festgefahrene Strukturen, Anästhesie der Massen, tittytainment und allerlei Einlullungsmechaniken verunmöglichen die Repolitisierung merklich. Aber von einem biedermeierschen Kolorit, den diese aktuelle Gesellschaft aufweist, kann man durchaus reden. Und noch etwas gilt es zu bedenken: wir gleichen Weimar weniger als denen, die nach Weimar kamen. Denn auch jene sahen eine unpolitische Gesellschaft mit Freuden, auch jene erkannten den Vorteil unpolitischer Menschenmassen.
21 Kommentare:
Weimarer Republik und Berliner Republik, ja, da liegen wirklich Welten dazwischen.
Entpolitisierte Massen lassen sich halt immer besser mit Zerstreuungen aller Art lenken und ablenken, vor allem natürlich beherrschen.
Dass in allen Parteien, Organisationen so übermäßige Ämter- u. Funktionärsunwesen, vielleicht sind der Grund dafür einfach unsere vielen Millionen neuer Biedermänner, d.h. Entpolitisierten, Abgelenkten, politisch Verkrochenen?
Wenn dem tatsächlich so ist, dann dürfen wir uns auch nicht wundern über die politische Totenruhe in diesem Lande trotz der immer schärferen Attacken von OBEN!
MfG Bakunin
Im Gegensatz zu Weimar gibt es heute ganz andere Möglichkeiten, die Massen mit unwichtigem Müll zuzuschütten. Ja, wenn man das Fernsehen abschalten könnte... dann hätten wir eine formidable Revolution! Wir wollen Günter Jauch und das Musikantenstadl wiederhaben, wir sind das Volk! Solange die Misere individualisiert wird und das Handy noch bezahlbar ist, wird sich nichts ändern - bzw. sehr viel, ohne uns...
Ein sehr guter und leider auch sehr richtiger Beitrag. Dass ihn keiner kommentieren mag, liegt vermutlich daran, dass man sich weder so recht über etwas oder jemanden empören kann noch er besonders Mut macht oder gar die Aufbruchstimmung vermittelt, die die meisten hier sich wünschen. Stattdessen finden wir uns und unsere Zeitgenossen inmitten bunter bewegter Bilder vor...
die politisierung noch in den 60-70er jahren war de facto bei einem erklecklichen teil auch der normalbevölkerung vorhanden und vielfältig. vom nahverkehr bis zum giftmüll, von atomkraft bis volkszählung, überall gab es breiten widerstand. die unsäglichen enttäuschungen durch die grünen und anhängende organisationen und medien dürften genauso zur desillusieonierung vieler beigetragen haben wie die gezielte umerziehung zum einzelkämpfertum in schule und beruf dafür sorgte, daß ein gemeinschaftsgedanke in den köpfen gar nicht mehr auftauchte. selbst hier sind auch immer wieder kommentatoren anzutreffen, die die angesprochenen themen auf ihr sehr persönliches schicksal reduzieren: verständlich, aber zur massensolidarität führt so etwas nicht. und den kampf gegen die menschenfeinde kann man nur kollektiv gewinnen, nicht als einzelkämpfer, egal wie groß auch mancher persönlich erstrittene erfolg sein mag.
thedude67
"und den kampf gegen die menschenfeinde kann man nur kollektiv gewinnen, nicht als einzelkämpfer, egal wie groß auch mancher persönlich erstrittene erfolg sein mag."
Deshalb wird auch so gerne eine Bevölkerungsgruppe gegen die andere aufgehetzt. Ich denke mal, dass bspw. bei Niedriglohnverdienern auf relativ großer Front ein regelrechter Haß gegen Hartz-IV-Bezieher besteht. Alles politisch gewollt und medial unterfüttert.
Hallo L.
woher wissen Sie was über die Jahren 1933-45 und warum solln vor "uns" vormärzanalog politisch windstillige Jahre stehn?
Gruß
anon
Die Politisierung der Gesellschaft war in den 70er Jahren noch da. Damals gab es selbst in einer Kleinstadt mindestens eine politische Diskussionsveranstaltung in jeder Woche. Die Jugendorganisationen aller Parteien waren sehr aktiv und man konnte da hingehen, und mit den Abgeordneten reden.
Das hat genau mit Beginn der 80er Jahre aufgehört, als damals mit Hochzinspolitik die erste richtige Massenarbeitslosigkeit erzeugt wurde. Selbst in Frankfurt wurden die offenen Diskussionsveranstaltungen immer weniger. Höchstens alle Monate noch mal ein langer Vortrag mit anschließend kurzer Diskussion. Bald lief aber selbst das nicht einmal mehr in Frankfurt.
Die wenigen Veranstaltungen, die es noch gab, waren überlaufen. Also Hunderte von Teilnehmern in zu kleinen Räumen. An den Leuten liegt es nicht, sondern dass man plötzlich keine Veranstaltungen mehr organsiert hat.
Was sollten die einfachen Bürger als Arbeiter und Studenten denn schon machen? Da gab es keine politischen Diskussionen mehr, Basta!
Da nun den kleinen Leuten, womöglich als Deutschen, die Verantwortung zu geben, ist nach meiner Erkenntnis falsch. Die wären schon auf Diskussionen und Demos gegangen, aber es gab keine mehr.
wir leben in weimarer zeiten. wie kann man behaupten daß wir nicht in politischen zeiten leben? schaut mal in die zeiutungen. der politikteil ist der größte teil davon. seit ihr alle blind?
Keynesianer hat gesagt...
"Die Politisierung der Gesellschaft war in den 70er Jahren noch da."
Dem möchte ich bedingt zustimmen, da auf einen Teil der damaligen Gesellschaft zutreffend.
Mit dem Ende=Scheitern der Friedesbewegung, der Etablierung der einstmals grünen basisdemokratischen Umwelt- und Bürgerbewegung zu einer praktisch nur noch parlamentarisch pseudo-aktiven Partei mit Amts -u.Postenjägerei als obersten "politischen Zielen" war bei vielen Menschen bald die Luft raus für politisches Engagement.
Es folgten ganz natürlich Resignation bei vielen Leuten, ihre Abwendung von öffentlichen Angelegenheiten.
Auch die aufkommende Massenarbeitslosigkeit, die zunehmende Neoliberalisierung, nicht zuletzt befördert durch den intellektuellen Verrat so vieler "Kulturschaffenden" taten ein weiteres, den Rückzug ins Private zu befördern.
Wo gibt es heute noch so viele kritische Mahner aus der Intelligenz zu den heutigen Zuständen wie in den 60er und 70er Jahren?
Wo sind sie alle nur geblieben? Was hat ihnen die Sprache verschlagen?
Haben wir heute etwa Zustände, die diese Kritiker einst einforderten?
Gehen wir zeitlich noch einen Schritt weiter, in die Jahre 1989/90: Wer hat da tatsächlich - "welthistorisch" - "gesiegt"?
Ob Wirtschafts- u.Finanzkrise, zunehmende Armut, zum Himmel schreinde Korruption auf allen Ebenen dieser Gesellschaft, schreiendes, staatlich sanktioniertes Unrecht, übelste Volksverhetzereien, Herunterwürdigung von immer mehr Arbeitnehmern zu fast modernen Leibeigenen unter dem Deckmäntelchen der "Flexibilität" und "Firmentreue", vorsätzliche allmähliche Zerstörung der sozialen Sicherungssysteme, zum Teil schon des öffentlichen Bildungswesens, das und so vieles mehr spielt sich vor den Augen so vieler wacher ganz normaler Menschen ab.
Und doch: Was lässt sie das alles so widerspruchslos ertragen?
Warum leben wir eher in einem Zeitalter der Buckelei als dem des Widerstandes?
Wie könnte dem Gefühl der Ohnmacht so vieler Menschen entgegengewirkt werden?
Es sind meinerseits echte, d.h. keinesfalls nur rhetorische Fragen.
Wo wäre anzusetzen, wie könnten erste(!) Antworten lauten?
MfG Bakunin
Anonym meint: " schaut mal in die zeiutungen. der politikteil ist der größte teil davon. seit ihr alle blind?"
Was hat die in den Zeitungen veröffentlichte Meinung der Herrschenden, ihre Sicht auf die Welt mit dem demokratischen Engagement der Bürger, mit etwaigen ökonomischen Abwehrkämpfen der Lohnabhängigen gegen die immer unverschämteren Zumutungen des Kapitals zu tun?
Rein passives Konsumieren selbst von wichtigen Informationen von woher auch immer ohne eigene Aktivitäten ist am Ende auch nur müssige Zerstreuung, verändert nichts, nimmt auf keine Entwicklung Einfluß!
MfG Bakunin
A.
Die Bevölkerung hat resigniert, befindet sich in einer Art Ohnmacht, weil die da oben sowieso das machen was sie wollen. Und je weiter der einzelne versucht sich zurück zu ziehen und die da oben nach setzen, umso ängstlicher wird der einzelne. Und wie bei mancher Tierart die man jagt und in die Enge treibt, wird das Tier im Angesicht des Todes zum Gegenangriff über gehen, egal wie die Chancen stehen. Die Lethargie der Bevölkerung erinnert mich an ein schweres Gewitter. Im Moment vor dem Gewitter ist es schwül und absolut Windstill und Leise und in diesen Moment leben wir gerade. Bleibt ab zu warten ob z. B. der nächste Finanzcrash das Gewitter aus löst?
Der Mensch, der einzelne Bürger geht gern den bequemen Weg.
"ich gehe nicht wählen, weil ich ja doch nichts machen kann" oder "Es ändert sich ja sowieso nichts".
Da bleibt man dann am Wahltag lieber zu Hause und glotzt (wie von den Herrschenden beabsichtigt) im wahrsten Sinne des Wortes in die Röhre.
Das ist das Endglied der Kette.
Jahrelange systematische Zermürbung und Verblödung hat dorthin geführt, wo wir jetzt stehen. Nebenbei, still und heimlich wurde die ehemals ansatzweise bestehende Solidargesellschaft demontiert.
In der breiten Gesellschaft denkt jeder nur noch an sich und keiner ist mehr bereit, den Mund auch für Andere aufzumachen, aus Angst den job zu verlieren oder als Querulant dazustehen.
Mit Hilfe von Raab und Gottschalk, Barth und Lena, Fußballwahnsinn und Love-Parade-Hysterie wird die Gesellschaft von einem Blödsinn in den nächsten getaucht, damit sich niemand aus der Masse ernsthaft mit den wahren Problemen beschäftigen möge.
Derweil wird an den Grundrechten herumgeschraubt was das Zeug hält.
Aber es ist egal: Hauptsache man hört abends in den Nachrichten von Katastrophen AUSSERHALB Deutschlands.
Dabei brennt dieses Land doch schon von einem Ende bis zum anderen - nur will es keiner wissen !
nee ... grad weil da unten die Verachtung der da oben zunimmt, macht doch das "social cocooning" (sich gesellschaftlich zurückziehen) Handlungssinn.
Warum wird das hier kritisiert? Warum soll die Gegengesellschaft nur immigrations-islami(sti)sch geprägt sein und nicht mitteleuropäisch-linkspolitisch? Wissen Sie nicht, daß ein Teil der hochqualifizierten sog. Arbeitslosen politisch von denen da oben gemacht sind als Ausdruck der "sozialen Schließung" (Max Weber), um sich Konkurrenten vom Halse zu schaffen?
Um das sortiert zu kriegen brauchen Sie freilich ´ne ordentliche Sozialtheorie.
Und (nicht nur) die fehlt hier ....
@ Anton Chigurh:
Wählen gehen, um denen den Steigbügel in eine gut dotierte Beschäftigung und Pension und via Drehtüreffekt zu Jobs in der Wirtschaft zu halten, damit sie dann das tun, was sie (und andere würden es auch so tun) gerade tun:
das Land bzw. die Volkswirtschaft an die Wand fahren, Probleme aussitzen, Minderheiten gegeneinander aufhetzen, Minderheiten stigmatisieren, in Schubladen denken, die Bürger dieses Landes über die Medien manipulieren, über andere Parteien hetzen statt sinnvoll zu kooperieren, die Natur und unsere Lebensmittel fahrlässig kaputtmachen (lassen), das Tafelsilber des Landes an Hedge-Fonds zu verkaufen, sich schmieren lassen, Leiharbeiter anstellen, Subventionen an gut verdienende gemein?nützige und nicht gemeinnützige Unternehmn verprassen, mit Gewerkschaften und Kirchen kungeln, usw. usw.???
"Die Lethargie der Bevölkerung erinnert mich an ein schweres Gewitter. Im Moment vor dem Gewitter ist es schwül und absolut Windstill und Leise und in diesen Moment leben wir gerade. Bleibt ab zu warten ob z. B. der nächste Finanzcrash das Gewitter aus löst?"
Ich kann dieses Gefühl für mich persönlich bestätigen und fühle mich an die Zeit 1985(Gorbatschow)-1989 in der DDR erinnert. Ich bin insofern nach 20 Jahren Lethargie wieder "aktiv" geworden und interessiere mich wieder für Politik, nehme an Internet-Foren teil, spreche jetzt offen unter den Kollegen von meinen politischen Ansichten. Finanziell unterstütze ich attac. Wenn man sich die Kommentare anschaut, dann herrscht doch grosser Unmut unter der Bevölkerung, leider auch stark nach rechts tendierend.
würde dir garantiert auchn flattr-Pünktchen für diesen wundervollen Artikel zukommen lassen, Roberto - wäre ich dort blos registriert & kein armer Student..
@Bakunin
Und doch: Was lässt sie das alles so widerspruchslos ertragen?
Warum leben wir eher in einem Zeitalter der Buckelei als dem des Widerstandes?
Wie könnte dem Gefühl der Ohnmacht so vieler Menschen entgegengewirkt werden?
Es sind meinerseits echte, d.h. keinesfalls nur rhetorische Fragen.
Wo wäre anzusetzen, wie könnten erste(!) Antworten lauten?
Warum wir in einem Zeitalter der Buckelei leben? Weil der Neoliberalismus die Menschen erfolgreich existenziell bedroht, durch Massenarbeitslosigkeit verängstigt, verarmt und ihnen das Rückgrat bricht.
Die Krise war nicht unvermeidbar, wie die Marxisten behauptet haben, sondern mutwillig herbeigeführt. Das muss endlich gesagt und gelernt werden, die Menschen müssen sich gegen die Neoliberalen organisieren.
Wo ansetzen? Ich schreibe meine Bücher über die Geldpolitik und zu den Hintergründen des Marxismus. Jeder muss sehen, was er machen kann.
Anonym Keynesianer-hat gesagt...
Dass der Neoliberalismus den Lohnabhängigen versucht das Kreuz zu brechen halte auch ich für unbestreitbar, ebnso, so dass er keinesfalls "alternativlos" war - und ist!.
Beweise hierfür können wir uns(!) ersparen, sie sind sichtbar und weithin auch schon bekannt.
Diese "Marxisten" und ihre "Theorien", insbesondere deren "unvermeidliche Katastrophe"- Theorien, mit denen habe auch ich oft meine Probleme.
Da ich ich selbst Marx und Engels, auch Lenin und R.Luxemburg gut kenne, kann ich nur sagen, dass manche dieser "Marxisten" sich vom "originären" Marx unterscheiden wie ein Scharlatan auf einem Jahrmarkt von einem Naturwissenschaftler.
Was da so "im Namen" von Marx geschrieben, ihm unterstellt wird, grenzt oft an eine Karikatur.
Diese "Marxisten" sind leider oft sehr flache Adepten.
Ich empfehle daher allen immer, welche sich wirklich "marxistisch" bilden wollen , Marx, Engel und auch wichtige Arbeiten von Lenin im Original zu lesen.
Auch von Rosa Luxemburg gibt es gute Sachen.
Sekundärliteratur ist manchmal gut und wichtig, aber eben immer nur zu einem Einstieg in die Materie.
Der "Haken" aber: Wie kann man Leute dazu bewegen sich mit solcher "Kost" zu befassen, die gezwungen sind sich mit Ach und Krach durch das Leben zu schlagen, kaum Muße haben, sich auch "noch damit" zu befassen?
BILD ließt sich halt "flotter", vor allem aanstrengungsloser...., noch anstrengungsloser nachtürlich der "Große Flache"......
MfG Bakunin
@ anonym (11.8. 13.43Uhr)
GANZ falsche Antwort.
Allein, dass Du den Mund über die derzeitigen Zustände aufmachst, erfordert ZWINGEND den Gang zur Wahlurne.
Im Wohnzimmer rumsitzen und dämlich rumschimpfen um dann NICHT wählen zu gehen ist pure Dummheit.
Man kann auch anders wählen, nämlich indem Du den Gewohnheitsverbrechern der Regierung und Teilen der Opposition die Stimme VERWEIGERST und eine bislang unbedeutende Partei wählst, oder Deine Stimme UNGÜLTIG machst. Denn DAS ist der Denkzettel, den dieses Gesindel braucht. Man kann sehr gut die Vogelschützerpartei (oder was weiß ich...) wählen und somit ein klares Zeichen setzen !
Denn DAS wird registriert, zu Hause ins Kissen heulen nämlich nicht !!
@Bakunin
Würdest du denn 'wenigstens' ;) so weit mitgehen wollen, dass es sich gegenwärtig um die Manifestation einer fundamentalen Krise der Arbeits- und Kapitalverwertung, der 'Mehrwertproduktion' handelt? Und weiters konzedieren, dass kontinuierliche, wenn auch langsame, quantitative Veränderungen ab einem gewissen Punkt in einen plötzlichen qualitativen Umschlag münden können? Oder gar, dass zumindest zZt nichts in Sicht ist, das geeignet wäre, diese 'Selbstfesselung der Produktivkräfte' wieder aufzulösen, vermutlich nicht einmal Krieg, das 'probate Mittel'?
Das alles begründet ja noch keine 'finale Krise', die uns etwa der Notwendigkeit eigenen Handels irgendwie entheben würde. Im Gegenteil, denn zB ein flächendeckendes Zwangsarbeitsregime könnte und würde die Herrschaftsverhältnisse wohl aufrechterhalten, und kündigt sich deutlich genug ja auch schon an, aber es wäre dann doch wohl auch schon kein 'Kapitalismus' mehr.
Peinhart hat gesagt...
@Bakunin
"Würdest du denn 'wenigstens' ;) so weit mitgehen wollen, dass es sich gegenwärtig um die Manifestation einer fundamentalen Krise der Arbeits- und Kapitalverwertung, der 'Mehrwertproduktion' handelt?"
Ich halte es nicht für sinnvoll, ständig von "Krisen" des Kapitalismus zu reden so lange dieser sich nach jeder dieser "Krisen"(Marx: Kapitalentwertungen, "reinigende Gewitter"..) erholt und wieder ganz robust und munter weitermacht.
Was den von Marx entdeckten tendenziellen Fall der Profitrate angeht, so können die Unternehmen dieser ökonomischen Gesetzmäßigkeit zur Zeit noch immer entgehen durch das Auslagern der Produktion in Länder mit massenhaften billigen und oft auch rechtlosen Arbeitern, Arbeitern mit Arbeitszeiten, die oft denen des 19.Jahrhunderts in Europa entsprechen.
In den hochentwickelten Ländern kann dies auch durch die Schaffung eines großen Niedriglohnsektors geschehen, so dass zwar keine Arbeitszeiten auf die Längen des 19. Jahrhunderts ausgedehnt werden müssen, dafür aber die Entlohnung so weit von einer normalen abweicht, dass schwupps das dort investierte Kapital wieder ganz toll "produktiv" wird! (Produktivität des Kapitals bedeutet nichts anderes als seine Fähigkeit, sich in hohem Maße UNBEZAHLTE menschliche MEHRARBEIT einzuverleiben.)
Wie viel unbezahlte Mehrarbeit mag da sowohl in die Taschen unserer "Globalisierer" als auch vieler neuer "Arbeitsplatzbeschaffer" fließen?
Warum sonst hätte die Unternehmer aus den USA, Europas, Japans, Südkoreas, Taiwans Millionen von Arbeitsplätzen nach China, Indien, Vietnam, Bangladesh, Kambodscha, aber auch nach Osteuropa und südlich des RIO GRANDE(USA) ausgelagert?
Modernste Produktivkräfte kombiniert mit billigsten Arbeitskräften, so werden gegenwärtig Profite in einer Höhe generiert, die vormals als undenkbar galten.
Wo viele "Marxisten" immer nur "Krisen" , "Katstrophen", unablässige "Zusammenbrüche" sehen wollen hätten der wirliche Marx und sein Kumpel Engels ganz klar Anpassungen, Ausweichmanöver des "Kapitals" an die veränderten Bedingungen seiner Akkumulation, seiner Profitmacherei erkannt.
Wirklich in die Krise kam der Kapitalismus zeitweilig in den Jahren 1917, 1918, 1919, später kurzzeitig erneut in einigen Regionen nach 1945, aber weniger durch rein ökonomische Krisen denn durch zum Teil machtvolle Klassenkämpfe, mächtige Widerstände des Proletariats, oftmals sogar mit Waffengewallt, kurzum: Durch das Wirken eines mächtig-tätigen "subjektiven Faktors"!
So lange niemand willens, fähig, in der Lage ist, den Unternehmern die ökonomische Verfügungsgewalt über die wichtigsten Produktionsmittel, auch den dazugehörigen Grund und Boden, zu entreißen, so lange bleibt alles wie gehabt, machen die Unternehmer, mächtig ge- und unterstützt durch IHREN "demokratischen Staat" weiter, und so lange können sich Legionen von "Marxisten" noch ewig und 3 Tage ihre klammen Finger an den "Krisen" des Kapitalismus erwärmen.
Wir sollten die einstigen großen Theoretiker des Sozialismus keinesfalls für tot oder überholt erklären, und sie schon gar nicht in harmlose Kinderklappern verwandeln!
MfG Bakunin
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