Kein Recht auf Behutsamkeit

Dienstag, 31. August 2010

Achtet man weniger auf das Timbre von Worten und konzentriert sich anstelle auf deren Inhalt und Aussagegehalt, so wird man dessen gewahr, dass die öffentliche Sprache, so wie sie in Redaktionen und Nachrichtenstudios vollzogen und auf der Straße imitiert wird, eine Sprache der Schönfärberei ist. Eine Sprache, die den Tod zwar beim Namen nennt, ihn aber sprachlich verschanzt. Eine Sprache letztlich, die todweiht, die jedes Mitgefühl, jede Anteilnahme, jedes Einfühlungsvermögen der Präfinalität überschreibt, sprachlich, alltagssprachlich ausrottet.

Soldaten fallen im Felde - hier wird der Tod, wie bereits an anderer Stelle behandelt, aus dem Satz geklaubt. Soldaten sterben nicht, sie erliegen im Dienst; sind dann zwar tot, folgen aber zuletzt der verschwiegenen Gewissheit, bei einem todbringenden Arbeitgeber angeheuert zu haben. Nein, Soldaten sterben nicht, jedenfalls nicht so, wie Ununiformierte - sie sterben keinen menschlichen Tod, zumindest nicht in erster Instanz: sie sind ein Verlust an den nationalen Humanressourcen eines Landes, werden wie Schachfigur vom Brett geklaubt. Somit ist eine emotionalisierte Wortwahl für den öffentlichen Raum relativ unnötig - sie wird für inszenierte Trauerfeierlichkeiten aufgespart, für zivilgesellschaftliche Totenmessen, bei denen den zivilen Korpussen unter den Uniformen gedacht wird. Es ist eine besonders beredte, zungenfertige Kunst, das unliebsame Substantiv auszugliedern, zu vergraben - eine wortgewandte Kunst, die Worte gewandet, so sehr verkleidet, dass sie gar nicht mehr zu erkennen sind. Zivilisten jedoch fallen nicht, sie sind ja auch nicht im Dienst. Mit ihrem möglichen Tod ist zwar im Kriege zu rechnen, allerdings nicht zu selbstverständlich. Dummerweise getötete Zivilisten verbirgt man entweder ganz, berichtet von ihnen erst gar nicht - oder aber man kann es nicht mehr vertuschen, muß über deren Tod öffentlich Rechenschaft ablegen und hat den hässlichen Umstand so zu heißen, dass er nicht mehr gar so grausig wirkt.

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Ein viel dringlicherer Tabubruch

Montag, 30. August 2010

Es ist ja nicht so, dass man grundsätzlich gegen grobschlächtiges, ruppiges Auftreten sein sollte. Das hat seine gute Billigkeit. Vorallem ist es das Anrecht des Tabubruchs - so einen muß man manchmal ungalant begehen. Problem ist dabei nur, dass der große Tabubrecher, diese schiefschnäuzige Karikatur einer Herrenmenschen-Parodie, überhaupt kein Tabu gebrochen hat. Er hat einfach nur den Stammtisch, den Kleinkrieg aus Mietskasernen und vom beruflichen Pausentisch aufgegriffen und in den öffentlichen Diskurs geschmettert. An jenen Plätzen qualmte nämlich schon immer dieser stinkende Sud aus sozialdarwinistischer und eugenischer Wissenschaftsramschware, aus rassistischer und nationalistischer Verranntheit, angereichert um faschistoides und barbarisches Heroentum - an den genannten Örtlichkeiten war all das nie tabu.

Diese schweigende Mehrheit, die man hinter dem ungestalten Tabubrecher vermutet, die gab es nie - das heißt, es gab sie schon als Masse, nur nicht als schweigende, sich bedeckt haltende Gruppe. An den richtigen Orten dampfte es seit alters her ordentlich, wurde immer schon gesagt, was gesagt werden musste - weils doch wahr sei. Das gilt nicht nur für das angebliche Tabu der Überfremdung - das gilt auch für die klassistischen Aussagen des "Klartext"-Politikers bezüglich Erwerblose, die für ihn eine funktionslose Klasse seien - eine Klasse, die folglich niemand brauche. Dergleichen war auch nie in die Stille verbannt, wurde an heimeligen Orten thematisiert, ausgegrölt, gut hörbar tremoliert.

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Ridendo dicere verum

Samstag, 28. August 2010

"Herr K. sprach über die Unart, erlittenes Unrecht stillschweigend in sich hineinzufressen, und erzählte folgende Geschichte:
Einen vor sich hinweinenden Jungen fragte ein Vorübergehender nach dem Grund seines Kummers. "Ich hatte zwei Groschen für das Kino beisammen", sagte der Knabe, "da kam ein Junge und riss mir einen aus der Hand", und er zeigte auf einen Jungen, der in einiger Entfernung zu sehen war. "Hast du denn nicht um Hilfe geschrien?", fragte der Mann. "Doch", sagte der Junge und schluchzte ein wenig stärker. "Hat dich niemand gehört?", fragte der Mann weiter, ihn liebevoll streichelnd. "Nein", schluchzte der Junge. "Kannst du denn nicht lauter schreien?", fragte der Mann. "Nein", sagte der Junge und blickte ihn mit neuer Hoffnung an. Denn der Mann lächelte. "Dann gib auch den her", sagte er, und nahm ihm den letzten Groschen aus der Hand und ging unbekümmert weiter."
- Bertolt Brecht, "Der hilflose Knabe" -

Ein enttäuschender Schismatiker?

Freitag, 27. August 2010

Meine Güte, der Lapuente! Also sowas hätte ich nie von ihm gedacht! Schreibt der doch Sachen, die man als Linker niemals schreibe dürfte. Wie neulich, als er den Feminismus angiftete. Das sind wir von dem nicht gewöhnt. Jetzt spinnt er total! Lapuente, sag, drehst du durch? Manchmal kann man ihm nicht mehr folgen, manchmal gibt er seine sonst so vornehmen Positionen auf...

So oder ähnlich vernimmt man es zuweilen; so oder ähnlich gestalten sich Vorwürfe, mit denen man zu ringen hat. Natürlich sagt mir keiner auf den Kopf zu, dass man mir nicht mehr folgen könne - einerseits gibt niemand gerne Gefolgschaft zu, andererseits möchte ich nicht in der Weise verfolgt werden, wie man das hier verstehen möchte oder könnte. Man verfolge meine Zeilen, lese sie - aber man folge mir bitte nicht, mache mich nicht zum Anführer irgendeiner Gesinnung, zum geistigen Oberhaupt, der in geschmackvolle Worte packt, was man an dieser geschmacksarmen Welt verachtet.

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Tabubrechende Idiotie

Donnerstag, 26. August 2010

"Es war tabu, darüber zu reden, dass wir als Volk an durchschnittlicher Intelligenz verlieren, wenn die intelligenteren Frauen weniger oder gar keine Kinder zur Welt bringen", erklärt Thilo Sarrazin gelehrt. Er kann dergleichen ganz unbefangen von sich geben, völlig ungefährdet, dafür auch wirklich angefeindet zu werden. Was er da in die gesellschaftliche Mitte überführt, sind eugenische Positionen, die weder menschlich noch wissenschaftlich bestehen können; humangenetischer Aberwitz aus der Giftküche eines mit Halbwissen ausgerüsteten Snobs, der von Erbanlagen sicher schon mal gelesen, offensichtlich aber nicht alles davon verstanden hat.

Nicht alles zu begreifen, das wäre keine Schande. Die Humangenetik ist ein weites, ein schwieriges, verwinkeltes Feld, dem Laien oft nicht erschließbar. Deswegen gebietet es die laienhafte Bescheidenheit, mit etwaigen Erkenntnissen nicht zu tollkühn zu balancieren - das Risiko, nur die Hälfte begriffen, von dieser Hälfte wiederum die eine Hälfte zu wortwörtlich und daher zu kompromisslos aufgefasst zu haben, ist einfach zu groß. Sarrazin läßt sich nicht abhalten, er addiert das von ihm Erlesene, diesen Sud aus halbgaren Erkenntnissen, und macht daraus eine populäre Stammtischwissenschaft, die vom Scheckbuchjournalismus gefällig aufgegriffen und publiziert wird. Nichts haben sie gelernt! Denn dergleichen Halbwissen prägte auch die Dekaden vor Hitler, in der unzählige Elaborate über Zuchtwahl kursierten, in der das geistig vorbereitet wurde, was später auch körperliche, materielle Formen annehmen sollte - damals meinten viele, den Schlüssel der Genetik in Händen zu halten, die Evolution bis in den letzten Winkel hinein erklären zu können; die Wissenschaft, oft ideologisch verblendet, trug auch nicht viel zur Wahrheit bei. Erst durch dieses Klima humangenetischer Halbbildung wurden Sterilisations- und Euthanasieprogramme möglich, erst auf dieser halbwissenden Grundlage konnten Bevölkerungsschichten der Ausrottung überstellt werden.

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Nomen non est omen

Mittwoch, 25. August 2010

Heute: "Coaching"
"Ich bin ja schon lange nicht mehr revolutionär unterwegs. Ich bin Aufklärer. Ich will, die Fackel der Wahrheit in die Menge tragen. […] Jeder Coach wird sich mit der Zeit seine zu ihm passende Klientenpopulation heraus korrespondieren."
- Dr. Wolfgang Looss, Begründer der deutschen Coaching-Szene am 23. April 2009 auf coaching-report.de -
Als Coaching versteht man eine personen-, prozess- und organisationsbezogene Beratung. Die Kombination aus individueller Beratung, persönlichem Feedback und praxisorientiertem Training, soll die Problemlösungs- und Konfliktfähigkeit der Coachees (die, die gecoacht werden) stärken. Nicht selten wird das coachen, auch als Hilfe zur Selbsthilfe verstanden.

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Hinter dem Hochglanzprojekt

Montag, 23. August 2010

Ein - von Roberto J. De Lapuente redigierter - Erfahrungsbericht und Gastbeitrag zum Thema Bürgerarbeit.

Die Ingolstädter Öffentlichkeit ist seit Wochen aus dem Häuschen: die oberbayerische Großstadt wurde zum Modellstandort für die Bürgerarbeit gekürt und darf ab 2011 vom Bund losgeeiste Gelder zur Finanzierung etwaiger Bürgerarbeitsplätze verwerten. Natürlich überschlägt man sich in den Berichten und Kommentaren, in Interviews und Analysen; etwas wie Aufbruchsstimmung breitet sich aus, endlich dürfe man ein imposantes Projekt initiieren. Eine Chance für Langzeitarbeitslose sei das, hier zeige sich der aktivierende Sozialstaat - darüber geben die wenigen Ingolstädter Medien ein gleichgeschaltetes Erscheinungsbild ab. Bürgerarbeit ist modern und fabelhaft, etwas das man erfinden müsste, wenn es nicht schon erfunden wäre.

Es entstand nebenher der Eindruck, als wäre aus dem hiesigen Jobcenter ein Hort des Lächelns und der Glückseligkeit entsprossen. Eine Stätte, in der man mit Langzeitarbeitslosen endlich etwas behutsamer, verständnisvoller, kurz gesagt: menschlicher umgehe. Da meine es jemand richtig gut mit den Leistungsempfängern, war zwischen allen Zeilen herauslesbar. Bürgerarbeit: der große, sanftmütige, sorgsame Wurf! Der Ein-Euro-Job, dieses entwürdigende Instrument zum Statistiklifting, sei quasi tot - es lebe das gerechtere Modell: die Bürgerarbeit von der Leyens! Der gute Ruf ist indes kein Zufallsprodukt, denn auf genau so ein poliertes, gewienertes Image ist man angewiesen, um diesen aufgemotzten Ein-Euro-Job, der mit allerlei für die Öffentlichkeit unsichtbaren Schikanen verbunden ist, ins rechte Licht zu rücken.

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An Huren fehlt es!

Samstag, 21. August 2010

Das Wehgeschrei ist nun schallend, weil die Spendenwilligkeit im Falle des pakistanischen Hochwassers nur sehr gering ausgeprägt ist. Auf generöse Zeiten wird verwiesen - auf die schlechten alten Zeiten, in denen noch freimütig gegeben wurde. Schlechte alte Zeiten, die für Spendensammler gute alte Zeiten waren. Damals wars, als ein Seebeben den Indischen Ozean überschwappen und die Länder der westlichen Hemisphäre großzügig spenden ließ. Besonders Thailand hat es der damaligen deutschen Berichterstattung angetan - so ein wundervolles, schönwettriges, mit allen Vorzügen der Natur gesegnetes Touristenparadies, jetzt unter Schlamm begraben: da könne man doch nicht nur zusehen! Da müsse man handeln! Etwas tun! Etwas spenden!

Und genau hier lag der Hund, naja, eher die schöne Urlaubserinnerung, unter Schlamm begraben: Thailand hatte etwas zu bieten. Strände, Wälder, prächtige Paläste, noch prächtigere Hotelanlagen, dazu noch nette, stets lächelnde Eingeborene, hilfsbereites Hotelpersonal, flinke Masseurinnen - und natürlich nicht zu vergessen, die eigentlichen Starlets jedes profunden Thailandurlaubs: transsexuelle Stricherinnen und Mädchenhuren. Und all das, mit Ausnahme von Wäldern und historischen Prunkbauten vielleicht, wurde entschädigt und wiederaufgebaut. Touristenherz was willst du mehr! Ob nun Fischer Somchais Hütte oder Zimmermädchen Panyas Küche instandgesetzt wurde, war weniger bedeutungsvoll. Denn strömten erst wieder Touristen an siamesische Gestade, würden auch Hütten, Küchen, Fischerboote wieder aus dem Schlamm geschält: mit freundlichen Grüßen von Adam Smith! Denn so wirkt seine unsichtbare Hand...

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Die Infantilisierung der Volksverhetzung

Freitag, 20. August 2010

Kinder sind manchmal grausam. Und grausam ist jene elterliche Gesinnung, die diese kindliche Grausamkeit unterstützt, im Anflug von Laissez-faire-Pädagogik sogar für wertvoll erachtet. Eine Erziehungsmethode, die es stets in der einen oder anderen Form gab, die aber heute in ihrem Gewährenlassen oft tyrannische Züge annimmt - und das unterstützt und gewollt von den Eltern selbst. Ellenbogen anspitzen, sie einzusetzen lernen, gehört heute zum guten Ton bürgerlicher Kindeserziehung - sie müssen sich ja durchzusetzen wissen, die lieben Kleinen. Unbestritten ist das recht und billig: die dazugehörige Rücksichtslosigkeit gegen Wehrlose, gegen Schwächere, wäre damit aber eigentlich nicht gemeint. Dem entgegenzuwirken wäre der Auftrag einer aufgeklärten Pädagogik, die Bestimmung von Eltern und Lehrern, von Gesellschaft und Staat.

Kinder zu lehren, dass man sich durchsetzen muß, dass der Rechtsstaat Mittel kennt, einer Ungerechtigkeit nachhaltig zu begegnen; einfach auch mal Nein sagen zu lernen, Courage zu zeigen, sich selbstbestimmt zu verweigern, ohne erst auf Befugnisse und Anordnungen zu blicken: all das beinhaltet aufgeklärte Erziehungsarbeit. Seine Ellenbogen dann auch mal einzufahren, gerade bei solchen, die sich kaum wehren können, geriete dabei zur Selbstverständlichkeit. In einem solchen Klima könnte die als Nebenprodukt kultureller Teilhabe anfallende Brandmarkung einer Gesellschaftschicht, wenn schon nicht bedingungslos anerkannt, so doch zähneknirschend erduldet werden. Dort gefiele es zwar nicht jeden, dass Kinder aus Bedarfsgemeinschaften, vulgär Hartz IV-Kinder genannt, mit Bildungs-Chips ausgestattet würden, aber man hätte wenigstens die Gewissheit, dass solche Kinder nicht dem Spott anheimfielen, in eine Atmosphäre allgemeinen Verständnisses stolperten.

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Sit venia verbo

Donnerstag, 19. August 2010

"Ich habe kein Heimweh. Ich habe gelernt, daß das, was Heimat, was Vaterland sein sollte, eingepökelt und in Aktenmappen eingeheftet ist, daß es in Gestalt von Staatsbeamten repräsentiert wird, die einem das treue Heimatgefühl so sicher austreiben, daß nicht eine Spur davon mehr übrigbleibt. Wo meine Heimat ist? Da, wo mich niemand stört, niemand wissen will, wer ich bin, niemand wissen will, was ich tu’, niemand wissen will, woher ich gekommen bin, da ist meine Heimat, da ist mein Vaterland."
- B. Traven, "Das Totenschiff" -

Alle Menschen sind gleich...

Mittwoch, 18. August 2010

Alle Menschen sind gleich, niemand darf benachteiligt oder bevorzugt werden – das Grundgesetz macht es möglich. Geschlecht, Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat und Herkunft, Glauben und Weltanschauung, Behinderung: nichts von dem dürfe zu ungleicher Behandlung führen. Jedenfalls steht es so auf dem Papier. Was man in der Aufzählung jedoch vermissen muß, das ist die eigentliche, die typisch kapitalistische Ausformung von Ungleichheit, das Fundament kapitalistischer Denkart, könnte man fast sagen: ob jemand Arbeit hat oder nicht!

Das ist beileibe kein nebensächliches Defizit des Grundgesetzes. Man beachte nur die Klänge, die aus dem medialen Äther tröpfeln. Da betrieb doch kürzlich ein bayerischer Innenminister befremdliche Auslesen, sprach von Zuwanderern, die man auch gebrauchen müsse, wenn man sie schon ins Land hineinließe. Das muß man sich schon auf der Zunge zergehen lassen: Gebrauchen! Etwa wie einen Schuh oder eine Tube Zahnpasta? Und was dem Schnabel des ehemaligen Berliner Senators entfleucht, damals als er von für den Arbeitsmarkt nutzlosen Kopftuchproduzenten sprach, ist ja beinahe schon das alltägliche Geschwätz deutscher Feuilletons. Hin und wieder erntet er für seine knorrigen Auslassungen Schelte, was prominente Zeitgenossen der Publizistik dazu ermuntert, ihm pflichtschuldigst beizuspringen. Wie neulich erst der Chefredakteur des Focus, der außerordentlich besorgt und beachtenswert erzürnt darüber war, daß da jemand nur dafür Ärger erhalte, weil er die Wahrheit formuliere. Freilich findet sich in diesem Geschwader erlauchter Verwertbarkeitsrhetoriker auch die Soziologie mit ein, die manchen namhaften Vertreter ins Gefecht schickt. Diese räsonieren dann im wissenschaftlichen Duktus darüber, ob es denn vielleicht möglich sei, daß in diesem Lande die falschen Leute Kinder bekämen. Eine scheue Fragenstellung, die die diversen Soziologen umgehend selbst beantworten – das wäre ja auch kein gescheiter Soziologe, kennte er keine unverbrüchliche Antwort!

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In eigener Sache

Dienstag, 17. August 2010

oder: wie angelt ein Millionär?

Endlichendlich Millionär! Noch nicht ganz, aber in einigen Stunden! Vom Tellerwäscher zum millionenfach besuchten Publizisten. Ja, ich bin nun Millionär: eine Million Besucher haben ad sinistram in knapp 32 Monaten aufgesucht - die werden sich ja nicht alle verlaufen haben, nehme ich an. Daher werte ich das als Auszeichnung. Eine Million Besucher, mancher davon sogar Leser, kühn gehofft: sogar regelmäßiger Leser. Ich bedanke mich herzlich!

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In Plausch verkappte Produktplatzierung

Ein bunt zusammengewürfelter Haufen. Netter Plausch, der keinem schaden, keinem übelwollen soll. Sendeformate wie jenes des MDR, Riverboat mit Namen, zielen auf angenehme Plauderei ab; ein wenig Information zu prominenten Gästen hier, Werbung für deren Bücher oder neue TV-Serien dort - und manchmal ist sogar spannender Besuch vorzeigbar. Buntscheckig war auch die letzte Runde, wo neben Schauspielern und einem Survival-Experten, die Koryphäen des unterirdischen Musikgeschmacks, die Amigos, gleich vis-a-vis der Koryphäe des flachen Feuilletons gegenübersaßen: Herrn Peter Hahne nämlich.

Bis hierher alles im Plan - so ist das eben gelegentlich; manchmal kommt die Runde nicht in Schwung, weil sie ein Qualitätsdefizit vorzuweisen hat. Kurios erscheint so eine Veranstaltung dann dennoch, wenn Schlagerheroen profunde Einblicke in ihr Herz und ihren Schmerz und ihrem obligatorischen Allerweltsschmalz gewähren oder Kolumnisten großer deutscher Sonntagszeitungen über vielerlei Themen fabulieren, von denen sie offensichtlich nichts verstehen, die sie aber dennoch behandeln, weil man sie eben explizit danach fragt. Ein nicht mal ansatzweise besonders nettes Schwätzchen gestaltete sich da am letzten Freitagabend. Hahne kam an die Reihe, er wie immer wortreich, sinnentleert, blumig, mit moralischem Zeigefinger schwenkend - und dann, als der Mann des leeren Wortes schloss: Auftritt Jan Hofer, der die traute Geselligkeit leitet.

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Facie prima

Montag, 16. August 2010

Heute: Die Suggestion, der wirtschaftliche Aufschwung


Hat die Presse zur Aufgabe, über wirtschaftlichen Niedergang, Abschwung und Krise zu berichten, so umrahmt sie ihre Artikel mit Fotographien, die die Verwitterung unterstreichen, untermauern sollen. Verödete Baustellen werden gezeigt, großräumige Arbeitsstätten, auf denen nur ein Angestellter zu sehen ist, womit die brachliegenden Arbeitsstellen evident werden, die hier wuchern könnten, wenn es wirtschaftlich besser ginge. Keine Bilder von anpackenden Handwerkern, keine laufenden Fließbänder - alles ist still, alles ruhig, emsiges Nichtstun. Es scheint, als habe die Republik der Stillstand ereilt - es soll ja auch so scheinen. Denn die Abbildung muß abbilden, was der dazugehörige Artikel vorbringt. Der kräftige Arbeiter kommt erst dann zum Einsatz, wenn man sich entschließt, die relativ traurige Realität auf dem Arbeitsmarkt, mit all seinen Fängen um Niedriglohn und Scheinbeschäftigung, zu einen Aufschwung zu verklären. Dann braucht es Bilder von stemmenden Kerlen, die dann auch vor der Landesflagge posieren dürfen, um eine nationale Stoßrichtung zu deklamieren.

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... damit alles so bleibt...

Samstag, 14. August 2010

"Es muss sich alles ändern, damit alles so bleibt, wie es ist."
- Giuseppe Tomasi di Lampedusa, "Der Leopard" -

Bin punktgenau angekommen. Ende 1922; erste Oktoberwoche, um genau zu sein. Räumlich stimmt es auch: bin ich München. Habe mir bereits zeitgenössische Kleidung besorgt - separater Stehkragen zu kragenlosem Hemd. Nicht bequem, aber unabwendbar, um die Mission erfolgreich umzusetzen. Wenn es nur einen Vatermörder um den Hals kostet, die Menschheit von diesem Herrn Hitler zu befreien, so will ich es ertragen.
Habe am kommenden Montag vor, "bei Hitlers" vorstellig zu werden - möchte in seine Chauffereska gelangen; möchte für ihn eines Tages vertrauensvoll genug sein, um ihm in trauter Zweisamkeit eine Kugel in den Schädel jagen zu dürfen.

9. Oktober. Komme eben von der Parteizentrale zurück. Bin zur eigenen Überraschung gleich ins Arbeitszimmer Hitlers geführt worden. Dort waren mehrere Männer anwesend, glaube Röhm erkannt zu haben - stank nach Schnaps. Hitler in zu engem Anzug. Auf seine Frage, wie mein Namen laute, hätte ich fast meinen wirklichen Namen spanischen Ursprungs genannt - um keinen Verdacht zu schöpfen, taufte ich mich eilig auf Erich Kempka, der augenblicklich erst zwölf Jahre alt sein dürfte, der aber ab 1936 wirklich Hitlers Chauffeur würde, gelangte meine Kugel nicht vorher in sein Hirn.
Es ist überhaupt schwer, als jemand mit dem Wissen der Nachkriegszeit, sich in diesen Jahren des Radikalismus zu bewegen. Man ist ständig geneigt zu spotten, zu lachen, sich an den Kopf zu fassen ob der Naivität jener damaligen, für mich nun gegenwärtigen Menschen.
Hitler fragte weiter, woher ich stamme. Sagte ihm, ich sei aus Posen - ich nannte diese jetzt polnische Stadt, damit es den Nationalsozialisten nicht zu einfach gelänge, nach einen Kempka zu forschen, den es in meiner Statur noch gar nicht gibt. Ob ich sehr traurig sei, weil meine Heimat nun polnisch sei, fragte er. Ich bejahte traurig. Das gefiel ihm. Er kniff mich leicht homophil in die Wange, ich solle übermorgen erscheinen, soll in der Parteizentrale auf Bereitschaft harren.
Lapsus: beim Verlassen des Raumes reckte ich meine rechte Hand gen Himmel. Dabei entfuhr mir ein Heil Hitler! Die anwesende Kamarilla staunte nicht schlecht; der, den ich für Röhm halte, hieß mich einen schleimenden Blödian. Hitler schmunzelte, das gefalle ihm ausgesprochen gut, meinte er erheitert.

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Kocht der Koch, so schmort er

Freitag, 13. August 2010

Macht man sich des Terrors schuldig, wenn man Terroristen verköstigt? Werden Falafel und Kuskus, Kirchererbsen und Hartweizengries zu gefährlichen Waffen, weil sie den Magen eines Terroristen, eines Terrorfürsten gar, füllen? Leerer Bauch terrorisiert nicht gerne - und prompt landet der Koch Bin Ladins, verurteilt nach allen Regeln der unabhängigen Jurisprudenz, von einer Militärjury nämlich, für vierzehn Jahre im Gefängnis. Kebab als Tatbestand - diejenigen, die damals Stinger-Raketen und automatische Handfeuerwaffen lieferten, sind nicht nur weiterhin über jeden Verdacht erhaben: sie sind obendrein des Kochs Kerkermeister.

Ist man also selbst schon Terrorist, wenn man einen Terroristen bekocht? Die Militärjury hat das eindeutig bejaht. Wer den Kopf mittels Bauch bei Laune und bei der Arbeit hält, stillt damit nicht nur existenzielle Bedürfnisse - er ölt damit den Keilriemen des Terrormotors. Kochen ist die eine Sache - für einen Terroristen zu kochen bedeutet aber, sich schuldig zu machen. Kuskus als Waffe gegen die westliche Welt! Wäre Constanze Manziarly, die Köchin des Zweifingerbarts, nicht im Straßenkrieg Berlins ums Leben gekommen, hätten sich vermutlich ihre Nudelgerichte zu Nürnberg verteidigen müssen. Wer dem Führer Köstlichkeiten zubereitete, rührte im Töpfchen gleich noch das Leid der Welt an - den Diktator kulinarisch zu verzärteln bedeutete, die Gaskammern weiter anfachen. Eine Köchin mit Courage, hätte ihre so banale, doch so existenzielle Kunst, nicht für diesen Brotgeber hergeben dürfen. Ein Koch, der kocht, der einen derartigen Garst bekocht genauer gesagt, muß selber schmoren - einer, der was auf sich hält, läßt seinen widerlichen Herrn verhungern: im Namen der Welt.

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