In nuce

Dienstag, 24. Juni 2008

Über Beziehungen und familiäre oder freundschaftliche Bande, die die BILD-Zeitung pflegt, wurde ja schon hinreichend berichtet. Es ist nicht gerade neu, dass Diekmann Kohls Busenfreund - und nun auch Trauzeuge - ist und BILD-Kolumnist Müller-Vogg ausgezeichnete Kontakte zu Köhler und Merkel besitzt. Aber erwähnenswert ist es dennoch, wenn ein Sportjournalist - der nebenbei auch noch Vize-Chefredakteur der Zeitung ist - plötzlich im politischen Trübgewässer fischt. Alfred Draxler, bekannt eigentlich für seine "fein recherchierten" und in "sublimierter Sprache" verfassten Artikel, äußerte sich zur erfolgten Entschuldigung Anne Wills. Dort heißt es: "Was für eine Blamage für Anne Will (42)! Und welch ein Erfolg für den Berliner CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger (53)! (...) Hintergrund: Berlins CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger hatte die Ablösung von Anne Will gefordert und war presserechtlich gegen sie vorgegangen – mit Erfolg!" - Warum gibt sich ein "ehrenwerter" Sportreporter für diesen politischen Quatsch her? Personalmangel? Mitnichten: Draxlers Ehefrau Martina Krogmann - die selbst beim Springer-Verlag zur Redakteurin ausgebildet wurde - ist Bundestagsabgeordnete für die CDU und - man glaubt es kaum - Patentante von Friedbert Pflügers Sohn! Da hat also der liebe Onkel Alfred ein Paar liebeswürdige Zeilen dem lieben Papa Friedbert zukommen lassen - so liebevoll geht man in BILD-Kreisen miteinander um. Familiäre Nettigkeiten öffentlich ausgetauscht!

Seit einigen Tagen stehen Roland Kochs erfolglose Wahlkampfhelfer vor Gericht. Und vorBILDlich fordert Deutschlands größte Tageszeitung eine harte Bestrafung. Und auch wenn man einkalkulieren muß, warum junge Männer zuweilen so ehrlos handeln - weil sie von Kindesbeinen an mit einen steten Nein abgespeist werden, weil sie immer die verächtlich gemachten Ausländerkinder bleiben (der Autor dieser Zeilen weiß wovon er spricht), weil sie ohne Perspektiven sind und wohl bleiben -, kann man natürlich diese Form konservativer Wahlkampfhilfe nicht dulden. Insofern ist eine angemessene Strafe durchaus im Sinne eines vernünftig geführten Gemeinwesens notwendig. Ob aber eine Tageszeitung ein Gerichtsverfahren so beeinflußen darf bleibt fraglich. Und höchst suspekt ist es, dass es gerade der Springer-Primus war, der damals im Dezember 2007/Januar 2008 die U-Bahn-Schlägereien ausschlachtete, um den hessischen Wahlkampf mit ausreichend Futter zu versorgen. Damals war das grauenhafte Geschehen gerade gut genug, um Kochs billigen Rassismus mit Thesen zu untermauern. BILD lieferte natürlich willig und ohne Gewissensbisse. Heute aber erhebt man den Zeigefinger und will die Wahlkämpfer aus dem Münchner Untergrund hart bestraft sehen.
Bestraft will ich die Täter auch wissen. Gewalt darf nicht ohne Nachspiel bleiben und ist, auch wenn es Entschuldigungen dafür geben mag, nie tolerabel. Wäre ich aber ihr Anwalt, so würde ich mich auf die Immunität von Wahlkämpfern berufen. Außerdem sollte man Roland Koch kontaktieren und ihn fragen, ob er sich nicht für jene einsetzt, die ihm einst so tatkräftig unterstützt haben...

In eigener Sache: Mir scheint, dass der von mir am 17. Juni 2008 verfasste Artikel, der als Satire gedacht war, von vielen Lesern falsch interpretiert wurde. In allerlei Foren und Blogs mußte ich lesen, dass man eine Quelle ausfindig machen wollte, die die von mir aufgestellte These, wonach der anglo-irische Vertrag von 1921 nichtig sei, untermauern soll. Freilich fand niemand eine Quelle, denn die einzige Quelle, die solcherlei Fakten auswarf, war meine Phantasie, mein Gehirn folglich. Eigentlich war ich mir sicher, man würde den satirischen Unterton herauslesen können, spätestens dann, wenn man an die Textstelle gerät, in der Berlusconi sich zum äthiopischen Kaiser krönen lassen möchte.
Stattdessen stiftete ich Verwirrung und animierte zu allerlei Spitzen, die man gegen mich richtete: "In keiner Zeitung aus England oder Irland hatte ich einen Hinweis auf einen wie von ad mortem, pardon ad sinistram eingestellten Artikel gefunden. Völlig zu recht ist die Besucherzahl seiner Seite trotz mehrjähriger (sic!) Existenz so niedrig. Unseriösität (sic!) wird eben durch Nichtbeachtung gestraft." Ein Leser schrieb mich kurz und knapp an, ich möchte ihm schnellstens die Quelle senden, es eile ihm sehr. In Foren schüttelten einige virtuell den Kopf, weil sie die Vertragsnichtigkeit für bare Münze nahmen.
Nun überlegte ich lange, ob ich mich dafür entschuldigen sollte. Aber ist es eine Entschuldigung wert, wenn man Satire nicht mit dem Satireprädikat markiert? Sind nicht jene Witze, die davor oder danach als ebendiese entblößt werden, langweilig und wenig überraschend bzw. wirken aufgesetzt und wenig originell? Und ist es nicht vielmehr so, dass man heutzutage Realität und Satire kaum noch auseinanderhalten kann? - Nein, dafür entschuldige ich mich nicht, auch wenn ich bedauere, dass mein Abschweifen in Phantasiekonstrukte, wie sie manche Machthabende sicher ebenso ersonnen haben, falsch verstanden und womöglich sogar nicht verstanden wurde.
Vielleicht sollte ich an dieser Stelle nochmal darlegen, dass ich Quellen immer angebe, d.h. verlinke. Verlinke ich nichts, so könnte es möglich sein, dass es nur eigene Gedanken sind, die Witz, Phantasie und Realität vermischen...

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