Nomen non est omen

Mittwoch, 4. Juni 2008

Heute: "Leistungsgesellschaft"
„Die Leistungsgesellschaft ist ein traditionelles Leitbild der SPD.“
- Kurt Beck -
„Soziale Gerechtigkeit muss künftig heißen, eine Politik für jene zu machen, die etwas für die Zukunft unseres Landes tun: die lernen und sich qualifizieren, die arbeiten, die Kinder bekommen und erziehen, die etwas unternehmen und Arbeitsplätze schaffen, kurzum, die Leistung für sich und unsere Gesellschaft erbringen. Um die – und nur um sie – muss sich Politik kümmern.“
- Peer Steinbrück in einem Zeit-Interview im Jahr 2003 -
„Jeder muss sich aber fragen lassen, welche Beiträge er selbst für eine vitale, wohlhabende und freie Gemeinschaft geleistet hat: Wie viele Kinder hat jemand mit Liebe und Weitsicht großgezogen, wie viel uneigennützige Hilfe Notleidenden gegeben, wie viel dafür getan, dass Gemeinschaften gerecht und lebensklug bleiben? Wie viel Steuern und Abgaben hat er aus eigener Arbeit aufgebracht, wie viel dazu beigetragen, dass im Land attraktive Unternehmen und Arbeitsplätze entstanden sind?“
– Udo Di Fabio, "Die Kultur der Freiheit" -
Die Leistungsgesellschaft, die immer wieder beschworen wird, orientiert sich am kapitalistischen Profit- und Verwertungspotenzial jedes Einzelnen. Auch hier gilt: Leistung ist nicht gleich Leistung. So ist in der „freien Marktwirtschaft“, in der allein die Nachfrage den Preis bestimmt und nicht der Nutzen für die Gesellschaft, z.B. ein dreiminütiger Auftritt von Verona Pooth (alias Verona Feldbusch) im Fernsehen mehr wert, als das Jahresgehalt eines Grundschullehrers. Verona Pooth verdient für ihre drei Minuten „Leistung“ im Fernsehen ein Vielfaches dessen, was der Grundschullehrer verdient. Insofern ist der Zusammenhang zwischen Arbeit, gesellschaftlichem Nutzen und individueller Leistung nicht zwingend vorhanden. Er wird vielmehr konstruiert. Außerdem werden gesellschaftlich strukturelle Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten mit diesem Begriff verschleiert. Nach der Logik der Leistungsgesellschaft sind nicht ungleiche Reichtumsverhältnisse, Strukturen und Lebenschancen schuld daran, dass jemand obdachlos geworden ist, sondern er selbst. Er hat eben nicht genug Leistung erbracht.

Dies ist ein Gastbeitrag von Markus Vollack aka Epikur.

1 Kommentare:

Anonym 4. Juni 2008 um 23:52  

Leistung soll sich "wieder" lohnen, heißt es bei den diversen kapitalistischen Reformpolitikern der "Volksparteien" unisono. Leben wir aber nicht schon in einer kapitalistischen Gesellschaft, die durch und durch auf "Markterfolge" programmiert ist, und trotzdem oder gerade deshalb von einer mehr oder weniger tiefen wirtschaftlichen Krise und gesellschaftlichen Turbulenz in die nächste schliddert? Was nützen die weiteren geforderten Verschärfungen der marktradikalen Reformen, die nur noch mehr gescheiterte "Leistungsverweigerer" produzieren?

Wenn sich "Leistung" wieder lohnen soll, müßte es ein Mehr an Demokratie und Freiheit geben, und zwar nicht nur für die "Profitjäger", sondern für alle Menschen, die sich für die Gesellschaft "nützlich" machen. Ob das dann noch kapitalistische Gesellschaft wird heißen können, ist eine andere Frage.

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