In nuce

Montag, 16. Juni 2008

Mathias Richling und Bruno Jonas als die Handlanger der Politik? - Der Konkret betrachtet die qualitative Entwicklung des politischen Kabaretts innerhalb der ARD-Sendung "Scheibenwischer" und kommt zu der Einsicht, dass eine unabhängige Persiflage der Zustände nicht mehr gegeben ist. Entweder flüchten sich die Beteiligten in Binsenweisheiten, abgeschmackte Sprüche oder übernehmen kritiklos die Ressentiments der Politik, gerade auch gegen die LINKE, oder man ist so albern, dass man vielleicht von Stammtischwitzelei, nicht aber von politischen Kabarett sprechen sollte. So wie das Ensemble des "Scheibenwischer" auftritt, steht man nicht als zynische, in Lachen gehüllte Opposition parat, sondern ist stiller Teilhaber einer Koalition gleichgeschalteter Parteienentwürfe, die sich allesamt zum Büttel der Wirtschaft ernannt haben. Indem man kalauerhaft, dennoch zurückhaltend und dezent kritisiert - ein Witzchen über die Frisur einer Politikerin hier, ein Scherzlein auf Kosten eines Sprachfehlers oder einer Spracheigenheit eines Politikers dort -, atomisiert man fundamentale Kritik, die sich ja gerade im Kabarett auf geschickte und liebenswerte Art und Weise in aller Härte über den Kritisierten ergießen soll. Oder anders: Wenn man Merkels Eisenherz-Frisur ständig ins Zentrum der Lächerlichkeit stellt oder das nasale Rümpfen der Gesundheitsministerin, so nihiliert man die schelmenhafte Kritik an deren Außen- oder Gesundheitspolitik. Man reduziert sein Repertoire kritischer Auseinandersetzung mit den politischen Gegebenheiten zugunsten einer geckenhaften Oberflächlichkeit.
Zensur kann man das freilich nur schwerlich nennen. Selbstzensur, um mit der politischen Elite - an dieser Stelle, wie so oft, sei angemerkt: jene, die sich selbst zur Elite erklärten! - nicht anzuecken trifft eher zu. Wenn zuweilen führende Berliner Politiker im Publikum des "Scheibenwischer" sitzen, sich schenkelklopfend geben und Tränen des Lachens in den Augen haben, dann muß man sich doch fragen, was das Ensemble falsch macht. Soviel Dummheit, Dreistigkeit, Hinterfotzigkeit und ungesundes Maß an krimineller Energie, kann doch den Betreffenden gar nicht zum Lachen bringen, selbst wenn man die Kritik schelmenhaft zum Besten gibt. Selbstzensur also: Im Falle des letztjährigen Nockherberg-Redners Django Asül war es dies jedenfalls nicht. Lobend komplimentierte man ihn aus seiner Rolle als Festredner. Er wäre bissig gewesen, direkt, hat Themen angesprochen, die den anwesenden Politikern wehtaten. Aber er war, so munkelte man im Stillen, zu bissig, zu direkt, zu sehr auf die kritischen Themen eingegangen. Und Türke ist er ja auch noch! Das Establishment der bayerischen Politik äußerte sich besorgt. Sich derart von einem Deutschtürken heruntermachen zu lassen, wurde als gefährliches Zeichen der Zeit gewertet. Und so hält seit diesem Jahr wieder ein braver Niemand - Michael Lerchenberg - die Festrede für seine Herrn.
Selbstzensur scheint voll im Trend zu sein. Auch der private Radiosender Antenne Bayern - der meistgehörte Radiosender des Freistaats und dabei maßlos überschätzt - hat sich selbst zensiert. Oder sagen wir lieber: Hat den neuen Hit der Ärzte zensiert. In "Lasse redn" kommt jene Passage nicht vor, die sich kritisch zur BILD-Zeitung äußert. Demnach hätten die ewigen Nörgler - gegen die sich der Song richtet - ihre Bildung sowieso nur aus der BILD und die bestehe ja nur aus "Angst, Hass, Titten und dem Wetterbericht". Kurz und prägnant getroffen - aber der Antenne Bayern-Redaktion reichte es, um die Passage herauszuschneiden. Wer den Titel nur aus diesem Radiosender kennt, dem würde es nicht mal auffallen. Und so fragt man sich, wieso Antenne Bayern ein derartiges Interesse am makellosen Ruf der BILD hat. Ganz einfach: Die Axel Springer AG ist mit 16 Prozent an Antenne Bayern beteiligt! Was auch das alltägliche Aufgreifen seltsamster BILD-Schlagzeilen innerhalb des Radioprogramms erklärt. Kritik äußern die sprachgewandten Nichtssager von Antenne Bayern nämlich nie. Stattdessen werden BILD-Themen zum Gegenstand flapsiger Sprüche und vorgefertigter Ansichten.
Pressefreiheit - ein schöner Begriff!

Bildung ein Grundrecht? - Mitnichten! Die Phorms AG möchte damit den eigenen Säckel füllen. In der Privatschul-Kette erlernen schon Erstklässler die englische Sprache, sollen zum Abitur getrimmt, mit dem International Baccalaureate Diploma ausgezeichnet und als Weltbürger anerkannt werden. Kurzum: Hier wird der effiziente, profitorientierte, unkritische homo novus der kommenden Welt herangezüchtet, der nicht von einer spielerischen Kindheit zu berichten weiß, dafür aber von Ganztagsunterricht, ausgefüllten Nachmittagen und Lehrern, die es gut mit einem meinten. Wir dürfen darauf warten, dass die Phorms AG von irgendeinem unserer Volksvertreter bald gelobt wird. Wie könnte man auch eine Zuchtanstalt für neue Effektivmenschen verurteilen? 1000 Euro wird für einen Platz an so einer Schule monatlich berechnet. Reiche Kinder können einen leid tun...

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