In nuce

Montag, 2. Juni 2008

Als sich einst der parolenschwingende Journalist, Lobbyist und nebenberufliche Minister Clement aus Amt und Ehren verabschiedete, konnten nur grenzenlose Optimisten die Ansicht hegen, dass man nun das Schlimmste in Sachen Hetzpropaganda gegen Arbeitslose hinter sich gebracht hätte. Begriffe wie "Sozialschmarotzer" oder "Parasiten" würden sicherlich keinen Einzug mehr ins Arbeitsministerium finden. Seither ist auch viel passiert hierzulande - allerdings wenig Neues. Immer wieder finden sich mehr oder minder intellektuell verkrüppelte Zeitgenossen in den hiesigen Medienanstalten ein, um deren trauriges und misanthropisches Weltbild zu verteidigen. Zuletzt lieferte Anne Will einem solchen Vogel eine Plattform. Man muß Rita Knobel-Ulrich nicht kennen - dies mag sogar von Vorteil sein -, um sich ein Bild von ihr zu machen. In Wills Sendung rechnete sie vor, was einer Familie an "Alimentierung" - wie sie es nennt - zusteht. Dabei benutzt sie falsche, selbstverständlich zu hoch angegebene Regelsätze, subtrahiert das Kindergeld nicht, dass ja angerechnet werden muß und erfindet einen Zuschlag, den es angeblich für Strom gäbe. Der Zuseher der Sendung und der Leser dieser Zeilen möge sich nun selbst ein Urteil über die Verfassung der Dame bilden, ob dahinter nichtsahnende Dummheit schlummert, die irgendetwas zum Besten gibt, auch wenn sie davon keinerlei Kenntnis hat oder die gewiefte Stimmungsmache einer Propagandistin. Um sich ein genaueres Bild dieser Dame machen zu können, schadet es nicht, eines ihrer Machwerke oberflächlich zu betrachten. Wir würden ja sicherlich gerne tiefer in ihr Schaffenswerk einblicken, aber was können wir dafür, wenn diese Frau von Tiefgründigkeit keine Ahnung hat?
Wen überrascht es eigentlich? Als dieses Land vor vielen Jahren ein Ministerium einrichtete, welches den lieben langen Tag nur für Hetzkampagnen, Hasstiraden und Propaganda aller Art bereitzustehen hatte, da waren es eben nicht nur die ganz großen Brüller und Menschenhasser, die den Charakter dieses neuen Deutschland formten, sondern auch gerade diese kleinen, vertrockneten Mängelcharaktere, die gerne mehr und besser geworden wären, als sie es letztendlich waren. Sie spielten mit ihrem auferlegten und weitergeleiteten Hass eine größere und weitaus prägendere Rolle als diverse Wochenschauen und Stimmungsfilmchen; sie waren das Salz in der Suppe dieses neuen Staates, dessen Machthaber ja ohne solche Zuträger nur eine Gruppe von hellbraunen Stammtischrevolutionären geblieben wäre. Wenn der hinkende ehemalige Gossensozialist brüllte oder der morphiumsüchtige Fettwanst aus Carinhall, dann war das freilich Normalität. Aber wenn da studierte Sonst- und Irgendwers einstimmten - die scheinbare Vernunft also -, das Gebrüll dieser Herren aufnahmen und sogar noch übertönten, immer mit dem Blick auf die Obrigkeit, um ja kein anerkennendes Nicken aus dieser Riege auserwählter Herrenmenschen zu verpassen, dann fühlten auch die Unpolitischen, Zweifelnden und Schwachsinnigen, dass da mehr als ein Funken Wahrheit in diesen Thesen schlummern mußte. Nein, ich will diese Dame mit keiner historischen Einmaligkeit in Verbindung bringen, denn mit Marx gesprochen, würde sie sowieso nur als Farce in die Historie eingehen. Aber man muß sich schon fragen, was dieser Wirtschaftstotalitarismus ohne Menschen wie dieser Frau... - wie hieß sie noch gleich? - ausrichten könnte?

Der Spiegel meldet und macht Millionen von Arbeitnehmern, aber auch Arbeitslosen verrückt: "Der Versuch, Lügner am Telefon per Stimmanalyse zu entlarven, galt bislang als gründlich gescheitert. Jetzt macht ein neuer Ansatz in Großbritannien Furore. Angeblich wurde er in London bereits erfolgreich gegen Sozialhilfebetrüger eingesetzt." - Welcher Angst geben sich die Menschen da hin? Was kann man einem Blaumacher anhaben, wenn er am Telefon seinen Sachverhalt äußert? Kein Gericht der Welt kann einer Vermutung, basierend auf den "Erkenntnissen" eines Computerprogramms, nachgeben. Und wer hindert den Blaumacher daran, stur bei seiner Wahrheit zu bleiben? Wenn ein Arzt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellt und ein Stimmapparat leuchtet rot auf, weil einige Faktoren in der Stimme möglicherweise auf eine Lüge hindeuten, wem wird dann mehr Glauben geschenkt? Freilich, viele moderne Menschen, die fromm an die Heilsversprechen der Technik glauben, werden sich der "Tatsache" sicher sein, dass ein elektronisches Gerät gar nicht irren kann. Aber ein Mensch, der sich nur einen Funken Vernunft bewahrt hat - was zuweilen noch vorkommen soll -, wird die Stimmanalysen nur belächeln und seinesgleichen höher bewerten müssen.
Dennoch sorgen sich die Menschen und der Spiegel liefert schlußendlich vielleicht des Rätsels Lösung, weshalb so ein Irrsinn Ängste speist: "
Wenn man weiß, dass ein Lügendetektor am anderen Ende der Leitung ist, wird man sich wohl zweimal überlegen, ob man wirklich krankfeiern will." - Kurzum: Der Placebo-Effekt ist es, den sich hier die Bastler zunutze machen. Sie wissen, dass kein menschlicher Organismus mittels Apparaturen lückenlos erklärt werden kann; sie wissen ebenso, dass Lügendetektoren vor Gericht aus genau jenem Grund unzulässig sind. Aber droht man einem Verdächtigen mit einem Test am Lügendetektor, so wird er vielleicht geständig. In dieser Weise soll die Sprachanalyse wirken. Die Überwacher wissen sehr wohl, wie sie die Bürger dazu bringen, sich selbst zu disziplinieren. Sie nutzen die irrationale Angst aus und trimmen die Menschen dahingehend, nur beim Hauch einer möglichen, noch so unrealistischen Gefahr umzukehren, um sich dann wieder brav in die Herde zurückzuorientieren.

Nur kurz und knapp: Heute berichtete ich von dem sehenswerten Dokumentarfilm "The Corporation". Prompt berichtet Telepolis über ein Unternehmen, welches mitsamt seinem gentechnisch behandelten Saatgut, einen Kreuzzug gegen wehrlose Bauern auf der ganzen Welt bestreitet. Ein Unternehmen, welches innerhalb des Dokumentarfilms mehrmals negativ auffiel. (Unter anderem wegen Hormonbehandlung von Milchkühen und Verkauf von gesundheitsgefährdender Milch; Durchboxen von Gesetzen, die Landwirte dazu verpflichten, das gentechnisch behandelte Saatgut verwenden zu müssen; Irreführung der Kunden und Behinderung freier Berichterstattung usw.) Nun hat Monsanto - so der Name dieses Unternehmens - einen Fuß auf Deutschlands juristischen Boden bekommen und wird sicher bald mit dem zweiten Fuß nachziehen wollen. Dies lehrt uns die Erfahrung in anderen Ländern.

  © Free Blogger Templates Columnus by Ourblogtemplates.com 2008

Back to TOP