De auditu

Dienstag, 21. Mai 2013

In allerlei Nachrichtenformaten heißt es immer öfter, Spanier oder Griechen gingen gegen ihre Regierung auf die Straße. Nicht gegen die Regierung, nein, gegen ihre Regierung. Dabei ist genau diese Einschätzung falsch. Sie gehen auf die Straße, weil es nicht ihre Regierung ist. Sie ist die Regierung der Sachzwänge, der Troika, der Europäischen Union, Merkels und des neoliberalen Gesellschafts- und Kontinentalentwurfes.

Dieses "gegen ihre Regierung" schiebt Verantwortlichkeiten ab. Nicht das Spardiktat aus der Schule neoliberaler Ökonomie treibt folglich die Menschen in diesen Ländern auf die Straße. Es ist die Regierung dieser Menschen, die dafür verantwortlich ist. Das ist sie aber nur als letztes Glied einer Kette. Wie die Regierungen dieser Länder zu verfahren haben, entscheiden nicht Ministerien oder Parlamente, sondern die Sparkommissare und Geldgeber, die Banken und übernationalen Organisationen. Das Possessivpronomen, das man vor die Regierung schiebt, soll aber anzeigen, dass all diese grauen Eminenzen gar nichts damit zu tun haben. Es sind "ihre Regierungen", die verantwortlich sind - und es sind damit die Bürger dieser Länder selbst, die sich ihre Regierung ja frei gewählt haben.

Famoses Abwiegeln, Schuldverlagerungen per Analyse - das braucht es nicht. Es reicht, den Menschen auf Südeuropas Straßen eine Regierung anzudichten, die sie aber gar nicht haben wollen. Die Verantwortung abzuschütteln gelingt heute eben in perfider Manier. Ein besitzanzeigendes Fürwort angeschraubt und schon wird aus dem neoliberalen Zugriff auf Europa eine Regierungskrise, ein nationales Problem, eine interne Angelegenheit der jeweiligen Nationen. Hinter dieser kleinen Änderung im Satzbau verbirgt sich der gesamte Komplex der "Euro-Rettung". Verbirgt sich die Wahrheit hinter der Fassade von Demokratie, die man einigen weisungsgebundenen Marionettenregierungen zur Verwaltung in die Hand gedrückt hat, damit die per Schock-Therapie privatisieren und deregulieren.


9 Kommentare:

Anonym 21. Mai 2013 um 10:43  

....das sind Wortklaubereien, die nichts bringen auch wenn sie stimmen.......es ist jeweils die gewählter Regierung, deren Mitglieder eben auf der Gegenseite des Volkes stehen, aber dennoch immer wieder gewählt werden....

Anonym 21. Mai 2013 um 11:02  

Zum Thema „ihre Regierung“: http://www.presstv.ir/detail/2013/03/31/295923/us-citizens-facing-austerity-dictatorship/

In Detroit (Michigan, USA) wird gar nicht mehr versucht, die Stadtregierung als „ihre“ Regierung auszugeben, Parlament und Exekutive wurden offen ausgeschaltet zugunsten einer Austeritäts-Notstandsdiktatur. Der verlinkte Artikel vergleicht das Geschehen historisch mit dem Staatsstreich in Preussen im Juli 1932 (http://de.wikipedia.org/wiki/Preußenschlag ). Diese – debattierbare - Vergleichbarkeit dürfte der Grund sein, warum Google News zu Detroit hierzulande ausschliesslich Sport bringt - mit Kevyn Orr (der Diktator bzw. neudeutsch „Finanzverwalter“) findet mensch immerhin einzelne deutschsprachige Artikel, aber natürlich nur rein „Sachliches“ zu Detroits „Pleite“…

Anonym 21. Mai 2013 um 13:36  

Wie Herr Schmickler schon zum Millennium verkündigte: "Die Verantwortung wurde outgesourct! Ab jetzt haftet nur noch der, der den Schaden hat."
Das ist politisch und vor allem wirtschaftlich allerdings lange vorbereitet und gewollt worden.

Anonym 21. Mai 2013 um 13:53  

ich halte das nicht für wortklauberei. danke.

Anonym 21. Mai 2013 um 21:11  

Danke für den Artikel.

Genau, so ist es. Die Troika übt in der Tat eine Diktatur auf die Regierungen aus. Damit sind Regierungen quasi entmachtet. Und genau das wird auch hier in D eintreten. Wer die Hoheit, was ja inzwischen geschehen ist, über die Haushaltspläne abgibt, ist verloren.

Es wäre das Gleiche als wenn ich einer Person xyz eine Kontovollmacht übergeben würde, die dann bestimmen darf, wieviel ich im Monat an Geld zum Leben zur Verfügung habe.

Ich weiß nicht was unsere Politiker mit ihren Hirnen gemacht haben..........

Wolfram Haack 23. Mai 2013 um 13:21  

Auch ich, ehemaliger Nachrichtensprecher, halte das nicht für Wortklauberei. Diese alltäglich gebrauchte Sprache transportiert (genau wie beschrieben) die Verkehrung dessen, was eigentlich passiert. Darauf muss geachtet werden. das muss bis ins Detail seziert, analysiert und richtig gestellt werden. Eigentlich wäre das natürlich die Aufgabe verantwortungsvoll arbeitender Journalisten-Kollegen. man sollte glauben, das sie wenigstens ihr Handwerkszeug lieben. Pustekuchen. In den Redaktionen sitzen Kollegen, die sich Konkurrenz machen, Angst um ihren schmierigen Job haben und keinen Klassenstandpunkt.

Anonym 23. Mai 2013 um 14:23  

"Political language... is designed to make lies sound truthful and murder respectable, and to give an appearance of solidity to pure wind."

George Orwell

Im Uebrigen sollte man nicht von "Regierungen" sprechen; die Bezeichnung "Regime" ist treffender

maguscarolus 23. Mai 2013 um 14:26  

Da frage ich mich jetzt aber nach dem Unterschied zu Deutschland. Es ist nämlich auch nicht "meine" Regierung, die in Berlin entgegen den Interessen des Gemeinwesens zum Nutzen des Großkapitals herum merkelt. Ich habe sie nicht gewählt – wie viele, viele Andere ebenso. Und viele von denen, welche sie gewählt haben, taten dies nur mangels einer für sie akzeptablen Alternative oder aus schlichter Ignoranz.

Anonym 24. Mai 2013 um 13:01  

alte Erkenntnis bezüglich "unserer" Regierungsform - Luxemburg,1904:
"Es ist nunmehr klar, daß der Reichstag in der Hauptsache nur zusammentritt, um den Etat, eine neue Heeresvorlage, neue Kredite für den afrikanischen Kolonialkrieg [1], im Hintergrund winkende unvermeidliche neue Marineforderungen und die Handelsverträge anzunehmen – lauter fertige Tatsachen, Ergebnisse der außerparlamentarischen Wirkung [sic!] politischer Faktoren, vor die der Reichstag gestellt wird, um als automatische Jasagemaschine die Kosten dieser außerparlamentarischen Politik zu beschaffen."

http://www.marxists.org/deutsch/archiv/luxemburg/1904/12/sozdemparl.htm

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