Kein Ziegenficker in Bellevue
Freitag, 15. April 2016
Der Oppermann hat mal wieder Blut geleckt. Jetzt, da alle voller Empörung für den türkischen Staatspräsidenten sind und Erdoğan der neue Putin ist, nicht etwa weil er Geflüchtete ausmauert, sondern weil er einem deutschen Komiker das Lachen aberziehen möchte, ist er plötzlich für die Auflösung des Paragraphen 103 des Strafgesetzbuches. Ob der alte Jurist davor je von diesem Passus gehört hat, weiß niemand so genau. Aber damit lässt sich jetzt Quote machen, kann man Zusprüche erzeugen, also muss man da nun auf ganz dick machen. Der Paragraph sei jedenfalls eine »antiquierte Vorschrift«, findet er. Man sollte Staatsoberhäupter aller Herrenausländer schon beleidigen dürfen, ohne gleich dafür mit dem Staatsanwalt zu tun zu bekommen. Meinungsfreiheit funktioniere letztlich nur so. Interessant wie das heute läuft, plötzlich soll Beleidigung chic sein, solange es einen trifft, dem man es gönnt und der seine Kreise andernorts zieht.
Der rührige alte Mann in Bellevue zum Beispiel, egal wer den gerade spielt, der soll natürlich weiterhin kein Arschloch sein müssen, dem man pädophile Vorlieben nachsagt. Paragraph 90 des Strafgesetzbuches, der die »Verunglimpfung des Bundespräsidenten« regelt und eine Freiheitsstrafe in Aussicht stellt, ist natürlich nicht antiquiert. Da ist das StGB vernünftig. Man muss Herrn Bundespräsident schließlich von vorlauten Mäulern schützen. Gut, als Ausrede könnte man nun festhalten, dass die Bundespräsidenten ja immer relativ lax waren, wenn es um ihre Ehre ging. (Sie hatten ja eh keine.) Also muss man das ja jetzt nicht überarbeiten. Hätten wir einen despotischen Alten dort - ja dann! Vielleicht kriegen wir ja künftig mal einen solchen, der Kritik an seiner Amtsführung ahnden lassen will. Wir müssen ja nicht immer so viel Glück haben, senile alte Zausel im Lustschlösschen sitzen zu haben, denen man eine gewisse Altersmilde attestieren könnte. Was, wenn wir einen erdoğanesken Typus dorthin bekommen? Einen Oppermann in etlichen Jahren etwa? Dann darf man ihn wohl nicht mal verunglimpfen, während man seinen Amtskollegen aus dem Ausland sogar beleidigen darf. Auch da schwingt deutsche Überheblichkeit mit.
Die Welt globalisiert sich, aber nach Oppermann soll Deutschland das Land sein, in dem man auch mal mit Beleidigungen um sich schmeißen kann, solange der Adressat seinen Sitz nicht auf deutschen Boden hat. Nicht, dass wir uns falsch verstehen. Majestätsbeleidigung ist kein Zustand, der haltbar wäre. Aber man muss jetzt nicht so tun, als sei der ganze Paragraph ein Relikt aus längst vergangenen Tagen. Wir können mal darüber reden, wo Beleidigung anfängt und wo Verunglimpfung endet. Man könnte die Diskussion ausweiten und recherchieren, ob Paragraph 103 etwas lockerer zu handhaben wäre. Aber abschaffen? Ist es denn kein Ziel moderner Staaten mehr, einen halbwegs anständigen Umgang miteinander zu fördern und zu fordern? Was genau ist antiquiert an einem Gesetz, das Beleidigung einschränken will? Der komplette Wegfall dieses Punktes würde bedeuten, dass jeder fremde Präsident ein Ziegenficker, ein Wichser und ein Fan von Kinderpornos sein darf, während man als Bürger in diesem Land nicht mal sagen dürfte, dass der Bundespräsident nicht alle Latten am Zaun habe.
Verunglimpfung versus Beleidigung. Und nur letzteres soll fallen, aus Gründen eines vorauseilendem Gehorsams gegenüber einer Schlagzeile, die solche Dynamik annimmt, dass man über diese Empörung gleich mal ganze Gesetze kippen will. Juristerei auf höchstem Niveau ist das. Man könnte den türkischen Präsidenten ja auch zunicken, es zur Kenntnis nehmen und so tun, als jucke uns das alles nicht. Und der Einwand, Herr Böhmermann habe ja nicht beleidigt, sondern nur angemerkt, was Beleidigung wäre, ist natürlich ein netter Spaß, aber die Leute verstehen es gemeinhin so: Wenn einer meint, dass ein anderer ein »Hurensohn« sei, der »Ziegen-Sex« trotz »kleinem Schwanz« betreibe, dann könne man das im Rahmen der Meinungsfreiheit auch so kundtun. Aber das, old sports, ist ein fataler Fehlschluss, der in den öffentlichen Reden nicht als solcher vorkommt. Da tut man so, als könne man sagen, was sagbar sei. Demnächst mehr darüber. Jetzt aber nicht.
Ich erinnere mich noch an Oppermann, er fand es auch nicht sonderlich lustig, als Merkel oder Schäuble als Nazis in der griechischen Presse karikiert wurden. Das sei ein Tabubruch, so wurde damals geunkt. Das sei auch keine Satire mehr, sondern schwere Beleidigung. Die Empörung war also groß. Nun gut, das war etwas völlig anderes. Weil ein deutscher Politiker hat Respekt verdient, denn die sind alle fromm und ehrenwert und nur Türken haben Minister, die Koffer mit Schwarzgeld annehmen. Wie dieser Schüblü damals.
Ich frage mich immer, wenn ich so Kerle wie den Oppermann höre, ob sie solche Leuchten sind, weil sie sich thematisch vor den Karren spannen lassen, wenn es die Stimmung so verlangt, und sie dann zwangsläufig wie Bescheuerte aussehen. Oder sind es einfach nur Bescheuerte, die die Thematik antreiben und das ganze Szenario damit in ein intellektuell trauriges Licht färben? Wie dem auch sei, mit solchem politischen Personal kann es gar nicht anders kommen als so, wie es derzeit in dieser Shitstorm-Republik mit ihren Sorgenbürgern läuft. Wenn selbst Juristen für Beleidigungsfreiheit plädieren und gleichzeitig Verunglimpfungsverbote stützen, dann sind das die Symptome eines Ruckes, der durch Deutschland geht. Eines Rechtsruckes ...
Der rührige alte Mann in Bellevue zum Beispiel, egal wer den gerade spielt, der soll natürlich weiterhin kein Arschloch sein müssen, dem man pädophile Vorlieben nachsagt. Paragraph 90 des Strafgesetzbuches, der die »Verunglimpfung des Bundespräsidenten« regelt und eine Freiheitsstrafe in Aussicht stellt, ist natürlich nicht antiquiert. Da ist das StGB vernünftig. Man muss Herrn Bundespräsident schließlich von vorlauten Mäulern schützen. Gut, als Ausrede könnte man nun festhalten, dass die Bundespräsidenten ja immer relativ lax waren, wenn es um ihre Ehre ging. (Sie hatten ja eh keine.) Also muss man das ja jetzt nicht überarbeiten. Hätten wir einen despotischen Alten dort - ja dann! Vielleicht kriegen wir ja künftig mal einen solchen, der Kritik an seiner Amtsführung ahnden lassen will. Wir müssen ja nicht immer so viel Glück haben, senile alte Zausel im Lustschlösschen sitzen zu haben, denen man eine gewisse Altersmilde attestieren könnte. Was, wenn wir einen erdoğanesken Typus dorthin bekommen? Einen Oppermann in etlichen Jahren etwa? Dann darf man ihn wohl nicht mal verunglimpfen, während man seinen Amtskollegen aus dem Ausland sogar beleidigen darf. Auch da schwingt deutsche Überheblichkeit mit.
Die Welt globalisiert sich, aber nach Oppermann soll Deutschland das Land sein, in dem man auch mal mit Beleidigungen um sich schmeißen kann, solange der Adressat seinen Sitz nicht auf deutschen Boden hat. Nicht, dass wir uns falsch verstehen. Majestätsbeleidigung ist kein Zustand, der haltbar wäre. Aber man muss jetzt nicht so tun, als sei der ganze Paragraph ein Relikt aus längst vergangenen Tagen. Wir können mal darüber reden, wo Beleidigung anfängt und wo Verunglimpfung endet. Man könnte die Diskussion ausweiten und recherchieren, ob Paragraph 103 etwas lockerer zu handhaben wäre. Aber abschaffen? Ist es denn kein Ziel moderner Staaten mehr, einen halbwegs anständigen Umgang miteinander zu fördern und zu fordern? Was genau ist antiquiert an einem Gesetz, das Beleidigung einschränken will? Der komplette Wegfall dieses Punktes würde bedeuten, dass jeder fremde Präsident ein Ziegenficker, ein Wichser und ein Fan von Kinderpornos sein darf, während man als Bürger in diesem Land nicht mal sagen dürfte, dass der Bundespräsident nicht alle Latten am Zaun habe.
Verunglimpfung versus Beleidigung. Und nur letzteres soll fallen, aus Gründen eines vorauseilendem Gehorsams gegenüber einer Schlagzeile, die solche Dynamik annimmt, dass man über diese Empörung gleich mal ganze Gesetze kippen will. Juristerei auf höchstem Niveau ist das. Man könnte den türkischen Präsidenten ja auch zunicken, es zur Kenntnis nehmen und so tun, als jucke uns das alles nicht. Und der Einwand, Herr Böhmermann habe ja nicht beleidigt, sondern nur angemerkt, was Beleidigung wäre, ist natürlich ein netter Spaß, aber die Leute verstehen es gemeinhin so: Wenn einer meint, dass ein anderer ein »Hurensohn« sei, der »Ziegen-Sex« trotz »kleinem Schwanz« betreibe, dann könne man das im Rahmen der Meinungsfreiheit auch so kundtun. Aber das, old sports, ist ein fataler Fehlschluss, der in den öffentlichen Reden nicht als solcher vorkommt. Da tut man so, als könne man sagen, was sagbar sei. Demnächst mehr darüber. Jetzt aber nicht.
Ich erinnere mich noch an Oppermann, er fand es auch nicht sonderlich lustig, als Merkel oder Schäuble als Nazis in der griechischen Presse karikiert wurden. Das sei ein Tabubruch, so wurde damals geunkt. Das sei auch keine Satire mehr, sondern schwere Beleidigung. Die Empörung war also groß. Nun gut, das war etwas völlig anderes. Weil ein deutscher Politiker hat Respekt verdient, denn die sind alle fromm und ehrenwert und nur Türken haben Minister, die Koffer mit Schwarzgeld annehmen. Wie dieser Schüblü damals.
Ich frage mich immer, wenn ich so Kerle wie den Oppermann höre, ob sie solche Leuchten sind, weil sie sich thematisch vor den Karren spannen lassen, wenn es die Stimmung so verlangt, und sie dann zwangsläufig wie Bescheuerte aussehen. Oder sind es einfach nur Bescheuerte, die die Thematik antreiben und das ganze Szenario damit in ein intellektuell trauriges Licht färben? Wie dem auch sei, mit solchem politischen Personal kann es gar nicht anders kommen als so, wie es derzeit in dieser Shitstorm-Republik mit ihren Sorgenbürgern läuft. Wenn selbst Juristen für Beleidigungsfreiheit plädieren und gleichzeitig Verunglimpfungsverbote stützen, dann sind das die Symptome eines Ruckes, der durch Deutschland geht. Eines Rechtsruckes ...
8 Kommentare:
Ich muss Dir da widersprechen, lieber Roberto.
Antiquiert an dem sog. Schahparagraphen ist, dass eine Unterscheidung zwischen Amtsträgern und den 'normalen Menschen' gezogen wird.
Jedem steht es frei (auch Staatsoberhäuptern), wg. Verleumdung, übler Nachrede, usw. eine Anzeige zu erstatten. Wofür braucht es da noch eine qualitative Abstufung in Richtung 'Majestätsbeleidigung'?
Wie heißt es doch so schön:
'Vor dem Gesetz sind alle gleich.'
Wenn das schon nicht die Wirklichkeit ist, so sollte es zumindest Anspruch sein.
§103 gehört abgeschafft! Auch wenn eine Knalltüte wie Oppermann das aus - möglicherweise niederen Motiven - auch fordert.
LG
Duderich
Unabhängig von Oppermann bin ich der festen Überzeugung alle Paragrafen, die Verunglimpfung oder Beleidigung ahnden sollten ersatzlos gestrichen werden. Egal ob sie Staatsoberhäupter, Bundespräsis, Beamte oder den Normalbürger schützen sollen.
Wenn ich behaupte Herr Maier sei ein Ziegen fickendes Arschloch etc. dann sagt das doch nichts über Hr. Maier aus sondern viel mehr über mich (und Bestenfalls was zur Beziehung zwischen mir und Hr Maier). Ich glaube auch nicht dass der Diskurs allgemein darunter leiden würde.
Hier muss ich mich der Washington Post anschließen, die im Fall Böhmermann gerade äusserst überrascht ist wie leidenschaftlich Fr Merkel einem autoritären Machthaber wie Erdogan zur Seite springt wenn es gegen die Beschränkung der Redefreiheit geht. Gut die USA haben da eine andere Tradition.
Ich denke die Begriffe um die es geht sind nicht Verunglimpfung oder Beleidigung.
Es sollte eher über die Grenze geredet werden was Beleidigung ist und was berechtigter Weise als Verleumdung (also dem Versuch unbegründete Behauptungen als Tatsachen darzustellen) geahndet werden sollte.
Hallo Roberto,
ich glaube, du hast noch nicht verstandem, dass Böhermann wie noch keiner zuvor mit dieser Reichweite den Leuten erklärt hat, was du selbst gelegentlich auch erklärst: dass es einen Unterschied zwischen Meinungsfreiheit und Beleidigung/Verhetzung gibt.
Man kann es abstrakt erklären, wie du es tust, oder man kann es konkret anhand eines Beispiels erklären, was Böhmermann tut.
Doch, Braman, habe ich. Ich werde nächste Woche nochmals darauf zurückkommen. Ich gehe ja ohnehin davon aus, dass Böhmermann auf der sicheren Seite ist, Geschmack seiner Satire hin oder her. Es geht um etwas Prinzipielles, wenn jetzt aus allen Ecken stimmen kommen, die es eben nicht verstanden haben, was Böhmermann gemeint haben könnte und die felsenfest davon überzeugt sind, dass alles was gesagt werden kann, auch zugleich Meinung sei. Das vermischt sich in den Netzwerken mit antitürkischer Stimmung und schon ist wieder dasselbe Publikum an Bord, das mit 20 Prozent alternativ ist, wenn Du verstehst, von wem ich rede.
Wenn man anfängt, Rücksicht zu nehmen auf alle Leute, die falsch verstehen oder sowieso nie verstehen werden, dann ist es sowieso aus, Roberto. Nein, das kann kein Maßstab sein!
Und Böhmermann auf der "sicheren Seite" - während er Morddrohungen erhält, die offenbar für so ernst gehalten werden, dass er 24/7 unter Polizeischutz steht? Dagegen ist der Prozess, bei dem er selbst bei Verurteilung im schlimmsten Fall nur eine kleine Geldstrafe zu befürchten hätte, wie es heißt, doch läppisch.
Wir sollten bei allen Diskussionen nicht vergessen, wo der Ursprung dieser Affäre liegt: In "extra3" wurde mit einem Schmähsong Erdogans menschenverachtende Politik benannt und dabei ging es um eine Aufzählung bekannter Fakten. Erst Erdogans , eines Staatsmanns unwürdige Reaktion hat neue Aktionen hervorgerufen. Und warum hat die Bundesregierung da mit gemacht, anstatt die Missstände in der Türkei zu benennen? Auf dem Kinderspielplatz werden Probleme souveräner gelöst.
Man hätte mehr wissen können. Ganz sicher wussten die deutschen Dienste mehr über den neuen Chef des Nato-Partners Türkei. Zum Beispiel, dass der Mann aus der verbotenen türkischen „Wohlfahrtspartei“ stammte, jener Partei, der das türkische Verfassungsgericht Sympathien zum Dschihad und zur Einführung der Scharia vorgeworfen hatte. Auch der Wechsel von Erdoğan zur „Tugendpartei“, in die fast alle Abgeordneten der bisherigen „Wohlfahrtspartei“ eintraten, wird im deutschen Außenministerium notiert worden sein: Die Tarnung Erdoğans war dünn. Zu dünn für das türkische Staatssicherheitsgericht, das ihn 1998 wegen „Aufstachelung zur Feindschaft auf Grund von Klasse, Rasse, Religion, Sekte oder regionalen Unterschieden“ zu zehn Monaten Gefängnis und lebenslangem Politikverbot verurteilt hatte. Weil er in einer Rede für einem Moment seine demokratische Maske hatte fallen lassen: „Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.“
Majestätsbeleidigung?
Erlauchte Majestäten gibt es längst nicht mehr, ihnen fehlt die dazu nötige Contenance. Hochachtung muß man sich verdienen, statt sie zu dekretieren.
Der Paragraph aus dem 19. Jahrhundert gehört aus dem Grundgesetz entfernt, ja, er hätte nach dem Krieg und besonders 1989 bei der Revision keinen Eingang mehr ins BRD-Grundgesetz finden dürfen. Solche Paragraphen dienen nur dem Schutz aufgeblasener Egos aus Zeiten des Adels und sind ein probates Mittel zur Unterdrückung des Volkes.
Es ist schon sehr kurios, daß die BRD 1989 die Gelegenheit nicht wahrnehmen wollte, das Grundgesetz durch eine gesamtdeutsche Verfassung zu ersetzen.
Carolus Magnus
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