Ein, zwei, viele Hartz IV geschaffen
Mittwoch, 27. April 2016
Erst war es nur eine Agenda für die Bundesrepublik. Mit Schulterklopfen im Inneren für die Macher und Sanktionen für die, denen man nachsagte, nichts machen zu wollen. Zur Finanzkrise warb man mit diesem deutschen Produkt europäisch und schocktherapierte Krisenländer mit Hartz IV. Fordern und fordern für Griechenland, Leistungsentzug bei Zuwiderhandlung und Unwillen, den Faulen mit Druck in die Puschen verhelfen. Europa sollte das deutsche Reformzelotentum inhalieren und der Geist der Armenverwaltung, entlehnt aus antiquierten Einrichtungen, die noch Arbeitshäuser hießen, sollte der neue europäische Wind sein, der durch die Verwaltungen pfiff. Aktuell bekommen Geflüchtete dieselbe Rosskur zu spüren. Wer schriftlich dokumentierte Integrationsziele in Integrations- und Eingliederungsvereinbarungen nicht einhält, den geht es ans schmale Salär, der wird sanktioniert und dem droht nicht bloß Leistungsentzug, sondern gleich die komplette Abschiebung, die die Willkommenskultur zu einer potenziellen Und-Tschüss-Kultur macht. Ein, zwei, viele Hartz IV. Am eisernen deutschen Besen soll die Welt genesen. Und die Kehrwoche, diese muffige Erfindung der schwäbischen Hausfrau, will und will nicht enden.
Die Reformen des Sozialstaates haben nicht nur die Strukturen der Verwaltung und der darin enthaltenen Verwaltungsakte modifiziert, sondern gleich noch schwarze Pädagogik zur Sozialstaatsräson emporgehoben. Man könnte auch sagen, dass die Reformen des Sozialstaats eine einzige große Reform des Sozialstaatsgedankens mit seinem impliziten Welt- und vor allem Menschenbild waren. Und damit nicht genug, denn die schwarze Pädagogik ist bereits über sich selbst hinausgegangen, zu einem »Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung« geworden, das alle Aspekte des Gemeinwesens erfüllt. Sie ist ein kategorischer Imperativ, der in einer Atmosphäre aus Drohung, Pression, Existenzangst und einer schwärenden Aussicht darauf, bald schon ohne eigene vier Wände auskommen zu müssen, seinen Gestaltungsrahmen absteckt. Die Absicherung als Leitmotivation sozialstaatlicher Intervention ist flöten gegangen. Unsicherheit hält klein.
Das Dasein ist hart hier auf Erden, jeder gegen jeden, nur die Toughen schaffen es, alle anderen haben ein Problem, sind dem Darben übergeben. Die neue deutsche Welle ist eine neue deutsche Härte, eine darwinistisch inspirierte Kompromisslosigkeit. Für »Sozialromantik« ist da bekanntlich kein Platz mehr. Man braucht jetzt ein strenges Regiment im globalen Dschungel, nicht Hilfsbereitschaft und Einspringen einer Solidargemeinschaft, um die Härten des Lebens abzufedern. Das war der frühere Anspruch an der Idee des (Sozial-)Staates. Existenzängste zu mildern, sie quasi zu einem Relikt martialischerer Zeitalter zwingen, keine Furcht mehr haben zu müssen, weil menschliche Grundbedürfnisse nicht gestillt werden können: Das war ein Leitgedanke, warum man das eigentlich machte. Das ist mit Hartz IV und dem Bild des Menschen, das darin enthalten ist, nicht mehr von Bedeutung, ist geradezu verstümmelt worden. Es ist ein unsozial sozialstaatliches Prinzip, weil es darauf gründet, dass man sich nicht mehr als Societas wahrnimmt, sondern als Konfrontationskurs. Sich der eigenen Existenz nicht mehr fürchten zu müssen, war mal, im Wettbewerb konfrontiet man mit der Endlichkeit und der Furcht davor - und das im satten Reichtum der Güter. Was Sozialstaat früher war, ist heute das Gegenteil in der deutschen Schule der Sozialgesetzgebung. Und das länder- und ressortübergreifend, als Patentrezept und Generalplan für alles und jeden.
In Hartz IV bündelt sich die ganze Kälte, der ganze rohe Umgangston eines Raumes und einer Zeit, die gesellschaftliches Zusammenleben und Zivilisation als raubtierhaften Kriegszustand begreift und demgemäß strikte Regularien und Schwarzpädagogik anwendet, um die Protagonisten des brutalen Weltentheaters im Griff zu halten. Denn wer unter Druck setzt, der schafft Angst, schafft Gehorsam, schafft eigentlich mündige Subjekte aus, schafft als Ersatz eingeschüchterte Objekte. Existenzangst ist so ein Mittel der Kontrolle.
Darum geht es letztlich bei allem, was bei den ein, zwei, vielen Hartz IV, die man jetzt an allen Fronten schafft, im Zentrum dieses Generalplans steht. Man stattet alles mit hartzvierischen Grundelementen aus, weil man so Menschen, Völker, Heimatlose besser erdrücken und bedrängen kann. Wer sich fürchtet, der knickt ein. Wem man nach dem Leben trachtet, nach einem Bett, nach dem Essen, der bleibt geschmeidig. Integration schafft man so nicht. Nicht am Arbeitsmarkt, nicht für Geflüchtete in einer etwaigen neuen Heimat. Wer sich fürchtet, der zieht sich zurück, dem geht Selbstbewusstsein flöten. Wer sich so eingliedern soll, kann es bestenfalls unter Wert, falls überhaupt. Aber die Befürworter des Hartz IV-Gedankens sind so in ihrem negativen Menschenbild verfangen, dass sie gar nicht begreifen können, wie sehr Angst lähmt und das Gegenteil dessen bewirkt, was sie als Ziel anführen. Sie merken nur, dass Angst nicht Wunder wirkt und folgern daraus, dass es vielleicht doch noch zu wenig Angst gibt. Verschärfungen. Mehr Sanktionen. Kürzung. Ausweisung. Teufelskreis der Furcht.
Diese politischen Eliten sind so in diesem Wahn gefangen, der sie seit der geistig-moralischen Wende und ihren Lambsdorff-Papieren beschäftigt und der seit spätestens Anfang dieses Jahrtausends auch reformerischen Eifer trug, dass sie gar keine anderen Ansätze mehr zu finden in der Lage sind. Das religiöse Mantra der Bundesregierung ist die Repetitio des Hartz IV, die stupide Abspulung immer gleicher Existenzangst verbreitender Initiativen, die nicht zielführend sind, nur verschrecken sollen. Denn der Dschungel gebiert eben Daseinsnöte. Sie haben es aufgegeben stolz darauf zu sein, in einer Zivilisation leben zu dürfen, die Entbehrung und die Angst des Menschen an ihr zu zerbrechen, für sich bändigen wollte. Diese politischen Eliten pflegen ein unzivilisiertes Menschenbild.
Die Reformen des Sozialstaates haben nicht nur die Strukturen der Verwaltung und der darin enthaltenen Verwaltungsakte modifiziert, sondern gleich noch schwarze Pädagogik zur Sozialstaatsräson emporgehoben. Man könnte auch sagen, dass die Reformen des Sozialstaats eine einzige große Reform des Sozialstaatsgedankens mit seinem impliziten Welt- und vor allem Menschenbild waren. Und damit nicht genug, denn die schwarze Pädagogik ist bereits über sich selbst hinausgegangen, zu einem »Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung« geworden, das alle Aspekte des Gemeinwesens erfüllt. Sie ist ein kategorischer Imperativ, der in einer Atmosphäre aus Drohung, Pression, Existenzangst und einer schwärenden Aussicht darauf, bald schon ohne eigene vier Wände auskommen zu müssen, seinen Gestaltungsrahmen absteckt. Die Absicherung als Leitmotivation sozialstaatlicher Intervention ist flöten gegangen. Unsicherheit hält klein.
Das Dasein ist hart hier auf Erden, jeder gegen jeden, nur die Toughen schaffen es, alle anderen haben ein Problem, sind dem Darben übergeben. Die neue deutsche Welle ist eine neue deutsche Härte, eine darwinistisch inspirierte Kompromisslosigkeit. Für »Sozialromantik« ist da bekanntlich kein Platz mehr. Man braucht jetzt ein strenges Regiment im globalen Dschungel, nicht Hilfsbereitschaft und Einspringen einer Solidargemeinschaft, um die Härten des Lebens abzufedern. Das war der frühere Anspruch an der Idee des (Sozial-)Staates. Existenzängste zu mildern, sie quasi zu einem Relikt martialischerer Zeitalter zwingen, keine Furcht mehr haben zu müssen, weil menschliche Grundbedürfnisse nicht gestillt werden können: Das war ein Leitgedanke, warum man das eigentlich machte. Das ist mit Hartz IV und dem Bild des Menschen, das darin enthalten ist, nicht mehr von Bedeutung, ist geradezu verstümmelt worden. Es ist ein unsozial sozialstaatliches Prinzip, weil es darauf gründet, dass man sich nicht mehr als Societas wahrnimmt, sondern als Konfrontationskurs. Sich der eigenen Existenz nicht mehr fürchten zu müssen, war mal, im Wettbewerb konfrontiet man mit der Endlichkeit und der Furcht davor - und das im satten Reichtum der Güter. Was Sozialstaat früher war, ist heute das Gegenteil in der deutschen Schule der Sozialgesetzgebung. Und das länder- und ressortübergreifend, als Patentrezept und Generalplan für alles und jeden.
In Hartz IV bündelt sich die ganze Kälte, der ganze rohe Umgangston eines Raumes und einer Zeit, die gesellschaftliches Zusammenleben und Zivilisation als raubtierhaften Kriegszustand begreift und demgemäß strikte Regularien und Schwarzpädagogik anwendet, um die Protagonisten des brutalen Weltentheaters im Griff zu halten. Denn wer unter Druck setzt, der schafft Angst, schafft Gehorsam, schafft eigentlich mündige Subjekte aus, schafft als Ersatz eingeschüchterte Objekte. Existenzangst ist so ein Mittel der Kontrolle.
Darum geht es letztlich bei allem, was bei den ein, zwei, vielen Hartz IV, die man jetzt an allen Fronten schafft, im Zentrum dieses Generalplans steht. Man stattet alles mit hartzvierischen Grundelementen aus, weil man so Menschen, Völker, Heimatlose besser erdrücken und bedrängen kann. Wer sich fürchtet, der knickt ein. Wem man nach dem Leben trachtet, nach einem Bett, nach dem Essen, der bleibt geschmeidig. Integration schafft man so nicht. Nicht am Arbeitsmarkt, nicht für Geflüchtete in einer etwaigen neuen Heimat. Wer sich fürchtet, der zieht sich zurück, dem geht Selbstbewusstsein flöten. Wer sich so eingliedern soll, kann es bestenfalls unter Wert, falls überhaupt. Aber die Befürworter des Hartz IV-Gedankens sind so in ihrem negativen Menschenbild verfangen, dass sie gar nicht begreifen können, wie sehr Angst lähmt und das Gegenteil dessen bewirkt, was sie als Ziel anführen. Sie merken nur, dass Angst nicht Wunder wirkt und folgern daraus, dass es vielleicht doch noch zu wenig Angst gibt. Verschärfungen. Mehr Sanktionen. Kürzung. Ausweisung. Teufelskreis der Furcht.
Diese politischen Eliten sind so in diesem Wahn gefangen, der sie seit der geistig-moralischen Wende und ihren Lambsdorff-Papieren beschäftigt und der seit spätestens Anfang dieses Jahrtausends auch reformerischen Eifer trug, dass sie gar keine anderen Ansätze mehr zu finden in der Lage sind. Das religiöse Mantra der Bundesregierung ist die Repetitio des Hartz IV, die stupide Abspulung immer gleicher Existenzangst verbreitender Initiativen, die nicht zielführend sind, nur verschrecken sollen. Denn der Dschungel gebiert eben Daseinsnöte. Sie haben es aufgegeben stolz darauf zu sein, in einer Zivilisation leben zu dürfen, die Entbehrung und die Angst des Menschen an ihr zu zerbrechen, für sich bändigen wollte. Diese politischen Eliten pflegen ein unzivilisiertes Menschenbild.
11 Kommentare:
Und Hunderttausenden von armen Rentnern geht es inzwischen ebenso.
Der heftige Druck und die ständige Kontrolle, die "Drohung, Pression, Existenzangst und einer schwärenden Aussicht darauf, bald schon ohne eigene vier Wände auskommen zu müssen" durch das Grundsicherungsamt,
bei dem die unzureichende Rente auf den - erwiesenermaßen - völlig unzureichenden H4-Satz "aufgestockt" werden muss, steht dem irrsinnigen Druck durch Jobcenter und Flüchtlingsverwaltung in absolut Nichts nach.
Nur können alte Menschen so etwas noch viel schlechter ertragen...Mit dieser "schwarzen Pädagogik" treiben wir also (auch...) unsere Alten in ihren letzten Jahren ins grausame Elend, psychisch und physisch unerträglich. Und in einer wahren Zivilen Gesellschaft natürlich völlig undenkbar.
Wirklich ganz furcht-bar...
Prof. Mausfelds neuer Vortrag: https://www.youtube.com/watch?v=vBc4A1HNmPk
Ein hervorragender Text. Alles auf den Punkt gebracht. Ein Zeitzeugnis.
Bei aller notwendigen Kritik, @Alles nur Satire. Ein Konzentrationslager ist Hartz IV nicht. Ich bitte doch dringend angemessen zu bleiben.
Man muss mir den Begriff und seine Herkunft nicht erklären, ich weiß woher er stammt. Außerdem werde ich keine Debatte über Für und Wider der Konzentrationslagerisierung von Hartz IV lostreten, aber Hartz IV ist vieles, vergleichbar mit einem Lager und darin agierenden Schergen, ist diese Art der Armenverwaltung nicht. Wer eine Debatte führen und damit die Menschen erreichen will, muss überlegen, ob er mit Brachialbegriffen weit kommt. Maßhalten tut Not. Heute mehr denn je.
Abgesehen von der Verachtung die der Staat seinen Bürgern entgegenbringt,
destabilisiert er die eigene kapitalistische Existenzgrundlage von blindem Konsum
und Wegwerfmentalität. Jeder der im Leben durch den Harzer Kakao gezogen wird,
lernt mit weniger auszukommen, hat Zeit sich mit seinem
Leben vor Hartz auseinanderzusetzen. Er hat Zeit sich alternative Informationsquellen
zu erschließen, lernt dazu, stellt in Frage.
Es werden nicht Wenige nach Aufenthalt in der Folterkammer der BA zum Schluss
kommen, dass es grober Unfug ist Konsum auf Pump von der Bank zu erflehen, das
es sexy ist für weniger, weniger zu arbeiten oder auch gar nicht mehr.
Der Staat läutert die Bürger zu Bescheidenheit und Konsumverweigerung, und leitet selbst die Transformation zur postkapitalistischen Gesellschaft ein.
Dies war ein Versuch Hartz 4 etwas Positives abzugewinnen. Etwas Positives in
einem durch und durch kranken System. Vielleicht ist dieser Versuch gescheitert.
Die Gnadenlosigkeit als Tugend bei der Ausführung des "Göttlichen Willens" — man muss sich nur diesen pietistischen Gollum der Schwarzen Null vorstellen, um eine Visualisierung von dem zu bekommen, was Max Weber in seinem Text "Protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus" beschreibt. Das neoliberale Dogma erhebt diese Ethik der schwäbischen Hausfrau zur Staatsreligion — oder mindestens zur Staatsräson. Weil diese höchst unvollständige und in Teilen gänzlich falsche Wirtschaftslehre in der westlichen Welt einen quasi religiösen Status hat lässt sie sich auch nicht einfach aus den befallenen Hirnen austreiben, sondern bildet Jahr um Jahr von Neuem die Basis zu immer noch mehr wirtschaftlichem Unfug, der die Ungleichheit mehr und mehr vergrößert — bis hin zu grotesken Missverhältnissen mit allen katastrophalen Folgen für die Zivilgesellschaften.
H IV – die Ausgeburt der kranken Hirne
von «practical philosophers», wie sie
in den Romanen von Charles Dickens ihr
Unwesen treiben.
Lieber Roberto, wieso sollten nur Deutsche, EU-Bürger und der integrierte Teil der Türken bestraft werden? Was eine Logik der SPD-Politversager!
Lieber Roberto ,so düster das Hartz-4-Verfahren sich gerade für die BRD und immer mehr auch für EU-Millionen Bürger anderer EU-Staaten ausnimmt, es gibt seit einiger Zeit in F r a n k r e i c h eine Widerstandsform gegen die Einführung von Hartz 4, die , räteartig und akephal organisiert, von der reaktionären Staatsmacht bisher nicht eingedämmt werden konnte.
In der der N u i t d e b o u t(Ncht aufrecht-auf den Beinen) versammeln sich dort seit einiger Zeit nachts Schüler, Studenten, Angestelle und Arbeiter und diskutieren rund um kleine ,Lichtund Wärme spendenden, Feuerstellen auf großen Plätzen französischer Städte über die ArbeiterInnen & AngestelltInnen-feindlichen französische Art von Hartz-4-Gesetze und wie man sie v e r h i n d e r n kann.
Davon erfährt man wieder einmal in den objektiv mehrheitlich gleichgschaltet wirkenden BRD-Medien so gut wie nichts- wohl auch aus Angst, daß das französische Vorbild auf die BRD übergreifen könnte.
Daher muß man z.B. schon L i b e r a t i o n (auch im Internet möglich) lesen, um über diese offensichtlich basisdemokratische, akephale, ansatzweise rätedemokratische Widerstandsbewegung etwas zu erfahren.
Z.B. daß es inzwischen auch in der französischen Gewerkschaft CGT von der Basis starken Druck auf die Führung gibt, sich an den N u i t s d e b o u t zu beteiligen! Gut, daß ich diesen Kommentar wenigstens auf Deiner Webseite v o r dem 1.Mai-Getöse des DGB in der BRD publizieren kann.
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