Wettbewerber des Hasses

Mittwoch, 23. März 2016

Was jetzt eintritt erinnert an eine Challenge, einen geistigen Unterbietungs- und radikalisierten Überbietungswettbewerb. Das Schreiben, das die Behörden in Dreieich und Neu-Isenburg erhielten und in dem Erschießungen angedroht wurden (»Hört auf damit euch so stark für Muslime zu engagieren, andernfalls beginnen wir mit Erschießungen bei Angehörigen dieser Volksgruppe [...] Finden unsere Forderungen kein Gehör so werden wir mit Erschießungen von Kommunalpolitikern weiter machen«), ist nur ein trauriger Höhepunkt. Es scheint, als müsste jetzt jeder Hampel mal abchecken, wie weit er gehen kann. Diese Leute sind ja im Taumel, im Gefühl eines Sieges. Für sie scheint jetzt jedes Statement quasi legitimiert. Nationale Revolution halt. So nannten schon mal welche ihren eintretenden harten Kurs.

Für alle anderen war es eine Machtergreifung. Und prompt radikalisierte sich die Öffentlichkeit der moribunden Weimarer Republik, ohnehin verroht und abgestumpft, gleich nochmals. Alle Hassprediger und Hasspapageienpapageien krochen aus ihren modrigen Kellergeschossen, hielten Abgesänge auf die Sozialisten, auf Juden und auf alle anderen, die man nicht so gut leiden konnte. Das waren fürwahr andere Zeiten. Aber was so oft identisch scheint, das ist der Umstand, dass immer dann, wenn sich die misanthropische Haltung zu einem nationalen Kreuzzug mit einigem Erfolg aufmacht, dann politisiert sich die Blödheit dergestalt, dass sie meint, jetzt sei gewissermaßen alles was sagbar ist, auch erlaubt und ohne Konsequenzen in die Öffentlichkeit zu posaunen.

Es ist ja Aufbruchstimmung, denken sich diese Wettbewerber der Unterbietung. Sie machen das mit Klarnamen, auch weil sie meinen, im Namen eines höheren Rechts zu sprechen. Und wenn dieses moralische Recht, das sie da wittern, auch noch politische Mandate in nicht zu knapper Zahl erhält, dann brechen alle Dämme, dann sprudelt die Menschenverachtung nur so über und ist vor Glück über und über benebelt, als dass man mal auch nur für einen Augenblick annehmen könnte, man würde hier etwas androhen oder postulieren, was justiziabel sein könnte. Diese Glücksberauschten glauben ja ernstlich, dass sie nun alles in der Hand hätten und einem etwaigen Richter verschwörerisch zublinzeln könnten, worauf der natürlich einlenkt und jetzt ahnt, er müsse für die größere Sache das Verfahren ohne Ergebnis einstellen.

Der orthographisch und grammatikalische Schreck von Dreieich und Neu-Isenburg droht ganz ungeniert mit Terrorismus, weil er wahrscheinlich gar nicht richtig begreift, dass er sich zum Terroristen macht. Nein, für ihn ist die Sache klar: Jetzt kann man sich rauswagen, jetzt gehört er zu den Gewinnern des Moments. Er vermutet, dass er auf den moralischen Rückhalt einer erwachten Nation baut. Man weiß recht wenig über das Trio, das ausländische Mitbürger und eine Polizistin tötete und von dem nur noch eine Frau übrig ist. Man weiß jedoch, dass sich diese drei Personen moralisch schadlos hielten, indem sie sich einredeten, sie würden ihre Taten auch deswegen begehen, weil die stille Mehrheit des Landes solche Vorgehensweisen nicht nur tolerierte, sondern sogar verhalten forderte.

Sich Rückhalte zu erspinnen, das ist die Grundlage der Radikalisierung. Jede ideologische Radikalisierung braucht eine Basis von Personen, zu der man blicken kann, während man abrutscht und die man sich dann als Adressat imaginiert, bei all den Dingen und Brachialsprüchen, die man so tut und absondert. Jetzt glauben eben diese Neonazis und ihre Parteigänger, dass sie siegessicher in eine Zukunft knobelbechern können, in der sie sich austoben dürfen. Denn sie haben ja Rückhalt, satte Zugewinne bei Landtagswahlen und ein gutes Ergebnis bei der Bundestagswahl in Aussicht. Da wird man doch nicht nur mal sagen dürfen - da wird man doch auch mal drohen dürfen. Wenn nicht jetzt, wann dann? Und so entsteht ein Wettbewerb der Radikalos, ein Turnier der Gewaltsteigerung und eine Regiment der Verrohung. Grausamer, schonungsloser, rabiater. Das ist olympische Motto für viele derzeit.

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