Die öde Wissenschaft, die jetzt Lifestyle ist
Montag, 14. März 2016
Klickt man bei der Onlineausgabe des »Stern« auf den Wirtschaftsteil, so kann man unter anderem einen Bericht über die »jüngste Milliardärin der Welt« lesen. Wie sie lebt und liebt und wie es sich da oben so atmet. Beim Spiegel kriegt man unter dem Label »Wirtschaft« etwas über Christian Lindners ersten Porsche erzählt. Letzteres hat man nach einigen Tagen zur Politik verschoben, wohin es wahrscheinlich thematisch auch nicht passt. Komisch, war Wirtschaft nicht mal etwas völlig anderes? Seit wann sind Stories im Stile von »exklusiv« wirtschaftsrelevant? Oder ist das die Vollendung der ökonomischen Dekadenz, in die wir uns sukzessive manövriert haben?
Die Wirtschaft oder Ökonomie behandelt die Gesetzmäßigkeiten der Bedürfnisbefriedigung oder eben etwaiger Fehlstellung. Sie handelt ab wer mit wem und mit was und wieviel. Arbeitsplätze, Ressourcen und Vertrieb. Welches Produkt wird wie hergestellt und wo abgesetzt. Woher kommt die Nachfrage? Ist das Angebot ein Angebot oder doch nur eine Luftnummer? Es geht um Besteuerung oder deren fahrlässiger Unterlassung zur allgemeinen Leerstellung öffentlicher Kassen. Wirtschaft fragt, ob Regulierungen installiert und Gesetze getroffen werden müssen, um gesellschaftliche Entwicklungen in diese oder andere Richtungen zu lotsen. Wie ist die Wirt-Gast-Beziehung und sind unsichtbare Hände wirksam oder braucht es zupackende Hände, die man sehen und spüren kann? All sowas ist das, was man Wirtschaft nennt und was die Wirtschaftsressorts diverser Zeitungen behandeln sollten - und vielleicht auch mal behandelt haben. Früher.
Nun geht es aber auch um den Lohn des Wirtschaftens in diesem Bereich. Darum, was man mit der Kohle machen kann, wenn man sie erwirtschaftet hat. Wie man dazu kam, ist dabei nicht mehr wesentlich. Man hat - und das ist Auszeichnung genug, um als Wirtschaftsikone mit Lebemann- und Lebefrauattributen durchzugehen. War vorher mal das Wie, Woher und Wieviel von Bedeutung, gibt es heute eine Subkategorie des Fachs, die sich mit dem »Was kauft er sich denn?« oder »Wie großartig es sich davon leben läßt!« befasst. Wo es um wirtschaftliche Spieler gehen sollte, um Unternehmen, Arbeiter, Zwischenverdiener, Ausbeuter und wahlweise faire Geschäftsmänner, da geht es bei dieser Kategorie der Wirtschaftsberichterstattung nur mehr um die Wirtschaftlichkeit reicher Leben, um den Stolz wirtschaftlich gediegener Herrschaften.
Diese perverse Nabelschau von Menschen, die sich was leisten konnten, obgleich sie vielleicht nicht mal was geleistet haben, ist eine »Errungenschaft« der Neunzigerjahre. Als alle Welt mit einem Fingerschnippen zu Reichtum kommen wollte, sich börsennotierte und der Achtziger-Yuppie plötzlich eine Lebenseinstellung für Massen, eine neue Mitte und kollektiver Zeitgeist wurde. Damals ging es los mit Starmagazinen, mit dem Leben der Schönen und der Reichen zur besten Sendezeit; plötzlich wollte jeder hineinschauen in den grenzenlosen Reichtum, die obszöne Wirkung von unermesslichem Geldnachschub beobachten. Das hat sich bis heute in den Wirtschaftsspalten mannigfaltiger Qualitätsmedien gehalten. Denn seit damals lehrt man uns, dass Wirtschaften ja nichts anderes sei, als die Früchte seiner Arbeit zu ernten. Und wieso sich keinen Rassehengst davon kaufen? Oder einen Flitzer?
Man muss von Wirtschaftsjournalisten nicht erwarten, dass sie klassenkämpferisch fragen, ob der Lebenstil verschiedener Personen verdient ist oder doch nur Produkt der Arbeitsleistung anderer. Jedenfalls nicht in den oben genannten Blättern. Sie bedienen ein Gesamtpublikum und müssen nicht sozialistisch einwirken. Aber sie müssten und dürften eben auch nicht über solchen Lebensstil schreiben und das Ganze dann unter dem Label der Wirtschaftsberichterstattung laufen lassen. Das ist Lifestyle, eine dieser neueren Spalten der allgemeinen Berieselung mit Nichtigkeiten. Linders Porsche hat neben neuen Brüsten eines C-Stars zu firmieren, nicht dort, wo man über die Zahlen eines Automobilkonzerns berichtet; die Pferdenärrin passt in die Spalten, in denen es um Bohlens neueste Innovationen am Gespielinnenmarkt geht, nicht neben Berichten über Indizes und Ökonomenexpertisen.
Aber scheinbar ist Ökonomie heute viel mehr, ein Lebensgefühl halt. Nicht mehr öde Wissenschaft. Sondern geile Daseinsfreude der Gewinner. Über die Verlierer verliert man nur sterile Worte. Sie könnten ja auch einfach reich werden; Ökonomie ist doch, das wissen wir seit den Yuppies, eine Chance für jedermann. Man muss sich nur anstrengen, dann klappt es auch mit Porsche und Wellenreiten. Wer nie dazu kommt, der kann eben nicht wirtschaften. Und darüber muss man im Wirtschaftsteil ja auch nicht schreiben, nicht wahr ...
Die Wirtschaft oder Ökonomie behandelt die Gesetzmäßigkeiten der Bedürfnisbefriedigung oder eben etwaiger Fehlstellung. Sie handelt ab wer mit wem und mit was und wieviel. Arbeitsplätze, Ressourcen und Vertrieb. Welches Produkt wird wie hergestellt und wo abgesetzt. Woher kommt die Nachfrage? Ist das Angebot ein Angebot oder doch nur eine Luftnummer? Es geht um Besteuerung oder deren fahrlässiger Unterlassung zur allgemeinen Leerstellung öffentlicher Kassen. Wirtschaft fragt, ob Regulierungen installiert und Gesetze getroffen werden müssen, um gesellschaftliche Entwicklungen in diese oder andere Richtungen zu lotsen. Wie ist die Wirt-Gast-Beziehung und sind unsichtbare Hände wirksam oder braucht es zupackende Hände, die man sehen und spüren kann? All sowas ist das, was man Wirtschaft nennt und was die Wirtschaftsressorts diverser Zeitungen behandeln sollten - und vielleicht auch mal behandelt haben. Früher.
Nun geht es aber auch um den Lohn des Wirtschaftens in diesem Bereich. Darum, was man mit der Kohle machen kann, wenn man sie erwirtschaftet hat. Wie man dazu kam, ist dabei nicht mehr wesentlich. Man hat - und das ist Auszeichnung genug, um als Wirtschaftsikone mit Lebemann- und Lebefrauattributen durchzugehen. War vorher mal das Wie, Woher und Wieviel von Bedeutung, gibt es heute eine Subkategorie des Fachs, die sich mit dem »Was kauft er sich denn?« oder »Wie großartig es sich davon leben läßt!« befasst. Wo es um wirtschaftliche Spieler gehen sollte, um Unternehmen, Arbeiter, Zwischenverdiener, Ausbeuter und wahlweise faire Geschäftsmänner, da geht es bei dieser Kategorie der Wirtschaftsberichterstattung nur mehr um die Wirtschaftlichkeit reicher Leben, um den Stolz wirtschaftlich gediegener Herrschaften.
Diese perverse Nabelschau von Menschen, die sich was leisten konnten, obgleich sie vielleicht nicht mal was geleistet haben, ist eine »Errungenschaft« der Neunzigerjahre. Als alle Welt mit einem Fingerschnippen zu Reichtum kommen wollte, sich börsennotierte und der Achtziger-Yuppie plötzlich eine Lebenseinstellung für Massen, eine neue Mitte und kollektiver Zeitgeist wurde. Damals ging es los mit Starmagazinen, mit dem Leben der Schönen und der Reichen zur besten Sendezeit; plötzlich wollte jeder hineinschauen in den grenzenlosen Reichtum, die obszöne Wirkung von unermesslichem Geldnachschub beobachten. Das hat sich bis heute in den Wirtschaftsspalten mannigfaltiger Qualitätsmedien gehalten. Denn seit damals lehrt man uns, dass Wirtschaften ja nichts anderes sei, als die Früchte seiner Arbeit zu ernten. Und wieso sich keinen Rassehengst davon kaufen? Oder einen Flitzer?
Man muss von Wirtschaftsjournalisten nicht erwarten, dass sie klassenkämpferisch fragen, ob der Lebenstil verschiedener Personen verdient ist oder doch nur Produkt der Arbeitsleistung anderer. Jedenfalls nicht in den oben genannten Blättern. Sie bedienen ein Gesamtpublikum und müssen nicht sozialistisch einwirken. Aber sie müssten und dürften eben auch nicht über solchen Lebensstil schreiben und das Ganze dann unter dem Label der Wirtschaftsberichterstattung laufen lassen. Das ist Lifestyle, eine dieser neueren Spalten der allgemeinen Berieselung mit Nichtigkeiten. Linders Porsche hat neben neuen Brüsten eines C-Stars zu firmieren, nicht dort, wo man über die Zahlen eines Automobilkonzerns berichtet; die Pferdenärrin passt in die Spalten, in denen es um Bohlens neueste Innovationen am Gespielinnenmarkt geht, nicht neben Berichten über Indizes und Ökonomenexpertisen.
Aber scheinbar ist Ökonomie heute viel mehr, ein Lebensgefühl halt. Nicht mehr öde Wissenschaft. Sondern geile Daseinsfreude der Gewinner. Über die Verlierer verliert man nur sterile Worte. Sie könnten ja auch einfach reich werden; Ökonomie ist doch, das wissen wir seit den Yuppies, eine Chance für jedermann. Man muss sich nur anstrengen, dann klappt es auch mit Porsche und Wellenreiten. Wer nie dazu kommt, der kann eben nicht wirtschaften. Und darüber muss man im Wirtschaftsteil ja auch nicht schreiben, nicht wahr ...
4 Kommentare:
das ist schlicht und einfach boulevard, der mit wirtschaft nix zu tun hat.
die beiden (bei lindner damals) 19jährigen sind schlichtweg kinder reicher eltern.
ohne die kohle sind die nix.
"er hat sich (!) seinen ersten porsche gekauft" und sie ist milliardärin - köstlich.
Ich bin sehr gespannt, wie lange es noch dauern wird, bis eine Mehrheit auch in Deutschland endlich kapieren wird, dass sie durch das "Zu-Markte-Tragen" ihrer Arbeitskraft weder reich werden noch jemals ohne Zukunftsangst leben können, also nach allem, was die westlichen "Werte" zu bedeuten haben, auf ihre Arbeit auch nicht stolz zu sein brauchen, da sie offenbar nichts wert ist.
Jeder Kriminelle, der es zu diesem "Wert®" gebracht hat, findet mehr offene Ohren bei den politischen "Eliten" als so ein tumber Arbeitssklave.
Und da würde ich mir etwas heißen existenziellen Zorn auf den Straßen wünschen, statt diese Pegida&AfD&Nazi-Krakeeler allenthalben.
'Sondern geile Daseinsfreude der Gewinner. ' Das ist mal ein prägnanter Ausdruck. Den werde ich mir merken. Nach so was hab ich schon länger gesucht und diverse Probefassungen versucht, geile Daseinsfreude der Gewinner übertrifft die aber. Mein Kompliment!
Himmel noch mal – der Happy Sperm-Club feiert sich selbst.
Irgendwann werden wir zu Hindus …
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