Von Blindheit und Sehen
Donnerstag, 17. März 2016
Empathie und Empirie bedingen manchmal einander. Wir leben in einer Welt der Vereinzelung und verlernen zunehmend, uns in andere hineinzuversetzen. Auch ein Grund, warum man mit Parolen gegen Geflüchtete punktet. Vielleicht brauchen wir einfach mehr Erfahrungen am eigenen Leib.
Für anderthalb Stunden war ich vollkommen erblindet. Ich hatte ja schon viele Museen erlebt, in denen es faktisch nichts zu sehen gab. Aber dieses hier, das »Dialog im Dunkeln« im Frankfurter Ostend, war mit Abstand das beste aller Museen, in denen es absolut nichts zu sehen gab. Man drückte uns einen Blindenstock in die Hand, gab uns einige Anweisungen, wir sollten zum Beispiel die zu ertastenden Wände als Orientierung verwenden, und schon lotste man uns, eine Vierergruppe, in die absolute Finsternis. Es war tatsächlich so stockdunkel (kommt dieses Wort eigentlich von jenem Stock, den man vor sich hin und her wedelt?), wie ich es nie zuvor gekannt hatte. Dort empfing uns unser Guide, Andy mit Namen, eine angenehme Stimme, wir sahen ihn ja nicht. Später erfuhren wir, dass er blind ist. Er war der einzige Sehende in den Räumlichkeiten, durch die er uns führte.
3 Kommentare:
»Warum ich das hier erzähle? Ich möchte mich einerseits nochmals bei Andy entschuldigen. Falls Du das hier liest« … — Merkste selber, ne?
Schöner Artikel!
Nee, ich merk gar nichts, denn ich habe mich bewusst für die Formulierung entschieden, kadekmedien. An jenem Tag lernte ich nämlich auch, dass Blinde aktiv an der gängigen Sprache teilnehmen. Sie schauen auch TV.
Kommentar veröffentlichen