Anstaltslos sittlich

Donnerstag, 31. März 2016

Am Tag, als in Brüssel Menschen starben, diktierte das Öffentlich-Rechtliche mal wieder Pietät. Man sagte die »Die Anstalt« ab. So viel zur Normalität, die man nach Terrorakten stets so wortreich verteidigt.

Wir lassen uns also nicht beirren, unsere Art zu leben, nicht von terroristischen Aktionen ausknipsen. Wenn wir jetzt damit beginnen, nicht mehr das zu tun, was wir immer taten, dann haben die Terroristen gewonnen. So oder ähnlich klingen die Kommentare nach jedem Anschlag, den wir jetzt als europäische Gemeinschaft erleiden. In der Betroffenheit nach Explosionen und Gewehrsalven gibt sich dieser Kontinent noch vereint; so einhellig, wie er es in anderen Fragen schon seit Jahren nicht mehr ist. Im Entsetzen ist man versöhnt, obgleich man sich kontinental schier unversöhnlich hinter nationalen Eigennutz verschanzt. Jedenfalls impft man uns ein, dass auch viele Tote kein Grund seien, einfach aufzuhören, den westlichen Stil nicht weiterhin zu pflegen. Daher an alle da draußen: »Steigen Sie auch morgen in die U-Bahn! Schauen Sie den Börsenbericht und den Tatort!« Dass nichts mehr so ist, wie es mal war, so wie einst die »Bild« nach den Anschlägen auf das WTC titelte, kommt heute als Parole nicht mehr in Frage. Weitermachen! Aber nur ein bisschen. Das Amüsement stellen wir jedoch mal lieber ein. »Die Anstalt« bleibt geschlossen.

La principessa

Mittwoch, 30. März 2016

So weit sind wir gekommen, jetzt rekrutiert diese Frau tatsächliche Stimmen aus dem Wählerlager, das sie vorher nie wählte. Neulich konnte ich einem Gespräch gebildeter Leute aus dem Mittelstand lauschen. Eigentlich hätten sie nie Merkel gewählt, sagten sie. Sie fanden sie weder sympathisch noch politisch attraktiv. Sie waren stets für die Grünen, stimmten auch mal für die Sozis. Aber nun wollten sie, auch und vor allem um gegen diesen AfD-Wahnsinn ein Zeichen zu setzen, ihr Kreuzchen dort setzen, wo es der Kanzlerin helfen könnte. Man müsse nämlich geradezu exemplarisch die Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin krönen und sie mit ihrer Stimme unterstützen. Bei der nächsten Bundestagswahl müsste man aus Solidarität mit ihrer humanitären Politik quasi Merkelist sein. Diese Frau mag zuweilen plump wirken, aber sie schafft es auf die eine oder andere Art und Weise immer, auf den Füßen zu landen.

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Der Tod eines Toten

Dienstag, 29. März 2016

Deutsche Fotothek
Dancyger war polnischer Jude und hatte Auschwitz überlebt. Er kam um die Gaskammern herum. Lebte weiter. Eine Million oder mehr ließen dort ihr Leben. Er war eigentlich ein Toter. Jetzt steckte er in einem anderen Lager. Für Displaced Persons. Nicht vergleichbar mit dem Todeslager von vormals. Man hat sich in der neuen Unterkunft ein jüdisches Dorf aufgebaut. Es organisiert, so gut es ging. Strukturen geschaffen. Samuel Dancyger war nur einer von vielen dort, die die Shoa überlebten, die aus dem Rachen der Vernichtung sprangen, um noch eine zweite Chance zu erhalten, doch noch ein Leben geschenkt zu bekommen. Ihm und den anderen wurde das Geschenk des Weiterlebens zuteil. Damit war nicht zu rechnen gewesen.

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Die Würde des Neonazis ist unantastbar

Freitag, 25. März 2016

Er ist sich keiner Schuld bewusst und erschien mit Hitler-Gruß vor Gericht. Weil seine Haftbedingungen angeblich gegen die Menschenrechte verstoßen. Auch wenn es schwer fällt, auch dieses Ekel hat Menschenwürde verdient.

Anders Breivik hat Menschenrechtsklage eingereicht. Er fühlte sich isoliert und nicht nach humanitären Bedingungen inhaftiert, seine Menschenrechte würden nicht respektiert. Also tagt nun ein Gericht, um die Vorwürfe zu prüfen. Am Tage, da die Medien verstärkt über die Beschwerden des Massenmörders berichteten, konnte ich via Facebook rege Empörung wahrnehmen. Seine Opfer hätten auch keine Wahl gehabt, las ich da. Wie käme er also nun auf den Trichter, dass es ihm besser ergehen sollte, als allen seinen Opfern? Mitleid könne er keines erwarten. Und Menschenwürde? Wo war sie denn, als er in Massen tötete? Es war mal wieder zum Erschaudern, ich habe – was in der Natur meines Wesens liegt – viele linke Sympathisanten unter meinen »Freunden« und Followern. Und dennoch galoppiert hier diese Haltung, die ins tiefe Mittelalter gehört.

Wettbewerber des Hasses

Mittwoch, 23. März 2016

Was jetzt eintritt erinnert an eine Challenge, einen geistigen Unterbietungs- und radikalisierten Überbietungswettbewerb. Das Schreiben, das die Behörden in Dreieich und Neu-Isenburg erhielten und in dem Erschießungen angedroht wurden (»Hört auf damit euch so stark für Muslime zu engagieren, andernfalls beginnen wir mit Erschießungen bei Angehörigen dieser Volksgruppe [...] Finden unsere Forderungen kein Gehör so werden wir mit Erschießungen von Kommunalpolitikern weiter machen«), ist nur ein trauriger Höhepunkt. Es scheint, als müsste jetzt jeder Hampel mal abchecken, wie weit er gehen kann. Diese Leute sind ja im Taumel, im Gefühl eines Sieges. Für sie scheint jetzt jedes Statement quasi legitimiert. Nationale Revolution halt. So nannten schon mal welche ihren eintretenden harten Kurs.

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... wenn man trotzdem lacht

Dienstag, 22. März 2016

»Wir brauchen dringend 'nen dritten Weltkrieg. Guido Knopp ist mit den ersten beiden fast fertig.«

Die eigentliche Alternative für Deutschland wäre eine richtige Sozialdemokratie

Montag, 21. März 2016

Wie vor den Kopf gestoßen, waren alle Parteien am letzten Montag nach den Landtagswahlen. Bis auf die Sieger. Wie kam es nur dazu, dass eine Gruppe, die sich euphemistisch Partei nennt, wo sie nur Menschenverachtung exekutiert, so erfolgreich bei den Wählern ankam? Sigmar Gabriel postete seine Geknicktheit, er schrieb unter anderem: »Protest wählen löst nicht ein Problem in unserem Land. Im Gegenteil, es spaltet die Gesellschaft.« Dazu fällt mir nur ein Wort ein: Heuchler. Zumal er einen Tag danach in einem Interview sagte, dass nun nichts geändert werden müsse. Denn die Spaltung der Gesellschaft ist nicht das Ergebnis der AfD-Wahl, sondern die Ereignisse, die davor stattfanden, die spalteten die Gesellschaft und führten zum Rechtsruck. Besonders der Sozialdemokratie muss man den Vorwurf machen, Hauptschuldige an dieser Entwicklung zu sein. Denn sie weigert sich vehement, sich von der Union abheben zu wollen.

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AfD-Wähler, die unter der AfD nichts zu wählen hätten

Freitag, 18. März 2016

oder Diese Leute nicht mit Vorurteilen zu sehen, stellt auch eine Kulturleistung dar.

Der alte Mann schleppte sich in die Straßenbahn, lehnte seinen Stock an die Haltestange und kramte eine Bildzeitung aus seiner Einkaufstasche. Er wirkte ungepflegt, sein Haar war strähnig, hatte Zähne wie Sterne, gelb und weit auseinander. Auf seinem Hemd klebten die Überreste einer Mahlzeit. Ein jüngerer Mann entschuldigte sich, er würde ihm ja seinen Sitzplatz anbieten, aber er sei erst kürzlich am Knie operiert worden. Die Alte fragte nach, hörte vermutlich schlecht, winkte dann jedoch ab, er wollte ohnehin stehen, so behindert sei er ja noch gar nicht. Der Jüngere entschuldigte sich nochmals, erwähnte nochmals seine OP. Wahrscheinlich wollte er seine Story loswerden. Er trug schmutzige Jeans und sein Blick schien ungewaschen und stumpf. So quatschten sie ein wenig belanglos vor sich her. Nach wenigen Sätzen deutete der Alte auf einen Text in der Zeitung, es ging um die AfD, um die berechtigte Angst der Politiker, darum, dass diese Regierung fortgejagt werden müsse und die AfD hoffentlich an die fünfzig Prozent bei der nächsten Wahl bekommen sollte. Der Jüngere nickte, keuchte etwas Unverständliches durch das schwarze Loch in seinem Gesicht und beide ergossen sich in wütenden, aber rhetorisch unbeholfenen Floskeln.

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Von Blindheit und Sehen

Donnerstag, 17. März 2016

Empathie und Empirie bedingen manchmal einander. Wir leben in einer Welt der Vereinzelung und verlernen zunehmend, uns in andere hineinzuversetzen. Auch ein Grund, warum man mit Parolen gegen Geflüchtete punktet. Vielleicht brauchen wir einfach mehr Erfahrungen am eigenen Leib.

Für anderthalb Stunden war ich vollkommen erblindet. Ich hatte ja schon viele Museen erlebt, in denen es faktisch nichts zu sehen gab. Aber dieses hier, das »Dialog im Dunkeln« im Frankfurter Ostend, war mit Abstand das beste aller Museen, in denen es absolut nichts zu sehen gab. Man drückte uns einen Blindenstock in die Hand, gab uns einige Anweisungen, wir sollten zum Beispiel die zu ertastenden Wände als Orientierung verwenden, und schon lotste man uns, eine Vierergruppe, in die absolute Finsternis. Es war tatsächlich so stockdunkel (kommt dieses Wort eigentlich von jenem Stock, den man vor sich hin und her wedelt?), wie ich es nie zuvor gekannt hatte. Dort empfing uns unser Guide, Andy mit Namen, eine angenehme Stimme, wir sahen ihn ja nicht. Später erfuhren wir, dass er blind ist. Er war der einzige Sehende in den Räumlichkeiten, durch die er uns führte.

Die Antinativen, die Systemfrage und ihre Homogenität

Mittwoch, 16. März 2016

Trump behauptete wieder mal, dass alle Politiker Lügner seien. Die Teeparty betätigt sie so schon seit einigen Jahren. Die Alternative aus der Petryschale setzt ebenfalls da an: Politiker hätten uns an den Rand des Zusammenbruches regiert, daher müsste nun die AfD ans Ruder. Ähnlich feierte man den noch amtierenden Bundespräsidenten einst. Das sei nämlich einer, der nicht aus der Politik käme, was dem Amt nur guttun sollte. Und hin und wieder gefiel sich der Mann aus Bellevue in der Rolle des frischen Newcomers, der denen da oben mal zeigt, wie Herr Normalwähler tickt. Die Bürger für Frankfurt warben auf ihren Plakaten im letzten Kommunalwahlkampf fast identisch. Sie erklärten, dass die Politik versagt habe, weswegen sie es jetzt richten müssten. Politik, die mit Anti-Politik gemacht wird. Es ist auch so ein Konzept in hochgradig politischen Zeiten, ausgerechnet mit Unpolitik punkten zu wollen.

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Aus fremder Feder

Dienstag, 15. März 2016

»Mein Vater sprach immer davon, die drei großen Übel zu überwinden: Armut, Militarismus, Rassismus. Schauen Sie, wo wir heute stehen.«
- Martin Luther Kings Sohn in einem Interview -

Die öde Wissenschaft, die jetzt Lifestyle ist

Montag, 14. März 2016

Klickt man bei der Onlineausgabe des »Stern« auf den Wirtschaftsteil, so kann man unter anderem einen Bericht über die »jüngste Milliardärin der Welt« lesen. Wie sie lebt und liebt und wie es sich da oben so atmet. Beim Spiegel kriegt man unter dem Label »Wirtschaft« etwas über Christian Lindners ersten Porsche erzählt. Letzteres hat man nach einigen Tagen zur Politik verschoben, wohin es wahrscheinlich thematisch auch nicht passt. Komisch, war Wirtschaft nicht mal etwas völlig anderes? Seit wann sind Stories im Stile von »exklusiv« wirtschaftsrelevant? Oder ist das die Vollendung der ökonomischen Dekadenz, in die wir uns sukzessive manövriert haben?

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... shame on me!

Freitag, 11. März 2016

Über Scham, über Beschämung, über Schande . darüber wird derzeit viel gesprochen. Es sind Floskeln, die häufig vorkommen in diesem Deutschland, das um eine »Alternative« ringt, aber sich offenbar vermehrt für eine weitere Alternativlosigkeit (nach der merkelschen) entscheidet. Facebook verkommt zu Shamebook, in dem viel zu viele darlegen, dass sie sich für dieses Land und einige der darin enthaltenen Figuren schämen. Wegen Clausnitz. Pegida. AfD. Seehofer. Und Petryhöckegaulandstorch. Wegen des Rechtsruckes halt. Wegen Polizei, die Flüchtlinge aus Bussen zerrt. Dieses vorauseilende Schamgefühl ist Quatsch. Welche Verantwortung zwingt uns denn dazu, den Stolz zur Schau getragenen Antihumanismus zu entschuldigen und uns dafür zu schämen? Wir Anständigen können doch nichts für die Unanständigen!

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Machen Sie ne Therapie, Frau Steinbach!

Donnerstag, 10. März 2016

Alle watschen nun Erika Steinbach wegen ihres Tweets ab. Das von ihr getwitterte Foto indischer Frauen, die ein blondes Mädchen begaffen, ist aber familiäre Verarbeitung. Überhaupt scheint alles, was sie zur Flüchtlingsdebatte absondert, eine Projektion ihres Schattenarchetyps zu sein.

Die Frauen eines indischen Dorfes stehen um einen Blondschopf. Sie machen große Augen, beugen sich zu ihm herunter, einige lachen ob der Exotik. Das Bild kursierte schon einige Jahre in etwaigen sozialen Netzwerken. Völkische User posteten es gerne. Nun auch Erika Steinbach, ehemalige Vertriebenenpräsidentin. Sie überschrieb es gleich noch mit dem griffigen Slogan: »Deutschland 2030«. Völlig nachvollziehbar die Reaktionen darauf. Dass das einer Person, die in ihrer Partei als Sprecherin für Menschenrechte und humanitäre Hilfe fungiere, nicht würdig sei, ist zweifelsfrei richtig. Es ist ferner Panikmache. Das Bild ist zudem komplett aus dem Zusammenhang gerissen, denn es entstand in Indien und zeigt damit eigentlich das, was Steinbach sich scheinbar wünscht: Eine relativ homogene autochthone Gesellschaft, die Minderheiten verspottet – und eben nicht das glatte Gegenteil dessen, wie sie mit dem Posting suggerieren möchte.

Republikaner, die in Zügen sitzen

Mittwoch, 9. März 2016

Kürzlich berichteten »Spiegel« und »Manager Magazin« von Deutschlands Pendlerströmen. Die Bereitschaft einen Arbeitsplatz, der 100 oder mehr Kilometer von der eigenen Haustüre entfernt ist, täglich aufzusuchen, sei in den letzten zehn Jahren sprunghaft angestiegen. Man darf sich also nicht wundern, dass wir in einer entsolidarisierten Gesellschaft leben. Denn lange Fahrtwege, immer auf dem Sprung zu sein, um die geplante Bahnverbindung doch noch zu kriegen, Stress in der Arbeit, zähe Stunden in Abteilen oder auf Autobahnen und ein Leben, das kaum in den heimischen Wänden stattfindet, erzeugt einen Typus, der für soziales Engagement und Solidarität wenig Energie aufwenden kann. Der Pendler ist mehr als andere mit sich selbst beschäftigt.

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... wenn man trotzdem lacht

Dienstag, 8. März 2016

»Und die Merkel ist an allem schuld. Seit zehn Jahren lese ich jetzt diesen Schwachsinn in allen Zeitungen. Die Merkel ist schuld an unserer Lähmung und an unserer Lethargie. Und dass wir so apolitisch sind. Was? Die hat ja eine Zauberkraft, die Frau Merkel. Das ist ja ungeheuerlich. Und was stellen wir uns aus für ein erschütterndes Zeugnis, wenn wir uns von einer Frau Merkel lähmen lassen können. Was sind wir für Weicheier. Man hat oftmals den Eindruck in Deutschland, dass die Leute im Grunde enttäuschte Demokraten sind, im Grunde ihres Herzens Royalisten, die sich einen König wünschen, damit sie ihn doof finden können. [...] Wegen der Merkel gehen wir nicht mehr zur Wahl. Das könnte uns passen. [...] Bei mir hat der Zauber nie gewirkt von der Frau Merkel zum Beispiel. Ich gehe immer trotzdem noch zur Wahl. Ganz eigenartig so eine Immunität.«

Die Linke und die Rechte und was den Unterschied macht

Montag, 7. März 2016

Eine Abfuhr an den linken Populismus.

Abkehr von Europa, Brüssel als Entmachtung des Volkswillens, die EU ein Apparat zur Beseitigung nationaler Entscheidungskompetenzen, die Vereinigten Staaten als Kommandozentrale: Das sind so Schlagworte, die man bei den Anhängern der AfD wie von »Die Linke« gleichermaßen hört. Der Feind ist benannt und rechts wie links eigentlich derselbe. Dass man bei der AfD solche Feindbilder pflegt, ist eigentlich geschenkt. Was man der politischen Linken vorwerfen muss: Sie hat zwar im Ansatz das Problem erkannt, aber ein Konzept für eine kontinentale Union aufbauend auf linken Werten legt sie jedoch nicht vor. Auch sie macht es lieber populistisch und emotionalisiert.

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Eine utilitaristische Betrachtungsweise des Drogenkonsums

Sonntag, 6. März 2016

Rücktritt nach Drogenfund. So endete letzte Woche die politische Karriere des Volker Beck. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Doch wem hat er eigentlich geschadet? Andere haben massiv geschädigt und werden weder mit Spott noch mit Rücktritt entlohnt.

Nun haben sie also »Substanzen« bei jenem Herrn Beck gefunden, der stets die Ansicht hegte, dass die »Kriminalisierungspolitik von Drogenkonsumenten« gescheitert sei. Jetzt wird er selbst kriminalisiert. Er war nur konsequent – und deshalb stellt sich nun mehr als in anderen ähnlich gearteten Fällen die Frage: Wen hat der Mann eigentlich geschadet? Das ist ja eine der grundsätzlichen Fragen, die Befürworter einer laxeren Drogenpolitik in den Diskurs werfen. Was spricht gegen Legalisierung, wenn selbige zu einer Entkriminalisierung und zu weniger kriminellen Einzelschritten bei der Beschaffung und beim Konsum führen? Ein leichterer Zugang zu bestimmten Substanzen nimmt Dealern und Produzenten den Markt, bremst den kriminellen Wettbewerb und macht Konsumenten sukzessive zu Menschen, die nicht mehr in den düsteren Nischen der Gesellschaft abtauchen müssen, um nicht von einer Moral torpediert zu werden, die auch noch den Richterspruch hinter sich weiß.

Jedermänner und Niemande

Freitag, 4. März 2016

Was sehen wir hier? Ein Wahlplakat aus dem Frankfurter Kommunalwahlkampf. Oberflächlich betrachtet vollkommen richtig. Die Frage war auch nicht konkret genug. Also: Was sehen wir darauf? Eine Botschaft über bezahlbaren Wohnraum. Für alle. Für jeden erschwinglich. Und wer ist darauf zu sehen? Ein junges Paar. Beide lächeln. Vielleicht sind sie verliebt, sie halten sich ja ihre Händchen. Ranzig angezogen sind sie nicht. Sitzen auf einem schönen Parkettboden. Laptop auf dem Schoß. Die Zähne sehen gepflegt aus. Weiß glänzend. Beide haben einen ordentlichen Haarschnitt. Man ahnt, diese Menschen haben einen Arbeitsplatz, der sie finanziell ausstattet. Sie haben einen Zahnarzt, bestellen online Einrichtung und gehen regelmäßig zum Friseur. Sie haben guten Grund fröhlich zu sein. Sehen aus wie Katalogmenschen, attraktive Agendawesen, denen alles zufliegt. Warum um Himmels Willen steht dann da, dass es für jeden erschwinglich sein soll?

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Die Moral unserer Zeit

Mittwoch, 2. März 2016

Kants Totenmaske; die
klassische Ethik hat keine
Über viele Jahre hinweg hat sich das, was wir der Einfachheit halber stets als »die Wirtschaft« tituliert haben, ziemlich rüde, rücksichtslos, eigennützig, selbstsüchtig, garstig, barsch und fies gegeben. Die Politik sollte als Kapo und Erfüllungsgehilfe im Parlament maßgeschneiderte Reformen und den Sozialabbau betreuen und so die internationale Wettbewerbsfähigkeit garantieren und sicherstellen. In letzter Zeit vernimmt man jedoch menschelnde und vernünftig klingende Töne aus »der Wirtschaft«. Etwas, das wir Moral aussieht, wie Sitte und Anstand. Doch das darf man jetzt nicht falsch verstehen.

Nun hat der sächsische Teil der Wirtschaft etwas Angst vor den Reaktionen. Der Standort sei nach solchen Aktionen wie in Clausnitz in Gefahr. Deshalb soll Wirtschaftsvertretern zufolge die Politik »wirksam« dieser Entwicklung entgegentreten. Vor Monaten schon stellten die Vertreter der deutschen Wirtschaft fest, dass Flüchtlinge eine große Chance seien. Man könne sich den Menschen, die hier Zuflucht suchten, nicht einfach in den Weg stellen. Und als man Russland sanktionierte und alle deutsche Welt in Kriegsgeheul ausbrach, da waren es Konzerne, die dringlich davon abrieten und zu Friedensstiftern wurden.

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Aus fremder Feder

Dienstag, 1. März 2016

»Wir lagen mit dem Rezept falsch, nicht mit der Vision. Und seither habe ich damit gerungen, wie die Vision sinnvoll zu erarbeiten wäre, ohne dass es eben so verläuft. Nie wieder werde ich Abstriche von Meinungs- und Pressefreiheit akzeptieren, von staatsbürgerlichen Freiheiten und Rechten. Irgendwo vom Marxismus zu Lenin, schon dort sind Fehler eingebaut, weil jedes einzelne Land entgleist ist. Nicht alle sind dann so [Anm.: wie Kambodscha unter Pol Pot] weit entgleist, aber entgleist ist trotzdem jedes einzelne und daraus muss man seine Schlüsse ziehen. Ich fühle mich weiterhin links, aber das muss möglich sein, ohne in diesem totalen Abgrund zu landen, in den wir gestürzt sind.«
- Gunnar Bergström in Peter Fröberg Idlings »Pol Pots Lächeln« -

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