Lindner und der Kaiser von Byzanz

Mittwoch, 11. Dezember 2013

Der Parteitag der FDP, der vor einigen Tagen stattfand, stieß auf ein breites Echo der Öffentlichkeit. Man konnte Lindner im Fernsehen sehen. Und seiner motzigen Rede in Auszügen im Radio lauschen. Dass er die Große Koalition für einen Raubzug hält, konnte man gar nicht überhören. Selbst wenn man gewollt hätte. Seine und seiner Partei Ablehnung dieses Bündnisses zwischen Konservativen und Sozialdemokraten war jedem Sender und jeder Zeitung eine Nachricht wert. So wie auch seine Rede vor seinen Parteifreunden.

Für ein Land, in dem die Übermacht der kommenden Koalition dem Bisschen an Opposition, das noch bleibt, gerade mal je Fraktion fünf Minuten Redezeit erteilen will, ist diese Berücksichtigung einer Partei, die nicht mal im Bundestag vertreten ist, schon irgendwie erstaunlich. So erstaunlich wie der Umstand, dass man nicht auch anderen Parteien, die nicht im Bundestag vertreten sind, mal ein breiteres Forum bietet.

Die FDP findet tagespolitisch betrachtet in diesem Lande nicht mehr statt. Weshalb schenkt man ihr dennoch so viel Sendezeit? Ist das alte Verbundenheit? Gewohnheit im Umgang mit einer Partei, die noch nie nicht dabei war? Haben die Bürger dieses Landes denn einen Anspruch darauf, über die (Miss-)Geschicke einer Partei zu erfahren, die einigermaßen ordentlich rausgewählt wurde, nur weil sie früher mal immer drin war? Und das alles während Die Linke und die Grünen mit kurzen Redezeiten im Bundestag abgespeist werden sollen? Und insbesondere Die Linke auch sonst relativ wenig Sendezeit und Aufmerksamkeit geschenkt bekommt?

Mit welcher Berechtigung die FDP von den Medien die Rolle als Kopf der APO verliehen bekommt, ist nur schwer in Erfahrung zu bringen. Es gibt eine Unzahl an Parteien, die nicht im Bundestag sitzen. Über keine wird allerdings so rege über Personalien berichtet. Gibt es nicht weitaus wichtigere Themen als den neuen Vorsitzenden einer Fahrstuhlpartei? Warum liest man eigentlich so wenig von der MLPD? Irrtum, wer meinte, die FDP sei mausetot. Sie bekommt heute noch mehr Aufmerksamkeit in ZDF Berlin direkt als Gysi im Parlament. Ist das die ausgleichende Rolle, die die Medien als publikative Gewalt einnehmen?

Früher mag der Chef der FDP ja ein einflussreicher Mensch gewesen sein. Heute ist er eine Fußnote. Oder sagen wir es so: Er sollte nach Faktenlage eine Fußnote sein. Der Basileus von Byzanz war ja auch mal ein mächtiger Mann, bis er nur noch Herr über eine lange Stadtmauer, einen morschen Palast und fünf abgegraste Wiesen war. Ob man zuletzt noch viel von ihm gesprochen hat?

Nach Norwich ist die Antwort hierzu eindeutig: Ja, man hat. Er sollte schließlich als Bollwerk gegen die Muselmanen erhalten bleiben. Wie die FDP heute. Nicht gegen die Muselmanen freilich - gegen den angeblichen Linksruck, den man allerorten wittert. Der östliche Herr der Christenheit war auch als machtloser Despot noch in aller Munde. Ganz so wie der Herr der Marktlehre heute.


6 Kommentare:

Anonym 11. Dezember 2013 um 09:29  

....und dass der Lindner ja eigentlich auch noch ein Subventionsbetrüger ist, davon hört man gar nichts....

pillo 11. Dezember 2013 um 09:55  

Ja, die mediale Omnipräsenz der FDP und speziell des Herrn Lindner ist mir in den letzten Tagen auch sehr unangenehm aufgefallen. Selbst bei einem kurzen, oberflächlichen Überfliegen der ÖR Sendungen der letzten Tage sticht dies ins Auge. Lindner bei "Hart aber Fair" und "Lanz", ausführliche Berichte über die FDP in den sonntäglichen Politsendungen von ARD bzw. ZDF und in den Nachrichten sowieso.

Man stelle sich nur einmal vor, die Linke wäre aus dem Bundestag geflogen. Nach einer Reihe hämischer Kommentare kurz nach der Wahl, würde man schon heute nichts mehr von ihr hören und lesen. Sie wäre medial inexistent.

Einzig die Tatsache, dass die Linke wieder im Bundestag sitzt und nun auch noch die "größte" Oppositionsfraktion stellt, zwingt die Systemmedien dazu gelegentlich über sie zu berichten. Wobei gefühlte 90% der Berichte mit einem negativen Unterton daher kommen.

Hier wird die Strategie der nächsten vier Jahre deutlich. Die FDP soll im Gespräch und somit im Bewußtsein der Wähler gehalten werden. Wenn man sich dann noch bei den Nachrichten bezüglich der Grünen und vor allem der Linken entsprechend knapp fasst, erhält die FDP de facto den Status einer dritten Oppositionspartei. So manch ein Dödel wird dabei fast vergessen, dass diese Pareti gar nicht mehr im Bundestag vertreten ist.

maguscarolus 11. Dezember 2013 um 09:56  

Ein schöner Vergleich:

Verrottet, verknöchert, anmaßend, realitätsblind, aber Platzhalter und Garant aller byzantinischen, rückwärtsgewandten "Reformen".

Leider ist weit und breit kein Mehmet Fatih in Sicht, der dieser elenden Truppe aus Lobby-Söldnern in ihrem Nest vollends den Gnadenstoß geben könnte.

Lutz Hausstein 11. Dezember 2013 um 11:00  

Ich fand es ja am Sonntag auch mehr als nur befremdlich, dass sowohl bei ARD als auch beim ZDF der Splitterpartei FDP einen solch breiter Raum der Sendezeit eingeräumt wurde. Da konnte ich einfach ein süffisantes Lächeln nicht unterdrücken.

Aber ich finde es ja auch befremdlich, wenn zu Wahlanalyse-Diskussionen der Berliner Runde diverser nichtbayrischer Landtagswahlen so gern die CSU eingeladen wird, während man die in dem entsprechenden Bundesland zwar angetretenen, aber nicht in den Landtag eingezogenen Parteien in dieser Veranstaltung vergeblich sucht. Daran kann man doch wunderschön erkennen, wie die Machtkonstellationen der jeweiligen Fernsehsender-Verwaltungsräte auch bis ins Sendegeschehen hinein wirken.

Siewurdengelesen 11. Dezember 2013 um 13:19  

Das latente und wiederholte Erwähnen der FDP verhält sich analog zur AfD, die zwar politisch glücklicherweise nicht zum Tragen gekommen ist, sich aber durch den Nichterfolg bereits jetzt innerlich aufreibt, weil es letzten Endes doch nur um den Drang zur Macht geht bei diesen Parteien und deren Mitgliedern.
Sie können daher nur die Gunst der jeweiligen Stunde nutzen mit passenden populistischen Anwürfen, klappt das nicht, sind die Chancen von vornherein gering.
Inwieweit neben den einschlägigen Portalen a la´ FAZ, Welt und dergleichen mehr die öffentlich-rechtlichen Medien sich berufen fühlen, die olle Suppe nochmals aufzuwärmen...

...immerhin bekommen sie auf diese Art durch eine Botschaft mit null substantiellem Inhalt ein paar Schlagzeilen gebacken, die andere wichtige Themen verdrängen können.

Als Parallele dazu, auch wenn´s thematisch nicht ganz passt (die Marktbefürworter der FDP würden es auch bejubeln):

So ähnlich dürfte es sich mit der Botschaft über den "spontanen Besuch" unseres Kriegsministers in Afghanistan verhalten, der braucht etwas positive Publicity als Seelenbalsam und es lenkt ab von seinen anderen Problemchen. Am Ende interessiert das vermutlich kaum jemanden wirklich, wo der Herr gerade herumgurkt und auf Schönwetter macht.

Nahezu zur selben Zeit besitzt EADS die Frechheit, mit Arbeitsplatzabbau zu drohen - der vermutlich sowieso stattfindet und am Ende von Unternehmen und Gewerkschaft noch als Erfolg bejubelt wird, wenn es nur die Hälfte trifft - wenn keine weiteren Eurofighter bestellt werden, die wahrscheinlich anschließend als neuwertiger Schrott in irgendeinem Hangar vor sich hin gammeln. Da wird noch "befürchtet, nicht ausgeschlossen und in Gefahr gesehen", obwohl intern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit alles längst gelaufen ist. Wenigstens für die Aktionäre gibt es dadurch ein schönes Weihnachtsgeld, der Börsentip steht ganz fett auf Kaufen.

Anonym 12. Dezember 2013 um 13:46  

Dazu passen auch der Auftritte von Johannes Ponader und Christian Lindner bei Günther Jauch kurz vor der Landtagswahl in NRW.
Während der Ponader vom Jauch als Hartz4 Schnorrer vorgeführt wurde, blieb der Lindner unangetastet.
Dabei wäre es doch mal interessant gewesen, ihn mal mit seinen Pleitefirmen zu konfrontieren. Oder mal darauf hinzuweisen, dass der Mann dabei 1,4 Millionen Euros an Subventionen verbrannte, somit dem Staat also mit 23 Jahren weit mehr gekostet hat, als ein Johannes Ponader, wenn er für den Rest seines Lebens Hartz4 bekäme.
Einfach mal um zu hinterfragen, wie weit es den wirklich mit der Wirtschaftskompetenz des Mannes bestellt ist, der sich da für ein hohes politisches Amt bewirbt.
Aber nein, der Hartz4 Empfänger an sich ist ja viel gefährlicher für unser Land.

P.S. Das war übrigens das letzte mal in meinem Leben, dass ich Günther Jauch gesehen habe.

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