Die Deutschen zwischen Kant und Schiller

Freitag, 31. Mai 2013

oder Mein Appell an den deutschromantisierenden Türken.

Sagen Sie mal, Özkök, welche Deutschen haben Sie denn besucht? Ihr "Appell an die türkischstämmigen Deutschen", den sie kürzlich in der Bildzeitung veröffentlichen ließen, läßt da Fragen offen. Sie schreiben darin, dass die Werte der Deutschen von "Goethe, Schiller, Kant, Thomas Mann und Beethoven" stammen. Reden wir von diesem Deutschland oder kennen Sie ein anderes?

Sehen Sie, ich lebe hier seitdem ich geboren wurde. Alle Menschen, die mir hier begegneten, hatten irgendwelche Werte, nach denen sie ihr Leben ausrichteten. Viele bewusst, manche ohne genaue Kenntnis davon. Die meisten beziehen sich auf irgendeinen Gott, den sie entweder von der Kirche oder von einem Guru verabreicht bekommen. Andere pflegen das Ideal des Egoismus und nutzen ihren Ellenbogen als höhere Moral. Und manche - gar nicht so wenige! - scheinen ihr Wertebild direkt aus der Rassenkunde entnommen zu haben. Auf Goethe oder Schiller, lieber Özkök, haben sich die Deutschen, die ich so kenne, kaum berufen. Neuerdings eher auf Sarrazin und Buschkowsky - Kant halten die meisten vermutlich für einen Generalsekretär der SED und Thomas Mann war doch der, der den Motor erfunden hat, oder nicht?

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Gastarbeiter und Volksego

Donnerstag, 30. Mai 2013

Letzte Woche flatterte das Ergebnis einer Bertelsmann-Studie durch die Medien. Danach seien Zuwanderer oft besser ausgebildet als Deutsche. Das SWR-Radio fragte deshalb in einem Feature "kritisch" nach. Schon die erste Frage an eine nicht näher vorgestellte Expertin ärgerte mich.

Die Moderatorin fragte tatsächlich, ob denn das klassische Bild vom Gastarbeiter, der nur Hilfsarbeitertätigkeiten übernahm, noch gelte. Dies ist die allgemeine Legende, nicht nur beim SWR glaubt man an den südländischen HiWi, der nichts war, nichts konnte, in Deutschland als Handlanger aber eine gnädige Chance bekam.

Nomen non est omen

Mittwoch, 29. Mai 2013

Heute: Babypause

Ein Gastbeitrag von Markus Vollack. 
"Bundesgesundheitsminister Bahr entdeckt die Familie. Nach Geburt seines ersten Kindes will er pausieren. Genau drei Wochen. Das Handy bleibe aber an, versichert der Mann."
- manager-magazin.de vom 17. Mai 2013 -
Der Begriff "Babypause" ist in den Massenmedien ein oft verwendetes Wort. Es ist ein Synonym für die Elternzeit, in der die Eltern sich intensiv um ihr neues Leben kümmern. Während "Elternzeit" jedoch wertneutraler ist, suggeriert die "Babypause" als würde Frau einen, vom Unternehmen bezahlten, Urlaub wahrnehmen. Babybilder, emotionale Reaktionen und Glückwünsche sollten nicht darüber hinweg täuschen, dass der Begriff eher negativ besetzt ist, da die "Babypause" oft als "Karriereknick" gewertet wird.

Ich verachte ihre Meinung ...

Dienstag, 28. Mai 2013

Die brachiale Shitstorm-Mentalität des modernen Spießbürgertums treibt seltsame Blüten. Als Linker wird man da plötzlich zum Advokaten seiner politischen Gegner. So habe ich schon Christian Wulff und Jörg Kachelmann publizistisch verteidigt. Und nun auch noch Beate Zschäpe.

Eigentlich sind mir Wulff, Kachelmann und letztlich natürlich auch Zschäpe politisch völlig fremd. Ich komme aus einem anderen politischen und sozialen Milieu und kann mit deren neoliberalem oder gar rassistischem Weltbild, mit ihrem parteipolitischem Apparatschiktum gar nichts anfangen. Und trotzdem habe ich sie zuweilen schon gegen ein selbstgerechtes bürgerliches Weltbild "verteidigt", in dem sie zum Spielball billiger Affekte und inquisitorischer Haudrauf-Rhetorik wurden.

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Ein langweiliges Opportunistenleben

Montag, 27. Mai 2013

Quelle: Piper
oder Der ideologisch aufgeladene Ingrimm zweier Konservativer.

Obgleich beide Autoren eng mit der Axel Springer AG verbandelt sind, ist Das erste Leben der Angela M. ein lesbares, weil durchaus informatives Buch. Denn es ist mehr als ein Buch nur über Merkel - auch, weil diese Frau bis 1990 kaum etwas hergab, worüber es sich zu berichten lohnte. Das ist zugleich auch eine der Schwächen dieser DDR-Biographie der Kanzlerin. Die auf Sensation getrimmte Berichterstattung rund ums Buch ist mit dem Inhalt kaum vereinbar. Weder ist Merkels "erstes Leben" besonders spannend, noch ist sie dort, obgleich sie vielleicht durchaus linientreu war, nachdrücklich aufgefallen. Und nebenher wird nichts aufgedeckt, was nicht ohnehin schon mehr oder weniger bekannt war.

Angela was there

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Von der Riesterrente lernen, heißt Rauchmelder werden

Freitag, 24. Mai 2013

Wer heute seinen Scheiß unter die Leute bringen will, der gilt als altmodisch wenn er sagt Greifen Sie zu! oder Kaufen Sie hiervon! Wer was auf sich hält, der plant eine Verkaufsstrategie im großen Stil, der sorgt für softe Hysterie - oder für rabiate! -, macht Angst, bietet aber eine Lösung an - eben den Scheiß, den man loskriegen will! -, engagiert sich Lobbyisten, die Expertisen erfinden und dafür sorgen, dass die Inanspruchnahme der Lösung zur Pflicht wird und verdient sich dann mittels dieser staatlichen Hilfestellung ein nettes Sümmchen. Freie Marktwirtschaft nennt sich das dann.

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Der Kollateralschaden allgemeiner Herzlosigkeit

Donnerstag, 23. Mai 2013

Im ARD-Film "Mobbing" spielt Tobias Moretti ein Opfer jener menschenverachtenden Praxis. Was der verknappten Darstellung allerdings fehlt: Die Konfrontation als nervlich angeschlagener Ex-Arbeitnehmer mit den Behörden. Die sorgen gemeinhin für den nächsten depressiven Schub.

Als Mittzwanziger geriet ich nach einer betriebsbedingten Kündigung fast übergangslos an eine neue Arbeitsstelle. Ich sollte mich als Schlosser in einer mechanischen Werkstatt verdingen – dort hielt ich es aber dann keine sechs Monate aus, der Arbeitgeber zog die Reißleine, entließ mich in der Probezeit. Davor glich der Arbeitsalltag dem, was neulich im ARD-Film "Mobbing" zu sehen war.

Hier können Familien Kaffee kochen

Mittwoch, 22. Mai 2013

Morgen wäre die Sozialdemokratie 150 Jahre alt geworden.

Sie wurde als synthetische Idee zwischen Revolutionsgeist und Stillstand geboren. Den Marsch durch die Institutionen ging sie schon Jahrzehnte vor denen an, die Ende der Sechzigerjahre diese Parole aufbrachten. Böse Zungen behaupten, sie seien in den Institutionen hängengeblieben, wie später die Grünen - und wenn man so in die Geschichtsbücher blickt, an Kriegskredite, an Noske denkt, dann mag man dem beipflichten. Dennoch war die Sozialdemokratie lange Jahre eine Alternative im Kapitalismus, war es der Überbegriff für die, die es etwas besser, etwas aufgeklärter, etwas menschlicher machen wollten. 150 Jahre alt wäre diese kleine Alternative morgen geworden.

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De auditu

Dienstag, 21. Mai 2013

In allerlei Nachrichtenformaten heißt es immer öfter, Spanier oder Griechen gingen gegen ihre Regierung auf die Straße. Nicht gegen die Regierung, nein, gegen ihre Regierung. Dabei ist genau diese Einschätzung falsch. Sie gehen auf die Straße, weil es nicht ihre Regierung ist. Sie ist die Regierung der Sachzwänge, der Troika, der Europäischen Union, Merkels und des neoliberalen Gesellschafts- und Kontinentalentwurfes.

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Sie ist ja eigentlich ganz nett

Samstag, 18. Mai 2013

Die Bildzeitung bringt Jugendbilder der Kanzlerin. Bei RTL sitzt sie vor eine Gruppe von Frauen, beantwortet Fragen zu Männern und Haushalt. Doch bei der Berichterstattung aus Merkels „unbekannten DDR-Leben“ geht es um mehr als unpolitische Menschelei der Klatschpresse.

Unlängst berichtete das Morgenmagazin im ZDF von - so der Originalton! - "Mutti Merkel" und ihren Lieblingsfilm "Paul und Paula". Den sah sie sich mit ausgewählten Publikum an, schwelgte in Erinnerungen. Merkel fühlte sich dabei sichtlich wohl, wusste die Stimme aus dem Off.

Die Unmöglichkeit reinen Lebens

Freitag, 17. Mai 2013

oder Wer atmen will, macht sich schuldig.

"Muss der Handelnde schuldig werden, immer und immer? Oder, wenn er nicht schuldig werden will, untergehen?", fragt Monika Maron in Stille Zeile Sechs und bezieht sich auf Ernst Toller, den politischen Schriftsteller und einer der führenden Köpfe der Münchner Räterepublik, dessen leitmotivische Frage dies gewesen sei. Tollers Thema war für viele Jahre die Diskrepanz zwischen dem was sein soll und dem was wird, zwischen Anspruch und Wirklichkeit, zwischen Ideal und dem Zwang, im irdischen Sachzwang zu leben. In einen Brief an Stefan Zweig schreibt Toller, dass "das Absolut-Gute, das Paradies auf Erden" kein Gesellschaftssystem schaffen wird, "... es handelt sich einzig darum, für das relativ beste, das der Mensch finden und verwirklichen kann, zu kämpfen".

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Mehr Planwirtschaft wagen

Mittwoch, 15. Mai 2013

Wagenknecht nennt das Unumgängliche "kreativen Sozialismus" - auch um sich vom real existierenden Sozialismus abzugrenzen. Der hatte sich nicht, wie Marx ankündigte, aus dem industrialisierten Kapitalismus verwirklicht, sondern "aus einer Krise der Unterentwicklung an der Peripherie des Weltmarktes" heraus und baute deswegen auf "Regimes der nachholenden Modernisierung". So hat es damals Robert Kurz in seinem Ein Abgesang auf die Marktwirtschaft geschrieben. Gleichwohl sieht er im realen Versuch des Sozialismus nicht mehr als eine Warenwirtschaft, die "von Anfang an keine historische Alternative, sondern immer nur eine gröbere, eher mickrige und auf halbem Weg steckengebliebene Billigversion des Westens selbst" war.

Nun besteht die historische Chance, die Episode des autoritären Sozialismus, der als Folge seiner apriorischen Unterentwicklung einen erzwungenen Schnelldurchlauf zur Industrialisierung unternahm, um einen demokratischen Sozialismus zu bereichern. Einen, der bereits industriell gediehen ist, ökonomisch gereift genug. Der Name ist hierbei zweitrangig. Ob nun demokratischer oder kreativer Sozialismus - ob überhaupt Sozialismus als Wort: Notwendig scheint nur, dass die freie Marktwirtschaft an Ketten gelegt werden und dass es wieder einen gesellschaftlich verordneten Plan des Wirtschaftens geben muss.

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De dicto

Dienstag, 14. Mai 2013

"Gauck [...] diskutierte vor mehreren Tausend Menschen mit dem seit einem Unfall bei "Wetten dass..?" gelähmten Schauspielstudenten Samuel Koch und dem behinderten Pfarrer und Paralympics-Sieger Rainer Schmidt. Die beiden hätten begriffen, "dass sie viel mehr vermögen, wenn sie etwas von sich verlangen", sagte Gauck. Es sei ein elementares Element der Gesellschaft, "dass wir uns nicht hängen lassen", sagte der Bundespräsident.
Dies gelte "für alle Menschen, die aus dem Normalmaß herausfallen", ergänzte Gauck und nannte als Beispiel Langzeitarbeitslose, die vor der Wahl stünden, sich damit einzurichten oder weiter nach einer Anstellung zu streben. Man müsse lernen, an sich selbst Erwartungen zu richten, nicht nur an die Gesellschaft, die unterstützt."
- aktuell.evangelisch.de am 2. Mai -
Zum Gesagten sei angemerkt: Es ist schon ein Leckerbissen intriganter Rhetorik, zwei gesellschaftliche Randgruppen so stupide gegeneinander auszuspielen. Aber dumm genug kann es wohl gar nicht sein - letztlich regt sich kaum noch jemand darüber auf. Da lobt der Bundespräsident behinderte Mitmenschen, weil sie auch etwas leisteten und macht damit den Gedanken der Leistungsgesellschaft zum wesentlichen Aspekt der Inklusion - aber keinen stört es. Hat der Mensch nun eine unveräußerliche Würde oder definiert sie sich nach dem, was er tut, was er kann und leistet? Und am Ende kürt Gauck dann auch noch Erwerbslose zu einer Art Antriebsbehinderter und macht Langzeitarbeitslosigkeit zu einer Form körperlicher oder geistiger Beeinträchtigung.

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Lieber arrogant als gefesselt

Montag, 13. Mai 2013

Die von den Medien inszenierte Öffentlichkeit empört sich regelmäßig über Angeklagte, die vor ihren Richter nicht ausreichend unterwürfig und demutsvoll erscheinen. Das befindet man für arrogant, taktlos oder gar höhnisch. Mir jedenfalls ist es lieber, Angeklagte geben sich so wenig reuevoll, als dass sie in Fesseln zur demütigen Haltung gezwungen werden.

Eine reuevolle Körperhaltung

Ohnehin muss ein Rechtsstaat Angeklagte ohne augenscheinliche Reue aushalten können. Zumal ein feixender, sich arrogant gebender Auftritt nicht per se mit Uneinsichtigkeit korreliert. Äußere Haltung und Innenleben sind zuweilen schrecklich diametral entgegengesetzte Indikatoren. Man lächelt manchmal im dämlichsten Augenblick, gibt sich stark, wo man schwächelt. Das Verhalten eines Angeklagten sagt grundsätzlich nichts oder nur sehr wenig über dessen Innenleben aus. Und es ist so gesehen seine Privatangelegenheit, auch wenn es in aller Öffentlichkeit geschieht.

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Spinat mit Käsesoße

Sonntag, 12. Mai 2013

Fabian Köhler über die Brigittisierung der NSU-Berichterstattung

"NSU-Prozess für Mittagspause unterbrochen", meldete am Montag die Nachrichtenagentur dpa. "Schreiben die auch, was es zu essen gibt?", rief eine Redakteur durch den Großraum des "nd". Über das Mittagsmenü am Münchner Oberlandesgericht erfuhr man nichts, alle anderen Belanglosigkeiten hingegen schon.

Wer am Dienstagmorgen die Zeitung aufschlug, mag den Eindruck gewonnen haben, nicht einer der wichtigsten Terrorprozesse der deutschen Nachkriegsgeschichte, sondern eine Modenschau für Businesskleidung habe tags zuvor im Münchner Oberlandesgericht stattgefunden: Zschäpe mit schwarzem Kostüm und getöntem Haar. Zschäpe streng mit verschränkten Armen. Zschäpe, die lässig ihr Haar zurückwirft. Zschäpe, deren Hintern gegen einen Stuhl drückt.

München ist überall

Freitag, 10. Mai 2013

Ein Buchbesprechung ohne Buch und Autor.

Der noch unbekannte Autor schlägt Alarm: Klüngelwirtschaft, hohe Steuerunlust, Verwandte als Angestellte - das ist die Realität in der bayerischen Landeshauptstadt. Doch München ist überall. Die Parallelgesellschaft ehrenwerter Kreise ist nicht auf München spezialisiert.

Die in München entstandene Parallelgesellschaft charakterisiert der noch unbekannte Autor als geschlossene Gesellschaft, in der sich Eliten selbst organisieren und nichts von Gemeinsinn an sich heranlassen wollen. Schrittweise weicht jeglicher Sinn für Recht zurück. Nepotismus und Egoismus sind die Vorschriften der Münchner Parallelgesellschaft. Sie sind die Grundpfeiler ihrer Ordnung. Steuerbetrug ist insofern kein krimineller Akt mehr, sondern eine Haltung des Widerstandes gegen den ausufernden Sozialstaat und seiner Alimentierung fauler Taugenichtse. Der noch unbekannte Autor nennt diese Haltung eine A-Hund-is-a-schoo-Mentalität. Sie beurkundet dem Steuerverweigerer nicht etwa eine asoziale Ader, sondern Gewieftheit, die man heute schon haben müsse, um gegen die Diktatur der Gutmenschen anzukommen.

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Steuerzahler aus der Parallelgesellschaft?

Donnerstag, 9. Mai 2013

Als Migrant bleibt man in diesem Land immer ein Gast. Dabei zahlen hier lebende Ausländer mehrheitlich Steuern. Die hier gebürtigen Eliten tun das bevorzugt nicht, werden aber keiner Parallelgesellschaft zugeordnet. Der beliebteste Klassismus bleibt in Deutschland der Rassismus.

Mein Vater zahlte bis zu seinem Tod in diesem Land Steuern - 37 Jahre lang. Er sprach Deutsch und war ganz generell das, was die Leitkultur-Romantiker einen integrierten Ausländer nennen. Kritisierte er jedoch manches politische Vorhaben in der Ära Kohl, so musste er sich als warmen Ratschlag anhören, er könne ja seine Heimkehr nach Spanien planen. In meinem Buch Auf die faule Haut beschreibe ich unter anderem, das man Heimat nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich verliert. Nach vielen Jahren in Deutschland gab es das Spanien nicht mehr, das mein Vater verlassen hatte. Da alles stets im Wandel begriffen ist, hätte er sich nach einer Rückkehr auch dort erst integrieren müssen. Man kommt nicht einfach nach Jahrzehnten zurück und macht dort weiter, wo man damals aufgehört hatte.

Über die Herbei-Attestierung der Unzurechnungsfähigkeit

Mittwoch, 8. Mai 2013

Der neueste Schrei zur moralischen Entlastung von Steuerhinterziehung ist deren Pathologisierung. Hoeneß, der sinnbildlich für andere wohlhabende Steuerflüchtlinge steht, habe nämlich nicht aus blanker Gier oder elitärer Misanthropie so gehandelt, sondern weil er schlicht und ergreifend süchtig war. Einige Experten verstiegen sich sogar dazu, Hoeneß und Konsorten für glücksspielsüchtig zu erklären.

Ist also Mitleid angebracht für diese Menschen, die sich nicht unter Kontrolle haben, die einer komplizierten Verhaltenssucht erlegen sind? Hoeneß ein pathologischer Spieler und impulskontrollgestört und letztlich mehr Opfer als Täter?

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Sit venia verbo

Dienstag, 7. Mai 2013

"Man befahl uns den Patriotismus und wir wurden Patrioten; denn wir tun alles was uns unsere Fürsten befehlen. Man muß sich aber unter diesem Patriotismus nicht dasselbe Gefühl denken, das hier in Frankreich diesen Namen führt. Der Patriotismus des Franzosen besteht darin, daß sein Herz erwärmt wird, durch diese Wärme sich ausdehnt, sich erweitert, daß es nicht mehr bloß die nächsten Angehörigen, sondern ganz Frankreich, das ganze Land der Zivilisation mit seiner Liebe umfaßt; der Patriotismus des Deutschen hingegen besteht darin, daß sein Herz enger wird, daß es sich zusammenzieht, wie Leder in der Kälte, daß er das Fremdländische haßt, daß er nicht mehr Weltbürger, nicht mehr Europäer, sondern nur ein enger Deutscher sein will."

Schickt die Kindheit in die Ferien!

Montag, 6. Mai 2013

Vorschläge für mehr Kindeswohl.

Seid doch vernünftig, Kinners! Denkt an die Wettbewerbsfähigkeit. Das Leben ist kein Zuckerschlecken und den Ernst des Lebens zu kennen, schadet euch sicherlich nicht. Seht doch ein, dass Lehrjahre keine Herrenjahre sein können. Seht doch endlich ein, dass Ferien etwas sind, was wir uns im globalen Wettbewerb nicht mehr leisten können. Wenn wir als Exportnation weiterhin erfolgreich sein wollen, müsst ihr Opfer bringen. Eure Eltern stehen an der Front - könnt ihr nachvollziehen was das heißt? In Sierra Leone haben die Kinder auch kaum Ferien. Wer sich nicht anpasst, den bestraft die Marktwirtschaft.

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Eine kurze Geschichte der Arschlöcher

Freitag, 3. Mai 2013

oder Das System ist anusköpfig.

Gleich welches System, welche Ideologie. Am Kopf der Tafel sitzt immer das Arschloch in mehrfacher Ausführung. Im heutigen Kapitalismus ist es so - im Kommunismus war es so. Immer sind sie es, die oben landen. Woher nehmen die Arschlöcher ihren Auftrieb. Haben sie eine geringere Dichte? Ist es ein anatomisches Rätsel? Warum schwimmt nicht nur Scheiße, sondern auch ihre Pforte zur Welt obenauf?

Als Sloterdijk noch ein Philosoph war, nannte er den Arsch den "Clochard unter den Körperteilen", der "sein Dasein im Dunkeln zu fristen" hat. Außerdem befand er, sei der Arsch "der Plebejer, der Basisdemokrat und der Kosmopolit unter den Körperteilen". Denn "auf den Klos aller Herren Länder" sei er heimisch, was so was wie eine "Internationale der Ärsche" sei. "Spielend überwindet der Arsch alle Grenzen, im Unterschied zum Kopf, dem Grenzen und Besitztümer viel bedeuten". Der Arsch sei "eigentümlich zur Philosophie [prädisponiert]", glaubte Sloterdijk damals erkannt zu haben. Warum also eigentlich das Arschloch, diese elitäre Konstante jeglicher Systematik, nicht auch mal in eine kleinen Küchen- und Blog-Philosophie überführen?

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Das Ende der Provokation

Donnerstag, 2. Mai 2013

Provokante Protestformen sollten ausgedient haben. Sie erreichen zwar Aufmerksamkeit, vermitteln aber keine Inhalte mehr. Das ist jener Bullshit-Kultur geschuldet, die sich aus einem unerfindlichen Grund weiterhin Journalismus nennt - obwohl sie den fast vollkommen ersetzt hat.

Als die Femen obenrum nackt über Wladimir Putin herfielen, ließ ich mich zu einem polemischen Text hinreißen. Im Nachgang sagte man mir dann, dass ich das Prinzip dieser Protestform wohl nicht kapiert hätte. Man müsse nämlich provozieren, um Aufmerksamkeit zu erlangen.

Stillgestanden!

Mittwoch, 1. Mai 2013

Oft wiederholter Vorwurf der Opposition (die bald Koalition sein will) an die Koalition (die bald Opposition sein soll): Sie bedeute oder sei oder zeitige Stillstand. Neulich hat Trittin abermals den Stillstand als Anklage benutzt und die Regierung sogar als einen "fleischgewordenen Stillstand" geschimpft. Steinbrück hat Ähnliches auch schon gesagt - ist aber auch kein Kunststück: Steinbrück hat ja alles Sagbare schon mal gesagt.

Der Stillstand muss etwas geradezu Schreckliches sein, so oft wie er zum Vorwurf und zur Anregung einer Abwahl bemüht wird. Stillstand ist Rückschritt, kennt man ja als Bonmot. Ist Bewegung also demgemäß immer Fortschritt? Ganz gleich, in welche Richtung sich bewegt wird? Wer das als Motivation anführt, um diese Regierung abzuwählen, macht keine Werbung für sich, sondern stellt einen Freifahrtschein für Aktionismus aus, frei nach der Devise: Hauptsache wir bewegen uns, ganz egal wohin.

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