Der Kapitalismus mal ganz "sozialistisch"

Mittwoch, 4. Juli 2012

oder: das plastisch-elastische System nimmt viele Formen an, bleibt aber immer was es ist: steifer und unbiegsamer Kapitalismus.

Immer öfter liest man nun in Foren und Kommentarbereichen, dass der Fiskalpakt nicht weniger sei, als die Einführung des Sozialismus durch die EU. Man pumpe Geld in Banken und zentralisiere die Verwaltung - womöglich würden auch noch die Schulden vergemeinschaftet. Zentralisierte Gleichmacherei, Subventionen zur Erhaltung einer maroden Branche: Das ist doch Sozialismus! Denn im Kapitalismus, so weiß man dort ganz sicher, würde man Banken nicht liquide schmieren, sondern verenden lassen. Denn der freie Markt, der kapitalistische Wettbewerb, kennt keine Fürsorge, keine Hilfestellungen - er sortiert die aus, die nicht mehr wettbewerbsfähig seien. ESM und Fiskalpakt sind aber als Gegenteil gedacht. Sie sind also, wenn man vereinfacht und diesseits des Tellerrandes denkt, der Sozialismus, der nun in Europa installiert wird.

Das ist hanebüchen; das ist Unsinn! Selbst jetzt, da der Neoliberalismus zum verbindlichen Staatsauftrag werden soll, scheint die traditionelle Angstmache vor dem Kommunismus noch die Köpfe zu dominieren. Was ist denn der Kapitalismus eigentlich? Ist er der wettbewerberische Fürsorgefeind? Wie läßt er sich definieren? Ein bekannter Blogger schrieb kürzlich: "Der grundlegende Unterschied zwischen sozialistischen und kapitalistischen Bestrebungen ist die Verteilung. Der Sozialismus versucht, möglichst breit zu verteilen, d.h. alle Menschen an den geschaffenen Produkten zu beteiligen. Der Kapitalismus ist bestrebt, durch Verknappung auf der einen Seite Überfluss auf der anderen zu schaffen. Er schafft Reichtum durch Armut und umgekehrt." Das kann man zunächst so stehen lassen - das beschreibt das Wesen des Kapitalismus knapp, jedoch in aller Ausführlichkeit. Mehr braucht man kaum sagen, um das Wesen des Kapitalismus zu umschreiben. Man kann ihn nämlich über Ziele definieren - nicht aber über die Wege, über Mittel, die dorthin führen.

Die Zeit, als der Kapitalismus gegen den Sozialismus und andersherum im Weltenkrieg steckte, blendet über die Tatsache hinweg, dass der Kapitalismus nicht auf das abonniert sein muß, mit dem man ihn identifiziert. Er kann so menschenverachtend klassenständisch wie gleichmacherisch sozialistisch sein, wenn es seinen Zielen nur förderlich ist. Er kann planwirtschaftlich Profite erzeugen oder durch individuelle Betriebsplanungen. Kurzum, er ist nicht ideologisch verblendet auf dem Pfaden zu seinen Zielen - er ist es nur im Ziel. Staatliche Interventionen sind für ihn nicht gleich Frevel, sie dürfen nur nicht unprofitabel sein. Gegen Sozialisierungen hat er nichts, sie sollten nur zum Vorteil auf seinen Konten gereichen. Er ist flexibel in seinen Mitteln, total starr und unbiegsam aber, wenn es um seine Ideale geht.

Es ist eben nicht sozialistische Internationalisierung, wenn er sich nun unter seiner neoliberalen Schule dazu aufschwingt, Subventionen, scheinbar egalitäre Strukturen und Zentralisierung durchzuboxen. Er ist einfach nur beweglich und anpassungsfähig genug, um Sozialisierungen und staatliche Hilfsangebote anzunehmen. Das ist nicht sozialisitisch! Oder anders, provokativ gesagt: Der Kapitalismus kann eben auch "sozialistisch" sein. Nicht so, wie es der oben genannte Blogger unterscheidet, indem er plötzlich möglichst breit verteilen, indem er alle Menschen an den geschaffenen Produkten beteiligen möchte - in seinen Zielen bleibt er sich nämlich treu. Er ist nur pragmatisch genug, den Staat, den er teils verachtet, teils auch zu schätzen und zu benutzen.

Der oben genannten Definition könnte man hinzugesellen, dass der Kapitalismus ein großer Pragmatismus ist - das ging dem realen Sozialismus oftmals ab. Er war pragmatisch in der Abwandlung der Ziele diverser Jahrespläne, nicht aber in den Anschauungen und den Mitteln zur Erfüllung seiner Ziele. Im Kapitalismus kann man sich Bücher kaufen, die den Niedergang, die Verlogenheit und die Bösartigkeit des Kapitalismus thematisieren - im Sozialismus den es gab, fand man Literatur gegen ihn nicht. Der Kapitalismus verkauft einem die Stricke, mit denen man ihn und seine Alchimisten irgendwann aufknüpfen wird, wie Lenin mal feststellte. Michael Moore erklärte vor Jahren, er wundere sich, dass seine Filme gezeigt würden, weil sie dem ganzen System nicht unbedingt gefällig sind - aber das liege daran, dass der Kapitalismus nur den  Profit kenne; und wenn der mit seinem eigenen Abgesang Geld verdienen könne, dann tue er dies auch. Er ist folglich, wie schon erwähnt, in seinen Zielen fixiert, nicht auf seinen Wegen.

Wer jetzt glaubt, die Fiskalpaktierer würden dem Sozialismus in die Galoschen helfen, dem ist nicht zu helfen, der hat nichts kapiert, das Wesen des Kapitalismus nicht verstanden. Der Fiskalpakt ist keine sozialistische Infiltration - er ist die bloße Fortsetzung des Kapitalismus mit anderen Mitteln...



21 Kommentare:

landbewohner 4. Juli 2012 um 08:52  

die kommentatoren, die hinter den neoliberalen auswüchsen der eu oder des kapitalismus sozialistische gleichmacherei vermuten, haben leider allzu lange die weisheiten der mainstreammedien genossen. und "verluste" zu sozialisieren ist dem kapital natürlich immer angenehm und angenehm gewesen. bei den gewinnen siehts da schon anders aus.

Anonym 4. Juli 2012 um 13:12  

"Immer öfter liest man nun in Foren und Kommentarbereichen, dass der Fiskalpakt nicht weniger sei, als die Einführung des Sozialismus durch die EU"

Hhhm, das nehme ich irgendwie überhaupt nicht ernst, denn es hat eben nichts mit Sozialismus zu tun. Denke auch nicht, dass das in der Regel so gemeint ist, sondern nur auf die einseitige Umverteilung der Schulden abzielt. Einer von diesen Schlagformulierungen, die zwar jeder benutzt, doch nicht mit konkretem Inhalt füllt bzw. direkt auf die stetige Anwesenheit des Neokapitalismus (mag gar nicht mehr Liberalismus dahinter setzen) deutet, der sich selbst hinter dem praktizierten Kommunismus/Sozialismus zu verbergen vermag.

Und richtig, Kapitalismus bzw. Neokapitalismus (für mich die konzentrierte Gier jener "über alles Erhabenen", die davon ausgehen, ein Recht auf Ausbeutung anderer Menschen ihr Eigen zu nennen -> ein Blick auf die Produktionsstätten unserer westlichen Industrienationen bspw. in Bangladesh reicht dazu völlig aus) ist sehr, sehr anpassungsfähig. Das war er schon im sog. Nationalsozialismus und dasliegt in der Tat daran, er bedient nur ein einziges Ziel und behindert sich in seiner Zielstrebigkeit nicht durch Skrupel/Gewissen/Sozialverhalten etc. pp..

Mir scheint mittlerweile, Mensch kann überhaupt kein anderes System. Es gibt nur die Erhabenen, die Nichterhabenen und die paar Rebellen (menschliche Wesen, fast außerirdischer Art). Letztere tun kaum etwas zur Sache. Ihr Wirkungsgrad - insbesondere in puncto Nachhaltigkeit - wurde ganz offensichtlich über die Jahrtausende hinweg völlig überinterpretiert. Denn egal, was er auch initiiert, der Mensch, und wie er es benennt, es läuft immer im Ergebnis auf dasselbe hinaus.

Letztendlich kristalisiert sich heraus, irrelevant, wir haben schon seit ewigen Zeiten ein Abo drauf. Und dieses große Staunen, als sei dies etwas Neues: "oh gugge do, do isses jo scho widder; dös hätt ich jetzt nitt gedacht", kann nur noch mein Kopfschütteln ernten.

Das schmälert jedoch nichts an der Tatsache, dass der Kapitalismus (und/oder die dahinter stehen politischen Systeme ... Steigbügelhalter ... wie auch immer benannt) stets die Ängste des Volkes schürt, um seine Machtposition zu untermauern. Auch das funktioniert so bereits seit Jahrtausenden.

Natürlich gehört dazu ebenso die seit wenigen Jahrhunderten bediente Angst vor dem Kommunismus; damals Bolschewismus. Und dieser Hinweis mag darauf hin deuten, was man schon alles in unserer der Geschichte bereit war, in Kauf zu nehmen oder zu riskieren, um sich vor der "roten Gefahr" sicher zu wissen.

Ängste funktionieren immer!

Hier noch eine m.E. lesenswerte Rede von Sarah Wagenknecht:
http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=A7i6gwDSTyo

Mehr ist dazu m.E. nicht mehr zu sagen. Ist der Patient bereits zu Grabe getragen, macht die Diskussion im OP m.E. keinerlei Sinn mehr, außer möglicherweise diese Tatsache festzuhalten: Der Patient ist tot.

So egoistisch das klingt, ziehe ich mich jetzt zurück und schaue einfach nur noch zu. Der Zeitpunkt, an dem man noch hätte etwas bedenken, überdenken und ändern können, ist lange überschritten; den Rest kann man fast als Selbstgespräche unter Außerirdischen verbuchen. Auch diese Fiskalpakt-Aktion ist nur ein weiterer Bahnhof, an dem dieser unaufhaltsame Zug ohne Bremsmechanismen vorbei gerast ist.

Wir werden wohl warten müssen, bis der Schmerz eines heftigen Aufpralls die Nebelschwaden aus den Hirnen fegt.

Aber solange es so einfach für die Verantwortlichen bleibt - wie das in der Regel überwiegend der Fall war/ist - sich unbescholten aus der Affäre zu ziehen, startet dieses Zugfahrt der Menschheit stets von neuem. Lediglich an der Technik wird etwas modernisiert.

Was soll ich mich da noch aufregen ... so sind se halt ... die Menschen und ihre Züge. Da mach ich als Außerirdische gar nichts dran, denn ich bin eben eine Außerirdische (resp. Gutmensch/Spinner/Träumer/Utopist ...).


Gruss
rosi

Anonym 4. Juli 2012 um 13:29  

"Der grundlegende Unterschied zwischen sozialistischen und kapitalistischen Bestrebungen ist die Verteilung. Der Sozialismus versucht, möglichst breit zu verteilen, d.h. alle Menschen an den geschaffenen Produkten zu beteiligen."
Wie sah denn diese "breite Verteilung" in der Praxis aus? Beispiel DDR. Wie haben sie (die SED-ler) die Autos breit verteilt? Außer dem Trabi gab's da nichts. Und selbst auf dem Trabi mußten die DDR-Bürger jahrelang warten. Alle sozialisitsichen Staaten haben überhauptnix verteilt, weil sie Armut erzeugt haben. Das ist Fakt.

Anton Reiser

Anonym 4. Juli 2012 um 13:44  

Die Geldmenge wird ZENTRAL GEPLANT. Der Zinssatz wird ZENTRAL GEPLANT. Wie kann man da von Kapitalismus sprechen? In einem kapitalistischen System würde die Geldmenge und der Zinssatz durch den Markt festgelegt - und KEIN "allwissender" "Gottspieler" in Brüssel hätte was zu melden. Wir leben allenfalls in einen "Staats-Monopol-Kapitalimus" (StaMoKap) oder Etatismus.

"Die Machtbasis der Demokratie fußt auf drei Elementen: Erstens dem betrügerischen Papiergeld-System, das mittels Geld-Kommissaren in einem planwirtschaftlich gesteuertem Politbüro der sogenannten Zentralbanken die Guillotine über die Marktwirtschaft bedient. Nicht der Markt entscheidet – sondern hier wird über den Markt entschieden.
Zweitens dem kommerziellen Banken-System, welches per se noch nie den Interessen der Kredit- und Geldversorgung der (realen) Wirtschaft gedient hatte, sondern als teuflischer Partner die demokratischen Politiker mit ausreichend Bestechungs-Geldern für den Stimmvieh-Kauf ausstattete. Die Vertreter dieses Banken-Systems waren es im Übrigen, welche die wesentlichen Anreize zur Ermöglichung der beiden letzten Weltkriege geliefert haben.
Und drittens der Verschleuderung gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Fundamente der jeweiligen Länder, die sich zum Teil in mehreren hunderten Jahren entwickelt haben. Wenige Jahrzehnte angewandter Demokratie haben zwar zu einem (historisch gesehenen) kurzen Feuerwerk eines hohen Lebens-Standards geführt – aber flächendeckend verbrannte Erde zurückgelassen."

http://www.bullionaer.de/ziemann.php/goldnews/20120702Die_zerstoererische_Macht_der_Demokratie.htm

Anton Reiser

Anonym 4. Juli 2012 um 13:44  

Lesetipp:
Roland Baader: "Geldsozialismus"

Anton Reiser

Eike Brünig 4. Juli 2012 um 14:11  

Oh je...die braunen Esoteriker sind mal wieder auf Edelmetallopfer aus.
Was macht sie nur so sicher, dass das Opferpotential auf eher linken Seiten weiter ausgeprägt ist?

Anonym 4. Juli 2012 um 14:32  

@Eike Brünig
Ich bin kein EM-Esoteriker. Ich versuche nur die Krise zu verstehen. Da habe ich meine ideologischen Scheuklappen abgelegt (ich war ein "Links-Liberaler" - was immer das heutzutage bedeuten mag. Ich halte die Begriffe "links" und "rechts" inzwischen für völlig unbrauchbar.). Wenn ich sinnvolle Zitate finde, ist es mir egal, von welcher Seite das kommt. Ich versuche mich nur an die Fakten zu halten. Fakt ist, dass die Geldherstellung GELD ZENTRAL GEPLANT wird, genauso wie die Automobilherstellung in der DDR ZENTRAL GEPLANT wurde. Deswegen kann man das System schwerlich als "Kapitalismus" bezeichnen.

Anton Reiser

Anonym 4. Juli 2012 um 14:59  

Ein Fakt ist beispielsweise die sog. "Staatsquote". Diese ist in allen EU-Ländern um die 50%. Kann man da von Kapitalismus sprechen?
Allenfalls die Schweiz (Staatsquote: um 35%) könnte man als kapitalistisches Land bezeichnen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Staatsquote

Anton Reiser

Anonym 4. Juli 2012 um 15:02  

Manche sprechen sogar von um die 70% Staatsquote - die Sowjetunion hatte 85% Staatsquote - die 15 % Markt sorgten dafür, dass die Menschen nicht verhungerten.

http://www.ef-magazin.de/lichtschlag-artikel/wirtschaftsblatt/

Anton Reiser

flavo 4. Juli 2012 um 15:13  

Den Sozialsismus hat es nie gegeben. Es gibt nicht einmal eine sozialistische Regierungsform. Der Sozialismus ist erst zu erfinden.
Zweifellos könnte ein Bauteil die Verteilung sein. Aber, die andere Frage ist, ist eine gleichere Verteilung das Resultat von etwas oder ist schon der KErn des Sozialismus? Ich würde meinen, sie ist das Resultat von etwas. Dieses Etwas kennen wir nicht wirklich, weil es das Reale wäre, dessen wir ermangeln, das aber im Sozialismus vollzogen würde, d.h. Formgebend für die Weltbezüge im Sozialismus wäre. Wenn man so will: die Qualität. Die verteilung wäre die Quantität. Nicht Henne Ei, das ist egal, nur braucht es irgendwann beide. Dieses Reale kennen wir nicht oder besser: wir können es nicht.
In der Tat es darüberhinaus eine Eigenart des Neoliberalismus, dass man ihn frei kritisieren kann. Er ist wie eine remodulierte Herrschaftsanordnung, zu deren Aufrechterhaltung mitunter auch die Kritik zählt. Diese wird Containerisiert: die Ideologie bringt schon Kritiker mit (Effizienzkritiker z.B.) und der Rest der maligneren Kritikern wird in die somit geöffnete Schubalde gestellt. Da sind sie halt alle drin. Die Mittel sind auch gleich reglementiert: Sprache. Man hat allgemein festgelegt, dass mit Sprache gekämpft wird. Die mit Sprachkämpfen erkämpfte Gesellschaft ist eine Ungerechte? Gut, mehr geht aber nicht, sonst rutschen wir in die Barbarei. Stimmt, wir sind ja zivilisiert. Gut, dann kämpfen wir mit der Sprache weiter. Im Notfall, ja, aber nur im Notfall, dann definieren wir mal was um: der Arme wird zum Verwalter und Besitzer nichtexistenter Güter.
Gut, etwas sozialistisches entwickelt der Kapitalismus schon. Es ist der Konformismus. Der platonische Kommunismus in der Sozialisierung von Babymenschen greift ja rasant um sich. Ein Kind, nicht im akkreditierten Institut erzogen, wird von vornherein zu einer Angstquelle vo Sinnbrüchen. Im Kind etwas Wildes, nonkonformes, pathologisches. Nein, in der Klasse meines Sohnes soll kein solcher Sonderling reinkommen. Man weiß ja nicht, wie der sich verhält. Die akkreditierte, geeichte Sozialisierung hat doch etwas Sozialistisches nach der Form des Realsozialismus. Gleiche Verteilung muss nicht nur materielle Güter betreffen, sondern wohl oder übel auch immaterielle. Und da sind wir sehr gleich verteilt.

Lutz Hausstein 4. Juli 2012 um 19:51  

@ Anton Reiser 13:29:

"Alle sozialisitsichen Staaten haben überhauptnix verteilt, weil sie Armut erzeugt haben."

So, wie Du es formulierst, muss ich Dir widersprechen. Denn das stimmt so nicht.

Vom finanziellen Gesichspunkt her gab es in der DDR keine Armut, so wie wir sie jetzt in der BRD kennen. Es gab nur eine partielle Unterversorgung in manchen Bereichen bzw. mit manchen Produkten.

Die Versorgung mit den lebensnotwendigen Dingen war hingegen gesichert. Und dies sogar zu erheblich niedrigeren Preisen als heutzutage (Miete, Lebensmittel) oder gar kostenlos (Gesundsversorgung, Medizin).

Das, was "mensch" zum Leben benötigt, war dadurch also absolut gesichert. Niemand verhungerte oder musste sonstig um sein Überleben aus obigen Gründen bangen.

Ich denke, Du solltest einfach zur Kenntnis nehmen, dass die Gewichtigung eine grundsätzlich andere war. Sicher, fehlende Telefone, jahrzehntelange Wartelisten für ein Auto, teils horrende Preise für bestimmte technische Geräte (Fernseher, Kassettenrekorder u.a.) waren nervig und auch Grund für Unzufriedenheit.

Aber durch die völlig andere Grundstruktur wurden die lebensnotwendigen Grundbedürfnisse der Menschen (Essen, Wohnen, Gesundheit) absolut gesichert. Diese Sicherheit haben wir heute hier nicht mehr.

Momo 4. Juli 2012 um 20:24  

@Anton Reiser

Ihre Aussagen zur "Staatsquote" sind ökonomisch nicht haltbar. Würden Sie sich einmal inhaltlich mit dem Thema "Staatsqote" beschäftigen, dann würden Sie erkennen, wie wenig aussagefähig diese volkswirtschaftliche Kennzahl ist.

Nur eines von vielen Beispielen: Die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung (Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge) fließen zu 100% in die "Staatsquote" mit ein, obwohl der böse "Staat" lediglich als "Inkassostelle" in Erscheinung tritt und die eingenommenen Sozialversicherungsbeiträge an priatwirtschaftliche Institutionen (Krankenhäuser, Apotheken, Pharmaindustrie, Ärzte, Pflegeheime) und Personen (Rentner, Arbeitslose,) weiterleitet. Die Sozialversicherungsbeiträge blähen die "Staatsquote" enorm auf, obwohl die diese nicht im "Staatssektor versickern", sondern von der "Inkassostelle" Staat an Private weitergeleitet werden.

Ihr Kommentar suggeriert, eine niedrige Staatsquote sei einer hohen Staatsquote ökonomisch überlegen. Dieser Befund läßt sich in der realen Welt jedoch nicht bestätigen. Als Folge der von den finanzkapitalistischen Exzessen ausgelösten weltweiten Finanzkrise sind die Staatsquoten im Jahre 2009gegenüber dem Jahre 2008 deutlich angestiegen. So betrugen die Staatsquoten im Jahre 2009 (in Klammern: 2008):

http://de.wikipedia.org/wiki/Staatsquote

- in Frankreich 56,0% (52,8)
- in Deutschland 47,6% (43,7%).

In ökonomisch erfolgreichen Staaten weisen die Staatsquoten hohe Werte auf:

- Dänemark 58,3% (51,9%)
- Finnland 55,8% (49,3%)
- Schweden 54,6% (51,5%).

Demgegenüber weisen ökonomische Krisenstaaten vergleichsweise niedrige Staatsquoten auf:

- Griechenland 53,2% (49,1%)
- Italien 51,9% (48,9%)
- Irland 48,9% (42,7%)
- Portugal 48,1% (43,5%)
- Spanien 45,8% (41,3%)
- USA 44,0% (39,0) (in Wikipedia nicht ausgewiesen).

Diese Daten machen deutlich wie unsinnig die von den Neoliberalen suggerierte Behauptung ist, eine niedrige Staatsquote sei die Voraussetzung für eine erfolgreiche ökonomische Entwicklung. Wie bereits gesagt, kann man sogar ketzerisch formulieren: Höhere Staatsquoten sind im Vergleich zu niedrigen Staatsquoten eher vorteilhaft für die erfolgreiche ökonomische und soziale Entwicklung von Staaten.

Trojanerin 4. Juli 2012 um 23:36  

sehr guter Text,
Die Theorie des Sozialismus ist nicht meine Stärke. Nur weil man etwas sozialistisch nennt ist es noch lange nicht sozialistisch.
Ich bin irgendwie misstrauisch, wenn ich mir ansehe, welche Leute jetzt den Fiskalpakt als sozialistisches Machwerk bezeichnen.
Ich denke, es geht um wirtschaftliche und politische Macht. Kaum ist in Frankreich ein Sozialist Präsident steigt dort die Arbeitslosigkeit. Das liegt sehr wahrscheinlich an dem neuen Präsidenten, der in wenigen Tagen die weichen für die steigende Arbeitslosigkeit gestellt hat, nur weil er sich Sozialist schimpft und nicht an Fehlern, die die Vorgängerregierung gemacht hat. Mir ist nicht Bange vor dem Sozialismus, aber vor dem zum verbindlichen Staatsziel erklärten Neoliberalismus, dessen Unzulänglichkeiten mit enthaltenen sozialistischen Zügen erklärt werden. Das ist wie Selbstmord aus Angst vor dem Tod.

Anonym 5. Juli 2012 um 07:30  

"Höhere Staatsquoten sind im Vergleich zu niedrigen Staatsquoten eher vorteilhaft für die erfolgreiche ökonomische und soziale Entwicklung von Staaten."
Dann müßte ja die Sowjetunion mit 85% Staatsquote das Paradies gewesen sein. Sie erwähnen die sozialen Sicherungssysteme als Beispiel für den Kapitalismus - man müsse diese Milliarden aus der Staatsquote herausrechnen. Diese Systeme sind doch purster Sozialismus - ich kann beliebig oft zum Arzt gehen, ohne dass ich das im Geldbeutel spüre - auch wenn ich eigentlich gar nicht zum Arzt müßte ... das ist das Prinzip: Heute Abend zahlt alles der Chef. Da bestellt sich doch auch jeder Sachen (Vor- und Nachspeise), die er sonst, wenn er selbst bezahlen hätte müssen, nicht bestellt hätte.
Die Staatsgläubigkeit hier in diesem Blog ist unerträglich. Der Staat wird überhaupt nichts verbessern. Und wenn man bedenkt, dass nur Staaten Kriege geführt haben - in dem sie die Menschen in Armeen gepreßt haben - ist mir diese Staatsgläubigkeit völlig unverständlich. Ich kann es mir durch die totale Manipulation vom Kindergarten bis zur Uni (alles in STAATSHÄNDEN!) erklären.

Anton Reiser

Momo 5. Juli 2012 um 08:55  

@Anton Reiser__Mit dem Beispiel Sowjetunion (warum nennen Sie nicht gleich Nordkorea?) stellen Sie sich bewußt dümmer als Sie sind! Daß die kommunistischen Kasernenhofdikaturen nicht funktionnieren konnten, liegt an Ursachen, die nichts mit der "Staatsquote" zu tun haben. Ansonsten müßten die skandinavischen Staaten längst den Bankrott verkündet haben. Und wie gesagt: Die Krisenstaaten haben durch die Bank niedrige Staatsquoten.
Wen wollen Sie eigentlich mit Ihrem sozialdarwinistischen Geschwafel, unsere Sozialsysteme seien "purster Sozialismus", beeindrucken? Wusten Sie, daß das "private" US-Gesundheitssystem innerhalb der Industriestaaten "konkurrenzlos" teuer ist und trotzdem viele Millionen US-Bürger ohne ausreichende Gesundheitsversorgung sind? Da lobe ich mir doch die skandinavischen Staaten, die eindrucksvoll aufzeigen, daß eine gute öffentliche Daseinsvorsorge (Gesundheitswesen, Alten-, Kinder- und Jugendbetreuung, Bildungswesen) mit einer ökonomisch, sozial und gesellschaftspolitisch erfolgreichen Entwicklung Hand in Hand gehen.

Lutz Hausstein 5. Juli 2012 um 10:26  

@ Anton Reiser 7:30:

"... - ich kann beliebig oft zum Arzt gehen, ohne dass ich das im Geldbeutel spüre - auch wenn ich eigentlich gar nicht zum Arzt müßte ... das ist das Prinzip: Heute Abend zahlt alles der Chef. Da bestellt sich doch auch jeder Sachen (Vor- und Nachspeise), die er sonst, wenn er selbst bezahlen hätte müssen, nicht bestellt hätte."

Den Schluss, den Du hier ziehst, der ist schlicht falsch. Welchen Sinn würde es haben, wenn ich NICHT krank bin, zum Arzt zu gehen und mich dort stundenlang hinzusetzen, nur weil es nichts kostet?

Wenn dies so stimmen würde, wäre die komplette Bevölkerung der DDR jeden Tag zum Arzt gegangen. "Erstaunlicherweise" war dies aber nicht so.

Genauso wenig ist der Vergleich mit der Nachspeise korrekt. Das mag vielleicht die ersten 3-4 Mal so sein, wenn es noch neu ist. Das ist wie bei kleinen Kindern, die sich erstmals ihr Essen selbst auf den Teller tun können. Da sind die Augen auch erst einmal größer als der Mund. Aber irgendwann lernt man sich selbst besser kennen und kann sich besser einschätzen. Dann nimmt man auch nur soviel, wie man ungefähr benötigt. Kostenlos hin oder her.

Lutz Hausstein 5. Juli 2012 um 10:35  

Und noch kurz zum Thema Staatsquote.

Eine hohe Staatsquote muss nicht zwangsläufig die richtigen Ergebnisse liefern, weil dadurch ja noch lange nicht gesichert, wie dieses Geld verwendet wird. Aber eine niedrige Staatsquote ist von vornherein negativ, da sie ein Aktivwerden des Staates ausschließt.

Und je ungleicher die Gesellschaft, je stärker das Auseinanderdriften der Einkommen, umso notwendiger wird ein handlungsfähiger Staat, der dabei im Nachhinein nivellierend eingreift. Und er muss umso stärker eingreifen, um diese größer werdenden Unterschiede zu verringern. Sei es durch Transfers oder sei es durch die kostenlose (da haben wir es wieder!) oder vergünstigte Zur-Verfügung-Stellung von Einrichtungen und Strukturen.

redlope 5. Juli 2012 um 14:31  

Die Begriffe sind irreführend. Auch ich komme ursprünglich von "links" - aber sehe inzwischen, dass diese Schubladen einfach nicht taugen. Viele klassische "Mittelständler" sehen in allem, was ihnen etwas wegnimmt oder Steuern bezahlt haben will "Sozialismus". Aber mehr als ein Schlagwort ist das nicht.
Vor allem die heutige Sozialisierung von Schulden zu gunsten der reichsten 1% ist nichts anderes als Umverteilung von unten nach oben.

Inzwischen sehe ich mich als "contra Zentralisierung" - und für kleinere Einheiten, die viel zu entscheiden haben, regionale Versorgung, breite Verteilung der Produktions- und Vermögenswerte, mehr Autonomie. Ist das Links oder gar Rechts? Ich weiß es nicht.

Der "Sozialismus" des 20 Jhd. war zentralistisch, aber der neoliberale Kapitalismus ist es ebenfalls. Beide führen zu Vermögens- und Machtkonzentration, Monopolen, schlechten Produkten, Umweltverschmutzung, Entfremdung und Ausbeutung der Arbeiter. Außerdem sind solche Systeme ineffizient und störanfäälig - durch die Vernebelung von Zuständigkeiten, die erforderliche Logistik und durch die ganzen Profiteure im unübersichtlichen System.

Blogger 5. Juli 2012 um 19:15  

Kapitalismus, wo wird das kranke System dahinter, die Denke, das Eigentumsdenken, denn darum geht es letztlich, besser erklärt als bei politikprofiler.blgospot.com

Anonym 6. Juli 2012 um 07:13  

@redlope
Bin vollkommen Ihrer Meinung. Diese Staatsgläubigkeit der Blogger hier ist unerträglich. Was ich will, hat nichts mit Sozialdarwinismus zu tun. Ich bin ein Anhänger von David Henry THOREAU - Anarchismus, d.h. nicht Bomben zünden, sondern die Gesellschaft von UNTEN aufbauen - nicht von oben - wo irgendwelche Bürokraten Falschgeld bzw. Kredite (=Ausplünderung der zukünftigen Generationen) unters Volk verteilen - das dann als "Soziale Gerechtigkeit" verkaufen - tatsächlich geht es in ihnen nur um Machterhalt ("Brot und Spiele").
Die jetzige Form der Krankenversicherung ist völlig absurd. Diese kommunistische Versicherung macht die Leute immer nur kränker. Warum? Weil jeder Teilnehmer (Ärzte, Pharmakonzerne ...) ein Interesse daran hat, dass die Leute krank bleiben oder sogar krank werden. Teilweise werden sogar neue "Krankheiten" erfunden um Profit zu machen. So eine Versicherung führt zur völligen Entmündigung des Patienten. Anstatt den Leuten in den Schule schon Medizingrundkenntnisse beizubringen (Kräuterkunde!!), produzieren Pharmakonzerne Pillen, um die Leute auszuplündern.
Beispiel für den Kommunismus der Krankenversicherungen: Plötzlich hatten die Versicherungen Milliarden Überschuß in ihren Kassen. Aber anstatt das Geld an die Leute zurückzugeben, verpulvern sie das Geld ("Budgetdenken" der Staatsbetriebe - was ich hab, hab ich + wenn etwas fehlt, erhöhe ich einfach die Beiträge), indem sie die Vorstandsgehälter erhöhen, Paläste bauen ...

Anton Reiser

Momo 7. Juli 2012 um 14:01  

@Anton Reiser

Sie schreiben: "Die jetzige Form der Krankenversicherung ist völlig absurd. Diese kommunistische Versicherung macht die Leute immer nur kränker. Warum? Weil jeder Teilnehmer (Ärzte, Pharmakonzerne ...) ein Interesse daran hat, dass die Leute krank bleiben oder sogar krank werden. Teilweise werden sogar neue "Krankheiten" erfunden um Profit zu machen."

Das, was Sie hier beschreiben, hat rein gar nichts mit "kommunnistischer Versicherung" zu tun, sondern ist ganz profanem "kapitalistischem Profitstreben" geschuldet, woran auch eine "Privatisierung" der Krankenversicherung (deren Propagandisten wünschen sich zumeist - ohne dies öffentlich auszusprechen - einen Entlastung der Unternehmen bei den Lohnnebenkosten) rein gar nichts ändern würde.

Daß den Leuten Krankheiten "eingeredet" werden und der Bevölkerung gesundheitsschädliche Produkte als angeblich "gesunde" Produkte (so z.B. die "Gesundheitsschnitte" eines Nahrungsmittelkonzerns) oder als "coole" Produkte (z.B. Alkoholika) untergejubelt werden, hat ebenfalls nichts mit "Kommunismus", dafür aber umso mehr mit "kapitalistisch"-manipulativer PR bzw. Werbung zu tun

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