Ich bin maßlos egoistisch
Freitag, 24. Juni 2011
oder: wie die Schulpsychologie die Kardinaltugenden des Kapitalismus fördert.
Lange hat es gedauert, bis er mit seinem etwas wunderlichen Gebrechen, bei seinem Hausarzt vorstellig wurde. Nachdem er im Sprechzimmer etwas herumgedruckst hatte, gesteht er diesem, dass er unter notorischem Egoismus leide und dass er sich dessen epochal schäme.
"Wie äußert sich dieser Egoismus denn", fragt der Hausarzt daraufhin und starrt seinen Patienten erwartungsvoll, nicht wenig amüsiert an.
"Ich gönne niemanden etwas. Am Arbeitsplatz, wenn es da mal freie Kost gibt, dann raffe ich so viel wie ich gerade in meiner Schreibtischschublade verstauen kann. Oder im Supermarkt, wenn es da Schnäppchen gibt, dann bekommt kein anderer Kunde mehr etwas ab. Alles meins! Alles mir! Ich billige niemanden etwas, selbst wenn jemand weniger hat als ich. Meine Gier, mein Egoismus ist fast schon politisch", räumt der Patient offen ein.
Was denn politisch bedeute, will der Arzt jetzt natürlich wissen, der nicht recht weiß, ob dieser Mann scherzt oder tatsächlich an seinem Egoismus Qualen leidet.
"Ich ärgere mich, wenn man Menschen etwas abgibt. Teilhabe ist ein Unwort für mich. Ich befürworte Hartz IV. Ich möchte keinen Mindestlohn, weil das für mich als Konsument teuer werden kann. Steuern sind ein Unding, denn das bedeutet, dass ich abgeben müsste. Ich will aber doch gar nicht so denken. Ich schäme mich so sehr für diese egoistische Haltung, Herr Doktor. Helfen Sie mir!"
Der Arzt schickt ihn letztlich zu einem befreundeten Psychologen, teils, weil er diesen Gierschlund schnellstens loswerden will, teils, weil er tatsächlich annimmt, dass dieser dort bestens aufgehoben wäre. Wenn nicht aufgrund seines Egoismus, so doch, weil er offenbar ein wenig verrückt sei, mit so einem Leiden zu einem Arzt zu wackeln.
Einige Monate später. Der Patient trifft, vielleicht auf dem Postamt, vielleicht beim Einkaufen - wo auch immer? -, auf seinen Hausarzt. Und obwohl der Arzt sich normalerweise diskrete Fragen außerhalb seines Sprechzimmers erspart, fragt er jetzt, im Anflug von Neugier, den Patienten doch, ob denn die psychologische Behandlung bereits erfolgreich sei.
"Ja", erwidert der Patient freudig entzückt, "die Behandlung hat wirklich Erfolge gebracht. Es geht mir gut."
"Das freut mich aber. Sie sind also nun kein Raffzahn mehr?", fragt der Arzt sodann.
"Dochdoch", antwortet der Patient, "aber ich schäme mich dessen nicht mehr."
"Wie äußert sich dieser Egoismus denn", fragt der Hausarzt daraufhin und starrt seinen Patienten erwartungsvoll, nicht wenig amüsiert an.
"Ich gönne niemanden etwas. Am Arbeitsplatz, wenn es da mal freie Kost gibt, dann raffe ich so viel wie ich gerade in meiner Schreibtischschublade verstauen kann. Oder im Supermarkt, wenn es da Schnäppchen gibt, dann bekommt kein anderer Kunde mehr etwas ab. Alles meins! Alles mir! Ich billige niemanden etwas, selbst wenn jemand weniger hat als ich. Meine Gier, mein Egoismus ist fast schon politisch", räumt der Patient offen ein.
Was denn politisch bedeute, will der Arzt jetzt natürlich wissen, der nicht recht weiß, ob dieser Mann scherzt oder tatsächlich an seinem Egoismus Qualen leidet.
"Ich ärgere mich, wenn man Menschen etwas abgibt. Teilhabe ist ein Unwort für mich. Ich befürworte Hartz IV. Ich möchte keinen Mindestlohn, weil das für mich als Konsument teuer werden kann. Steuern sind ein Unding, denn das bedeutet, dass ich abgeben müsste. Ich will aber doch gar nicht so denken. Ich schäme mich so sehr für diese egoistische Haltung, Herr Doktor. Helfen Sie mir!"
Der Arzt schickt ihn letztlich zu einem befreundeten Psychologen, teils, weil er diesen Gierschlund schnellstens loswerden will, teils, weil er tatsächlich annimmt, dass dieser dort bestens aufgehoben wäre. Wenn nicht aufgrund seines Egoismus, so doch, weil er offenbar ein wenig verrückt sei, mit so einem Leiden zu einem Arzt zu wackeln.
Einige Monate später. Der Patient trifft, vielleicht auf dem Postamt, vielleicht beim Einkaufen - wo auch immer? -, auf seinen Hausarzt. Und obwohl der Arzt sich normalerweise diskrete Fragen außerhalb seines Sprechzimmers erspart, fragt er jetzt, im Anflug von Neugier, den Patienten doch, ob denn die psychologische Behandlung bereits erfolgreich sei.
"Ja", erwidert der Patient freudig entzückt, "die Behandlung hat wirklich Erfolge gebracht. Es geht mir gut."
"Das freut mich aber. Sie sind also nun kein Raffzahn mehr?", fragt der Arzt sodann.
"Dochdoch", antwortet der Patient, "aber ich schäme mich dessen nicht mehr."
15 Kommentare:
Danke Roberto !
Ein feiner Humor !
Dein Artikel hat es in sich - vieldeutig und mit echter Ironie.
Er gibt die treffende Antwort auf die Haupteigenschaft dieses verlogenen, heuchlerischen und abhängig machenden Systems.
Mit so einer humoristischen Einlage kann jeder Tag beginnen !
Wieviel sind 10 Miliarden? Keine Vorstellung davon?
http://m.youtube.com/index?desktop_uri=%2F%3Fgl%3DDE%26hl%3Dde&hl=de&gl=DE#/watch?v=tA3JcYuDNWU
Eigentum verpflichtet wohl zu nichts mehr! Armut müsste es auch in diesem Land eigentlich nicht geben!
Was sind 10 Milliarden?
http://m.youtube.com/index?desktop_uri=%2F%3Fgl%3DDE%26hl%3Dde&hl=de&gl=DE#/watch?v=tA3JcYuDNWU
Och, das ist doch nur die
gelebte systemimmanente Geiz-ist-geil-Mentalität.
Heute gilt doch Altruismus als
bekloppt, wenn nicht gar systemfeindlich.
Der gute Gierlappen hatte wohl etwas falsches oder zu viel davon
konsumiert, um auf diese Schnapsidee zu kommen (Schnaps - genau!) …
Hab auch noch was zum Thema Egoismus:
Bei Jopi Hesters klingelt es an der Wohnungstür. Jopi macht auf und sieht den Sensenmann im Türrahmen stehen. Daraufhin dreht sich Heesters um und ruft in die Wohnung: "Simone! Ist für Dich!"
Durch die umgedrehte Alterspyramide haben wir in einigen Jahren sowieso Vollbeschäftigung, Hartz IV wird für die unter 60-jährigen dann kein Thema mehr sein.
Den unabgesicherten über 60jährigen aber gnade dann Gott.
Feine Geschichte. Das zeigt mal wieder, dass man an der richtigen Stelle die Operation vornehmen muss.
Der Neureiche selbstgefällig: "Ich zahle weniger Steuern als meine Putzfrau!"
"Sie Ärmster!",antwortet der Alt-Reiche abfällig.
GE's Corporate Tax Dodging
http://www.publicampaign.org/blog/2011/03/25/ges-corporate-tax-dodging
Inside the Leviathan
http://www.nybooks.com/articles/archives/2004/dec/16/inside-the-leviathan-2/?pagination=false
Würde meinen, zur neuen satanischen Weltordnung passend, ist der schamlose Egoismus Grundbaustein. Der großspurige Anfang vom Ende...
Fabel-haft!
Schamlosigkeit ist eines der hervorstechendsten Merkmale des Großen Geldes, übertroffen nur noch von den Gier, den Opfern(z.B. im Dritten Reich)das letzte Quäntchen Lebenssaft abzupressen.
Was ist der Unterschied zwischen Bernie Madoff und Bankstern?
Es gibt keinen! Beide betrieben bzw. betreiben ein Schneeballsystem.
Warum wanderte dann aber nur Madoff ins Kittchen?
Er hat einen unverzeihlichen Fehler gemacht.
Betrogen hat er ausschließlich Reiche.
"Veränderungen (der Menschheitsgeschichte) werden von faulen, habgierigen, verängstigten Menschen bewirkt, die nach leichteren, profitableren und sichereren Wegen suchen, ihr Leben zu führen... Das sind anthropologische Konstanten."
(Prof. Ian Morris, www.spiegel.de/spiegel/0,1518,769431,00.html )
Also was will man anderes erwarten? Gegen die anthropologische Konstante polemisieren?
Anonym hat gesagt:“
26. Juni 2011 02:20
"Veränderungen (der Menschheitsgeschichte) werden von faulen, habgierigen, verängstigten Menschen bewirkt, die nach leichteren, profitableren und sichereren Wegen suchen, ihr Leben zu führen... Das sind anthropologische Konstanten."
(Prof. Ian Morris, www.spiegel.de/spiegel/0,1518,769431,00.html )
Also was will man anderes erwarten? Gegen die anthropologische Konstante polemisieren?“
Faule, habgierige, verängstigte Menschen wie Buddha, Jesus Christus, Ghandi ...?
Angst, Gier und Habsucht haben zu den Höhlenmalereien von Lascaux geführt, zur Relativitätstheorie, zu den Kinderdörfern ...?
Und was bitte ist eine „anthropologische Konstante“? Es scheint sich jedenfalls nicht um einen Fachbegriff zu handeln. Ich bitte um Aufklärung.
Anthropologische Konstante – früher auch
conditio humana oder condition humaine genannt: unterstellt nichtänderbare menschliche Charakterzüge/ Fundamentaleigenschaften, mit i.d.R. nachteiligen Folgen für die Mehrheit (insbes. Armut/ Krieg).
Eine wohlbekannte Minderheit profitiert davon und hat somit allen Grund, o.g. Propaganda zu betreiben, seit Jahrtausenden,
mit großem Erfolg …
Mich persönlich ärgert es jedes Mal, wenn ich diese hohlen Phrasen von irgendeinem Misanthrop hören muss, die ausschließlich negative Attribute wie Gier, Egoismus usw. zur conditio humana erheben. Mich ärgert es, weil ich mich als ein Vertreter meiner ach so schlechten Spezies Mensch dort so beschrieben einfach nicht wiederfinden kann.
Wie dümmlich diese einseitige anthropologische Anschauung ist, müsste allein schon klar werden, bedenkt man, dass hätte es zu allen Zeiten, immer schon ausschließlich Menschen gegeben mit ausschließlich besagten negativen Charakterzügen, gesellschaftliches Leben oder gar höhere Zivilisation niemals möglich geworden wäre.
Die Geschichte ist voll von vorbildlichen, altruistisch oder zumindest kooperativ, sozial eingestellten Persönlichkeiten, für solche "Erscheinungen" findet die misanthropische Ideologie jedoch keine wirkliche Erklärung.
Der Ton heute wird doch überall nur von Misantropen angegeben. Das ist den Leuten schon dermaßen eingebläut inzwischen, dass sich negative Verhaltensweisen meiner Ansicht nach explosionsartig gemäß dem Prinzip des selffullfilling prophecy vermehren.
Dass so keine Gesellschaft zu führen ist und das irgendwann in der Katastrophe enden muss, ist klar.
Die conditio humana, die m.E. immer noch an zuvorderster Stelle steht ist: der Mensch ist ein soziales Wesen.
Anonym hat gesagt...
Anthropologische Konstante – früher auch
conditio humana oder condition humaine genannt: unterstellt nichtänderbare menschliche Charakterzüge/ Fundamentaleigenschaften, mit i.d.R. nachteiligen Folgen für die Mehrheit (insbes. Armut/ Krieg).
Eine wohlbekannte Minderheit profitiert davon und hat somit allen Grund, o.g. Propaganda zu betreiben, seit Jahrtausenden,
mit großem Erfolg …
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Korrekt, die Einen kommen als Helfer (Schafe) und die Anderen ale gewissenlose Räuber (Wölfe), spätestens am Endpunkt ihres Lebens zur Selbsterkenntnis.
Ähnlich wie Kain und Abel, der Eine zum bösen Betrügerischen hingewandt aus seiner Veranlagung heraus und der Andere zum weiteren Verständnis.
Solch ein elementarer Konflikt, ist, aus meiner Sicht, durch Menschenhand nicht auflösbar.
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