De dicto

Dienstag, 28. Juni 2011

"Ein deutliches Wort an alle Nörgler und Bremser: Mehr Netto macht mehr Spaß! Nur so geht die Rechnung auf!"
- Ernst Elitz, BILD-Zeitung vom 24. Juni 2011 -
Zum Gesagten sei angemerkt: Dass Steuersenkungen und "Mehr Netto vom Brutto" zu schwärmerischen Auslassungen führt, ist ja nicht neu. Und dass Elitz einen Hang zur Esoterik hat, den er in vernünftelnde Worte packt, wussten Beobachter bereits auch schon. Ein solcher Psalm aber, dem man förmlich anmerkt, dass er Menschen bekehren, einlullen, mit blumigen Worten auf die Pfade des wahren Glaubens leiten will, wurde aber bislang eher selten in einer Zeitung angestimmt. Elitz betet geradezu eine Credo auf Steuersenkungen; er taumelt in Rausch und Ekstase und schmettert mit Inbrunst eine Andacht, die geradewegs aus dem Gebetsbüchlein des Thomas-Dehler-Hauses zu entstammen scheint. Überraschend ist nur, dass er vergessen hat, seine fast schon religiöse Verzückung mit einem Amen zu beschließen.

Wie in jeder Religion, die etwas auf sich hält, unterlegt auch Elitz seine quasireligiösen Affekte mit Feinden, die es zu bekämpfen gilt. Dabei geht er, wie jeder Kreuzritter, der etwas auf sich hält, nicht ins Detail, sondern drischt sein Breitschwert ohne lange zu fackeln über die Schädel seiner Feinde. Wie in jedem Gebet, das etwas auf sich hält, werden darin Feinde verteufelt und zu unbelehrbaren Ketzern erklärt. Elitz meditiert, huldigt, missioniert - er schwelgt in Steuersenkungs-Visionen, ergötzt sich an der Aussicht, dass "der Bürger" vielleicht am Ende Dreifuffzig mehr in der Tasche hat - Elitz macht sich esoterisch-religiös scharf, betört sich selbst, geilt sich fanatisch auf.

Elitz ist ein schwärmerischer Arschkriecher, der niemals kritisiert, der im überschwänglichen Feuilleton eine Phalanx für die Interessen von Wirtschaft und deren Politik errichtet. So ist er, seitdem er regelmäßig für Springer schreibt - vormals war er Intendant des Deutschlandradios, was man kaum glauben mag und sich besser nicht vorstellen sollte. Dieser Mann feiert ernsthaft das vage Versprechen steuerlicher Entlastungen, die es für untere Einkommen höchstwahrscheinlich im unteren einstelligen Bereich geben wird. Zudem soll diese Steuersenkung, die nicht Hand in Hand mit höherer Steuerbelastung für Gutverdienende verwirklicht werden soll, als Alibi dienen, als letzter Rettungsversuch für den kleinen Koalitionspartner - mit "mehr Netto vom Brutto" greift Merkel den quasireligiösen Wahlspruch der FDP auf, damit diese ihr Gesicht, das sie nie hatte, nicht komplett verliert. Aber Elitz äußert sich dazu nicht, er feiert seinen Gottesdienst, plappert Parolen nach und wagt nicht, sich seines Verstandes zu bedienen. Er glaubt eben - er weiß nicht...



9 Kommentare:

Anonym 28. Juni 2011 um 07:58  

ein deutliches Wort an alle Nörgler und Bremser:

Mehr Nutto vom Bretto!

Björn 28. Juni 2011 um 08:06  

Ob er es wirklich "nur" glaubt ohne zu wissen kann man schon hinterfragen denke ich, was es aber keineswegs besser machen würde.
Meinen Respekt jedenfalls, dass Sie sich jeden Tag diesen Dreck rein ziehen, um darüber schreiben zu können. Ich tu mich mit unserer regionalen Tageszeitung (die Schwäbische Zeitung) schon schwer genug und mir dann noch die Bild-Ergüsse geben - unvorstellbar. Hut ab!

Anonym 28. Juni 2011 um 11:08  

Steuersenkungen: Fuck Toy einer neoliberalen Hoteliers-Koalition.
We are really horny.
Cum on!

Wolfgang Buck 28. Juni 2011 um 12:35  

Es geht darum mit jedem nur erdenklichen Mittel die dahinvegetierende FDP aus dem Drei-Prozent-Loch zu hohlen. Teufel noch mal! Es werden sich doch ein paar BILD Leser finden die auch heute noch so einem Schmarrn aufsitzen.

Noch ein Schmankerl am Rande: vor ca. zwei Jahren hat der Sohnemann einer engen Freundin sein Studium der Volkswirtschaftan der FH in Nürtingen begonnen. Als ich ihm mal über die Schulter schaute sah ich, dass er sich auf BILD.de informierte. Auf meine Verwunderung antwortete er sein Professor (der Volkswirtschaft!?) habe die Studenten angewiesen sich über BILD.de zu informieren. BILD sei ein Leitmedium, gerade was wirtschaftliche Zusammenhänge angeht .... armes Deutschland deine batchelor....

Wolfgang Buck 28. Juni 2011 um 12:39  

Gerade hab ich im Radio gehört, dass der olle Professor Kirchhof wieder einmal ein supereinfaches Steuergesetz gebastelt hat. Merkels Geheimwaffe und einer der BILD-lieblings-Professoren...da scheint in den nächsten Tagen und Wochen einiges auf uns zu zu kommen. Schwarz-Gelb hofft wohl darauf sich Stimmen mittels Steuersenkungen zu kaufen ....

Anonym 28. Juni 2011 um 15:42  

Natürlich, jetzt geht das Trommelfeuer der Propaganda erst richtig los. Was dabei übersehen wird; 2009 wurde die FDP nicht gewählt wegen der Steuersenkungsversprechen - Umfragen haben eindeutig gezeigt, dass nur ca. 20% der Wähler dieser Partei daran glaubten - sondern weil man ihr Wirtschaftskompetenz zutraute und man glaubte, dass sie Konzepte gegen die Krise hätte. Kaum einer konnte sich vorstellen, dass sich das Programm der FDP tatsächlich mit der Forderung nach Steuersenkungen erschöpft.

Nochmals wird das nicht funktionieren. Heute sieht fast jeder, was für ein Kasperhaufen das ist und was Wirtschaftskompetenz im Sinne der FDP bedeutet. Mit dem Spiel "Posten wechsel dich" haben sie sich endgültig als ernstzunehmende Partei disqualifiziert. Dass dieses traurige Schauspiel auch noch überall, penetrant und meistens wohlwollend als Erneuerung von den Medien begleitet und verkauft wurde, war ein Vorgeschmack auf das, was da noch kommen wird und zeugt vom entgültigen Niedergang des kritischen Journalismus.


@Wolfgang: Da VWL heute so wenig mit Wissenschaft zu tun hat, wie BILD mit Journalismus, passt das...

Banana Joe 28. Juni 2011 um 16:40  

Meinen Respekt jedenfalls, dass Sie sich jeden Tag diesen Dreck rein ziehen, um darüber schreiben zu können

Lieber Roberto,

auch von mir an dieser Stelle mein Respekt dafür verbunden mit dem Wunsch, dass es nicht mit bleibenden Schäden verbunden ist.

@Wolfgang: "...BILD sei ein Leitmedium, gerade was wirtschaftliche Zusammenhänge angeht..."

Das ist bitter. Passender wäre "Leidmedium" nach dem Motto für Masochisten: "Lesen was Leiden schafft"...

Banana Joe

ltrepl@gmx.de 28. Juni 2011 um 21:38  

Ich möchte hier in aller Form im Namen aller religiösen Menschen - Herrn Ratzinger eingeschlossen, ich hoffe, er läßt sich's gefallen, von mir eingeschlossen zu werden - gegen die Diffamierung protestieren, die darin besteht, mit diesem Herrn Elitz in einen Topf geworfen und gemeinsam gebraten zu werden! Also wenn schon, dann nicht mit so einem!

klaus baum 29. Juni 2011 um 12:37  

deutlicher als BILD kann man es doch nicht mehr sagen: wir leben in einer Spaßgesellschaft. Selbst die Steuern sind eine Frage des Spasses. Das heißt: Lachend, scherzend, selbstvergessen ruinieren wir das Land. Meine Oma pflegte immer zu sagen: Die Kapelle auf der Titanic spielte bis zu letzt. Nun ist dieses Riesenschiff nicht an deMusik zugrunde gegangen, sondern an einem Eisberg. Heute aber schaffen wirs, am Spaß zugrunde zu gehen. Danke, BILD!

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