Freude über die natürliche Endlichkeit

Samstag, 7. Mai 2011

Wie ist das eigentlich? Nehmen wir doch mal an, ein gewisser Herr Thilo S. aus B. - wir bleiben relativ namenlos, weil wir so etwas wie Anstand besitzen! - würde in einigen Wochen plötzlich und überraschend in seinem Schlafgemach verstorben sein. Sagen wir mal, es wäre ein Herzinfarkt gewesen - kein Mord! Meine - unserer aller - Phantasie soll ja kein billiger Krimi sein. Nehmen wir also an, Herr Thilo S., ein ausgesprochen knorriger und böser Mensch, rückständig im Denken, beleidigend und ehrabschneidend in seinem Auftreten, er wäre friedlich zwischen Bettzeug verschieden. Dürfte ich dann äußern, dass ich mich darüber freue? Dürfte ich ein Festchen feiern und ein Fässchen öffnen?

Nehmen wir das doch nur mal an. Ganz egal, was Herr S. aus B. getan hätte, sagen wir einfach nur, er war ein böser Mann - das sollte für das kleine, etwas pietätlose Gedankenspiel völlig ausreichen. Wobei es nur wenig gegen Pietät verstößt, denn wir ziehen keine konkrete Person heran, wie haben nur einen S. aus B. - mit Vornamen Thilo, weil wir doch etwas konkrete Menschlichkeit in die Abstraktion einfließen lassen wollen. Dieser böse Mann verstirbt also plötzlich und überraschend - ich würde aber nicht sagen "plötzlich und überraschend" sondern "Gott sei dank und freudigerweise", würde daraufhin bei Facebook ankündigen, dass hier und heute eine kleine Party stattfindet, Speis' und Trank, dazu als Requiem sozusagen, Laune machende Musik - wer will, so würde ich schreiben, bringt seinen Karaokeapparat mit. Und selbstverständlich darf auf das Ableben dieser abstrakten Person angestoßen werden!

Stellen wir uns das also alles mal schemenhaft vor. Läse man denn dann tagsdrauf in der Zeitung mit den vier großen Runen, dass da ein irrgewordener linker Blogger geschmacklose Orgien auf Herrn S.'s Ableben abhielt? Würden Leute wie Blome oder Quoos lauthals ins Moralisieren verfallen? Würde sich Wagner zu einen Gutmenschen wandeln, der moralisch über mich richtete? Welcher der Herren würde mich zuerst einen asozialen Kommunisten nennen, der womöglich auch Kinder frisst? Aufmacher dann: "Skandal! Verrückter Blogger feiert Tod des bösen Mannes aus B."? Und einige Tage später: "Lebt der Mescalero wieder?" Nicht mehr in Göttingen, so würde Blome oder sonstwer kritzeln, jetzt in Ingolstadt - "Kommt die RAF zurück?" oder "Ist der Ingolstädter Mescalero ein Anhänger des Terrors?"

Und der linke Spinner mit Feierlaune, meine Person, er würde befragt - abends im Boulevard-Fernsehen, das sich ja immer nach dem richtet, was die vier Runen täglich so von sich werfen. "Er feierte die tödliche Herzattacke des Herrn S. - wir haben ihn exklusiv befragt!" Was würde ich denn sagen? Vielleicht würde ich den Mescalero von einst etwas abwandeln: "Meine unmittelbare Reaktion, meine "Betroffenheit" nach dessen Ableben ist schnell geschildert: ich konnte und wollte (und will) eine klammheimliche Freude nicht verhehlen. Ich habe diesen Typ oft hetzen hören, ich weiß, das er bei der Verfolgung und Kriminalisierung von Erwerbslosen und Migranten eine herausragende Rolle spielte." Ich würde aber nachlegen, dass sich der Mescalero damals ausdrücklich (was damals vertuscht wurde!) gegen Gewalt äußerte. Er schrieb: "Unser Weg zum Sozialismus (wegen mir: Anarchie) kann nicht mit Leichen gepflastert werden." Und ab da würde es gefährlich, weil das böse S-Wort gefallen wäre - noch hätte ich mich aus der Bredouille winden können, aber mit dem S-Wort: Aus! Ende! Endgültig diabolisiert! Und dies, obwohl ich keinen Gewaltakt bejubelt hätte, sondern nur die Segnungen der Natur, die zuweilen welche ins Gras beißen lassen... die Frau, die derzeit unter mir als Wähler Bundeskanzlerin ist, sie hätte sich an der Gewalt erfreut; ich nur an der natürlichen Endlichkeit des Menschen. Wie sanftmütig ich doch wäre im Gegensatz zu dieser Frau!

Ich freue mich darüber, dass S. verstorben ist! Was wäre dann nur los? Solche Äußerungen, würden sie schreiben, dürfen nicht ungestraft bleiben. Ein Richter, stellt ihn vor einen Richter!, würden sie schreien. Des guten Geschmacks wegen! Aus Achtung vor dem menschlichen Leben! Darf man sich über den Tod eines Menschen freuen?, würden Feuilletonisten fragen. Nein, darf man nicht!, würden sie sich ihre Frage schroff selbst beantworten - und es wären die gleichen, die einige Wochen zuvor noch schrieben, dass man es doch dürfe...



13 Kommentare:

Anonym 7. Mai 2011 um 14:50  

Manchmal lese ich bei Alles Schall und Rauch. Heute:

Wollt Ihr die totale Lüge?

klaus Baum 7. Mai 2011 um 14:54  

ich habe mich dazu bereits geäußert. die freude von westerwelle, seehofer und merkel hat mich stark an die RAF erinnert. an die freude - und vor allem an die genugtuung - über den tod eines gegners

Anonym 7. Mai 2011 um 14:55  

Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe. (H. Euchel).

Anhänger des 04.08.1789

Brandubh 7. Mai 2011 um 15:02  

Und ich dachte, der Herr S. aus B. ist schon lange hirntot.

Anonym 7. Mai 2011 um 15:35  

Roberto, sorry, aber mit hundertprozentiger Sicherheit würde so eine "Party" keine Aufmerksamkeit erregen - in Zeiten, in denen es in den Social Networks Fan- und eben auch Hass-Seiten gegen jede bekanntere Person oder Institution gibt.
In Zeiten, in denen das Ableben jeder bekannten Person in Foren mit Bekundungen wie "den hat es auch nicht mehr gebraucht" begleitet wird.
Dafür ist diese Gehässigkeit bereits viel zu verbreitet, man hat sich daran gewöhnt, es wird als freie Meinungsäußerung hingenommen...

W.W.

K. Wulf 7. Mai 2011 um 16:03  

Lieber Herr Lapuente!
Stellen Sie sich mal vor, was los wäre, wenn die beiden Türsteher mit Migrationshintergrund, die mit ihrem Schlägerclub Gewaltvideos bei Youtube veröffentlichten und in Frankfurt einen Briten totschlugen, stellen Sie sich mal vor, wenn das Rechtsradikale gewesen wären - Rechtsradikale, die auf Youtube Gewaltvideos veröffentlichen und einen Briten totschlagen.
Lieber Herr Lapuente! Glauben Sie allen Ernstes, dies hätte ein gleichartiges Echo ausgelöst?
Solch eine Frage ergibt unmittelbar aus Ihrem Artikel, wenn man ihn zum realen Tagesgeschehen in Bezug setzt.
Dies auch als Frage an die anderen Leser... Was meint Ihr dazu?

Anonym 7. Mai 2011 um 19:42  

Wes Geistes Kind Frau Merkel ist, hat sie ja oft genug bewiesen. Was mich immer wieder wundert: Warum wirft man einem Gysi oder einer Wagenknecht immer und immer wieder ihre damalige Zugehörigkeit zur SED vor, wenn man sich eine Bundeskanzlerin gewählt hat, die nachweislich wesentlich aktiver in dieser gog. Partei war. Und keiner traut sich an DIESES Thema ran. das sagt doch wirklich alles über den Zustand unserer Bananenrepublik.

Gruß, Babsi

Dirk 8. Mai 2011 um 02:14  

Zum Glück muss man ja nicht BILD und Springer als Stellvertreter für das konservative Deutschland sehen. In der "Jungen Freiheit" wurde Freude über Bin Ladens Tod deutlich gerügt.

Anonym 8. Mai 2011 um 11:43  

Die einzigen, die über "sowas" Witze machen durften, es konnten und auch taten, waren die restlichen fünf Members des Monty Python-Sextetts bei der Trauerfeier zu Ehren Graham Chapmans.
Alle anderen: stilloses Gesindel.

- Jeeves

Martin 8. Mai 2011 um 22:50  

Herr Thilo S. tot?

Dazu gibt es nichts zu sagen - aber den
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Anonym 9. Mai 2011 um 08:31  

Herrn S. obwohl indirekt mit ObL
zu vergleichen ist unangemessen.

Björn 9. Mai 2011 um 11:21  

@ Anonym 9. Mai 2011 08:31:
Wieso sollte dies unangemessen sein?

WhiteBedLinen 17. Mai 2011 um 16:43  

Hmm das Thema erinnert mich an die Chilenen, die sich freuten als der Diktator Pinochet verstard. Man muss nicht, und vielleicht sollte man es nicht, aber ich habe mich gefreut als Pinochet starb.

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