Die Arbeitswut soll faulen

Montag, 16. Mai 2011

Die Faulheit hat keinen guten Stand in der bürgerlichen Gesellschaft - sie ist eher des Bürgers Abscheu. Mit ihr impliziert er Unkosten, Unordnung und Abstumpfung. Die Faulheit ist für ihn eine die Gesellschaft zersetzende Fäulnis. Er läßt sich daher auf sie nicht affirmativ ein, erkennt in ihr nichts Positives, vermag nicht deren Chancen und Möglichkeiten, deren fortschrittliche Kraft und soziales Potenzial zu entlarven. Und weil dies alles unerkannt bleibt, konnte einst ein ehemaliger Kanzler damit protzen, dass es kein Recht auf Faulheit in dieser Gesellschaft gäbe - Applaus und öffentliche Anerkennung folgten dem stante pede.

Die Faulheit als soziale Gerechtigkeit

In seiner 1880 erschienenen Schrift Le droit à la paresse, postuliert Paul Lafargue, der mit Laura Marx verheiratet war, ein Recht auf Faulheit - so lautet auch die deutsche Übersetzung der Schrift. Dabei ist allerdings der Faulheitsbegriff Lafargues nicht mit jener Faulheit gleichzusetzen, die der bürgerliche Furor ist, die dem Bürgertum vor seinem geistigen Auge aufersteht. Faulheit ist für ihn eher etwas wie Besonnenheit, Zurückhaltung und Betulichkeit, Maßhaltung und Befriedung eines wilden Erwerbsalltags durch weniger Arbeit, ein Abgleiten von sklavischer Arbeitsmoral, unterwürfigem und strapaziösem Arbeitseifer. Arbeit sollte Notwendigkeit sein, nicht Lebensinhalt - Lafargue schwebt dabei die Arbeitsmoral vor, die vor der Industrialisierung vorzufinden war und die Gerhard Schildt in seinem Buch "Aufbruch aus der Behaglichkeit" nachzeichnete: viele Feiertage, viele Ruheperioden, dafür aber auch Phasen voll Mehrarbeit, die aber immer mit Plausch und sozialem Austausch verbunden waren - eine Arbeitswelt letztendlich, die sich zwangsläufig nach der Natur richten musste (von der wir heute freilich relativ losgelöst sind), die aber keine tägliche oder gar stündliche Beweisbereitschaft der eigenen Produktivität abverlangte. Das was die bürgerliche Mitte heute mit Faulheit meint, die frappierenden, oft ekelhaften Bilder, die Fernsehsender wie RTL oder Sat. 1 aus den Wohnzimmern der Unterschicht über den Äther flimmern lassen, meinte Lafargue ganz sicher nicht - und das nicht nur, weil er damals noch keinen Fernseher besaß.

In meinem Buch "Auf die faule Haut" lege ich dar, dass Lafargue das Recht auf Faulheit auch deshalb kundtat, weil er darin den eigentlichen Schlüssel zum sozialen Frieden erkannte. "Auf die faule Haut" ist damit nicht nur Titel, sondern gleichwohl Imperativ. Seid im lafargueschen Sinne faul! Denn die Arbeitswut, so schreibt er, würde den Klassenkampf verstetigen: "Die Proletarier haben sich in den Kopf gesetzt, die Kapitalisten zu zehn Stunden Gruben- und Fabrikarbeit anhalten zu wollen - das ist der große Fehler, die Ursache der sozialen Gegensätze und der Bürgerkriege", notiert er, dabei die hündische Dummheit unterstreichend, die die müßiggängerischen Phantasien jedes Schuftenden aushöhlen und als Unding, als undenkbare Alternative verunglimpfen. Statt die Faulheit der elitären Faulpelze auch für sich zu beanspruchen, vernünfteln sich die Werktätigen jene Arbeitsmoral zurecht, unter der sie leiden. Diese sei ja schließlich und endlich notwendig, unabwendbar, alternativlos, betäuben sie sich selbst. Man müsse eben mehr, schneller, länger arbeiten - und der Faulpelz von oben, er soll es auch müssen. Mehr Arbeit für alle, statt weniger Mehrarbeit!

Die Diskrepanz zwischen denen, die faul arbeiten lassen und denen, die fleißig arbeiten sollen, sie ist für Lafargue die Wurzel des Klassenkampfes. Diese Zwietracht nicht auflösen zu wollen, sondern zu kultivieren, indem die Fleißigen die gutsituierten Faulen zum selben arbeitswütigen Lebensentwurf drangsalieren würden, wenn sie es könnten: das verewigt das klassengesellschaftliche Dilemma. Lafargue hätte vermutlich im Grabe rotiert, wenn er gesehen hätte, wie die Enkel im Geiste seines Schwiegervaters Gesellschaften auferstehen ließen, in denen es Helden der Arbeit gab, in denen die Arbeit eine Art ideologischen Adel darstellte - wahrscheinlich hätte er auch gar nicht rotiert, denn er ahnte ja, was Marxens unkritisches Verhalten gegenüber dem "Recht auf Arbeit" auslösen würde. Lafargue kritisierte ja bereits seine sozialistischen Zeitgenossen dafür. Die hatten doch mit ihrem leicht- und marxgläubigen Nachgequassel vom Recht auf Arbeit (das für Lafargue nur das "Recht auf Elend" war) den Klassenkampf gar nicht überwinden wollen; die hatten offenbar großes Interesse daran gehabt, ihn weiter zu verstetigen, denn das sicherte ihnen ihre gesellschaftliche Position.

Die Faulheit als Pate unterdrückter Potenziale

Sie gilt klassenübergreifend als verwerflich - Konservative und Progressive halten nichts von ihr. Kapitalisten und Kommunisten wollten sie mit Stumpf und Stiel ausrotten - der Fleiß sollte der Faulheit den Garaus machen: daher vereinten Arbeitslager die als unüberbrückbar geltenden Ideologien. Hie war "Vernichtung durch Arbeit", dort galt "Umerziehung durch Arbeit" - letzteres als progressive, als humanitäre und optimistische Auslegung ein und derselben Idee. Die Faulheit untergrabe schließlich das Fundament jeder gesunden Gesellschaft. Daher ist es gefährlich, wenn ich hier von der Faulheit schreibe, denn mit ihr konnotiert man Bettlerei, Alkoholismus, dreckige Wohnungen und Totalverweigerung - wer davon schreibt ohne zu schelten ist verdächtig. Lafargues Faulheit ist jedoch eine Faulheit der Maßhaltung; er fordert nicht, nichts mehr zu tun - er fordert aber dazu auf, weniger zu tun, bedächtiger zu arbeiten. Der Arbeiter soll "seine Ruhe entsprechend mehren" und nicht mit den "Maschinen wetteifern" - Rationalisierung und Automatisierung sind für Lafargue kein Grund zur Traurigkeit, denn sie könnten den Menschen mehr Zeit zuteilen.

Der bürgerliche Ekel vor der Faulheit lehrt, dass wesentlich kürzere Arbeitszeiten einen Sittenverfall mit sich bringen. Müßiggang ist ja bekanntlich aller Laster Anfang. Lafargue glaubte aber, dass die Faulheit durch Arbeitszeitverkürzungen zu einer musischeren Gesellschaft führen würde. Wenn der Schuftende plötzlich mehr freie Zeit hat, dann kann er sie nach seinen Interessen und Neigungen aufbrauchen. Wer weiß, vielleicht hätten wir den Krebs schon besiegt, würden wir nicht so lange arbeiten - vielleicht ist der Mensch, der uns vom Krebs erlöst hätte, aber hinter einem Schreibtisch versauerte oder an einer Drehbank vermoderte, abends zu ermattet gewesen, um seinem privaten Pläsier, der Medizin nämlich, ausgiebiger zu frönen. Michael Bakunin äußerte sich da ähnlich wie Lafargue: eine anarchistische Gesellschaft würde Muße zulassen und damit würde eine Gesellschaft auferblühen, die es bislang noch nicht gegeben hat - kein Wunder demnach, dass Bakunin Marx und seinen Wadenbeißern ganz ähnliche Vorwürfe machte wie Lafargue, denn auch für Bakunin waren Marx und seine Marxisten nur eine Spielart prüden Bürgertums.

Natürlich ist anzumerken, dass Lafargue und Bakunin noch nichts vom Einsatz moderner Unterhaltungsmedien wussten, mit denen wir heute konfrontiert sind und die die Freizeit (diese in Zeiten postulierter Mehrarbeit kostbar werdende Substanz) mittels abstumpfender Berieselung zersetzen und versinnlosen. Deshalb Freizeit verknappen? Weil sie den Menschen nicht mündiger und freier machte, sondern ihn letzlich an den Tropf der Unterhaltungsmedien stöpselte? Zurück zur menschlichen Arbeitskraft, Abschied von der sukzessiven Verlagerung der Arbeit auf Maschinen und Rechner? Das wäre nicht nur irrsinnig und unökonomisch, es entspräche dem menschlichen Charakter überhaupt nicht.

Die Faulheit als Fortschritt

Als die Industrialisierung einsetzte, entfremdete sich der Arbeitende von seiner Arbeit. Soweit Marx - soweit aber auch Lafargue. Automatisierungen traten ins Leben. Das tun sie bis heute. Wir staunen darüber, dass heute Maschinen erledigen, was bis vor einigen Jahren noch Menschenhände schufen. Wir staunen, aber wir betrauern auch, denn uns wird schnell gewahr, dass nun viele Menschenhände überflüssig geworden sind. Für einige Zeitgenossen wäre es ein Fortschritt, wenn wir von Maschinen abkommen würden, um wieder menschlichen Händen Arbeit in die Hände drücken zu können. Aber das ist nicht Fortschritt, das ist ein reaktionärer und, meines Erachtens, auch dem Menschsein diametral entgegengesetzter Ansatz.

Der Mensch erfindet Maschinen. Er erfand immer Maschinen und Vorrichtungen, die ihm das tägliche Leben erleichtern, die ihm Blut und Schweiß einsparen sollten. Heutige Vollautomaten zu ächten, weil sie Arbeitsplätze kosten: das ist kontraproduktiv, das entspricht nicht dem menschlichen Handeln. Der Mensch ist Erfinder - und er ist Maschinenbediener. Nicht erst seit der Industrialisierung, er war es gewissermaßen schon immer, nur waren Maschinen vormals eben viel primitiver. Maschinen sollen Arbeit erleichtern und Zeit einsparen - Maschinen sind damit eine Ausgeburt der Faulheit. Nur weil der Mensch an sich ein Wesen ist, dass sich Faulheit vorstellen kann, nur weil er sich imagnieren kann, was er mit eingesparter, frei gewordener Zeit anstellt, kam die Idee der Maschine in die Welt. Fortschritt ist somit nicht die Arbeitswut, nicht der Fanatismus (fanaticus, lat.; göttlich inspiriert) der Arbeit - die Faulheit innerhalb des Menschen, die zum Erfinden von zeit- und kraftsparenden Maschinen ermutigt, sie ist das wirkliche fortschrittliche Attribut der Menschheit. Einen stupide und apathisch vor sich hinwerkelnden Hominiden, dem die Fähigkeit abgegangen wäre, sich faule Stunden vorstellen zu können, den hätte die Evolution schon lange von seinem trostlosen, arbeitsamen Elend erlöst - oder er hockte noch an einem Wasserloch und würde sich kühles Nass in Dutzende Behältnisse schöpfen, statt stolz auf ein Rohrsystem zu blicken, dass ihm das Wasser in seine Hütte leitet.

Die Faulheit als Renaissance der sozialen Demokratie?

Eine Gesellschaft, in der sich offen und ohne Scheinheiligkeiten ein Recht auf Faulheit zugestanden wird, könnte die soziale Demokratie, die im Sterben liegt, nochmals reanimieren. Laut Robert B. Reich hat die soziale Demokratie, die er in seinen Büchern "demokratischen Kapitalismus" nennt, so massiv an Boden verloren und einem Superkapitalismus Platz geschaffen, weil die Technologien der letzten Jahrzehnte dazu führten, dass der Verbraucher und Anleger in eine stärkere Rolle gedrängt wurde, während der Bürger und Arbeitnehmer ins Hintertreffen geriet. Die Jahre, in denen selbst in den Vereinigten Staaten eine Form von staatlich gelenkter Wirtschaftspolitik existierte, die den Unternehmen staatliche Aufträge zuerteilte, waren deshalb unwiederbringlich verloren, weil neue Technologien beschleunigte wirtschaftliche Prozesse zeitigten und billigere Produktionsmöglichkeiten eröffneten und die Abhängigkeiten zwischen Staat, Unternehmen, Arbeitnehmer, Verbraucher und Anleger etappenweise auflöste. Der Superkapitalismus wuchs lediglich deshalb heran, erklärt Reich, weil durch flexiblere Technologien und Wirtschaftsprozesse einerseits Kunden durch niedrigere Preise profitierten und, andererseits, Anleger dazu ermutigt wurden, dort zu investieren, wo höhere Rendite abgeworfen würde.

Nun wäre eine Neuausrichtung nach lafargueschem Faulheitsverständnis nicht als Rückschritt von der Segnungen neuer Technologien zu begreifen. Natürlich sollen Bankautomaten und Internet nicht verworfen werden - man darf den Fehler einiger rückständiger Geister nicht machen, die entweder (wenn sie nach links hin denken) eine Art Steinzeit-Sozialismus fordern oder (wenn sie konservativ sind) einen Steinzeit-Kapitalismus bevorzugen, in dem Arbeit von Menschenhand mehr gefördert wird als maschinelle Arbeit. Weniger Arbeit, eine ruhigere, befriedete Arbeitswelt: das alles ja - aber nicht für den Preis technologischen Rückschritts. Beides muß vereinbar sein und ist es auch. Beibehalten, was moderne Technologien bieten, nur ruhiger und besonnener einsetzen - sie dürfen nicht dazu führen, den gesamten Apparat so anzukurbeln, dass man ihn nicht mehr zu bändigen vermag, dass er unbeherrschbar wird.

Und genau hier kommt das Primat der Politik ins Spiel, denn ein Gemeinwesen, dass sich gegen solche selbstläuferischen und automatisierten Abläufe zur Wehr setzen möchte, kann dies politisch auch tun. Wie wäre es beispielsweise mit einer Besteuerung nicht nur menschlicher Arbeitskraft, sondern auch maschineller? Lohnsteuer und Maschinensteuer und damit ein finanziell üppiger ausgestatteteres Gemeinwesen zur gesellschaftlichen Teilhabe aller? Wenn Maschinen besteuert würden, könnte auch weniger menschlicher Schweiß fließen. Weniger Arbeit, mehr Faulheit für jeden: das bedeutete hiermit dem Automatismus aus Rendite und noch mehr Rendite zu entfliehen und der sozialen Demokratie neuen Antrieb zu verleihen.

Die Faulheit als Friedenstaube?

Wir leben in einer Welt der Überproduktion und des steten Wachstums - dafür sind wir auch bereit Kriege in Kauf zu nehmen. Die Erdölsauferei unserer industriellen Wirtschaftssysteme ist das Resultat einer überproduzierenden und immer wachsenden, noch weiter wachsenden Wirtschaft. Und dahinter lauert wiederum der entfesselte Arbeitseifer - wir arbeiten und produzieren, wir überarbeiten und überproduzieren! Wenn wir dahin kommen, in Arbeit ein notwendiges Übel zu erahnen, welches man möglichst kurz und schmerzlos halten soll, dann wäre viel gewonnen. Laut Lafargue: das Ende des Klassenkampfes, den wir auch heute noch haben, wenngleich man das beständig verleugnet und als Anachronismus abtut.

Und wenn das Prinzip Faulheit, ein menschliches Bekenntnis zum Recht auf Faulheit im Sinne Paul Lafargues, als globaler Gedanke erfasst wird, dann ist vielleicht sogar mehr als das Ende des Klassenkampfes denkbar. Dann könnten geostrategische Motive überflüssig werden - koppelt man das Recht an Faulheit dann auch noch an eine Politik der erneuerbaren Energien, so könnte eine wirkliche Friedenspolitik durch die Sonne entstehen, um mit Franz Alt zu sprechen. Ein Ende kriegerischer Auseinandersetzungen? Möglich wäre es. Daher sollte es heißen: versuchen wir das Unmögliche und legen uns auf die faule Haut!



49 Kommentare:

klaus baum 16. Mai 2011 um 07:59  

Die sogenannten öffentlichen Debatten, lautsprecherartig durch die Medien verbreitet, die Propagandaphrasen der Politik und Wirtschaft und der INSM-Vertreter sind von einer derartigen Undifferenziertheit und Primitivität, dass fast nahezu alle Klug- und Weisheit erstickt wird. Die Verunglimpfung der Faulheit, diese Verunglimpfung ist nichts anderes als die gegenwärtige Form der Sklavenhalterpeitsche, während die Propagandadrescher und -schläger entweder bösartig sind oder aber denkfaul. Denn es bedarf der Anstrengung, die gelebte Realität und das Denken zusammenzubringen.
Bösartig und denkfaul oder bewußt verlogen ist diese bayr. Arbeitsministerin Haderthauser, die nicht sagt, Fabriken, Betriebe, Konzerne bauen Arbeitsplätze nach Belieben ab, sondern sie sagt, die Arbeitlosen müsste sich mehr anstrengen, dann fänden sie auch einen Job. Nicht das Wegrationalisieren von Arbeitsplätzen, nicht das Verlagern von diesen ins Ausland vernichtet Arbeitsplätze, sondern der Arbeitslose ist schuld, dass er nicht genug Arbeit sucht.
Was Leute wie Hundt, Sarrazin und Henkel betreiben, ist die Abschaffung des Denkens.

potemkin 16. Mai 2011 um 08:07  

Sehr schöner Beitrag! Das größte Tabu unserer Teit ist die weltweite Arbeitszeitverkürzung, die so viele Probleme lösen könnte. Wir bräuchten dringend ein 'Arbeitsentschleunigungsgesetz' zum Wohle aller! Und dann gleich noch ein 'Wachstumsentschleunigungsgesetz' dazu...

ninjaturkey 16. Mai 2011 um 08:20  

Vielleicht ist zunächst ein Gang zum Spindoktor vonnöten. Faul ist das was fault, die Faulheit zersetzt die Gesellschaft (faulend eben) von innen. Was faul ist stinkt ("stinkend faul sein"). Vielleicht lässt sich der Begriff verlustfrei durch die schon vor der Wellnessbewegung positiv belegte "Muße" ersetzen.
Es braucht kein Recht auf Freizeit (frei von was und wozu?), auch keines auf Faulheit (doch von den meisten nicht ganz zu Unrecht mit Trägheit assoziiert).
Ein Recht oder vielleicht sogar eine Pflicht zur Muße kan ich mir sehr gut vorstellen. Denn Muße bedeutet eben zunächst "nur" Raum für etwas anderes, für Kreativität, alternatives Schaffen, soziale Interaktion, Wissenschaft, Politik, Weiterbildung - aber auch zum sebstverständlichen Seele baumeln lassen an einem schönen Tag am See.

Anonym 16. Mai 2011 um 11:07  

Ein wunderbarer Appell für eine immer notwendiger werdende Veränderung der Sicht auf diese Dinge!

Ich befürchte jedoch, um gegen die Propaganda-Dauerbestrahlung unserer neoliberal beherrschten Verdummungsmedien anzukommen, die in den Köpfen der Menschen eingemeisselten Weltbilder zu sprengen und geistige Horizonte zu öffnen, also den "Funken" überspringen zu lassen und eine Wende herbeizuführen, bräuchte es eine massive Kampagnen- und Meinungsmache-Maschinerie... nicht nur den Rufer in der Wüste, der offene Türen bei seinen Gleichgesinnten einrennt.

Wäre ich religiös, würde ich beten "Herr, schmeiss' Hirn vom Himmel!".


Diana

Holsten 16. Mai 2011 um 12:32  

Habe zum Thema Korruption und Justiz eine sehr interessante Seite gefunden. All die dort gelisteten Fälle zeigen auf, wie kaputt dieses Land schon ist.

Dazu:
Endzeiter
http://www.endzeiter.de/

Klaus 16. Mai 2011 um 12:44  

Ich spüre, dass das Schaffen, das Ergründen, die Ausloten der Grenzen des Machbaren Wesenszüge des Menschen sind. Sonst hätten es sich die Neandertaler auch bequem gemacht und die Dinge auf sich beruhen lassen.
Dahinter steht vielleicht die Frage des Einzelnen "Wer bin ich?", und diese Frage läßt sich nur beantworten, indem man sich definiert, und dieses Definieren funktioniert, indem man etwas erschafft, wobei man seine Fähigkeiten einbringt.
Das wäre dann auch die logische Begründung, warum dies "natürlicher" ist als der Müßiggang.

Anonym 16. Mai 2011 um 12:51  

man sieht auch unter linken ist faulheit verurteilt. sieht man hier gut.

Cygnus 16. Mai 2011 um 13:55  

"Wir sind ein einziges Mal geboren; zweimal geboren zu werden, ist nicht möglich; eine ganze Ewigkeit hindurch werden wir nicht mehr sein dürfen. Und da schiebst Du das, was Freude macht, auf, obwohl Du nicht einmal Herr bist über das Morgen? Über dem Aufschieben schwindet das Leben dahin, und so mancher von uns stirbt, ohne sich jemals Muße gegönnt zu haben."
Epikur von Samos, (341 - 271 v. Chr.)


"man sieht auch unter linken ist faulheit verurteilt. sieht man hier gut."
Aber hallo! Sogar vor der Arbeit mit der Shift-Taste scheut man sich "unter Linken" nicht!

Anonym 16. Mai 2011 um 14:02  

Ich höre immer wieder von Weltenbummlern, die aus Ländern heimkehren, in denen der Müßiggang einen höheren Stellenwert hat als in Deutschland, dass man die Vorzüge dieses Lands ja erst richtig zu schätzen wisse, wenn man mal länger etwas Anderes erlebt habe.

Ich vertraue diesen Stimmen mehr als jenen, die sich diese gesellschaftliche Haltung nur in der Theorie ausmalen.

W.W.

persiana451 16. Mai 2011 um 14:32  

Dass die Menschen Zeit haben, ihre musischen Begabungen in sich zu fördern ist doch gar nicht erwünscht, ebenso wenig wie eine menschlichere, humanere Gesellschaft.

Es ist schon seit mindestens hundert Jahren bekannt, dass die Arbeitszeiten für den 'gemeinen' Arbeiter immer kürzer werden würden. Das schreibt schon Bertrand Russel in seinem Buch "Das Naturwissenschaftliche Zeitalter": "Seine (die des Arbeiters) Arbeit wird nicht allzu schwer sein, und nachher wird ihm eine endlose Reihe banalster Vergügungen geboten werden." Ich nehme mal an, ihm schwebte so etwas wie RTL vor...

Auch die Autoren des Bericht des Club of Romes "The first global Revolution" sorgen sich und schreiben an einer Stelle, die Arbeitnehmer von heute würden in einem 'Meer von Freizeit' versinken...

Ich nehme mal an, es geht wohl eher darum zu verhindern, dass die Menschen "aus Langeweile zu ernsthaftem Nachdenken getrieben werden", um wieder mit den Worten Russels zu sprechen.

Deswegen muss man Hartz IV Empfänger mit irgendwelchen sinnnlosen Beschäftigungsmaßnahmen oder sinnlosen Schulungen drangsalieren, anstatt sie wenigstens in Ruhe zu lassen, wenn man schon nicht dafür sorgen kann, dass sie eine normale Arbeit bekommen.

Das Schlimme ist: Der Normalbürger merkt selber nicht, wie er mit dem Vorwurf der sogenannten "Faulheit" die man nicht an den Tag legen darf, auf Trab gehalten und vom Nachdenken abgehalten wird. Tatsächlich sind viele Menschen schon so von sich selbst entfremdet, dass sie wirklich nichts mit sich anfangen können, wenn ihnen nicht irgend jemand eine Arbeit zuteilt.

Und auch Gregor Gysi von den Linken meint (in Bezug auf Mindestlohn): "WEr arbeitet muss mehr haben".

Zum Schluss möchte ich noch bemerken, dass es wirklich besser wäre, wenn manche Leute 'faul' wären. Es ist ja noch längst nicht jede ARbeit sinnvoll. Die Welt sähe wohl besser aus, wenn zum Beispiel keine Waffen produziert werden würden.

Klaus 16. Mai 2011 um 15:38  

persiana "Dass die Menschen Zeit haben, ihre musischen Begabungen in sich zu fördern ist doch gar nicht erwünscht"

Das ist so nicht richtig. Ich kann z.B. vom Jazz-Bereich sagen, in dem ich tätig bin, dass sich da die Ausbildungssituationen in einem nicht für möglich gehaltenen Ausmaß verbessert hat. Wo vor 30 Jahren noch die Bühnen der Konzerte und Clubs allergrößtenteils mit Musikern bestückt waren, die ohne Ausbildung und Förderung dorthin kommen mussten, haben wir heute zehntausende ausgebildete Musiker auf einem Niveau, das man sich damals nicht erträumt hätte. Auch zu sehen an den wie nie florierenden regionalen Jazz-Festivals.
In Sachen Förderung von Musikern ist Deutschland nicht umsonst Weltspitze.

Anonym 16. Mai 2011 um 15:48  

TRÄGHEIT ist wohl nicht ganz zu Unrecht eine der sieben Todsünden, von allen Künstlern seit Jahrhunderten als solche (nämlich: Sünde) anerkannt.
Wurde das berücksichtigt?
.
Ich seh' Faulheit sogar - zusammen mit Bequemlichkeit - als DIE beiden Hauptschuldigen am Benehmen vieler Leute, heute. Aber mich fragt ja keiner...

-Jeeves

Anonym 16. Mai 2011 um 15:51  

W.W:: "Ich höre immer wieder von Weltenbummlern, die aus Ländern heimkehren, in denen der Müßiggang einen höheren Stellenwert hat als in Deutschland, dass man die Vorzüge dieses Lands ja erst richtig zu schätzen wisse, wenn man mal länger etwas Anderes erlebt habe."

Ich höre auch viel, sehr viel, aber ich glaube nicht alles. Vor allem misstraue ich dem Zeugs, das auf wunderbare Weise in mein Weltbild passt, da bin ich gaaanz vorsichtig.

kdm

Manul 16. Mai 2011 um 15:55  

Beim Lesen kam mir ein interessanter gedanklicher Ansatz warum man die Faulheit als Solches immer in einem negativen Kontext setzt. Jemand, dessen Leben unorganisiert und frei von jeder Routine lebt, ist unkontrollierbar. Diese Unkontrollierbarkeit ist jedoch etwas, was allen Herrschaftsstrukturen zuwieder läuft, denn dadurch entsteht auch ein Haufen klandenstiner Strukturen, in denen sich die Menschen das Leben auf ihre Art organisieren und die sich damit auch gewissen Bürgerpflichten entziehen, die die Herrschenden als notwendig erachten.

Wenn man wirklich das Ganze weiter denkt, dann ist diese Arbeitsroutine, in der man Millionen hält und in die man Millionen hinein treiben will, eine der besten Methoden, um die Gesellschaft in ihrer Handlungsfähigkeit zu lähmen. Mir kam auch schon mal der Gedanke, dass das vielleicht auch das Plan dahinter ist, weshalb wir trotz Automatisierung und Computerisierung der Arbeitswelt immer mehr für immer weniger sollen arbeiten. Menschen, die von ihrer Arbeit so geschafft sind, dass sie nur noch schlafen wollen, machen sich einfach keine Gedanken darüber was um sie herum passiert. Solchen Menschen lassen sich auch alle möglichen Lügen als Wahrheit verkaufen, denn sie haben auch nicht die Zeit dafür, um nach der Wahrheit zu suchen.

Ich glaube, solange wir undemokratische Strukturen innerhalb der Gesellschaft haben, wird sich an diesem Umstand auch nichts ändern. Gewinner dabei werden nämlich dann diejenigen sein, die entweder von Haus aus finanziell gut ausgestattet sind, oder diejenigen, die im Graubereich operieren und die es sich leisten können sich der normalen Arbeitswelt zu verweigern. Deshalb wird der größte Reibbach auch von denen gemacht, die entweder stinkreich sind, oder die für das organisierte Verbrechen arbeiten.

... wie soll man allerdings da noch die Kinder zur Ehrlichkeit erziehen, wenn die sich letztlich nur mit einer sklavischen Arbeitsroutine bis in den Sarg hinein auszahlt?

Anonym 16. Mai 2011 um 16:56  

Ein sehr schöner Beitrag - danke !
Hierzu ergänzend, möchte ich auf
ein Buch von Fritz Reheis, "Die
Kreativität der Langsamkeit" hin-
weisen.
Einen Denkanstoß möchte noch mit der
Abstammung und Übersetzung des Wortes
Schule - vom lat."schola", was soviel
wie "Muße" bedeuted, geben.
Urspr. war das die Schule für Erwachsene....für Kinder war es ludus
- das Spiel - .

Grüße von

Hartmut

Anonym 16. Mai 2011 um 17:55  

kdm, aber woher dieses Vertrauen in die Theorie, wenn die Praxis etwas anderes vermittelt?
Sollte man nicht genauso vorsichtig sein, sich eine Theorie zurechtzulegen, die in das eigene Weltbild paßt?

W.W.

Usus 16. Mai 2011 um 18:01  

Ich kann nicht behaupten, dass ich Ihren Beitrag wirklich klug finde. Nicht deshalb, weil ich was gegen die Industrialisierung hätte, nein, sondern weil Sie die Rolle der Arbeit für die Entwicklung des Menschen nicht bedenken. Sie setzen Arbeit im Kapitalismus gleich mit der Arbeit im Sozialismus. Das halte ich für einen schweren Trugschluss, der natürlich Auswirkungen auch auf andere Gebiete des Themas hat. Im Sozialismus war man bemüht, soviel Arbeit wie möglich durch Maschinen erledigen zu lassen, eben damit der Arbeit mehr Freizeit für sich hat. Warum dies nicht ausreichend gelang, würde ein anderes Thema behandeln. Und Sie bedenken auch nicht, dass Lafargue nur der Schwiegersohn von Marx war und nicht Marx persönlich, man also Lafargues Ansichten nicht einfach Marx unterschieben kann. Ich glaube, dass sie in dieser Frage Gemeinsamkeiten, aber auch gegensätzliche Auffassungen hatten.
Was sie weiterhin überhaupt nicht beachten, ist, wem das Ergebnis der Arbeit zufällt - dem Produzenten, also dem Arbeiter, oder dem Besitzer der Produktionsmittel, also dem Unternehmer. Wie Sie meiner Ansicht nach sowieso sehr bemüht sind, jeden Anklang an einen Interessenskonflikt Produzent - Unternehmer überhaupt nicht aufkommen zu lassen. Und hier sehe ich den entscheidenden Mangel Ihres Beitrags. Arbeit ist nicht gleich Arbeit, es kommt doch darauf an, wem der Ertrag der Arbeit zufällt. Dies wollte ich nur anmerken.

Anonym 16. Mai 2011 um 18:31  

Man muss sich doch nur mal die Abermillionen Menschen ansehen, die jede Woche zu Sportwettkämpfen pilgern oder fernsehen, um Höchstleistung zu sehen.
Das beweist ja, dass das Wesen des Menschen anders tickt als der Artikel es meint.

Anonym 16. Mai 2011 um 18:35  

Wo ist Daniel? Er konnte immer so gut erklären, was das system(atische) Moment in diesem Ganzen ist.

Ich will sagen, dass schon seit einigen vielen Jahrzehnten arbeitssparende Innovation niemals der Faulheit entsprang, sondern dem Willen zu Profit und dem Druck der Konkurrenz von Privateigentümern.

Denn nur, solange man exklusiv den technischen Vorsprung nutzt ist er wertvoll, sobald alle ihn haben ist der Produktionsvorsprung dahin und es lässt sich nicht mehr Geld verdienen.

Naja und so geht das dann in die nächste Runde und immer weiter.

Das Heer der Arbeitslosen, mit denen die anderen Lohnsklaven erpresst werden können wächst. Gleichzeitig wächst auch der Druck um jeden Preis eine Arbeit finden zu müssen, denn Arbeitslose belasten Sozialkassen -> also Bezüge streichen. Ohne Arbeit keine Knete und ohne Knete gleich mal gar nix los. Auf diese Weise werfen sich diese vormals Arbeitslosen genätigt sich mit aller Macht an den Arbeitsmarkt zu werfen und... tadaaa ein wunderbarer Niedriglohnsektor entsteht... Briefträger so unglaublich billig, dass man gleich fünf statt einen beschäftigen kann...


"Der Kapitalismus ist überaus effizient... nur nicht mit menschlicher Arbeit"

Auf dass Daniel bald wieder seine geschätzten Analysen beisteuert.

_BB_

Anonym 16. Mai 2011 um 19:33  

"... wie soll man allerdings da noch die Kinder zur Ehrlichkeit erziehen, wenn die sich letztlich nur mit einer sklavischen Arbeitsroutine bis in den Sarg hinein auszahlt?"

Und das war wann in der Menschheitsgeschichte mal anders??

flavo 16. Mai 2011 um 19:36  

Schöne Gedanken. Meine Liebe Faulheit, jemand nimmt sich ihrer wieder einmal an. Sie ist in der Tat das tiefschwarze Schaf menschlicher Tugenden. Und sie nimmt es nach ihrer Art: faul wie sie ist, ist sie zu faul sich darum zu kümmern.
Bei Andre Gorz ' Kritik der ökonomischen Vernunft gibts einen Verweis auf Untersuchungen zur Arbeitszeitverkürzung. Das Gemeinwesen blüht dann ein bisschen auf.
Aber ichts desto trotz scheint mir die Faulhaut kein gegenständlicher Aspekt zu sein, sondern ein prozessualer. Die Faulheit gibt es nicht wie den Baum. Den Baum können wir erreichen (hingehen, angreifen, wachsen lassen...), die Faulheit nicht. Faulheit gibt es nur als Variante menschlichen Existierens: faulsein, auch faulen (man muss die mentalen Assoziationen an die Fäulnis dann aber extrahieren und nicht in die Vorstellungsgenerierung von "faulen" einfließen lassen, damit man die richtige sachliche Konnotation findet), faulen so wie gehen, liegen, arbeiten. Wenn wir also faulen, dann tun wir was?
Mancher Zeitgenosse wird extreme Angst und Gewissensbisse in sich aufsteigen merken. Bis zum unerträglichen. Bis er dann sich wandelt und etwas anderes tun wird, z.B. gehen oder arbeiten. Woher die Angst? Der Liebesentzug. In uns lebt das Schemata: bist du faul, wirst du nicht geliebt. Sind wir faul, erzeugt uns dieses Schemata das Gefühl der Angst und der Gewissensbisse, ja der Scham auch. Der konservative Elitist hat freilich den Vater im Kopf, der ihn antreibt, so wie er seinen Sohn zunächst antreibt, bis dieser sich selber antreibt und sich alle immer nur antreiben müssen, damit sie mit der Liebe nicht in Berührung kommen.
Angst aber auch, weil im Faulen können unangenehme Themen unseren Gedankenfluss durchqueren. Vergessenes, Aufgeschobenes oder gar Unaufschiebbares oder Grundfragen, die es an sich haben, dass sie sich leicht verdrängen lassen, aber schwer beantworten.
Angst aber auch, weil wir nunmal verletztlich sind und in paranoide Phantasien verfallen können und befürchten, dass Böses sich entwickelt, während wir faulen (die Intrige, schlechtes Wetter, zu wenig Getreide gespeichert...).
Viele andere Ängste wohl auch, aber all diesen Ängsten steht auch der Genuss einer baumelnden Seele, die entspannt sich dem hingibt, was gerade zu ihr kommt, wellenförmig die Aufmerksamkeit zwischen den Sinnen verschiebt, träumt, schläft, stolz eine milde Gleichgewichtigkeit der Seienden walten lässt, sich freut, dass gerade nichts passiert, in sich hört, wenn der natürliche Impuls erwächst, wieder aufzustehn und etwas zu tun bis dann, wenn es genug ist.

Anonym 16. Mai 2011 um 19:54  

A.

@ Manul 16. Mai 2011 15:55 - Bin genau deiner Meinung. Die Masse (noch) wird mit Arbeit so beschäftigt das sie keine Zeit und keine Energie mehr dafür hat über die Dinge in dieser Welt nachzudenken bzw. zu beschäftigen. So erhält man eine gelenkte und gläubige Masse.

Lutz Hausstein 16. Mai 2011 um 20:09  

@ persiana und Manul:

Gute und richtige Ergänzungen zu diesem Thema. Das kann man gar nicht stark genug herausstreichen.

J. Doe 16. Mai 2011 um 20:09  

Sehr guter Artikel, nur bei der Sache mit der Maschinensteuer würde ich widersprechen. Einerseits ist das praktisch kaum machbar, außerdem wäre es gerade kontraproduktiv, es würde ja die Automatisierung verlangsamen, denn menschliche Arbeit würde teilweise wieder billiger als Maschinenarbeit werden.

Anonym 17. Mai 2011 um 00:23  

Sollen die anderen mal schön Müßigang machen... Sie definieren sich dadurch nicht und werden unglücklich bleiben.
Mich beschäftigen jedenfalls mehr kreative (und zugleich soziale) Projekte, als dass eine Lebenszeit ausreicht dafür.

Anonym 17. Mai 2011 um 11:40  

Manul hat gesagt...

"Beim Lesen kam mir ein interessanter gedanklicher Ansatz warum man die Faulheit als Solches immer in einem negativen Kontext setzt."

Sehr interessante Gedanken!

MfG Bakunin

Anonym 17. Mai 2011 um 11:48  

klaus baum hat gesagt...

"Nicht das Wegrationalisieren von Arbeitsplätzen, nicht das Verlagern von diesen ins Ausland vernichtet Arbeitsplätze, sondern der Arbeitslose ist schuld, dass er nicht genug Arbeit sucht."

Und diese Demagogie hält nun schon seit 30 Jahren an!
Nicht diese "Marktwirtschfaft" hätte ein Problem mit der Bereitstellung von ausreichenden Arbeitsplätzen, nein, umgekehrt: Der Arbeitslose, der länger Arbeitssuchende hat ein "persönliches Problem", einen Arbeitsplatz zu finden...., Ursache und Wirkung einfach vertauscht!
Wäre diese Demagogie nicht so abscheulich, man könnte sie beinahe genial nennen....
Auch hier sehen wir, was mit dem "Begriffe besetzen" letztlich gemeint ist.

MfG Bakunin

Anonym 17. Mai 2011 um 13:17  

Kluge Worte, viel Substanz nur leider die Realität erreichen oder gar Verändern wird es nicht.

Zumal die Angst von Arbeitsverlust dem individuellen Trauma entspricht, auf sich selbst zurückgeworfen zu werden und dann keinen anderen Ausweg als Konfrontation mit dem ramponierten ICH erleben zu müssen. Das kann nun der Bürger nicht ertragen und braucht die Bewegung durch Arbeit oder entsprechende Äquivalente wie ein ADHS Kind die Hyperaktivität zur Verdrängung benötigt.
Beiden gemein ist die Unfähigkeit zur inneren Ruhe zu gelangen, weil sie vor der Ruhe Angst haben. Angst weil ihnen die Dämonen ihres eigenen Lebens hinterherlaufen wie Schatten auf Schritt und Tritt. Der Verrat an sich Selbst, sich ausgeliefert und unterworfen zu haben im Falschen gegenüber der Autorität und Machtansprüchen anderer. Das führt zur Abhängigkeit und Akzeptanz in den von "Tätern" bzw. systemisch diktierten Bedingungen und letztlich dazu, das das "Gelebt werden" dem Leben vorgezogen wird.

Was so tief im Menschen sitzt, wird keine rationale Erkenntniss jemals überbrücken können. Da kann noch so viel mit edlen einleuchtenden also aufklärenden Worten gekämpft werden, es sind Windmühlen gegen die man reitet. Wenn die gestorbene Liebe, der individuelle geistige oder "seelische" Tod die Begeisterungslosigkeit zementiert hat und somit die Lebendigkeit zur Bedrohung wird, kann der Mensch nicht mehr gerettet werden, weil er aus Angst vor dem Leben nicht gerettet werden will. Das Trauma der Lieblosigkeit sitzt zu tief und verteufelt die eigenen Bedürfnisse weil sie bestraft wurden und werden.

An der eigenen individuellen Kette im Herzen wird auch der größtmögliche Umsturz im politischen nichts wirklich verändern.

Mona 17. Mai 2011 um 15:18  

Angesichts der Probleme und des menschlichen Elends, das wir in der Welt haben und das ANGEPACKT werden muss, kann ich mich nur ekelnd abwenden von dieser moralisch verkommenden Debatte hier...
Einfach nur zutiefst erschreckend.

Anonym 17. Mai 2011 um 18:54  

A.
@ Mona 17. Mai 2011 15:18
Wir müssen uns im einzelnen und in der Gesellschaft erst selbst ändern um dann die Probleme in dieser Welt zu ändern. Erst wenn wir uns selbst geändert haben können wir Vorbild für die Welt sein.

Das Problem des menschlichen Elends werden wir mit den jetzigen denken nicht beheben.

Die Diskussion darüber zu verbieten mit dem Grund des menschlichen Elend außerhalb diese Landes, ist genau diese Denke die hier behandelt wird und somit bis du der Grund das es das viele menschliche Elend auf dieser Welt gibt.
!

Anonym 17. Mai 2011 um 23:15  

(1)Mona hat gesagt...
(2) Anonym hat gesagt...
@ Mona 17. Mai 2011 15:18....
(3) Usus hat gesagt...

Ich würde diese Debatte über das "Lob der Faulheit" keinesfalls als nur moralisch verwerflich ansehen.
Es kann keinesfalls schaden, den bürgerlichen Fetisch "der Arbeit" einmal gründlich zu durchleuchten, Sinn und Funktion dieses so typisch bürgerlichen Fetischs zu erhellen.
Ganz kurz: Wenn in dieser Gesellschaft aller bürgerlicher Reichtum, welcher sich in rein privaten Händen in immer größeren Ausmaßen konzentriert allein sich durch die immer größere Aussaugung von unbezahlter proletarischer Mehrarbeit verdankt - ob in Deutschland oder anderswo... - wenn man den Privatbesitz an Produktionsmitteln und alle sonstigen natürlichen Voraussetzungen - Naturreichtümer etc... - der Produktion völlig ausblendet..., ist es dann nicht klar, dass jeder bornierte Bürgerarsch der "Arbeit schlechthin" jede himmlische Weihe andichtet, sie zur "Quelle allen Reichtums" verhimmelt?(siehe Karl Marx, Kritik des Gothaer Programm)
Im Kult der "Arbeit" feiern die "guten Bürger" daher - meist eher unbewusst -nur die Ausbeutung der Lohnabhängigen, ihren dadurch "erwirtschafteten" Profit.
Und muss der "gute Bürger" ansonsten auch wirklich mehr wissen - NACHDEM sich seine Taschen immer wieder so prächtig füllen dank der "Arbeit"?
Ich denke, SIE können gut und fett und vor Sattheit weiter ihre illusionären "Oden" auf die "Arbeit" laut herausrülpsen!
Mona, wenn du es ernst meinst mit deinem Ekel vor der Debatte hier, dann solltest du dir unbedingt Gedanken über die baldige weltweite Abschaffung dieses barbarischen kapitalistischen bzw. imperialistischen(Imperialismus: monopolitischer Kapitalismus...) Ausbeutersystems machen, und Gedanken darüber, wie so bald wie möglich erneut mit dem Aufbau des Sozialismus begonnen werden könnte, einen Sozialismus, den es zum Teil schon gab, aber seine Fehler bedenkend und so den zuünftigen besser gestaltend....
Wer von früh bis spät nur immer und immer wieder gleich einer tibetanischen Gebetsmühle(sie "heulen" auch im Winde!) die Zustände dieses Ausbeutersystems, welches ein weltweites System ist, in dem alles mit allen anderen verbunden ist, bejammert, heult und flennt, aber zu feige bzw. zu charakterlos ist, die Frage des Sozialismus erneut aufs Trapez zu brinen, dem kaufe auch ich nicht unbedingt seine Dauer-"Empörung" ab, sie könnte(!?) auch einfach nur eine zu Schau gestellte sein, der persönlichen Eitelkeit, einem verqueren Geltungsbedürfnis entspringend.
Dennoch sollte man JEDEN der hier geäußerten Gedanken zunächst mal ernst nehmen und prüfen, ganz ohne jegliche Vorurteile!

In diesem Sinne beste Grüße mit einem Dankeschön für alle bisherigen Beiträge von
Bakunin

Mona 17. Mai 2011 um 23:21  

Lieber Vorredner, wo war dann Wirkmacht der südeuropäischen Länder vergangener Jahrzehnte, "in denen sich offen und ohne Scheinheiligkeiten ein Recht auf Faulheit zugestanden wurde"?

Anonym 17. Mai 2011 um 23:37  

Usus hat gesagt...

". Im Sozialismus war man bemüht, soviel Arbeit wie möglich durch Maschinen erledigen zu lassen, eben damit der Arbeit mehr Freizeit für sich hat."

Dazu noch ein kleiner Nachtrag zu meinem vorherigen Kommentar:

1952(!), J.W.Stalin in "Ökonomische Probleme des Sozialismus in der UDSSR"

"Darum müsste gesagt werden, dass nirgends so gerne Maschinen angewandt werden wie in der UDSSR, denn die Maschinen ersparen der Gesellschaft Arbeit und erleichtern die Arbeit des Arbeiters, und da es in der UDSSR keine Arbeitslosigkeit gibt,wenden die Arbeiter sehr gern Maschinen in der Volkswirtschaft an."

Daran ermesse man das Geschwätz so vieler heutiger Leute vom "Fluch der Technik" welche "schuld" sei an der wohl nie mehr verschwindenden Massenarbeitslosigkeit im Kapitalismus!

MfG Bakunin

Futurus 17. Mai 2011 um 23:47  

Zu "dafür aber auch Phasen voll Mehrarbeit, die aber immer mit Plausch und sozialem Austausch verbunden waren"
und "die aber keine tägliche oder gar stündliche Beweisbereitschaft der eigenen Produktivität abverlangt":

Ich habe bis vor kurzem in der zweitgrößten Softwarefirma der Finanzbranche gearbeitet (bin dann familiär bedingt umgezogen), und dort galt eigentlich genau diese Arbeitsphilosophie. Mich wundert, dass das hier offenbar als ungewöhnlich angesehen wird.
Ich empfehle im übrigen zum Thema das Buch "Die 4-Stundenwoche" von Timothy Ferriss. Der sagt eigentlich das Gleiche wie der Autor hier, nur liefert er auch die Anleitung mit, wie jeder sein eigener Herr über seine Arbeitszeit wird und nicht erst auf Gesellschaftsveränderung warten muss.

persiana451 18. Mai 2011 um 08:51  

@klaus baum

Freut mich zu hören, dass es auch positive Entwicklungen gibt! Bei einer Ausbildung steht man schon wieder unter irgendeiner Art von Kontrolle: Lehrplan, Prüfungen, Leistungsdruck usw.

Mir würde es einfach gefallen, wenn es mal irgendwas gäbe, was nicht unter der Kontrolle des Staates (oder auch irgendeiner privaten Stiftung stehen würde).

Leider macht unser derzeitiges Wirtschafts- und Gesellschaftssystem das aber unmöglich, weil wir alle Geld brauchen und daher den größten Teil unserer Lebenszeit an irgendeinen Unternehmer verkaufen müssen, damit der seine Profite machen kann...

Dendemann 18. Mai 2011 um 11:15  

Nirgendwo werden so viele Erfindungen gemacht wie in den USA und in Deutschland.
Weil aber noch kein Mittel gegen Krebs darunter ist, soll das darauf hinweisen, dass kein der Kreativität zuträgliches Klima herrscht?
Dann müßten ja andere Kulturen führend sein in Erfindungen?
Wie konnte Deutschland überhaupt auf seinen jetzigen Stand kommen, wenn es solch ein wissenschafts- und kreativitätsfeindliches Klima hat?
Wie läßt sich dieser Umstand als Gegenargument gegen die Vision des Autors entkräften?
Es ist so, als würde man dem Olympiasieger empfehlen, doch bitte rückwärts zu laufen, um bessere Ergebnisse zu erzielen.

Anonym 18. Mai 2011 um 12:50  

"Wenn der Schuftende plötzlich mehr freie Zeit hat, dann kann er sie nach seinen Interessen und Neigungen aufbrauchen."

Die Geschichte hat doch sehr eindrucksvoll das Gegenteil bewiesen.
Naturvölker müßten die sogenannte Zivilsation an Fortschritt bei weitem überholt haben nach dieser These.

Nodles 18. Mai 2011 um 14:00  

Natürlich gibt es genug Tätigkeiten, die sinnvollerweise, aus Gründen der Selbstverwirklichung usw. zu verrichten wären. Nur werden sie eben in der mörderische Warenlogik, die den Kapitalismus ausmacht eben nicht getan, da sie nicht profitversprechend verwertet werden können. Arbeit dient nicht dazu - und sie dient immer weniger dazu -, für die Menschheit Sinnvolles und Notwendiges herzustellen oder zu verrichten, sondern das Kriterium ist einzig und allein, was lässt sich verkaufen. Ob es mensch- und naturverträgliche Produkte und Produktionsweisen sind, ist nicht die Frage. Egal ob Tretminen oder Schweinehälften, Haareschneiden oder Finanzberatung, produziert (und, ja doch, ge"dienstleistet") wird, was profitabel ist...und um die Maschine am Laufen zu halten, wird mit enormen Aufwand auch noch versucht uns einzureden, daß wir nur mit drei-Klingen-Rasur wirklich glatt, mit antibakteriellem Putzmittel wirklich sauber, mit unterbezahlten Supermarkt-Tüten-Einfüllern wirklich frei wären...
"Gemeint ist aber nicht menschliche Produktions- und Lebenstätigkeit schlechthin, sondern stillschweigend immer schon die Verwandlung von "abstrakter Arbeit" (Marx) der Warenproduktion in Geld: in Lohn und Profit also. Noch vor 150 Jahren hat das kaum jemand für normal gehalten. Nicht nur wegen der niedrigen Löhne und der furchtbaren Arbeitsbedingungen, sondern weil es überhaupt als ungeheuerliche Zumutung erschien, morgens um 7 oder 8 pünktlich in einem potthässlichen Gebäude zu erscheinen und dort bis zum Abend zu "arbeiten" in einem Zusammenhang, der nicht durch selbstbestimmte gemeinsame Ziele definiert ist, sondern durch einen abstrakten Staatsplan und/oder durch die anonymen Sachgesetzlichkeiten des Marktes. Selbst den Hörigen und Sklaven wurde nicht die volle Lebenszeit für fremdbestimmte Tätigkeit abverlangt, sondern nur ein Teil. Die "Arbeit" im heutigen Sinne (fremdbestimmt für Geld) wurde als eine Art schändliche Prostitution empfunden.
" (http://www.exit-online.org/textanz1.php?tabelle=schwerpunkte&index=0&posnr=63&backtext1=text1.php)

Es ist doch toll, wenn "Arbeit verschwindet", niemand schafft sich doch eine Geschirrspülmaschine an, um anschließend zu jammern, was er nun mit seiner Zeit anfangen soll...Arbeitslosigkeit ist deshalb ein Problem, weil die bei höherer Produktivität erwirtschafteten Werte nicht dort ankommen, wo sie hingehören: bei denen, die sie erarbeiten. 90.000 Euro Gewinn/Mitarbeiter/Jahr bei Nokias entlassenen MA...hätte man schon den einen oder anderen "durchfüttern" können, oder statt 2000 8h am Tag 8000 2h arbeiten lassen können. Aber:
Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen! Dieser zynische Grundsatz gilt noch immer - ...

Nodles 18. Mai 2011 um 14:00  

Der paranoide Schrei nach "Beschäftigung" rechtfertigt es, die längst erkannte Zerstörung der Naturgrundlagen sogar noch zu forcieren. Die letzten Hindernisse für die totale Kommerzialisierung aller sozialen Beziehungen dürfen kritiklos hinweggeräumt werden, wenn ein paar elende "Arbeitsplätze" in Aussicht stehen. Und der Satz, es sei besser, "irgendeine" Arbeit zu haben als keine, ist zum allgemein abverlangten Glaubensbekenntnis geworden.

Die weltweite Tatsache, daß sich die Arbeit als irrationaler Selbstzweck erweist, der sich selber obsolet gemacht hat, wird mit der Sturheit eines Wahnsystems in das persönliche oder kollektive Versagen von Individuen, Unternehmen oder "Standorten" umdefiniert. Die objektive Schranke der Arbeit soll als subjektives Problem der Herausgefallenen erscheinen.
Eine auf das irrationale Abstraktum Arbeit zentrierte Gesellschaft entwickelt zwangsläufig die Tendenz zur sozialen Apartheid, wenn der erfolgreiche Verkauf der Ware Arbeitskraft von der Regel zur Ausnahme wird. Alle Fraktionen des parteiübergreifenden Arbeits-Lagers haben diese Logik längst klammheimlich akzeptiert und helfen selber kräftig nach.
Die neoliberale Fraktion überläßt das schmutzige Geschäft der "unsichtbaren Hand" des Marktes. In diesem Sinne werden die sozialstaatlichen Netze abgebaut, um all diejenigen möglichst geräuschlos zu marginalisieren, die in der Konkurrenz nicht mehr mithalten können. Als Mensch wird nur noch anerkannt, wer zur Bruderschaft der feixenden Globalisierungsgewinnler gehört. Alle Ressourcen des Planeten werden ganz selbstverständlich für die kapitalistische Selbstzweckmaschine usurpiert. Wenn sie dafür nicht mehr rentabel mobilisierbar sind, müssen sie brachliegen, selbst wenn daneben ganze Populationen verhungern...
(http://www.balzix.de/diverse_manifest-gegen-die-arbeit_1999.html)Vielleicht sollte man sich mal fragen, wozu man lebt? Um immer mehr zu arbeiten, immer mehr zu haben? Oder ob man arbeitet, um besser zu leben, mehr zu sein?
"Bevor wir jedoch dies tun, könnten wir fragen, woher die sonderbare Erscheinung kommt, daß wir auf dem Markt eine Gruppe Käufer finden, die Besitzer von Boden, Maschinerie, ...sind, ...(Produkte der Arbeit (anderer)), und auf der andern Seite eine Gruppe Verkäufer, die nichts zu verkaufen haben außer ihre Arbeitskraft, ... Daß die eine Gruppe ständig kauft, um Profit zu machen und sich zu bereichern, während die andre ständig verkauft, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen? ..."Marx: http://www.textlog.de/marx-arbeitskraft.html

Nodles 18. Mai 2011 um 14:55  

@anonymos
""Wenn der Schuftende plötzlich mehr freie Zeit hat, dann kann er sie nach seinen Interessen und Neigungen aufbrauchen."

Die Geschichte hat doch sehr eindrucksvoll das Gegenteil bewiesen.
Naturvölker müßten die sogenannte Zivilsation an Fortschritt bei weitem überholt haben nach dieser These."

Wieso? Möglicherweise liegen die Neigungen und Interessen einfach nicht im "fort schreiten"

Davon abgesehen, glaub' ich, ist die Freizeit bei sog. Naturvölkern eher rar gesäht, muß man doch für's tägliche Brot den Dschungel recht aufwändig durchstöbern...

Nodles 18. Mai 2011 um 15:03  

In den längeren Kommentaren von mir sind die Zitate aus den angegeben Quellen nicht immer sauber gekennzeichnet, da hat das tagging nicht so funktioniert wie's sollte (oder ich hab's nicht hingekriegt...)
Sorry...aber ist ja auch "nur" ein Kommentar und keine Doktorarbeit...
Jedenfalls möchte ich die Aufmerksamkeit auf das manifest-gegen-die-arbeit lenken: http://www.krisis.org/1999/manifest-gegen-die-arbeit (
link im vorletzten Kommentar auch noch veraltet...
:o(
)

Anonym 18. Mai 2011 um 16:51  

"Arbeit sollte Notwendigkeit sein, nicht Lebensinhalt"?
Ich arbeite gern, und zwar an vielfältigen Dingen, und nicht an allen davon aus Notwendigkeit. Sehr wohl aber als Teil des Lebensinhalts.
Ich sehe aber schon, wie ich in einer Gesellschaft, wie sie im Artikel beschrieben wird, diskriminiert, ausgegrenzt, geächtet werden würde, würde ich meinen Neigungen mit Eifer nachgehen.

Anonym 18. Mai 2011 um 20:13  

Mehr Freiheit erfordert auch mehr Eigenverantwortung, Disziplin, "etwas mit sich anzufangen wissen".
Siehe Kant usw.
Das ist ja ein jahrhunderte altes Thema.
In Zeit der Generationen von Menschen, die in Patchworkfamilien herumgereicht wurden, ist eine Gesellschaft aber nicht reif dafür.

Anonym 18. Mai 2011 um 23:57  

"Es ist doch toll, wenn "Arbeit verschwindet", niemand schafft sich doch eine Geschirrspülmaschine an, um anschließend zu jammern, was er nun mit seiner Zeit anfangen soll..."

Doch, genau das passiert dann, wenn Menschen, die auf das gelebt werden durch Arbeit geeicht Selbstanteile verloren haben, die sich um die kreative Auseinandersetzung mit der Welt und sich Selbst dreht. Das einzige was vielen übrig bleibt in dieser entgeisterten Welt ist der Rausch, das Abschalten durch Bewußtseinsverdrängung (Ja, Drogen sind keine Erweiterung, sondern eine Verdrängung von Bewußtsein... Wers nicht glaubt sucht bei 2,5 Promille mal sein "Bewußtsein"...)
Einen ähnlichen Stellenwert haben ja die Medien heute. Sie dienen denen, die nichts mehr mit sich Selbst und ihrer Umwelt anfangen können als Zeittotschläger. TV, Chatten, Kino, PC und Konsole, zielloses Surfen, Populärliteratur und vieles mehr. Diesen Zusammenhang hatte Fromm schon vor Jahrzehnten deutlich gemacht und "Medien" (Er kannte ja noch nicht die heutigen Zustände) als Alltagsdrogen klassifiziert, die genau den von mir genannten Sinn hätten.

"Arbeitslosigkeit ist deshalb ein Problem, weil die bei höherer Produktivität erwirtschafteten Werte nicht dort ankommen, wo sie hingehören: bei denen, die sie erarbeiten. "

Selbst mit viel viel Geld ist nicht automatisch ein Mensch fähig sich sinnvoll schöpferisch zu betätigen. Er wechselt dann nur die Alltagsdrogen von billig zu teurer.

Erst der innere Wandel vom gelebten Menschen hin zum lebendigen Sein, also zu einer Lebensweise, die das Leben und die Freude daran kultiviert und fördern möchte, die die Sinnlichkeit und den Genuß aber auch die Wertschätzung und den Respekt und die Liebe für sich und andere in den Vordergrund rückt, erst in einem Mindestmaß dieser Lebenshaltung findet sich der Schlüssel zu einer besseren Gesellschaft. Und realisieren kann das nur jeder Mensch für sich ganz alleine und nicht indem Rahmenbedingungen sondern das eigene Herz, das eigene Verhalten, die eigene Lebenshaltung entsprechend ausgerichtet wird.

Jörg Reiners 19. Mai 2011 um 10:37  

Die Renaissance, die aktuell Lafargues Text widerfährt, komm nicht von ungefähr. Unserer Zivilisation geht die kapitalistisch verwertbare und von Menschen verrichtbare Arbeit aus. Es wird nach Alternativen gesucht. Wir werden erleben, daß wir von einer Arbeits- in eine Tätigkeitsgesellschaft münden werden. Um diesen zivilisatorischen Prozess stabil begleiten, etablieren und stabilisieren zu können, ist Aufgabe eines bedingungslosen Grundeinkommens. Das Motto der alten Sozialdemokratie "Wer nicht arbeitet, braucht auch nicht essen!", das leider unter Kanzler Schröder ein Comeback feiern durfte, ist einer sterbenden Arbeitsgesellschaft nicht länger zuzumuten. Es ist nicht die Arbeit, die den Fortschritt einer Gesellschaft bedingt, sondern gerade die Faulheit!

Nodles 19. Mai 2011 um 12:18  

@anonymos
Erst der innere Wandel vom gelebten Menschen hin zum lebendigen Sein, also zu einer Lebensweise, die das Leben und die Freude daran kultiviert und fördern möchte, die die Sinnlichkeit und den Genuß aber auch die Wertschätzung und den Respekt und die Liebe für sich und andere in den Vordergrund rückt, erst in einem Mindestmaß dieser Lebenshaltung findet sich der Schlüssel zu einer besseren Gesellschaft. Und realisieren kann das nur jeder Mensch für sich ganz alleine und nicht indem Rahmenbedingungen sondern das eigene Herz, das eigene Verhalten, die eigene Lebenshaltung entsprechend ausgerichtet wird.

Ich denke, es gibt schon gesellschaftliche "Rahmenbedingungen", die das Verhalten und die "Einstellung" der Menschen beeinflussen. Ich bin nicht so pessimistisch anzunehmen, der Mensch wäre ein egomanisches, konsumgeiles, geldverdienendes Wesen. Aber
der Kapitalismus mit seinem Konkurrenzsystem fordert und fördert natürlich egoistisches Verhalten, ohne daß der Konkurrenzkampf nicht zu bestehen wäre. Daß der Mensch sich auch egoistisch verhalten kann heißt ja aber wohl kaum, daß er egoistisch ist. Vielmehr bestimmt die vorherrschende Produktionsweise Denken und Handeln des Menschen, formt ihn, benötigt und schafft einen bestimmten Typ Mensch. Die aktuell vorherrschende Arbeitsgesellschaft hat es erreicht, das jenseits des Arbeitslebens keine Alternative denkbar scheint. Der Mensch definiert sich über seine Arbeit, bekommt Anerkennung, Zuwendung...nur über Arbeitszusammenhänge. Arbeit und Konsum werden (gesamtgesellschaftlich) zum eigentlichen Lebenszweck erklärt. (wöchentliche Buchempfehlung: Hannah Ahrendt: Vita Activa) Weil's nicht schöner zu sagen ist: Erich Fromm ("Der moderne Kapitalismus braucht Menschen, die in großer Zahl reibungslos funktionieren, die immer mehr konsumieren wollen, deren Geschmack standardisiert ist und leicht vorausgesehen und beeinflußt werden kann. Er braucht Menschen, die sich frei und unabhängig vorkommen und meinen, für sie gebe es keine Autorität, keine Prinzipien und kein Gewissen – und die trotzdem bereit sind, sich kommandieren zu lassen, zu tun, was man von ihnen erwartet, und sich reibungslos in die Gesellschaftsmaschinerie einzufügen; Menschen, die sich führen lassen, ohne daß man Gewalt anwenden müßte, die sich ohne Führer führen lassen und die kein eigentliches Ziel haben außer dem, den Erwartungen zu entsprechen, in Bewegung zu bleiben, zu funktionieren und voranzukommen. […] Jeder glaubt sich dann in Sicherheit, wenn er möglichst dicht bei der Herde bleibt und sich in seinem Denken, Fühlen und Handeln nicht von den anderen unterscheidet" (Die Kunst des Liebens) "Der Konsumideologie liegt der Wunsch zugrunde, die ganze Welt zu verschlingen, der Konsument ist der ewige Säugling, der nach der Flasche schreit. (Haben oder Sein. ))

Nodles 19. Mai 2011 um 12:18  

Zum Thema Arbeitseinstellung gefunden:
Wie heißt es so schön beim alten Goethe (Werther):
"Es ist ein einförmiges Ding um das Menschengeschlecht. Die meisten verarbeiten den größten Teil der Zeit, um zu leben, und das bißchen, das ihnen von Freiheit übrig bleibt, ängstigt sie so, daß sie alle Mittel aufsuchen, um es los zu werden...Daß die Kinder nicht wissen, warum sie wollen, darin sind alle hochgelahrten Schul- und Hofmeister einig; daß aber auch Erwachsene gleich Kindern auf diesem Erdboden herumtaumeln und wie jene nicht wissen, woher sie kommen und wohin sie gehen, ebensowenig nach wahren Zwecken handeln, ebenso durch Biskuit und Kuchen und Birkenreiser regiert werden: das will niemand gern glauben, und mich dünkt, man kann es mit Händen greifen. Ich gestehe dir gern, denn ich weiß, was du mir hierauf sagen möchtest, daß diejenigen die Glücklichsten sind, die gleich den Kindern in den Tag hinein leben, ihre Puppen herumschleppen, aus- und anziehen und mit großem Respekt um die Schublade umherschleichen, wo Mama das Zuckerbrot hineingeschlossen hat, und, wenn sie das gewünschte endlich erhaschen, es mit vollen Backen verzehren und rufen: »mehr!« – das sind glückliche Geschöpfe. Auch denen ist's wohl, die ihren Lumpenbeschäftigungen oder wohl gar ihren Leidenschaften prächtige Titel geben und sie dem Menschengeschlechte als Riesenoperationen zu dessen Heil und Wohlfahrt anschreiben. – Wohl dem, der so sein kann! Wer aber in seiner Demut erkennt, wo das alles hinausläuft, wer da sieht, wie artig jeder Bürger, dem es wohl ist, sein Gärtchen zum Paradiese zuzustutzen weiß, und wie unverdrossen auch der Unglückliche unter der Bürde seinen Weg fortkeucht, und alle gleich interessiert sind, das Licht dieser Sonne noch eine Minute länger zu sehn – ja, der ist still und bildet auch seine Welt aus sich selbst und ist auch glücklich, weil er ein Mensch ist. Und dann, so eingeschränkt er ist, hält er doch immer im Herzen das süße Gefühl der Freiheit, und daß er diesen Kerker verlassen kann, wann er will."

Nodles 19. Mai 2011 um 12:29  

@anonymus
...realisieren kann das nur jeder Mensch für sich ganz alleine und nicht indem Rahmenbedingungen sondern das eigene Herz, das eigene Verhalten, die eigene Lebenshaltung entsprechend ausgerichtet wird.

Realistisch ist das aber nur, wenn der objektive Zwang zur (Lohn-)Arbeit (aufgrund fehlender Produktionsmittel) wegfällt. Oder kurz: "Erst kommt das Fressen, und dannn kommt die Moral!" Warum soll Arbeit notwendig mit dem Verkauf der Arbeitskraft einhergehen? Zum Arbeiten (Werte schaffen) brauch ich zwingend Ressourcen und Arbeitskraft, nicht so zwingend ihre Unternehmer! Will ich 'nen Tisch bauen brauch ich Holz, Hammer, Nägel. Wenn's nun aber jemanden gibt, der Holz, Hammer, Nägel sein Eigen nennt, es besitzt, kann ich ihm nur meine Arbeitkraft im Tausch bieten. Er zahlt mir mehr oder weniger viel Lohn, mir gehört kein Tisch, kein Holz...sondern alles ihm. Er verkauft's ggf., und da er mir nur den Wert meiner Arbeitkraft (wir erinnern uns:Produktionskosten) zahlt, ich aber mehr Werte in meiner Arbeitszeit schaffe, macht er Profit, schafft Kapital, mehrt sein Eigentum.
Holz wächst im Wald, der von uns gemeinschaftlich bewirtschaftet wird, der Schmied macht selbstbestimmt Nägel, der Werkzeugmacher selbstbestimmt Hämmer, genug damit's für's Leben reicht (Austausch nützlicher Arbeit), ich bau 'nen Tisch. Es gibt Holz, Hämmer, Nägel, Tisch, genau wie vorher, was fehlt ist der Profit und der Profiteur.
Ohne Privateigentum (an Produktionsmitteln) keine Lohnarbeit (Ausbeutung der Arbeitskraft), wohl aber Arbeit. Frei und selbstbestimmt.Die Marx'sche Vision, daß die rein reproduktive, zyklische Arbeit und auch notwendige Erweiterungen des Arbeitsfeldes nicht mehr von Menschen erledigt werden muß (was nicht ausschließt, das man es darf, so man will), sondern "Arbeit, wo der Mensch in ihr tut, was er Sachen für sich tun lassen kann, aufgehört hat" (MEW 42, S. 244). Stofflich-energetische Prozesse sollen in die Naturprozesse hineinverlagert werden, damit den Menschen ihr wirklicher Reichtum, nämlich freie Zeit und reiche zwischenmenschliche Beziehungen zugute kommt. Er erwähnt, daß die "kommunistische Revolution sich gegen die bisherige Art der Tätigkeit richtet, die Arbeit beseitigt und die Herrschaft aller Klassen mit den Klassen selbst aufhebt..." (MEW 3, S. 70) und nochmals wiederholend : "die Proletarier (müssen), um persönlich zur Geltung zu kommen, ihre eigne bisherige Existenzbedingung, die zugleich die der ganzen Gesellschaft ist, die Arbeit, aufheben." (MEW 3, S. 77). "Die Arbeit ist hier wieder die Hauptsache, die Macht über den Individuen , und solange diese existiert, solange muß das Privateigentum existieren." (MEW 3, S. 50).

An anderer Stelle taucht die Vorstellung auf, daß "die Gesellschaft die allgemeine Produktion regelt und mir eben dadurch möglich macht, heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe, ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden." (MEW 3, S. 33). Dies deutet darauf hin, daß er zwar durchaus noch arbeiten will, aber selbstbestimmt und nicht mehr 10 Stunden lang von der Notwendigkeit (z.B. zur effektiven Berufsausfüllung) bestimmt.

Diese Kombination von Befreiung der Menschen von Zwangs-Arbeit zur Verwandlung der verbleibenden Arbeit in selbstbestimmte ist meiner Meinung nach eine sinnvolle Lösung der Frage "Befreiung von oder in der Arbeit", durch die Antwort: Beides: Aufhebung der Zwangsarbeit und dadurch Befreiung in der Arbeit.

Sonja 27. Mai 2011 um 14:03  

So ein interessanter und gut geschriebener Artikel für die Faulheit, Kompliment.
Liebe Grüße, Sonja!

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