Ein kostbarer Rohstoff
Mittwoch, 18. Mai 2011
Wir erzittern, wenn vom Terrorismus gesprochen wird; wir fürchten uns, wenn wir herrenlose Taschen oder Koffer erspähen; Angst erfüllt uns, wenn höchste Alarmbereitschaft aufgrund eines möglichen Anschlags ansteht. Wir haben Angst vor Bomben und Bombenattrappen, vor Terroristen und solchen, die wie Terroristen aussehen könnten, wenn man wüsste, wie Terroristen denn so aussehen - wir verfallen in Angststarre, bemerken wir bärtige Männer im Kaftan oder gut verhüllte Frauenkörper. In deren Handgepäck vermuten wir Sprengstoff, was uns abermals in Furcht versetzt - und wer als unscheinbarer Zeitgenosse mit solchen anrüchigen Zeitgenossen schwatzt, der ist verdächtig, der macht uns ängstlicher als Angst.
Angst vor Sprengstoff und Autobomben. Angst vor Schläfern und Terroristengönnern. Angst vor Atomsprengköpfen und Giftattentaten. Angst vor dem Islam und dem Islamismus und, wahlweise, vor der Islamisierung. Angst vor fremd aussehenden, befremdlichen Menschen und unorthodoxer Kleidung. Angst vor verwaisten Koffern und Tüten. Angst vor in terroristischen Laboren gezüchteten Krankheitserregern und heimtückischen Viren zur Lähmung der virtuellen Welt. Angst davor, dass der islamische Terrorist offenbar keine Angst hat. Angst davor, dass die rechtsstaatliche Gesetzgebung offenbar, nach allem, was man so hört und liest, viel zu viel Angst kennt, um auch mal hart durchzugreifen.
Zu diesen Ängsten gesellen sich noch andere, auch herkömmliche, als normal geltende. Vor Kriminalität - vor gewalttätigen Horden von Jugendlichen - vor dem sozialen Abstieg - der Bildungsmisere - der demographischen Entwicklung - vor Prüfungen und Versagen - davor, seinen Arbeitsplatz zu verlieren oder aber, was vielleicht schlimmer ist, ihn unter prekären Umständen behalten zu müssen - vor Überfremdung - vor frei herumlaufenden Sexualstraftätern, die man immer zu gnädig bestraft - vor der Steuerfahndung und deren Gerichtsbarkeit, die immer zu streng bestraft. Krebs-Angst! AIDS-Angst! Alzheimer-Angst! Angst betrogen, beschissen zu werden - Angst zu schlecht zu sein - Angst, keine oder keinen abzubekommen - Angst, nicht so hübsch wie ein Idealtyp aus der Werbung zu sein - Angst, Schwächen zugeben zu müssen. Angst vor BSE! Angst vor Gammelfleisch! Angst vor Dioxin-Eiern! Die Angst der Kinder vor anspruchsvollen Eltern - die Angst der Eltern, ihren Kindern nicht gerecht zu werden - die Angst, die die Gesellschaft in Kindern und Eltern schürt, weil sie denen idealisierte Vorstellungen auferlegt - die Angst von Senioren, nicht mehr braucht zu werden - die Angst vor Alten, die Jungen eingeimpft wird - die Angst von Dicken und die Angst vor Dicken - die Angst von Kranken und die Angst vor Kranken. Flugangst, Platzangst, Höhenangst - die Angst, sich denen auszuliefern, die die Angst medizinisch und psychologisch in den Griff bekommen wollen - die Angst vor der Angst...
Die geschürte Angst erlaubt es den Machthabenden, strenge Gesetze und rückwärtsgewandte, der Aufklärung entfremdete Rechtspraxen anzuwenden. Sie ist der Rohstoff, aus dem Rigorosität und Strenge hergestellt werden kann. Wo Menschen Angst haben, da dulden sie es, dass zur Beseitigung ihrer Angst auch Sicherheits- oder Anti-Terror-Pakete geschnürt werden, die die Freiheit jedes einzelnen Bürgers beschneiden. Aufgeklärte Menschen, denen man den Schrecken aus den Gliedern nähme, würden Freiheit und Sicherheit abwägen und womöglich die Freiheit wählen - verängstigte Menschen wägen nichts mehr ab, sie wollen nur Sicherheit.
Daher ist es für die Sicherheitspolitiker und deren Klientel notwendig, die Bürger unter Angst zu halten, zu den herkömmlichen Angstfeldern, noch überpersönliche hinzuzufügen - nur so setzen sie ihre Sicherheitspolitik durch, nur so können sie Maßnahmen durchpeitschen, die präventiv schützen sollen, die dabei aber Bürger- und manchmal sogar Menschenrechte verletzen. Ein Gemeinwesen in Angst muckt nicht auf, wenn das Strafrecht verschärft wird - im Gegenteil, er fordert sogar Haft ohne Gerichtsverfahren und duldet drakonische Strafen ohne Verhandlung. Sich fürchtende Menschen legen keinen Wert auf Gerichte, sie wollen Sicherheit auch ohne Prozess - sie wollen, dass gar keiner oder aber kurzer Prozess mit Gefährdern gemacht wird. Wenn Bürger unter Angst leiden, leidet auch der Rechtsstaat darunter.
Die Angst ist ein kostbarer Rohstoff. Sie macht Massen gefügig, hält sie klein und mundtot. Wer aus seiner Angst aufmuckt und kritisch wird, der könnte selbst ein Grund für die Angst anderer werden. Daher ist jeder Kritiker an Anti-Terror-Gesetzen mit einem Terroristen gleichzusetzen. Man wirft ihm dann vor: Jetzt muß das Volk sich nicht nur vor Terroristen fürchten - jetzt muß es auch Angst vor dir haben; vor dir, der Terrorschutz für unwesentlich hält! Heinrich Böll und Peter Brückner erging es so, sie galten als "intellektuelle Helfershelfer des Terrorismus", nur weil sie sich kontrovers mit dem Terrorismus auseinandersetzten - ihr Fehler war, dass sie keine Angst hatten, dass sie die Angst nicht in Ehrfurcht erstarren ließ. Damit solche Bürger aber auch Angst bekommen und einigermaßen führbar werden, muß man ihr solche einjagen. Das geschieht durch Kriminalisierung, durch Diabolisierung, dadurch, dass man sagt: Wer nicht mit uns ist, der ist gegen uns!
Angst ist Bürgerpflicht in diesen Zeiten. Seine Angst in den Griff zu bekommen wird als teuflisch erachtet, als asozial und gefährlich - man soll ja gerade Angst haben, wenn man einen öffentlichen Ort, einen Bahnhof oder Flughafen betritt; man soll erbeben, wenn man einen abgestellten Koffer erblickt; man muß geradezu in Furcht verfallen, wenn fremdländisch aussehende Männer und Frauen miteinander schwatzen und Handgepäck bei sich führen. Denn wenn sich die Angst unkontrolliert in solchen Augenblicken einen Weg bahnt, dann sind sicherheitspolitische Gesetze ein Selbstläufer - auch dann, wenn sie Bürgerrechte verletzen und Freiheitsrechte auf dem Altar der Sicherheit opfern. Die Angst muß ins Gehirn gestanzt sein, herrenlose Koffer oder Schleier müssen Synonym für Bombe sein; das Betreten eines öffentlichen Gebäudes muß als Fanal für große Gefahr begriffen werden - wenn dem so ist, dann kann sich der Sicherheitsgesetzgeber die Hände reiben. Wenn dem so ist, dann hat der Bürger seine erwartete Bürgerpflicht geleistet.
Die Angst vor Terror macht Staatsterror möglich; die Angst vor Kriminalität macht Staatskriminalität machbar. Was der Staat tut, so denkt sich der fürchtende Bürger, muß von gleicher Härte und gleicher angsteinflößender Qualität und Güte sein, wie das, was der Terrorist oder Kriminelle tut. Nur wenn Funk, Fernsehen und Presse repetieren, dass man beständig ängstlich sein müsse, dann kann der Staat jene Angstmotive zu seiner Maxime machen, vor denen sich der Bürger ansonsten fürchtet, wenn sie aus nichtstaatlichen Gewehrläufen kommt.
Bomben von Terroristen erzeugen Heidenangst - Bomben, abgeworfen von Militärmaschinen, sie schaffen Zuversicht; Verbrecher, die keine Rücksicht auf private Kontodaten nehmen, um Konten zu plündern, die machen uns bange - wenn die Regierung aber bestimmt, dass private Kontodaten nicht mehr heilig sein dürfen, um solchen Kontoplünderern habhaft zu werden, dann atmen wir beruhigt auf; Mörder fällen ihr Urteil über Leben und Tod ohne Gerichtsbarkeit, was uns logischerweise in Schrecken versetzt - wenn man aber demagogisch erklärt, dass solche Subjekte gar keinen Prozess verdient hätten, um einer Strafe überstellt werden zu können, erntet man erleichterten Applaus. Der Rechtsstaat pervertiert, wenn er unter Angst arbeiten soll; dann wird er zu einem Begriff für das Museum.
Angst makes the state go around, the state go around, the state go around! Kapitalisten hatten Angst vor Kommunisten - Kommunisten vor Kapitalisten und Trotzkisten. Nazis fürchteten Juden und Bolschewiki, was sie zu einem Brei vermengten. Die Monarchien erzitterten vor den Massen, die hinter den Sozialisten standen - vorher fürchteten sie sich vor Demokraten und Republikanern - davor gab es eine Zeit, in der sie den kirchlichen Einfluss auf die weltliche Macht öffentlichkeitswirksam verteufelten - aus Angst, versteht sich. Und die katholische Kirche fürchtete Ketzer, Hexen und Teufel. Daher erfand sie die Inquisition, denn diese sollte die Ängste bändigen - und zwar dadurch, selbst Angst zu verbreiten. Angst gegen Angst! Viel hilft viel! Der Katholizismus hatte Inquisitoren - Monarchen hatten Angestellte bei der Ochrana - Kommunisten schufen sich Tschekisten - Nazis hatten lederbemäntelte Beamte bei der GeStaPo - Kapitalisten dankten dem Komitee für unamerikanische Umtriebe - und wir, wir haben brave Anti-Terror-Büttel. Und immer ist das Prinzip dasselbe: man nehme rumorende Angst und setze zu deren Beseitigung freiheitsberaubende Angstmacherei entgegen - das schafft keine Befreiung von der Angst, aber doch wenigstens die Möglichkeit, etwaige Rechte, die einem lästig wurden, außer Kraft zu setzen.
Das Wachstum muß stimmen, erklären uns kapitalistische Ökonomen. Als wäre die Welt unendlich aufblasbar, grenzenlos erweiterbar - Expansion als Sache des Willens, nicht der gegebenen Realitäten! Die Angst fällt unter dasselbe Leitmotiv: ihr Wachstum muß stimmen. Beständig müssen die Märkte der Angst erweitert werden - um mehr Potenzial dafür zu haben, eine lückenlosere und technologisch noch ausgereiftere Überwachung durchzusetzen. Und um Angstfelder, die aufgrund Ausverkauf aufgegeben werden müssen, wie beispielsweise die Angst vor den Kommunisten, adäquat ersetzen zu können. Die Ängstlichkeit des Menschen ist schließlich unantastbar - jeder Bürger hat Anrecht auf sein Stückchen Angst. Und er soll es gefälligst auch gebrauchen, denn ohne Angst wird er unkontrollierbar...
Angst vor Sprengstoff und Autobomben. Angst vor Schläfern und Terroristengönnern. Angst vor Atomsprengköpfen und Giftattentaten. Angst vor dem Islam und dem Islamismus und, wahlweise, vor der Islamisierung. Angst vor fremd aussehenden, befremdlichen Menschen und unorthodoxer Kleidung. Angst vor verwaisten Koffern und Tüten. Angst vor in terroristischen Laboren gezüchteten Krankheitserregern und heimtückischen Viren zur Lähmung der virtuellen Welt. Angst davor, dass der islamische Terrorist offenbar keine Angst hat. Angst davor, dass die rechtsstaatliche Gesetzgebung offenbar, nach allem, was man so hört und liest, viel zu viel Angst kennt, um auch mal hart durchzugreifen.
Zu diesen Ängsten gesellen sich noch andere, auch herkömmliche, als normal geltende. Vor Kriminalität - vor gewalttätigen Horden von Jugendlichen - vor dem sozialen Abstieg - der Bildungsmisere - der demographischen Entwicklung - vor Prüfungen und Versagen - davor, seinen Arbeitsplatz zu verlieren oder aber, was vielleicht schlimmer ist, ihn unter prekären Umständen behalten zu müssen - vor Überfremdung - vor frei herumlaufenden Sexualstraftätern, die man immer zu gnädig bestraft - vor der Steuerfahndung und deren Gerichtsbarkeit, die immer zu streng bestraft. Krebs-Angst! AIDS-Angst! Alzheimer-Angst! Angst betrogen, beschissen zu werden - Angst zu schlecht zu sein - Angst, keine oder keinen abzubekommen - Angst, nicht so hübsch wie ein Idealtyp aus der Werbung zu sein - Angst, Schwächen zugeben zu müssen. Angst vor BSE! Angst vor Gammelfleisch! Angst vor Dioxin-Eiern! Die Angst der Kinder vor anspruchsvollen Eltern - die Angst der Eltern, ihren Kindern nicht gerecht zu werden - die Angst, die die Gesellschaft in Kindern und Eltern schürt, weil sie denen idealisierte Vorstellungen auferlegt - die Angst von Senioren, nicht mehr braucht zu werden - die Angst vor Alten, die Jungen eingeimpft wird - die Angst von Dicken und die Angst vor Dicken - die Angst von Kranken und die Angst vor Kranken. Flugangst, Platzangst, Höhenangst - die Angst, sich denen auszuliefern, die die Angst medizinisch und psychologisch in den Griff bekommen wollen - die Angst vor der Angst...
Die geschürte Angst erlaubt es den Machthabenden, strenge Gesetze und rückwärtsgewandte, der Aufklärung entfremdete Rechtspraxen anzuwenden. Sie ist der Rohstoff, aus dem Rigorosität und Strenge hergestellt werden kann. Wo Menschen Angst haben, da dulden sie es, dass zur Beseitigung ihrer Angst auch Sicherheits- oder Anti-Terror-Pakete geschnürt werden, die die Freiheit jedes einzelnen Bürgers beschneiden. Aufgeklärte Menschen, denen man den Schrecken aus den Gliedern nähme, würden Freiheit und Sicherheit abwägen und womöglich die Freiheit wählen - verängstigte Menschen wägen nichts mehr ab, sie wollen nur Sicherheit.
Daher ist es für die Sicherheitspolitiker und deren Klientel notwendig, die Bürger unter Angst zu halten, zu den herkömmlichen Angstfeldern, noch überpersönliche hinzuzufügen - nur so setzen sie ihre Sicherheitspolitik durch, nur so können sie Maßnahmen durchpeitschen, die präventiv schützen sollen, die dabei aber Bürger- und manchmal sogar Menschenrechte verletzen. Ein Gemeinwesen in Angst muckt nicht auf, wenn das Strafrecht verschärft wird - im Gegenteil, er fordert sogar Haft ohne Gerichtsverfahren und duldet drakonische Strafen ohne Verhandlung. Sich fürchtende Menschen legen keinen Wert auf Gerichte, sie wollen Sicherheit auch ohne Prozess - sie wollen, dass gar keiner oder aber kurzer Prozess mit Gefährdern gemacht wird. Wenn Bürger unter Angst leiden, leidet auch der Rechtsstaat darunter.
Die Angst ist ein kostbarer Rohstoff. Sie macht Massen gefügig, hält sie klein und mundtot. Wer aus seiner Angst aufmuckt und kritisch wird, der könnte selbst ein Grund für die Angst anderer werden. Daher ist jeder Kritiker an Anti-Terror-Gesetzen mit einem Terroristen gleichzusetzen. Man wirft ihm dann vor: Jetzt muß das Volk sich nicht nur vor Terroristen fürchten - jetzt muß es auch Angst vor dir haben; vor dir, der Terrorschutz für unwesentlich hält! Heinrich Böll und Peter Brückner erging es so, sie galten als "intellektuelle Helfershelfer des Terrorismus", nur weil sie sich kontrovers mit dem Terrorismus auseinandersetzten - ihr Fehler war, dass sie keine Angst hatten, dass sie die Angst nicht in Ehrfurcht erstarren ließ. Damit solche Bürger aber auch Angst bekommen und einigermaßen führbar werden, muß man ihr solche einjagen. Das geschieht durch Kriminalisierung, durch Diabolisierung, dadurch, dass man sagt: Wer nicht mit uns ist, der ist gegen uns!
Angst ist Bürgerpflicht in diesen Zeiten. Seine Angst in den Griff zu bekommen wird als teuflisch erachtet, als asozial und gefährlich - man soll ja gerade Angst haben, wenn man einen öffentlichen Ort, einen Bahnhof oder Flughafen betritt; man soll erbeben, wenn man einen abgestellten Koffer erblickt; man muß geradezu in Furcht verfallen, wenn fremdländisch aussehende Männer und Frauen miteinander schwatzen und Handgepäck bei sich führen. Denn wenn sich die Angst unkontrolliert in solchen Augenblicken einen Weg bahnt, dann sind sicherheitspolitische Gesetze ein Selbstläufer - auch dann, wenn sie Bürgerrechte verletzen und Freiheitsrechte auf dem Altar der Sicherheit opfern. Die Angst muß ins Gehirn gestanzt sein, herrenlose Koffer oder Schleier müssen Synonym für Bombe sein; das Betreten eines öffentlichen Gebäudes muß als Fanal für große Gefahr begriffen werden - wenn dem so ist, dann kann sich der Sicherheitsgesetzgeber die Hände reiben. Wenn dem so ist, dann hat der Bürger seine erwartete Bürgerpflicht geleistet.
Die Angst vor Terror macht Staatsterror möglich; die Angst vor Kriminalität macht Staatskriminalität machbar. Was der Staat tut, so denkt sich der fürchtende Bürger, muß von gleicher Härte und gleicher angsteinflößender Qualität und Güte sein, wie das, was der Terrorist oder Kriminelle tut. Nur wenn Funk, Fernsehen und Presse repetieren, dass man beständig ängstlich sein müsse, dann kann der Staat jene Angstmotive zu seiner Maxime machen, vor denen sich der Bürger ansonsten fürchtet, wenn sie aus nichtstaatlichen Gewehrläufen kommt.
Bomben von Terroristen erzeugen Heidenangst - Bomben, abgeworfen von Militärmaschinen, sie schaffen Zuversicht; Verbrecher, die keine Rücksicht auf private Kontodaten nehmen, um Konten zu plündern, die machen uns bange - wenn die Regierung aber bestimmt, dass private Kontodaten nicht mehr heilig sein dürfen, um solchen Kontoplünderern habhaft zu werden, dann atmen wir beruhigt auf; Mörder fällen ihr Urteil über Leben und Tod ohne Gerichtsbarkeit, was uns logischerweise in Schrecken versetzt - wenn man aber demagogisch erklärt, dass solche Subjekte gar keinen Prozess verdient hätten, um einer Strafe überstellt werden zu können, erntet man erleichterten Applaus. Der Rechtsstaat pervertiert, wenn er unter Angst arbeiten soll; dann wird er zu einem Begriff für das Museum.
Angst makes the state go around, the state go around, the state go around! Kapitalisten hatten Angst vor Kommunisten - Kommunisten vor Kapitalisten und Trotzkisten. Nazis fürchteten Juden und Bolschewiki, was sie zu einem Brei vermengten. Die Monarchien erzitterten vor den Massen, die hinter den Sozialisten standen - vorher fürchteten sie sich vor Demokraten und Republikanern - davor gab es eine Zeit, in der sie den kirchlichen Einfluss auf die weltliche Macht öffentlichkeitswirksam verteufelten - aus Angst, versteht sich. Und die katholische Kirche fürchtete Ketzer, Hexen und Teufel. Daher erfand sie die Inquisition, denn diese sollte die Ängste bändigen - und zwar dadurch, selbst Angst zu verbreiten. Angst gegen Angst! Viel hilft viel! Der Katholizismus hatte Inquisitoren - Monarchen hatten Angestellte bei der Ochrana - Kommunisten schufen sich Tschekisten - Nazis hatten lederbemäntelte Beamte bei der GeStaPo - Kapitalisten dankten dem Komitee für unamerikanische Umtriebe - und wir, wir haben brave Anti-Terror-Büttel. Und immer ist das Prinzip dasselbe: man nehme rumorende Angst und setze zu deren Beseitigung freiheitsberaubende Angstmacherei entgegen - das schafft keine Befreiung von der Angst, aber doch wenigstens die Möglichkeit, etwaige Rechte, die einem lästig wurden, außer Kraft zu setzen.
Das Wachstum muß stimmen, erklären uns kapitalistische Ökonomen. Als wäre die Welt unendlich aufblasbar, grenzenlos erweiterbar - Expansion als Sache des Willens, nicht der gegebenen Realitäten! Die Angst fällt unter dasselbe Leitmotiv: ihr Wachstum muß stimmen. Beständig müssen die Märkte der Angst erweitert werden - um mehr Potenzial dafür zu haben, eine lückenlosere und technologisch noch ausgereiftere Überwachung durchzusetzen. Und um Angstfelder, die aufgrund Ausverkauf aufgegeben werden müssen, wie beispielsweise die Angst vor den Kommunisten, adäquat ersetzen zu können. Die Ängstlichkeit des Menschen ist schließlich unantastbar - jeder Bürger hat Anrecht auf sein Stückchen Angst. Und er soll es gefälligst auch gebrauchen, denn ohne Angst wird er unkontrollierbar...
10 Kommentare:
Ja, es ist verrückt, nicht? Wahrscheinlich können andere Kommentatoren das noch besser als ich formulieren; meine Gedanken gehen in die Richtung, dass dieses Angstgemisch, das Du aufzählst, aus vielen irrationalen und übertriebenen, aber auch aus durchaus ernst zu nehmenden Ängsten besteht. Das sind nur wenige, aber zum Beispiel die vor dem Verlust des Jobs bzw., ihn prekär fortführen zu müssen. Ich zum Beispiel fürchte mich, wenn ich an die zunehmende faschisierung der Gesellschaft denke (= wenn die Konzerne die Macht übernehmen)und vor der Dummheit der Bildleser. Vor der geistigen Trägheit in diesem Volk. Mit Freuden sehe ich gerade nach Spanien, wo protestiert wird. DAS ist ein gutes Mittel gegen reale Angst: Sich wehren!!
Man kann die Panikmache vor angeblicher Panikmache auch übertreiben... so gut sie auch gemeint sein mag.
Ich kann beim besten Willen kein Klima der Angst erkennen oder auch nur eine graduelle Veränderung im Laufe der Zeit.
Angst ist schlichtweg kein Thema.
Dass sich schlechte Nachrichten (bzw. Empörung in den Boulevardpresse) besser verkaufen, war schon immer so, aber die Besonnenheit überwiegt in der Presselandschaft schon deutlich nach meinem Eindruck.
Der Strafvollzug wurde auch immer liberaler im Lauf der letzten Jahrzehnte, selbst wenn der Ermessungsspielraum in der ein oder anderen "Disziplin" erweitert wurde.
Angst essen Seele auf – ganz im Sinne des herrschenden Systems …
Wenn es der Bundesregierung so wichtig wäre mit der Angst, würde sie regelmäßig für Anschläge mit Toten sorgen, damit es an den Maßnahmen nichts zu deuteln gibt. Warum sollte sie es sich so schwer machen und durch Debatten um die Maßnahmen auch noch den Verlust von Wählerstimmen in Kauf nehmen?
Das ergibt doch keinen Sinn.
Guter Artikel, wenn auch etwas lang in Anbetracht der einfachen Botschaft. Angst ist nun einmal ein wesentliches Triebrad menschlicher Existenz. Man könnte das natürlich auf alles beliebig erweitern: Wieso schaffen die Menschen ihr Geld auf Bankkontos? Weil sie Angst haben wenn sie es unter ihrem Kopfkissen liegen lassen. Wieso konsumieren sie? Weil sie Angst haben als Außenseiter oder schlechter als ihre Mitmenschen dazustehen wenn sie es nicht tun. usw und so fort...
Dennoch gewinnt der Staat beim Spiel mit der Angst zusehends, was eine bedrohliche Entwicklung ist. Sehr gut analysiert.
brillant
Angst, Anfang der Woche wurde die aktuelle Kriminalstatistik veröffentlicht, danaach ist die Kriminalität in 2010 im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. einen zuwachs gab es lediglich bei einbrüchen in wohnungen. trotzdem will der bundes-fritz an den notstands-/antiterrorgesetzen festhalten, trotzdem sollen alle daten prophylaktisch mindestens 6 monate gespeichert werden....mir ist inzwischen klar, wer hier im lande für den terror sorgt, der staat ist terrorist nummer 1 in D dank der perversen gedanken seiner eliten ist jeder bürger per se ein krimineller, das ist mehr als krank, das ist irre!
Danke für dieses hochaktuelle Thema !
Aus Notwendigkeit und philosophischer
Sicht denke ich schon seit Jahren über das Thema Angst nach. Mit Hilfe der Literatur und durch endlose Gespräche habe ich viele Ängste überwinden können.
Nun zu dem Thema hier, wie Ängste instrumentalisiert und zum Zwecke der
Manipulation von der herrschenden Klasse mißbraucht werden.
Gesetze und Gebote sind in der Regel angsteinflößend.
Die Versicherungsbranche lebt und verdient unmengen von Geld mit der Angst der Menschen.
Nicht zu vergessen, als Mittel der
Erziehung und zur Erniedrigung wurde die Angst von Autoritäten in
der Geschichte der Menschheit häufig, eigentlich fast immer an-
gewendet. - Heute ist die wesentliche Ursache der Depressionen, meiner Meinung nach,
die Angst.
Abschließend möchte ich noch drei Bücher zu diesem Thema nennen:
Grundformen der Angst, Fritz Riemann
Gespräche gegen die Angst,
Anne-Marie Tausch und
Wege aus der Angst, Eckhard
Roediger
Angst und bang wird mir bei rechten Demokraten.
Terroristen fürcht' ich nicht.
Wer führt denn weltweit die meisten Kriege?
Ist's der Demokrat oder der Islamist?
Nein, in Täuschland brauchen wir uns nicht zu fürchten - vor Hartz IV. Man sorgt sich um uns - mit Fördern und Fordern.
Und entsorgt uns im gesellschaftlichen Abseits.
Sprachlos sind wir dem Gequake von Machthabern und Medien ausgeliefert.
Still sind wir.
Ohne Stimme.
Ruhe herrscht.
Damit Kapital wächst!
Und Arbeit leidet.
Wir haben keine Angst!
http://wirhabenkeineangst.de/
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