Freundschaftsdienst als Protest

Donnerstag, 26. Juli 2012

"Javier Bardem demonstriert in Madrid, Günther Jauch in Potsdam", titelt Deutschlands größtes Revolverblatt und schlussfolgert: "Protest-Promis"! Wie kommt man eigentlich dazu, den Snobismus Jauchs, den er in Potsdam exerziert, mit den essentiellen Protesten auf Spaniens Straßen zu vermengen? Wie kann man Jauchs Einsatz für die Kultur in Anführungszeichen, mit den vor Angst getriebenen Kundgebungen in Spanien gleichsetzen wollen?

Jauch geht es zu Potsdam um ein Kunsthalle, die inmitten seiner Stadt gebaut werden soll, die nun jedoch von einem Teil der Bevölkerung abgelehnt wird. Initiator ist der Milliardär Hasso Plattner, für dessen Institut Jauch schon tätig war, als er in Sachen "soziale Kompetenz" und "Erfolg" las. Klar, dass er da auf den Marktplatz geht, seine Prominenz in die Waagschale wirft für diesen alten Bekannten. Vielleicht hätte auch er etwas davon, wenn vor seiner Haustüre Plattner-Engagement stattfände; hin und wieder ein Motivationstraining für einen auserwählten Kreis, das wäre doch verlockend. Über etwaiges Salär spricht man nicht...

Bardem geht es zwar auch um Kultur. Er ist gegen die beabsichtigte Anhebung der Mehrwertsteuer, die auch den Kulturbetrieb empfindlich treffen wird. Aber er spricht sich gleichzeitig auch vehement dagegen aus, die Last der Krise auf die Schultern derjenigen fallen zu lassen, die nichts mehr stemmen können. Dass das Spardiktat Arbeitslose, Kranke und Rentner trifft, hält er für untragbar. Bardem marschiert mit den existenziellen Sorgen der Menschen, die Opfer der Sparauflagen werden sollen und schon sind.

Ist es irgendwie, selbst mit viel Phantasie, denkbar, dass ein Jauch für die Opfer neoliberaler Politik demonstrierte? Findet er die Privatisierungen im Gesundheitssektor nicht auch skandalös genug, um zu protestieren? Ist es ihm kein Bedürfnis, den ins Hintertreffen geratenen Sozialstaat demonstrierend zu verteidigen? Als er einst mitläuferisch Du bist Deutschland! fabulierte, sprach er im Rahmen eines Interviews von der Jammerei, die er gerade unter Arbeitslosen vernehme. Anpacken, nicht lamentieren, dann hievt man sich von alleine aus dem Tief, so sinngemäß seine Rede. Die existenziellen Nöte betroffener Menschen waren ihm scheißegal.

Wie kommt man dazu, Jauch nun mit Bardem gleichzusetzen? Was hat der Kultursnob mit dem solidarischen Künstler zu tun? Protest-Promis! Ha! Dieser Feststellung ist ja zum Schreien! Herr Jauch mag ja vieles sein, aber zu irgendeiner obskuren Riege von Protest-Prominenten gehört er sicherlich nicht - eher ist es ein Freundschaftsdienst, den er dem Plattner erfüllt. Er bekennt nicht Farbe gegen auferlegten Hunger und Zukunftsaussichten ohne Hoffnung; er will popularisierte Kultur in feiner Halle. Er gibt hierbei das Bild eines Intellektualismus ab, der darin besteht, arrogant die Geschehnisse der Welt unter dem Mief bürgerlichen Kulturbetriebs zu ersticken. Er demonstriert nicht - außer seine eigene Wichtigkeit.

Nichts, gar nichts haben diese beiden Herren gemeinsam, mögen sie auch noch so oft nebeneinander in einer Überschrift stehen...



15 Kommentare:

Anonym 26. Juli 2012 um 08:43  

Ein prima Artikel, danke Roberto.

Es ist schon unglaublich, was in dem Revolverblatt gedruckt wird.

Im 3. Abs. müßte es nicht heißen "für untragbar" ?

Hartmut

ad sinistram 26. Juli 2012 um 08:55  

Ja, natürlich - habe ich ausgebessert. Danke hierfür.

landbewohner 26. Juli 2012 um 09:00  

bild und jauch - passt eben, nur ernst nehmen kann man ja beide nicht.

Anonym 26. Juli 2012 um 09:18  

und der kritisiert einen klugen mann wie jauch und kann selbst keine richtigen sätze schreiben!!! du solltest lieber den einsatz für kultur nicht anfeinden wenn du selbst nicht genug kultur hast um fehlerlos zu schreiben!!!

ad sinistram 26. Juli 2012 um 09:19  

Hahahahaha! Ja... mach ich...

Harzpeter 26. Juli 2012 um 10:10  

Zu Anonym, 09:18:

Schrub dieses evtl. die Vorsitzende des größten Günter-Jauch-Fanclubs dieser unserer Bananen-Republik oder jemand aus dem direkten Jauch´schen Umfeld?
Naja, über die Dauer-Kleinschreibung wollen wir mal großzügig hinwegsehen, aber hinter "anfeinden" gehört meines Wissens ein Komma! Und hinter "hast" ebenfalls! Soviel dann zur Kultur des fehlerlosen Schreibens bei "kritischen Geistern", die bei anderen fehlerloses Schreiben zwingend anmahnen...

Nausikaner 26. Juli 2012 um 10:40  

DeepSpace 9 könnte aber schon etwas Unterstützung gebrauchen ;)

Materialistisches Sinnbild ...

http://www.myvideo.de/watch/8587113/startrek

Gruß der Planet um die ecke ...

Michael Ortmann 26. Juli 2012 um 10:54  

Jaja... andere wegen ihrer Grammatik anfeinden und selber seine Shift-Taste nicht finden bzw. der Gross- und Kleinschreibung insgesamt Abhold sein, wa, lieber Anon?

Und wie kommst Du eigentlich darauf das Jauch ein kluger Mann ist? Weil er mal eine Quiz-Show moderiert hat? Der Mann ist ein System-Guenstling und ein Immobilien-Hai, wenig mehr.

Anonym 26. Juli 2012 um 12:28  

Warum, Herr Lapuente, machen Sie sich
Gedanken und Mühe, diesen Typ,
bei dem ich gar nicht so schnell, das
Programm im TV oder 'ne Website wegdrücken kann, wenn der erscheint, zu erwähnen?

Was befähigt den Jauch eigentlich,
der mal in einer bescheuerten Quiz-Sendung mit
arroganter Miene irgendwelche
Fragen abliest?
Und mutig sind Sie wohl schon, eine
BILD in die Hand zu nehen und auch noch zu lesen und zu kommentieren..
Gruß klausgg

Anonym 26. Juli 2012 um 17:26  

Treffer - Versenkt!

Mit spitzer Feder auf den Punkt gebracht.

Günther Jauch ist mir ein Graus.
Seine Arroganz und Besserwisserei finde ich mehr als abschreckend.
Seine Haltung gegenüber Arbeitslosen, und damit verbunden, der Drang die Wahrheit etwas zurechtzubiegen ist mir schon aufgefallen, da moderierte er noch Stern TV.
Ein Grund für mich generell abzuschalten, wenn ich ihn auf dem Bildschirm sichte.

Beste Grüße
onlyme

Anonym 26. Juli 2012 um 18:44  

Günter Jauch ist seit eh´ und je ein Handlanger der Verblödungsmaschinerie und damit ein Teil des Systems.
Unnütz zu betonen, wie geradezu hirnamputiert es ist, dass die BLÖD-Zeitung ihn zu einem "Systemkritiker" machen könnte. Genausogut könnte man Hans Olaf Henkel zum Sozialisten küren...
Anton Chigurh

pillo 26. Juli 2012 um 23:56  

Javier Bardem mit Günther Jauch in einem Atemzug zu nennen, ist eine schwere Beleidigung für Ersteren. Bardem ist ein großartiger, sehr talentierter Schauspieler, Jauch noch nicht einmal ein mittelmäßig begabter Moderator.

Jauch ist (und war es schon immer) ein Unterhaltungsbüttel der Mächtigen. Hagen Rether hat in einem seiner Auftritte die ganze Bigotterie all der "netten" gierigen Moderatoren sehr treffend auf den Punkt gebracht. "Wer wird Millionär? - Na Günther Jauch natürlich!"

Javier Bardem dagegen ist nicht erst seit gestern ein engagierter Künstler. So nutzte er beispielsweise die Goya-Preisübergabe anno 2003 zu einer sehr deutlichen Stellungnahme gegen den Irakkrieg.

Das Jauch dem falschen Beruf nachgeht, hat vor kurzem sogar der Programmbeirat der ARD bestätigt. Die Kritik des Beirats am Moderator und "Journalisten" Jauch war der Art vernichtend (voreingenommen, Suggestivfragen, fehlende jounalistische Sorgfaltspflicht, usw.), dass die einzig richtige Konsequenz die sofortige Absetzung seiner sonntäglichen Sendung sein müsste, was natürlich nicht geschehen wird.

Javier Bardem hingegen ist für mich als Schauspieler jetzt schon eine Legende. Über seine Rolle als Anton Chigurh muss man wohl nichts mehr sagen. All sein Talent war aber auch als Ramón in "Das Meer in mir" oder als Bruder Lorenzo in "Goyas Geister" zu sehen. Am meisten hat er mich jedoch in seiner Rolle als Santa in "Montags in der Sonne" berührt.

Zwei so unterschiedliche Menschen auf eine Stufe zu stellen - wie dumm und kulturlos muss man eigentlich sein?

ad sinistram 27. Juli 2012 um 06:12  

Dass Bardem ein herausragender Schauspieler ist, möchte ich an dieser Stelle mal unbedingt unterschreiben. In "Mar adentro" hat er wirklich einen schauspielerischen Meilenstein gesetzt.

Anonym 27. Juli 2012 um 09:44  

Ja, das hat er. Einer der berührendsten Filme, die ich kenne.

Was Günther Jauch angeht, fand ich schon Jahre vor Hartz IV und der Agenda 2010 die paternalistische, oft herablassende, von ihrer sozialen Position abhängige Art, in der er mit seinen Kandidaten bei "Wer wird Millionär" umging (besonders deutlich bei Studenten "brotloser" Fächer) sher unangenehm. Da passte die Teilnahme an der "Du bist Deutschland"-Kampagne perfekt ins Bild, ebenso die tendenziöse "Jubel-Berichterstattung" über "Hartz-IV-Kochbücher" und Gutverdiener, die kurzzeitig durch Selbstkochen wunderbar mit dem "Regelsatz" auskamen.

Bardem und Jauch als "Protest-Promis" auf eine Stufe zu stellen, ist daneben, in sich aber sehr interessant und aufschlussreich. Um Inhalte geht es bei derartiger Berichterstattung nicht mehr, lediglich der "Protest" als Hülle, beliebig mit Bedeutung aufgeladen, ist geblieben.

genova 27. Juli 2012 um 12:07  

Danke für diesen Artikel.

Jauch müsste generell viel stärker unter Beobachtung: reaktionär, neoliberal, zum reichsten Prozent der Republik gehörend und dessen Interessen vertretend, aber gleichzeitig wird er von den Medien permanent als "einer von uns" dargestellt, mit seinem Lausbubenblick und dem absichtlichen Dummstellen. Solche Typen sind die perfekten Stützen des Systems.

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