Ein richtiger Deutscher halt

Freitag, 31. Juli 2015

Ich will euch von jemanden erzählen, der auf Facebook sein Leben teilt. Normalerweise bin ich nicht kleinlich, aber bei dem Charakter muss man es sein.

Am 19. Juli schrieb er: »Akten bearbeiten und ein Café was trinkt ihr?« Keinen Kaffee, er trinkt die Lokalität selbst. So kennt man ihn. Größenwahnsinnig. Er trinkt auch nicht »einen«, er trinkt »ein Café«. Das klingt so wie aus dem Mund von jemanden, den man in dieser Republik gerne mal als bildungsfern beschimpft. Punkt und Komma schenkt er sich sowieso. Er ist ein vielbeschäftigter Mann. Am 18. Juli postete er ein Jugendfoto aus seinem Jugendzimmer: »Das war das Poster übr meinem Bett in der Jugendzeit was hing bei euch?« Wie gesagt, er hat viel zu tun, deshalb verbucht er wohl zwei Sätze in einem. Satzzeichen sind das Metier von Leuten, die zu viel Zeit haben. Von Faulpelzen. Das »übr« verzeih ich ihm jedoch. Vielleicht klemmt ja seine Tastatur. Das kommt vor. Dumm nur, wenns Hirn klemmt. Tastaturen kann man ersetzen.

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Eine kurze Anleitung, wie man die Faschisten heute küsst

Donnerstag, 30. Juli 2015

Wo ist der Spaß am provokanten Protest? Manche Demo wird heute mit trockener Steifheit absolviert. Was fehlt ist Freude und gebotener Zynismus. Angesichts der wachsenden polizeilichen Soldateska auf den Straßen wären vielleicht neue alte Protestformen gar nicht übel.

Ich war neulich auf einer Blockade-Demo gegen eine Gruppierung dieser selbsternannten Patrioten. Die Rechtsextreme Ester Seitz hatte in Frankfurt zur Kundgebung und zum Marsch durch die Stadt aufgerufen. Einige verirrte Gestalten kamen dann auch aus aller Herren Bundesländer. Hooligans und Hetzer fanden sich ein. Unterschiedlichen Angaben zufolge waren zwischen 120 und 180 Leute anwesend. Familientreffen also. Die Gegner müssen Tausende gewesen sein. Verschiedenste Menschen waren da. Antifa natürlich. Engagierte Bürger aus allen Altersklassen und Schichten. Linke und solche, die keine Richtungsangabe hatten. Ziel war es, wenigstens den Marsch zu verhindern. Was bei diesem Zahlenspiel natürlich gelang.

Der große Schweiger

Mittwoch, 29. Juli 2015

Es ist ja schön, dass sich Til Schweiger so lautstark gegen den rechten Pöbel zur Wehr setzt. Aber sich gegen solche Leute in Stellung zu bringen ist die Grundrechenart des Antifaschismus. Es gehört aber noch mehr dazu. Die Gleichung heißt generelle Menschenwürde. Und exakt da hat der Mann auch schon mal öffentlich versagt.

Faschisten waren ja nicht nur ausschließlich Rassisten. Sie verachteten das menschliche Leben. Nichts war ihnen etwas wert, wenn es nicht angepasst war. Zum Weltbild gehörte eben nicht nur, dass man gegen »mindere Rassen« hetzte, sondern auch gegen Arbeitslose, Kriminelle oder Schwule. Alles, was halt nicht ganz ins Schema passte, musste sich fürchten. Sexualstraftätern konnte demgemäß ja auch kein gewisses Maß an Würde attestiert werden. Und exakt das hat der Mann vor Jahren auch getan. Verbal. Er vertrat bei »Lanz« sehr aggressiv die Ansicht, dass solche Menschen keinen Anspruch auf Menschenrechte hätten. Das war starker Tobak. Natürlich erhielt er seinerzeit Applaus. Dergleichen kommt heute gut an. Wir sind ja so stolz auf unsere Errungenschaften. Nur für jeden sollten sie nicht gelten. Kurz und gut, damals war der Antifaschist der Stunde eher auf anderen Pfaden unterwegs. Wenn man die Leute (oder ihn) heute fragte, würden sie wahrscheinlich behaupten, dass das eine mit dem anderen nichts zu tun habe.

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Zu Ohren gekommen

Dienstag, 28. Juli 2015

»Bundeskanzlerin Angela Merkel hat einen Shitstorm auszuhalten«, erklärte die Radiomoderatorin letzte Woche mal. Wegen dem Flüchtlingsmädchen, das weinte, weil sie so grob zu ihr war. Dem war nichts hinzuzufügen. »Wie es Angie hätte besser machen können, sagt uns kurz nach Zwölf unser PR-Experte.« Wie bitte? Angie? Ich lauschte einem Radiosender, der zu einer Anstalt des öffentlichen Rechts gehörte. Musste man da nicht mehr Seriosität erwarten? Oder ist das »Auf-Du-und-Du« im Merkel-Deutschland schon das Maximale an Seriosität, was man erwarten darf?

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Politik ist der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt

Donnerstag, 23. Juli 2015

Nach der Bankenkrise hat sich nichts verändert. Der Finanzkapitalismus diktiert unser Leben. Man schreckt vor jeder noch so kleinen Korrektur zurück, wie die neuen Dispo-Regeln zeigen. Sie sind das kleinmütige Projekt einer politischen Klasse, die nicht anecken will.

Das Kasino war lediglich vorübergehend geschlossen. Wahrscheinlich stimmt nicht mal diese Aussage. Richtiger gesagt wäre wohl, dass es vorübergehend außer Betrieb war, weil es einen Fehler in der Software gab. Als man den mit öffentlichen Geldern und Bürgschaften überbrückt hatte, machten die Banken alles wie eh und je. Sie spekulieren weiterhin mit Lebensmitteln, bündeln faule Kredite zu neuen Wertanlagen und hoffen nach wie vor auf den Tag, an dem man endlich einen Lösungsansatz entwickelt, um auch aus Hundescheiße ein Aktienpaket zu schnüren.

Wie ein Baum auf kleine Pilze

oder In eigener Sache.

Richtig urlauben werde ich nicht. Woher nehmen, wenn nicht stehlen? Aber einige Tage werde ich in meinem neuen Leben verbringen, weswegen ich in den nächsten zwei, drei Wochen nicht mehr ganz so regelmäßig meinen Senf auf die Würstchen schmieren werde. Ganz weg bin ich aber auch nicht.

Abhängen.
Als junger Mensch sah ich es nicht als bewiesen an, dass in Abwesenheit eines menschlichen Ohres der Umsturz eines Baumes im Wald Lärm verursache. Ja, vielleicht würde der Baum nicht mal im klassischen Sinne fallen, sondern erst dann so daliegen, wenn ein menschliches Auge es erfasst. Warum denn nicht? Konnte man es wissen? Gab es einen Beweis? Keiner war gültig, denn jeder Beweis setzte ja die Anwesenheit eines menschlichen Sinnesorganes voraus. Aber mittlerweile glaube ich, dass das Unsinn war, denn man kann es schon beweisen. Wenn ich mich jetzt phasenweise zurückziehe und nichts von dem Irrsinn konsumiere, der in der Welt geschieht, dann ist es ja auch nicht so, dass nichts passiert. Auch ohne meine Wahrnehmung geht es weiter, fällt allerlei um: Anstand, Moral, Solidarität, kontinentale Einheit und linke Regierungen. Ja, auch wenn ich der Merkel nicht zusehe, wie sie alles ruiniert, so ruiniert sie es trotzdem. Sie fällt laut und sichtbar wie ein Baum auf kleine Pilze und es ist so was von egal, ob ich zusehe oder zuhöre.

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Knapp 1.000 Kilometer daneben

Mittwoch, 22. Juli 2015

Heiß, Frank-Walter. Ganz heiß. Die Richtung stimmte schon. Du hättest dich mehr nach Osten orientieren müssen. Havanna lag zu weit im Westen. Es wäre nur noch ein Katzensprung gewesen. Nach Guantánamo. Und noch näher lag Florida. Dort hättest du sogar einen Adressaten gehabt.

Letzte Woche gurkte ich mal wieder mit dem Wagen durch die Gegend. Ich hörte wie so oft Autoradio. Das meldete, dass der Steinmeier auf Kuba sei und dort die Einhaltung der Menschenrechte einforderte. Oh, du geographischer Simpel, dachte ich mir. Guantánamo liegt auf Kuba. Das stimmt zwar. Aber verantwortlich dafür ist nicht Fidel oder Raúl. Dazu hätte er rübermachen müssen. In die Staaten. Und wenigstens in den Osten der Insel. Irgendwas brachte er da durcheinander. Denn die schlimmsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit und damit Menschenrechtsverletzungen auf der kubanischen Insel, werden nicht von Kubanern begangen, sondern von Amerikanern. Und dann dachte ich an Murat Kurnaz und daran, wie diese militärische US-Enklave schon mal eine Rolle im Leben dieses deutschen Außenministers spielte. Und wie er es herunterspielte.

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Aus fremder Feder

Dienstag, 21. Juli 2015

»Was ist also Wahrheit? Ein bewegliches Heer von Metaphern, Metonymien, Anthropomorphismen, kurz eine Summe von menschlichen Relationen, die poetisch und rhetorisch gesteigert, übertragen, geschmückt wurden, und die nach langem Gebrauch einem Volke fest, kanonisch und verbindlich dünken: die Wahrheiten sind Illusionen, von denen man vergessen hat, daß sie welche sind, Metaphern die ihr Bild verloren haben und nun als Metall, nicht mehr als Münzen in Betracht kommen.«

Lass dich nochmal drücken, Kanzlerin!

Montag, 20. Juli 2015

Und dann hat das Mädchen geweint. Und die Kanzlerin hat gestreichelt. Als Belohnung gewissermaßen. Dafür, dass das Flüchtlingsmädchen ihre Geschichte erzählt hat.

Es waren kindliche Ausführungen von Perspektivlosigkeit und fehlender Zuversicht, vom Verlust der neuen Heimat und der Furcht, ihre Träume nicht verwirklichen zu können. Dafür gab es letztlich Streicheleinheiten. Und von vielen Seiten böse Worte gegen den Hosenanzug. Volker Königkrämer zollt Angela Merkel im »Stern« hingegen Respekt. Sie habe sich nicht weggeduckt. Die Beleidigungen bei Twitter und Konsorten (»verlogenes Mistweib« etc.) seien falsch. Und da stimme ich ihm zu. Sie sind es tatsächlich. Denn es geht nicht um den Charakter dieser Frau. Ihre kalte Hundeschnauze wäre ihre Privatsache. Es handelt sich auch nicht um schlechte Erziehung oder fehlende Empathie. Es geht darum, dass sie die Galionsfigur einer Politik ist, die Menschen wie Frachtgut exekutiert. Und nebenbei gibt sie das Spiegelbild dieser Gesellschaft ab, in der hochglanzgelächelt, gefühlvoll gestreichelt wird, in der es aber eigentlich eiskalt zugeht.

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ad sinistram ist tot

Freitag, 17. Juli 2015

Jetzt ist es wohl passiert: ad sinistram ist tot. Jedenfalls habe ich das Gefühl. Wenn ich sage ad sinistram, dann meine ich nicht unbedingt diese bescheidenen Seiten hier. Ich spreche vom linken politischen Spektrum. Vom »Links um!«. Einen political turn wird es in so naher Zukunft nicht geben. Wir sind festgefahren. Linke Politik ist in Europa nicht durchsetzbar. Nicht unter diesen Vorzeichen. Wir sind als Linke, Humanisten, Egalitaristen oder wie man Alternatives auch immer nennen möchte, in die Defensive gedrängt. Das »Imperium der Schande« setzt seinen Siegeszug fort. Nicht unbedingt als strahlender Sieger - aber egal, es gewinnt letztlich trotzdem. Aber die Linke verliert an Boden - und das in Zeiten, in denen der Boden für linke Perspektiven fruchtbar wäre. Die Linke schabt hierzulande an den zehn Prozent. In anderen Ländern macht sie New Labour. Und kommen doch mal Linke an die Macht, brechen sie beim Druck, den Europa erzeugt, jämmerlich ein.

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Oxi und der Pessimismus

Donnerstag, 16. Juli 2015

Europa ist nicht etwa tot, wie viele unken. Es ist jetzt nur das, was es immer werden sollte: Eine graue Bürokratie weitab von Alternativen, Demokratie und sozialer Ausrichtung. Vielleicht war Oxi das letzte Zucken alter Wertvorstellungen. Jetzt sind die Wege frei für Hochfinanz und TTIP.

61 Prozent der Griechen, die zur Urne stürmten, riefen laut Nein. Was für ein Einschlag das war am Sonntag vor zwei Wochen. Ich schlug mir auf die Schenkel. Damit hatte ich nie und nimmer gerechnet. Tsipras war damit ein Coup gelungen. Griechenland stand auf. Das hatte was von einer plebiszitären Revolution gegen ein Europa, das sich als Wirtschaftszone versteht, nicht aber als der Lebensraum von Europäern verschiedenster kultureller Herkünfte. Oxi bot zwar keine Alternative im eigentlichen Sinne. Aber es war zunächst mal das notwendige Nein zu einer Politik, die die Menschen in den Abgrund spart und die Perspektiven, Hoffnungen und Wünsche von Jung und Alt unter sich begräbt. Man kann viel über Geld sprechen, aber was ist ein Gemeinwesen wert, in dem Menschen keine Zukunftspläne mehr schmieden, weil alles trostlos ist? Das hat die Troika, das haben die Rädelsführer aus Berlin in all den Jahren nicht begriffen: Eine Kontinentalunion, die die Perspektivlosigkeit nicht nur duldet, sondern zur Agenda macht, schafft Tristesse und nicht etwa ökonomische Zuversicht, wie man das dieser Tage zuweilen liest.

Nur kein Wortspiel mit einem H zuviel mehr

Mittwoch, 15. Juli 2015

Jetzt regt man sich über Dieter Nuhr auf. Wieso eigentlich? Der Mann ist nur konsequent. Nicht konsequent für Meinungsfreiheit. Das sollte man nicht verwechseln. Er ist konsequent für Herrschaftsmoral. So flutscht doch die Satire, die er meint.

Vor Jahren gab er sich verbittert. Kabarett in diesem Land sei so eine trockene Veranstaltung, weil man nur immer das Negative heranziehe, um die Leute zum Schmunzeln zu bringen. Aber so müsse Kabarett nicht sein. Es müsse viel mehr auch mal die positiven Seiten des Lebens präsentieren und damit Lacher ernten. Ich stellte mir vor, wie ein Georg Schramm die Rentenpolitik lobt. Oder Hildebrandt (damals lebte er noch) plötzlich Wortspiele macht, bei denen sich »Merkel« auf affirmative Begriffe reimt. Was unmöglich ist, weil es da nichts gibt. Aber mit der Kraft des positiven Denkens, müsste wohl auch das möglich sein. Kurz und gut, die Vorstellung war bizarr. Denn wenn Kabarett buchstäblich etwas bedeutet, dann den Mächtigen eben gerade nicht nach dem Mund zu reden. Ihnen Dinge an den Kopf zu schmeißen, die man im realen Leben nicht schmeißt. Weil man es nicht kann oder es nicht geht, es sich nicht geziemt.

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... wenn man trotzdem lacht

Dienstag, 14. Juli 2015

»Demokratie ist ein Verfahren, das garantiert, dass wir nicht besser regiert werden, als wir es verdienen.«

Die Diktatur des Handelspatriziats

Montag, 13. Juli 2015

Die westliche Welt ist eine Diktatorenschmiede. Entweder hilft sie solchen in die Schuhe und nennt sie dann konziliant »Freunde« oder kritischer »Hurensöhne, aber unsere Hurensöhne« - oder aber, was vielleicht nicht weniger schlimm ist, sie schafft Narrative, die legitim gewählte Vertreter fremder Völker zu Diktatoren verklärt. Besonders dann, wenn diese Vertreter aus dem linken politischen Spektrum stammen.

In den letzten Wochen war Europa mal wieder um einen Diktator reicher. Alexis Tsipras hieß er. Der Mann war und ist zwar ein legitim gewählter Vertreter seines Volkes. Aber das hinderte viele Austeritätsjünger nicht daran, ihn als Tyrannen zu stilisieren. Schließlich führe er sein Volk in Not und Elend. Und wiegele es gegen die Europäische Union auf. Dass die Not und das Elend schon vor ihm da waren, mitunter Geschenke aus Brüssel und Berlin sind, hat man bei dieser Verdiktatorung einfach mal nicht erwähnt. Schweigen ist Gold. Verschweigen Fort Knox. Jedenfalls wenn es um Fakten geht. Üble Nachrede darf man nicht verschweigen. Die muss geradezu sein, um aus einen - nennen wir es mal etwas verkürzt - »linken Politiker«, einen Diktator zu destillieren. Tsipras ist da in guter Gesellschaft. Die Riege der Diktatoren, die die kapitalistische Welt für die gefährlichsten ihrer Art hält, sind »Linke«, Egalitaristen oder wie man sie sonst nennen mag. Es funktioniert letztlich immer nach demselben Prinzip.

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§ 140 SGB III, Zumutbare Beschäftigungen

Freitag, 10. Juli 2015

Das Stellenangebot über das Portal des Jobcenters klang wenig verlockend. Spargelstechen im Umland. Stundenlohn so niedrig, dass man nicht mal ein Drittel Bund Spargel dafür bekam. Dazu Plackerei, krummer Rücken und man sollte einen eigenen PKW haben, um an die Felder zu gelangen. Der ganz große Hauptgewinn. Ich klickte auf das Kreuzchen oben rechts und flüchtete so vom digitalen Sklavenmarkt. Drei Tage später hatte ich ein Jobangebot im Briefkasten: Es handelte sich exakt um diese Stelle. Das Angebot war natürlich eine Aufforderung, ein verbindlicher Marschbefehl. Die Sprachregelung der Behörde ist die Tünche, die die Erpressung kaschiert. Weil ich musste, rief ich dort an. Man sagte mir, ich sollte morgen ins hiesige Büro kommen.

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Im Fokus

Donnerstag, 9. Juli 2015

Die »Bildzeitung« hat es geschafft. Sie hat sich aus ihrem qualitativen Nirwana befreit. Jetzt rangiert sie nicht mehr ganz unten in der Skala. Wer heute so richtig verblöden will, der greift nicht mehr primär zur »Bild«, der klickt lieber mal auf »Focus Online«.

Informiert wurde man bei »Focus Online« in den letzten Tagen nicht. Jedenfalls nicht auf journalistischen Niveau. Man las zwar etwas von Varoufakis und Tsipras. Aber nur von ihren teuflischen Plänen, ihrer Diktatur und dem Verrat an ihrem Volk. »So hetzt Tsipras seine Griechen gegen eine Einigung auf« oder »Nicht nur Syriza schafft Chaos: Die größten Flops der Linksregierungen Europas« waren so Schlagzeilen zur aktuellen Lage in Griechenland. Und unter »Sie erraten nie, wer Alexis Tsipras diesen Glückwunsch-Brief geschrieben hat«, konnte man ein Filmchen sehen, in dem man sich darüber mokierte, dass Fidel Castro – O-Ton: »Ikone« und der »Ober-Linke« - ihm Grüße sendete. Dass Varoufakis ein Bonvivant ist und Angela Merkel nun entschlossen handeln werde, diese »heimliche Königin Europas« (auch O-Ton), ließ man die Leser täglich wissen. Artikel über die eiserne Kanzlerin stehen meist zwischen Expertenmeinungen, die die Dreistigkeit und die ökonomische Dummheit der Griechen thematisieren. Wohlwollendes über Griechenland gibt es nicht.

Ein, zwei, viele Oxis schaffen

Mittwoch, 8. Juli 2015

Oxi sollte der Gruß der europäischen Linken werden. Denn dieses Referendum in Griechenland macht trotz der Zustände dort Hoffnung. Das Nein zur Neoliberalisierung wurde endlich laut und deutlich formuliert. Oxi ist Selbstwertgefühl und ein Bekenntnis zu einer Ordnung, in der Kapitalinteressen nicht über den Menschen stehen. Lasst uns nun ein, zwei, viele Oxis schaffen.

Meinem Kind habe ich stets das wichtigste Wort verinnerlicht, welches ein Mensch von gewissen Format können muss: Nein. Dieses anti-affirmative Wort sei letztlich notwendig in einer Welt, in der einem Dinge zugetragen werden, die man für sich nicht haben will. »Nein« ist kein einfacher Weg. Wenn es zum Beispiel Nein zur Lehrerin sagen muss, weil etwas in Augen meines Kindes zu weit geht, dann ist das ein mutiger Akt. Und Teil des Reifeprozesses. Als Elternteil bin ich der Auffassung, dass ich diese Verweigerung seitens meines Kindes unterstützen muss. Jedenfalls nicht gleich verurteilen. Ich muss das Nein vielleicht nicht unbedingt als richtig erachten. Aber es hat eine Chance verdient. Und pauschale Aburteilung würde nur dazu führen, den Mut zur Negation zu untergraben. Nein zu sagen, Stopp, bis hierher und nicht weiter, ich möchte das nicht, das geht mir zu weit und so weiter: Das ist das allerwichtigste Wort des menschlichen Wortschatzes. Und in Griechenland heißt dieses Wort nun mal όχι.

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Aus fremder Feder

Dienstag, 7. Juli 2015

»Diese Zeitung ist ein Organ der Niedertracht. Es ist falsch, sie zu lesen. Jemand, der zu dieser Zeitung beiträgt, ist gesellschaftlich absolut inakzeptabel. Es wäre verfehlt, zu einem ihrer Redakteure freundlich oder auch nur höflich zu sein. Man muss so unfreundlich zu ihnen sein, wie es das Gesetz gerade noch zulässt. Es sind schlechte Menschen, die Falsches tun.«

Der beleidigte Mann in Europa

Montag, 6. Juli 2015

All die Debatten zu Griechenland, Grexit und Tsipras, die die letzte Woche erfüllten, haben eines ganz deutlich gezeigt: Es geht den Deutschen offenbar schon lange nicht mehr um Ökonomie, Politik oder ein irgendwie geartetes Krisenmanagement. Nein, sie sehen die Ereignisse als moralisches Kräftemessen in der Welt.

Neulich plauderten wir wieder über das Weltgeschehen. Ein Arbeitskollege und ich. Eigentlich ein vernünftiger Mann. Aber beim Thema Griechenland streifte er seine Ratio ab. Er fand, dass die Griechen die Deutschen seit langer Zeit nur verarschen. Geld wollten sie haben, aber die Schuld nicht begleichen. Als Steuerzahler interessiere ihn sehr wohl, wohin sein Geld gehe. Man kennt diese Sprüche ja. Jeder hat mindestens so einen Arbeitskollegen oder Nachbarn oder wer weiß wen in seinem Umfeld. Man spürte deutlich, dass da jemand beleidigt war. Irgendwie getroffen. Schrecklich eingeschnappt ob der griechischen Art und Weise. Die ganze Argumentation, die er sich in jenen gleichgeschalteten Medien aufgegabelt hat, die nun in Nibelungentreue zu Troika stehen, hatte den Duktus eines beleidigten Mannes in Europa. Kein Wunder, denn dieser Unterton bestimmt die ganze Berichterstattung. Eine rationale Ebene gibt es in dieser Angelegenheit schon lange nicht mehr.

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Είμαι Ελληνικά!

Freitag, 3. Juli 2015

Ich würde am Sonntag mit Nein stimmen. Also wenn ich Grieche und wahlberechtigt wäre. Nicht aus vollster Überzeugung, weil ich etwa glaubte, ohne Euro gehe es uns Griechen dann besser. Sondern aus verletztem Stolz. Weil genug genug ist.

Exakt dieser lädierte Stolz ist ein ganz wichtiger, vielleicht sogar der allerwichtigste Punkt, den die Medien in ihrer Berichterstattung kaum beachten. Sie reden viel über Auswirkungen und Volksverrat der Regierenden. Über ökonomische Vernunft oder das, was sie dafür halten. Doch dass viele Griechen das Referendum nur deshalb für eine gute Idee halten, weil sie darin endlich aussagen können, dass es genug ist und dass sie nicht mehr länger gewillt sind, die abstrakte Verfügungsmasse europäischer Schreibtischtäter zu sein, kommt in der Troika-Logik nicht vor. Was ist die Rettung ihres Landes wert, wenn sie nachher noch weniger Chancen auf einen Arbeitsplatz, Bildung oder Medizin haben? Jetzt ist es schon beschissen. Die Steigerungsform von beschissen lautet »immer weiter dem Austeritätskurs folgen«. Alleine wenn ich die arroganten und abgehobenen Mienen der Finanzminister und der Troika im griechischen Fernsehen sehen würde, wüsste ich schon, wie ich zu votieren hätte. Vernunft hin oder her. Die Ratio ist in manchen Lebenslagen kein Kriterium mehr. So auch hier.

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Alles Gute, ihr ewig Ewiggestrigen!

Donnerstag, 2. Juli 2015

Die erzkatholisch geprägten Iren sprachen sich neulich in einem Referendum für die Ehe von Schwulen und Lesben aus. Auch der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten hält die Homo-Ehe mittlerweile für legal. Nur die Union in diesem Lande läuft mal wieder dem Weltgeist hinterher.

Die Christlich Demokratische Union Deutschlands hat dieser Tage Geburtstag. Sie macht das siebte Jahrzehnt voll. Und alt sieht sie tatsächlich aus. Wie eine Greisin, die in einer Welt lebt, die ihr völlig abhanden gekommen ist; die für sie fremd wurde, weil sie nicht mehr die Welt ist, die sie mal war. Die Union ist eine gestrige Veranstaltung. Das wäre nicht so schlimm, wenn sie nur gestern regiert hätte. Das Problem ist, dass sie es heute tut. Und wahrscheinlich auch morgen. Wenn Post-Demokratie in Deutschland überhaupt etwas bedeutet, dann der Umstand, dass man dieser Merkel nicht ledig wird.

Angst verleiht Prügel

Mittwoch, 1. Juli 2015

Die Polizei in Hagen rüffelt Eltern. Sie sollen ihren Kindern keine Angst machen mit der Polizei. Die Kinder »sollen zu uns kommen, wenn sie Angst haben...und nicht Angst vor uns haben«, erklärt sie. Nicht übel. Vielleicht ist in Hagen die Welt ja noch in Ordnung.

Blöd ist nur, dass man in diesem Land schon Angst haben muss vor der Polizei. Nicht unbedingt als Kind. Eher als Bürger, der nicht weicht und der protestiert. Oder wenn man zur falschen Zeit am falschen Ort ist. Amnesty International gab bereits vor Jahren zu Protokoll, dass die Polizeigewalt in Deutschland anwachse. Immer wieder wird unkontrolliert auf Menschen eingeschlagen, die sich nicht sofort der Staatsgewalt beugen wollen oder können. Weil sie zum Beispiel autistisch sind oder dergleichen. Und wenn man auf Demonstrationen geht, dann begegnet einem die Polizei mit Schild, Schlagstock und Sturmhaube. Wie Roboter stehen sie vor einem und eskalieren manche Situation unnötig. Neulich auf einer Kundgebung gegen Nazis habe ich gesehen, mit welch maßloser Härte sie einen Demonstranten, der in einen verbalen Streit mit einem Polizisten geriet, auf den Boden zogen. Acht oder zehn Beamte gegen einen unbewaffneten Zivilisten, der bestenfalls ein Maulheld war.

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