De auditu
Dienstag, 22. November 2011
Derzeit liest man häufiger den Slogan, mit dem die japanische Regierung versucht, die Lebensmittel aus dem atomar verseuchten Raum doch schmackhaft zu machen. "Lasst uns dem Norden helfen, indem wir seine Lebensmittel essen", lautet der. Und er vermittelt eine Wir-Front. "Lasst uns..." und "...wir" - zusammen trotzen wir der unsichtbaren Gefahr, will das wohl sagen; zusammen bewahren wir den Absatzmarkt für Lebensmittel vor den Kollaps. Es soll hier bei de auditu nicht um die moralische Wertigkeit gehen - der sprachliche Aspekt soll behandelt werden. Mit einem pathetischen "Lasst uns... !" läßt sich im kommerzialisierten Europa keine Botschaft vermitteln. Das Kollektiv ist, obwohl es täglich regiert, verpönt und nur das Individuum ist dazu geeignet, Botschaften in sich zu saugen.
Wäre dergleichen hier geschehen, müssten in der Folge die Lebensmittel einer bestimmten Region wettbewerbsfähig geworben werden, würde kein Marketingstratege Losungen wie "Lasst uns... !" oder "Wir meistern das!" in die Arena werfen. Der individualistische Europäer mag es zugeschneiderter. "Hilf auch Du mit!" oder "Steh' auch Du dem Norden bei!" oder "... indem Du seine Lebensmittel isst!" - Du ist das Übertragungswörtchen; ohne Du keine Vermittlung. Gleichwohl der Europäer im Kollektiv lebt, obwohl er in Fragen der Musik, Kleidung oder Essgewohnheit einer ausgeprägten Mainstreamkultur nachäfft, erliegt er gerne der Vision, gänzlich individualistisch sozialisiert zu sein. Deshalb waren auch nicht wir Deutschland - Du warst Deutschland. Aus diesem Grunde werden etwaige Vorteile für das Gemeinwesen nicht erwähnt, sondern auf den Einzelfall verrechnet: "Das lohnt sich auch für Sie!"
Die Wir-Botschaft der japanischen Losung ist das, was man "am Japaner" besonders schätzt. Sein kollektiver Fatalismus und sein Gemeinschaftssinn, der dem Zeitgeist trotzt. Es ist der im Angesicht Fukushimas so gelobte Stoizismus, der jegliche Panik angeblich unmöglich machte. Und es ist polemisch gesagt die Kernzelle des Kamikaze. Die Aufforderung, dem Norden zu helfen, es ist ein wir-bezogener Slogan, der in den Tod winkt - bei uns geschähe dies individualistischer. Wir gingen im unsichtbaren Nebel der Verstrahlung nicht einig und kollektiviert in den Krebs mittels Nahrungsaufnahme. Jeder ginge für sich selbst in die Metastasierung. Einsam in der Masse - die Sprache verrät es. Das heißt nicht, es wäre Hand in Hand, mit "Lasst uns zusammen... !" viel schöner. Es wäre wahrscheinlich auch nicht schlechter. Viele Wege führen nach Tod.
Wäre dergleichen hier geschehen, müssten in der Folge die Lebensmittel einer bestimmten Region wettbewerbsfähig geworben werden, würde kein Marketingstratege Losungen wie "Lasst uns... !" oder "Wir meistern das!" in die Arena werfen. Der individualistische Europäer mag es zugeschneiderter. "Hilf auch Du mit!" oder "Steh' auch Du dem Norden bei!" oder "... indem Du seine Lebensmittel isst!" - Du ist das Übertragungswörtchen; ohne Du keine Vermittlung. Gleichwohl der Europäer im Kollektiv lebt, obwohl er in Fragen der Musik, Kleidung oder Essgewohnheit einer ausgeprägten Mainstreamkultur nachäfft, erliegt er gerne der Vision, gänzlich individualistisch sozialisiert zu sein. Deshalb waren auch nicht wir Deutschland - Du warst Deutschland. Aus diesem Grunde werden etwaige Vorteile für das Gemeinwesen nicht erwähnt, sondern auf den Einzelfall verrechnet: "Das lohnt sich auch für Sie!"
Die Wir-Botschaft der japanischen Losung ist das, was man "am Japaner" besonders schätzt. Sein kollektiver Fatalismus und sein Gemeinschaftssinn, der dem Zeitgeist trotzt. Es ist der im Angesicht Fukushimas so gelobte Stoizismus, der jegliche Panik angeblich unmöglich machte. Und es ist polemisch gesagt die Kernzelle des Kamikaze. Die Aufforderung, dem Norden zu helfen, es ist ein wir-bezogener Slogan, der in den Tod winkt - bei uns geschähe dies individualistischer. Wir gingen im unsichtbaren Nebel der Verstrahlung nicht einig und kollektiviert in den Krebs mittels Nahrungsaufnahme. Jeder ginge für sich selbst in die Metastasierung. Einsam in der Masse - die Sprache verrät es. Das heißt nicht, es wäre Hand in Hand, mit "Lasst uns zusammen... !" viel schöner. Es wäre wahrscheinlich auch nicht schlechter. Viele Wege führen nach Tod.
6 Kommentare:
Die Atomisierung des Menschen, die völlige Reduktion des 'wir' auf ein 'du' bedeutet einen viel schlimmeren sozialen und in Folge emotionalen Tod.
In diesem Land scheint die latente Opferbereitschaft für den Staat bzw. für das, was man dafür hält immer noch sehr groß zu sein. Irgendwie erinnert das fatal an "Du bist nichts, dein Volk ist alles".
Ich bin sicher, dass die "Schöpfer" des Spruchs "lasst uns", die Schöpfer und ihre Auftraggeber sich daran nicht halten werden.
Für mich ist übrigens Individualisierung die unabdingbare Voraussetzung für eine eigenständig sozial verantwortlich handelnde Person.
Der emotionale, besser, der seelische Tod ereilt die Menschen in den westlichen Gesellschaften, einschl. Japan und bald auch die übrigen Länder um Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte vor dem physischen Tod.
@ Klaus Baum 2. Satz
Der Mensch ist von Geburt bis zum Tod ein soziales Wesen.
Zwischendurch, wenn er sich dünkt, Individualist zu sein, so ist das in meinen Augen verkappter Egoismus.
Spätestens, wenn jemand auf Fremde Hilfe angewiesen ist, (Krankh.,Behinderung, sonstige Notlage) dann ist mit eigenständig, sozial verantwortlich handeln, vorbei.
D.h. "Individualisierung" ade !
Im übrigen gefällt mir das Wort, Atomisierung, was übersetzt gleich ist, hier besser.
Einzig, wo ich einer Individualisierung zustimme,ist, wenn ich sie als konträr zur Kollektivierung betrachte. Aber auch dann nur unter gesellschaftlichem, bzw. politischem Aspekt. D.h. besonders,was das Bewußtsein und daraus folgernd das Denken betrifft. - Hierauf bezogen, bin ich ein Befürworter der Individualisierung.
In den 70ern hieß es in Graffitis bereits:
"Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht."
Ich denke das ist der Kern, wie sich unsere Gesellschaft asozialisert.
@klaus baum 22. November 2011 10:26
Für mich ist übrigens Individualisierung die unabdingbare Voraussetzung für eine eigenständig sozial verantwortlich handelnde Person.
Sie haben m.E. Recht und auch wieder nicht ... Deswegen sehe ich es jetzt im Zusammenhang mit den Ausführungen von Herrn De Lapuente und dem, was ich zumindest meine, was Sie ausdrücken wollten.
"Individualisierung", für mich ein Wort, welches möglicherweise seine negative Ausrichtung längst in der allgemein gültigen Definition übernommen hat, Sprache halt, vielfach so eingesetzt.
Deswegen es nicht mehr zu verwechseln ist, mit der Bildung eines individuellen, selbstbewussten und autarken Ich. Welches sich - und nur ein solches kann es vermutlich wirklich - zur Bildung eines echten Wir mit sozialer Verantwortung einbringt.
Und ich denke, auf dieses wollte der Autor mit seinem Text, seiner Gegenüberstellung hinweisen (wenn ich mich irre, mag er mich aufklären).
Fazit: Weder Japan verfügt über ein echtes Wir aus einem echten Ich, noch verfügt Europa über das eine oder andere.
Japan versucht ein Wir zu erzeugen, ohne ein Ich und Europa versucht ein Ich zu erzeugen ohne ein Wir. Wobei Letztere vergessen, dass man die Ich'se ohne Wir'se nur über Ersatzidentitäten aus dem konstruierten Wir (so sollst Du resp. Wir sein) bekommt, welches ein Ich darstellen soll.
So läuft - mehr oder weniger - eigentlich Beides auf ähnliches hinaus. Widerspricht der menschlichen Natur, der Mensch im Sozialverband, nämlich eines gesunden Ich, welches sich auf natürlichem Wege zum Wir formiert, sich dort spiegelt.
Das Ich ohne Wir ist allein, das Wir ohne Ich ist es auch. Dies weiß es nur nicht, fühlt es nicht sofort. Zumindest solange es nicht auf dem Prüfstand steht.
Gruss
rosi
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