Sit venia verbo

Donnerstag, 31. März 2011

"Was tun? H-Milch kaufen oder Büchsenmilch?
Wir wissen es nicht.
Verfallsdaten beachten oder Halbwertszeiten?
Wir wissen es nicht.
Regenschirm oder Abduschen?
Wir wissen es nicht.
Sind Kinder 23mal oder nur 17mal so gefährdet wie Erwachsene?
Wir wissen es nicht.

Es geht um mehr als um Tiefkühlkost
und um die Frage
nach dem unbedenklichen Verzehr von Blattspinat
in den richtigen Bundesländern.

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Der Friederich, der Friederich, der ist ein arger Wüterich!

Der neue Innenminister ist eine ehrliche Haut. Kaum im Amt, läßt er keine falschen Zweifel aufkommen: er ist ein Hardliner, ein konservativer Betonkopf, der seine Rolle als oberster Herr der Polizei auch in die Islamkonferenz trägt, um dort gleich für eine klare Rollenverteilung zu sorgen. Hans-Peter Friedrich beichtet bei aller Ehrlichkeit natürlich auch Wissenslücken, die man ihm heute, in Zeiten da Ausländerfeindlichkeit und rassisch inspirierte Genetik wieder salonfähig sind, natürlich nachsehen muß. Es sind Lücken, die zum Standardrepertoire moderner Kreuzritter gehören (das Blabla zur christlichen Prägung Europas, das den Islam als Stempel - trotz Al-Andalus, trotz Balkan! - nicht duldet), die man aber gar nicht mehr stopfen möchte - das wäre ja eh nur fruchtloses Gebaren...

Im intellektuellen Jammertal der heutigen Bundesrepublik müssen die abgetakelten Phrasen eines Friedrichs schon gar nicht mehr polarisieren - demgemäß kann man sie getrost, wenn auch besorgt, zur Seite schieben. Was aber doch Eklat ist, ist sein Auftreten bei der Islamkonferenz. Als oberster Polizist betritt er eine Szenerie, die eigentlich - nach Wortlaut jedenfalls! - dazu einberufen wurde, um Ausgleich und Miteinander zu schaffen. Friedrich aber knallt mit Plattitüden auf, gibt den freundlich lächelnden Kreuzritter und fordert die Muslime auf, sich selbst denunziatorisch zu begutachten. Sie sollen melden, wenn in ihrer Moschee Hass gepredigt wird - alles unter der unabänderlichen Prämisse natürlich, dass Hasspredigten zum Alltag in Moscheen gehöre. Ein Klima des Misstrauens wird von Friedrich befürwortet; wenn man die Muslime schon nicht abschieben oder kleinhalten kann, so doch spalten und gegeneinander ausspielen. Kritische Worte an der deutschen Gesellschaft könnten dann, erstmal von einem Denunzianten den zuständigen Behörden gemeldet, als Gewaltaufruf oder Hasspredigt eingestuft werden. Die Muslime Deutschlands, das mag das Kalkül dieses Mannes im Innenministerium sein, werden entmutigt, überhaupt nochmal den Mund zur gesellschaftlichen Befindlichkeit in diesem Lande aufzutun.

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Der letzte Vorhang

Mittwoch, 30. März 2011

Langsam jedoch sicher stirbt das Überwachungs- und Eliminierungspersonal aus den Todeslagern aus. Die Schlächter, mittlerweile herrenmenschlich lichtes Haar und fahle Haut erduldend, sind eine rare Spezies geworden. Gelegentlich rutschen sie noch an die Öffentlichkeit - man stöbert sie auf, tut schockiert, weil sie jahrelang unerkannt "unter uns" lebten und stellt sie, verwelkt und wie das blühende Siechtum aussehend, vor Gericht. Demjanjuk ist der aktuelle Name, Boere hieß er vor einiger Zeit, Faber könnte er bald heißen. Das sind die letzten juristischen Zuckungen, der letzte Vorhang, der für das Dritte Reich fällt - es sind die letzten Herren- und Hilfsvolksmenschen, die vor einen Richter gezerrt werden. Nach denen gab es nur noch die Gnade der späten Geburt und die relative Unschuld.

Es ist von relativer Unschuld zu sprechen, weil es eine absolute Unschuld nicht gegeben hat nach Fall des Hitlerismus. Sicherlich war die junge Generation nach '45 keine aus Henkern oder Tötungsknechten bestehende, man war zu jung um eine solch "ehrenvolle Aufgabe" für das deutsche Volk zu übernehmen, konnte hernach demgemäß qua Jugend nicht als schuldig eingestuft werden. Großes Interesse aber, die wahrhaftigen Verbrecher abzuurteilen, sie aus der neuen Gesellschaft zu verbannen, hatte man jedoch nicht - man war sicherlich oberflächlich unschuldig, man hatte selbst ja nicht Hand angelegt, keine Leichenberge verursacht durch Aufdrehen von Gashähnen oder Betätigen von Abzügen. Die Schuld bestand darin, die Verursacher des Wahns geduldet und nicht behelligt zu haben. Es war so gesehen nur eine relative Unschuld, mit der sich die unmittelbaren Nachkriegsgenerationen, genauer gesagt: die Generationen, die zu jung waren, um selbst am Krieg teilzunehmen, zieren konnten.

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Ein neues Zeitalter

Dienstag, 29. März 2011

Die Demokratie, so blökt mancher Optimist, habe in Baden-Württemberg einen fulminanten Sieg eingefahren. Die ganze Pracht solcherlei zuversichtlicher Äußerungen entfaltet sich vor einem Hintergrund, der bedenklich stimmt: 58 Jahre hat dort die Union geherrscht; 58 Jahre voller Skandale und Liederlichkeiten, Verfilzungen und Protektionen; angefangen bei Ministerpräsidenten, die entweder relativ harmloses NSDAP-Mitglied waren, bis zu solchen, die in Hitler-Deutschland Unrecht sprachen; dazwischen immer wieder Filz, Schiebung, Bestechlichkeit und korruptes Zuschustern von Aufträgen an Kameraden aus der Wirtschaft - Stuttgart 21 war da nicht mal der Gipfel, es war nur der letzte Akt in einem jahrzehntelang konservierten Milieu aus Freundschaftsdienst und Kumpanei, Reaktion und Revisionismus (man erinnere sich nur an Oettingers Plädoyer für Filbinger).

Die Demokratie funktioniert, denn sie hat nach 58 (in Worten: achtundfünfzig!) Jahren gegriffen und die Seilschaften durchtrennt - jedenfalls auf höchster, das heißt, auf Regierungsebene. Achtundfünfzig Jahre nur, um sich endlich endlich endlich von den Missständen zu befreien! Der Demokratie Mühlen, sie mahlen... wenn auch mit der Emsigkeit einer Schnecke. Und wäre Fukushima nicht gewesen, hätte die Debatte um die Kernenergie nicht ihren Lauf genommen, der Ländle-Filz, er säße fortan nicht in der Opposition, er würde weiterhin von der Regierungsbank aus Geschäfte delegieren, zuschustern, unter Freunden, Bekannten und Verwandten verteilen, die Atomenergie lauthals befürworten und Stuttgart 21 mit aller gebotenen Härte verteidigen und mit dem Feigenblatt zerschlichteter Befürwortungsmachung rechtfertigen.

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De omnibus dubitandum

Montag, 28. März 2011

Bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg wählten...

  • ... 33,8 Prozent aller Wahlberechtigten gar nicht.
  • ... 25,5 Prozent aller Wahlberechtigten die CDU/CSU.
  • ... 15,8 Prozent aller Wahlberechtigten die Grünen.
  • ... 15,1 Prozent aller Wahlberechtigten die SPD.
  • ... 3,4 Prozent aller Wahlberechtigten die FDP.
  • ... 1,8 Prozent aller Wahlberechtigten die Linke.
Der mobilisierte Aufbruch installierte eine grün-rote Koalition, die einen Rückhalt von 30,9 Prozent in der wahlberechtigten Bevölkerung zeitigt. Das Heer der Nichtwähler war demnach größer.


Bei der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz wählten...
  • ... 38,2 Prozent aller Wahlberechtigten gar nicht.
  • ... 21,6 Prozent aller Wahlberechtigten die SPD.
  • ... 21,3 Prozent aller Wahlberechtigten die CDU.
  • ... 9,3 Prozent aller Wahlberechtigten die Grünen.
  • ... 2,6 Prozent aller Wahlberechtigten die FDP.
  • ... 1,8 Prozent aller Wahlberechtigten die Linke.
Die rot-grüne Koalition schlägt sich mit 30,9 Prozent aller wahlberechtigten Stimmen nieder. Die satten Mehrheitsverhältnisse im rheinland-pfälzischen Parlament wurden von nicht einmal einem Drittel der Wahlberechtigten ins Amt gehoben.

Eine Welt ohne Vorurteile ist nicht denkbar

Freitag, 25. März 2011

Vernimmt man konsterniert, dass wieder mal Homosexuelle verunglimpft oder Ausländer ausgegrenzt werden, dann wünscht man sich im ersten Anflug von Utopie, die in jedem Menschen mehr oder minder schlummert, eine Welt ohne Vorurteile. Ein solches Erdenrund ist für viele Organisationen, die sich um die Belange so genannter Randgruppen kümmern, das ferne Ziel am Horizont. Eine begrüßenswerte Utopie freilich - aber eine, man kennt den Mensch in seiner Unvollkommenheit mittlerweile seit Jahrtausenden, die kaum Wirklichkeit werden kann. Optimisten würden nun intervenieren und von einen verquasten Pessimismus sprechen, der sich hinter einer solchen Aussagen verkappe. Dabei macht diese Aussage nichts von dem wett, was man sich als lebenswerte Gesellschaft wünscht.

Das Ressentiment ist, so muß man leider feststellen, eine menschliche Regung. Es kann nicht einfach aberzogen werden. Umerziehungsdiktaturen gab es im letzten Jahrhundert ausreichend - sie wollten zwar nicht den vorurteilsfreien Menschen schaffen, konträr, sie waren darauf getrimmt, bestimmte Vorurteile so auszunutzen, dass ihre Strukturen verfestigen wurden. Aber man könnte aus dem Umerziehungswahn der Kommunisten und Faschisten doch lernen, dass der Mensch letztlich ist wie er ist - und es auch immer bleiben wird. Er ist edel, hilfreich und gut - und er ist hinterlistig, selbstsüchtig und schlecht. Außerdem leidet er unter einer Litanei an Vorurteilen, die freilich individuell verschieden geartet, ausgeprägt oder vorhanden sein können. Xenophobie beispielsweise ist damit letztlich kein Akt der Dummheit, sie ist menschlicher Affekt, den Evolutionstheoretiker als eine Art Abwehrmechanismus gegen fremde Individuen oder Gruppen klassifizieren - ein Affekt, der aus zotteligeren Tagen stammt.

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Schon wieder fremde Lorbeeren

Donnerstag, 24. März 2011

"Stephanie zu Guttenberg ist zurück!", titelt die BILD. Und sie sammelte bei einer Veranstaltung in Mannheim "erfolgreich Spenden ein". Was die Zeitung aber nicht erwähnt: Guttenberg sammelte nicht selbst "erfolgreich Spenden ein", sie winkte einen Hiwi herbei, der dies für sie erledigte. Dieser durfte dann mit dem Klingelbeutel in der Hand durch die Reihen irrlichten. Man lernt es im Hause Guttenberg einfach nicht, schmückt sich erneut mit fremden Lorbeeren...

Zunächst verleugnete Stephanie zu Guttenberg den Vorwurf noch. Sie sei selbst Spenden einsammeln gegangen, ließ sie verlautbaren, die Vorwürfe seien "einfach nur abstrus". Außerdem habe sie niemals die Hilfe eines Ghostcollectors in Anspruch genommen. Alles was da zusammenkam, habe sie selbst aus den Geldbörsen der Anwesenden herausgekitzelt. Parteigänger der Freifrau pflichteten ihr umgehend bei, ohne auch nur zu erahnen, was genau man ihr zum Vorwurf gemacht hatte. Sie würde "stets alles selbst machen", vernahm man da. Infam sei es, irgendetwas anderes zu unterstellen! Und natürlich sei das ein erneuter Anschlag seitens der Opposition auf die Integrität Frau zu Guttenbergs, erklärte die Kanzlerin in einer Stellungnahme.

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Ethische Fragen zur Atomkraft

Mittwoch, 23. März 2011

Angela Merkel ist eine durch und durch ethische Person. Das erkennt man schon daran, dass sie einen Ethikrat benötigt, um die Frage der Atomenergie adäquat erörtern zu können. In dem sitzen Vertreter allerlei philanthropischer Einrichtungen: aus der katholischen Kirche und aus der evangelischen Kirche, von den Gewerkschaften, den Arbeitgeberorganisationen und der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Jüdische und muslimische Abgesandte - Stichworte: "jüdische Wurzeln des Abendlandes" und "der Islam gehört zu Deutschland" -, so scheint es, wurden nicht vorgeladen. Wahrscheinlich zu wenig ethisch! Bei den Sitzungen des Ethikrates wird also für das leibliche wie auch für das Seelenheil gesorgt sein.

Nun sollte man das vielleicht nicht falsch verstehen. Angela Merkel benötigt den Rat nicht, um zwischen den Optionen "Atomkraft: ja bitte!" oder "Atomkraft: nein, danke!" entscheiden zu können. Sie ist schon in sich gegangen und hat eine Antwort gefunden: den Opportunismus! Jetzt sei es Gebot der Stunde, hat sie für sich erkannt, alles vorher Verkündete über den Haufen zu werfen und die Kernenergie zu verdammen - jedenfalls so, dass es so aussieht, als verdamme sie sie wirklich. Nicht zu sehr natürlich, man kann die grauen Herren aus den AKWs ja vielleicht irgendwann noch gebrauchen - und sei es nur als Parteispendenzahler oder als Garant dafür, nach dem Mandat einen Aufsichtsratsposten zugeteilt zu bekommen. Jedenfalls braucht sie niemanden, der ihr die Möglichkeiten, das Für und Wider auflistet, denn darüber ist sie bereits hinaus.

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De omnibus dubitandum

Bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt wählten...
  • ... 48,8 Prozent aller Wahlberechtigten niemanden.
  • ... 16,2 Prozent aller Wahlberechtigten die CDU.
  • ... 11,8 Prozent aller Wahlberechtigten die LINKE.
  • ... 10,7 Prozent aller Wahlberechtigten die SPD.
  • ... 3,6 Prozent aller Wahlberechtigten die Grünen.
  • ... 2,3 Prozent aller Wahlberechtigten die NPD.
  • ... 1,9 Prozent aller Wahlberechtigten die FDP.
Die wahrscheinliche Große Koalition hat damit einen Rückhalt bei allen Wahlberechtigten von 26,9 Prozent - anders gesagt: nur jeder Vierte hat die Große Koalition gewählt. Das Lager der Nichtwähler ist, auf alle Wahlberechtigten umgelegt, beinahe doppelt so groß. Eine hypothetische rot-rot-grüne Koalition würde bei 26,1 Prozent liegen.

Die Sprache der besonders Korrekten

Dienstag, 22. März 2011

Wenn dies oder das geschähe, das wäre für mich der Super-GAU - so sagt man es öfter, so hört man es öfter. Wie wird das nun nach Fukushima sein? Kann man das jetzt noch salopp dahinsagen, ohne gleich moralingesäuerte Belehrungen zu erhalten? Herr De Lapuente, Ihre Flapsigkeit in Ehren, aber denken Sie doch nur mal an die ganzen Opfer in Japan, denken Sie nur einen Augenblick an all die Toten, all die Verstrahlten - in dieser Reihenfolge, aufsteigend nach Gewichtung, zunächst das Schlimme, dann das Schlimmere! -, denken Sie nur mal daran, was die wohl denken, wenn Sie aus Ihrem Kinkerlitzchen da einen Super-GAU machen? Blüht mir, blüht uns abermals die Sprach- und Gesinnungspolizei auf Blockwärterbasis? Als Ehrendienst an der Seriosität sozusagen? Noch eine Tummelwiese für überempfindliche, humorlose Wahrer des sprachlichen Reinheitsgebotes?

Das steht zu befürchten. Katastrophen und deren Jargon, so gebietet es das Handbuch der political correctness, dürfen nicht in die Umgangssprache geraten. Drei Fragen entscheiden darüber, wann ein Begriff oder eine Floskel unhaltbar sind und wann nicht:

I. Wie spektakulär ereignete sich die Katastrophe und in deren Gefolge das menschliche Elend?

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Der neue bundesrepublikanische Pazifismus

Montag, 21. März 2011

An einem Kriegseinsatz in Libyen werden keine Bundeswehrsoldaten beteiligt, erklärte der Außenminister, nachdem der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschlossen hat, "alle notwendigen Maßnahmen" zum Schutz der libyschen Bevölkerung zu ergreifen. Ein Beschluss, bei dem sich Deutschland überdies enthalten hat - wie China und Russland -, womit die fehlende Bereitschaft, einen militärischen Einsatz mitzutragen, letztlich nur konsequent ist.

Der Entschluss, kein militärisches Personal zu schicken, so edel oder gar pazifistisch er wirken mag, offenbart die Janusköpfigkeit der Außenpolitik, wie sie die Berliner Republik betreibt. Denn während in Nordafrika keine deutsche Militärhilfe absolviert wird, stehen im Mittleren Osten deutsche Einheiten, um dort geostrategisch bei der "Installierung von Menschenrechten" Pate zu stehen. Dort jedoch, wo tatsächlich, wenn schon nicht demokratischen, so doch wenigstens demokratischeren Tendenzen zum Durchbruch verholfen werden soll, dies alles gegen einen in Lametta gehüllten Diktator wie aus dem Bilderbuch, dort hält man sich vornehm, seiner Stimme eine nasale Färbung gebend, in pazifistischer Eitelkeit zurück.

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Ridendo dicere verum

Samstag, 19. März 2011

"Die Entwicklung der Menschheit

Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt,
behaart und mit böser Visage.
Dann hat man sie aus dem Urwald gelockt,
und die Welt asphaltiert und aufgestockt
bis zur dreißigsten Etage.
Da saßen sie nun, den Flöhen entfloh'n
in zentralgeheizten Räumen.
Da sitzen sie nun am Telefon,
und es herrscht noch genau der selbe Ton
so wie seinerzeit auf den Bäumen.
Sie hören weit, sie sehen fern,
sie sind mit dem Weltall in Fühlung.
Sie putzen die Zähne, sie atmen modern,
die Erde ist ein gebildeter Stern
mit sehr viel Wasserspülung
Sie schießen die Briefschaften durch ein Rohr,
sie jagen und züchten Mikroben,
sie verseh'n die Natur mit allem Komfort
sie fliegen steil in den Himmel empor
und bleiben zwei Wochen oben.

Was ihre Verdauung übrigläßt
das verarbeiten sie zu Watte.
Sie spalten Atome, sie heilen Inzest.
Sie stellen durch Stiluntersuchungen fest,
daß Cäsar Plattfüße hatte.
So haben sie mit dem Kopf und dem Mund
den Fortschritt der Menschheit geschaffen.
Doch davon mal abgesehen und
bei Lichte betrachtet
sind sie im Grund
noch immer die alten Affen."
- Erich Kästner -

Ökologisch-moralische Wende

Freitag, 18. März 2011

Zwei Ereignisse fallen zusammen, die um die Aufmerksamkeit einer voyeuristischen Welt wetteifern. Einmal die atomare Wolke, die über Japan wallt - und dann sind da noch die arabischen Despoten, die wie ihr Volk auch demonstrieren: nämlich ihre Macht, ihre Kaltschnäuzigkeit und Gewaltbereitschaft. Wer derzeit den Wettkampf um Anteilnahme gewinnt, muß nicht gesondert erläutert werden - dass aber beide Ereignisblöcke Ausgangspunkt, Antrieb und Fundament einer geistigen Wende, einer ökologisch-moralischen Wende sozusagen sein könnten, gerät im Ringen um Quoten und Leser schnell aus dem Blickfeld; und im Rahmen eines wirtschaftstreuen Kampagnenjournalismus' ist eine Verquickung hin zu einer solchen Neuorientierung ohnehin nicht vorgesehen.

Dort steht die Atomenergie auf dem Prüfstand - da untermauern die ölarabischen Staaten, Arabia al olio, ihren ethischen Anspruch, der nicht weniger als ein unethischer Grundsatz ist. Zweimal geht es um energiepolitische Fragen. Wäre es denn nicht ergiebig, diese in Öl gelegte Weltregion anhand einer Abkehr von deren Erdöl zur halbwegs ethischen Gesinnung zu drangsalieren? Könnte diese zur Schau gestellte Skrupellosigkeit der Erdölexporteure nicht zu einer ähnlichen Ächtung gelangen, wie es die Atomenergie gerade erfahren muß? Kernenergie verseucht die Erde, daher wird sie verabscheut - Erdöl zerstört Infrastrukturen, Lebensqualität, Menschenleben: könnte man es daher nicht gleichwohl für überholt und zur Überwindung bereit halten?

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Mit sozialem Gewissen deutschtümeln

Donnerstag, 17. März 2011

Seitdem die Gesellschaft in eine immer drastischere soziale Schieflage gerät, fischen rechte Parteien potenzielle Wähler, indem sie die soziale Frage thematisieren. Das ist schon lange bekannt und steht dem eigenen Sendungsbewusstsein nicht im Wege. Es war damals so; die Zeiten erforderten es - es ist heute so; die Zeiten machen es erneut notwendig für die von rechts drüben.

Es ist freilich ein nicht ganz subtiles Vorgehen, denn man weiß ja mittlerweile nur zu gut, welcher Hintergedanke da mitspielt. Mit der eigenen Klientel empört man sich, greift man den Sozialabbau an, verspricht ihr, dass es besser würde, wenn es sie dort oben gäbe. Die Partei sei das soziale Gewissen Deutschlands, verkünden ihre Wanderprediger. Sie würde dem braven, dem rechtschaffenen, dem deutschen Bürger zu ihrem Recht verhelfen und sich gegen allerlei Ungerechtigkeiten stemmen. Wenn man ihr folgt, ist man auf der sicheren Seite, auf der Seite der Tüchtigen, Sittenhaften, Unbescholtenen - die Partei, die Partei, die hat immer... Arbeitslosigkeit wäre gebannt, finanziell würde es alles etwas besser gehen, es wäre genug für alle da.

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Panisch aufgrund falscher Wolke

Mittwoch, 16. März 2011

Tragisch was da in Japan geschehe, vernimmt man aus den Mäulern, die vom Lobbyismus gekauft sind; und freilich werde man auch in Deutschland Überprüfungen einleiten und Standards neu überdenken, auch mal ein bisschen Laufzeitenverlängerungen aussetzen, bis die Sache ausgesessen ist. Keine Frage, soviel Aktionismus muß schon sein! Aber dennoch, ermahnen sie im gleichen Atemzug: nur keine Panik! Wir dürfen jetzt nicht den Kopf verlieren und so tun, als sei die Kernenergie grundsätzlich überdenkenswert. Ruhig bleiben, tadeln die gemieteten Mäuler und ihre Leitartikler; auch wenn Fukushima nicht sonnig ist, etwas Besonnenheit würde uns nicht schaden.

Panik aufgrund einer radioaktiven Wolke, die transparent und lautlos über Japans Felder und Flure schwebt, ist demnach kein guter Ratgeber. Panik ist hierzulande ohnehin auf andere Bereiche abonniert - man darf die Panik von den Ressorts, die sie existenziell brauchen, nicht abziehen. Sie darf nicht zum Atomtod hinüberwechseln, sie muß dort bleiben, wo sie sich seit Jahren nun schon traditionell eingerichtet hat. Sie soll das Metier derer bleiben, die sich vor Überfremdung oder gar Islamisierung fürchten. Dort bitte panisch sein! Wir sterben aus!, darf laut und hysterisch geplärrt werden. Kirchendächer mit Halbmonde sollen unbedingt die Titel dieser Republik zieren. Hier ist die Panik zuhause; hier muß das Schlimmste befürchtet werden, ohne dass irgendeine mandatierte Bundestagsmarionette beruhigend auf die Öffentlichkeit einwirkt. Großformatige Tageszeitungen schüren Hysterie, berichten von einigen Türken, die wenig Deutsch sprechen und schon ist die Panik vor Halbmond und Krummsäbel täglicher Gast in den Aufmachern und Feuilletons.

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Sit venia verbo

Dienstag, 15. März 2011

"Wenn der Mensch zuviel weiß, wird das lebensgefährlich. Das haben nicht erst die Kernphysiker erkannt, das wußte schon die Mafia."
- Norman Mailer -

Eine Kriegserklärung an die Menschheit

Sonntag, 13. März 2011

Der größte anzunehmende Unfall ist mitnichten dem Erdbeben anzulasten. Es war nur Auslöser. Anlasten muß man den größten anzunehmenden Unfall denen, die Atomkraftwerke befürworten, entwerfen, bauen und ideologisch legitimieren - der internationalen Atomlobby und ihren um sie scharwendzelnden Helfern ist die Verantwortung zu übertragen.

Die Geschichte aller bisherigen Anti-AKW-Bewegung ist die Geschichte von Kriminalisierung. Das heißt, man entwarf in der Öffentlichkeit das Bild vom verbrecherischen Demonstranten, der entweder gewaltsam gegen die Staatsmacht aufläuft, zumindest aber jedem Bürger den Saft abdrehen würde, denn es sei ja schlechterdings bekannt, dass ohne Atomenergie die Lichter ausgehen würden. Der Gegner von Atomkraft war immer suspekt - in den letzten Jahren wurde er weniger kriminalisiert, dafür weitestgehend pathologisiert: man stilisierte ihn zum begriffsstutzigen Idioten, der einfach nicht einsehen möchte, dass der gesellschaftliche Energiebedarf nur via Atomkraft zu stemmen sei. Eine radikale Forcierung erneuerbarer Energien wäre Spinnerei - mehr schon aber nicht.

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Aber sie empören sich doch!

Samstag, 12. März 2011

Stéphane Hessel kennt die Zustände in Deutschland nicht. Wie sonst könnte man erklären, dass er sein Büchlein ins Deutsche übersetzen ließ? Empört Euch! rät er damit auch den Deutschen - als ob sie es nicht täglich, nicht immer wieder und immer öfter täten. Sie empören sich doch - und wie sie es tun! Die Empörungskultur ist in diesem Lande fest verankert, man braucht wahrlich keine Streitschrift wie jene von Hessel. Die wirklichen, die leidenschaftlichsten Empörer leben in Deutschland; der Empörer an sich spricht deutsch - vive L'Empereur!

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In eigener Sache

Freitag, 11. März 2011

oder: ich betreibe ab sofort Blog-Bigamie!

Wenn jemand viel liest, so könnte er sein Umfeld daran teilhaben lassen - das war einer meiner Gedanken. Mitteilsam sein, das ist eine Devise, unter der ich parallel zu ad sinistram, mein neues Weblog führen möchte. Ich lese, also teile ich mit - teile ich etwas über das Gelesene mit. Vielleicht fühlt sich der eine oder andere dazu gedrängt, die behandelten Bücher ebenfalls zu lesen - das wäre doch mal was in Zeiten aussterbender Bücherwürmer. Der Lückenlosigkeit halber sei gesagt, dass ich nicht nur zum Lesen ermuntern möchte, sondern im Falle, da die Rezension nicht bekömmlich ausfiel, eben zum Nicht-Lesen beitragen würde. Hätte ich doch nur jenes Leerbuch vom sich abschaffenden Deutschland vorher verrissen... es hätte auch nichts gebracht!

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Da haben wir den ganzen Fortschritt!

Man könnte nun ja sagen, man wolle den Armen nur vor sich selbst, vor seiner Gewinn- oder Spielsucht schützen, womit das gerichtliche Verbot, Hartz IV-Beziehern Lottospielschein auszuhändigen, einen fürsorglichen Anstrich erhielte. Man könnte aber auch von einem demokratischen Notstand sprechen, der Empfängern des Arbeitslosengeld II Entmündigung erteilt.

Das Urteil mag in nächster oder letzter Instanz nichtig sein. In welche Richtung in deutschen Gerichten gedacht wird, das offenbart es aber trotzdem. Der Erwerbslose erhält von der öffentlichen Hand Geld - und damit, so schlußfolgert man, habe die Öffentlichkeit ein Recht darauf, über die Ausgabeposten des jeweiligen Leistungsbeziehers Rechenschaft zu erhalten. Weil man natürlich nicht jedermanns, jederarbeitslosen Kontoaufstellungen prüfen kann, sperrt man bestimmte Ausgabemöglichkeiten einfach - diesmal soll es eben das Lottospiel sein, von dem man den Leistungsbezieher fernhalten muß. Außerdem wäre es ungerecht, wenn ein Faulpelz einen Millionengewinn einstreichen würde. Den soll es für brave Staatsbürger geben, nicht jedoch für "Staatsbürger", für die der Staat bürgt...

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