Nomen non est omen

Donnerstag, 10. März 2011

Heute: "Islamismus"
"Es bestehe der Verdacht, dass es sich um eine islamistisch motivierte Tat handele, erklärte die Behörde am Donnerstag in Karlsruhe."
- Meldung bei FAZ.net am 3. März 2011 -
Wann immer es in Deutschland um den Islam geht, sind zwei Methoden erkennbar. Erstens gibt es eine große (gewollte) Unschärfe und Schwammigkeit bei der Verwendung der Begriffe "Islam", "Islamismus", "Islamisten", "Islamisierung" usw. Der "Islamismus" bezeichnet einen Sammelbegriff für alle möglichen religiösen und politischen Strömungen innerhalb des Islam. Es gibt also nicht den Islamisten, genauso wenig wie es den Christen gibt. Es gibt Sunniten, Wahabiten, Salafisten, Schiiten, Fundamentalisten usw. Hinzu kommen etliche Strömungen, die sich nur schwer einordnen lassen oder nur an andere Ideologien angelehnt sind, wie z.B. die Baath-Partei des damaligen irakischen Ex-Diktators Saddam Husseins. Zweitens fällt der Begriff "Islamismus" häufig in Verbindung mit dem Schlagwort "Terrorismus", so wird suggeriert, als sei jeder Muslim zugleich auch ein fanatischer Fundamentalist.

So schreibt z.B. eine Publikation der Bundeszentrale für politische Bildung zum Thema Islamismus:
"Der Islamismus ist zur Bedrohung der Bundesrepublik geworden. Wo liegen seine Wurzeln, was fordern seine Vordenker?"
Was würden Christen in Deutschland sagen, wenn es stattdessen heißen würde: "Das Christentum ist zur Bedrohung der Bundesrepublik geworden. Wo liegen seine Wurzeln, was fordern seine Vordenker?"

Und auch wenn die FAZ, im oben genannten Artikel, den Begriff "Islamisten" in Anführungszeichen setzt, und damit zu erkennen gibt, welche Unschärfe der Begriff aufweist, so gibt sie sich dennoch keine Mühe, genauer zu definieren. Das scheint gesellschaftspolitisch und medial symptomatisch zu sein, wann immer es um das Thema "Islam" in Deutschland geht. Dadurch wird eine diffuse Angst vor dem großen Unbekannten geschaffen. Wie groß wäre der Aufschrei, wenn deutsche Medien fortan Evangelen, Katholiken, Zeugen Jehovas und Orthodoxe stets nur als "Christen" bezeichnen würden?

Viele der circa weltweit 1,5 Milliarden gläubigen Muslime, haben völlig unterschiedliche Auffassungen und Interpretationen des Islam. Viele untereinander sind die erbittersten Gegner. Die beiden großen Hauptgruppen des Islam sind: 90% Sunniten, 10% Schiiten. Innerhalb der beiden Hauptgruppen gibt es wiederum viele Abspaltungen. Innerhalb der Schiiten gibt es, unter anderem, die Imamiten, die Ismailiten, die Saiditen und die Nusairier. Die Drusen und der Bahaiismus sind aus dem schiitischen Islam hervorgegangen. Hanbaliten, Hanefiten, Malikiten und Wahabiten sind Strömungen aus dem sunnitischen Islam. Die Ausprägungen, Varianten und Strömungen des Islam sind zahlreich.
"Gestern noch zogen Türken nach Deutschland, Pakistanis nach England und Algerier nach Frankreich — heute gelten sie allesamt nur noch als Muslime, und der Islam ist ein für allemal das "Fremde, das »Andere" geworden."
- Tariq Ramadan, "Europa und die Herausforderung der muslimischen Präsenz, Blätter für deutsche und internationale Politik", März 2011, Seite 61 -
Dies ist ein Gastbeitrag von Markus Vollack aka Epikur.

16 Kommentare:

Anonym 10. März 2011 um 11:44  

Hier wird doch "nur" die Konkurrenz von (Kirchen)Unternehmen ausagiert.
Es sind schlicht und einfach Unternehmen und deren (z. T. ehrenamtliche) MitarbeiterInnen und Mitglieder, die sich im knallharten Wettbewerb gegenseitig an die Gurgel gehen, die Bevölkerung marketingtechnisch entsprechend aufmischen ... und damit ihre Theorie selbst ad absurdum führen.Nutznießer hiervon sind Staat und Wirtschaft und die Medien, die sich rege darn beteiligen, mittlerweile jeden Tag eine neue Sau durch's Dorf zu jagen.

Wären diese Unternehmen wirklich und wahrhaftig religiös, dann würden sie anders mit sich, untereinander und mit anderen umgehen. Dann gäbe es allerdings auch keine Konkurrenz mehr ... und eben auch keine Minder- und Mehrheiten mehr.

stefanbecker 10. März 2011 um 12:06  

In deutscher nationalsozialistischer Zeit
waren es die Juden die stigmatisiert wurden, um als Sündenböcke herzuhalten, bis der allgemeine Hass groß genug war die Eliminierung der Juden zu fordern und sie in die Gaskammern zu schicken.
Heute ist es die gesamte "westliche Welt" und ihre konservativen Nazis, die ähnliches mit uns und den Muslimen vorhaben, weil es keine geeigneten Feindbilder mehr gibt. Angst vor dem Islam heißt die Devise.
Wir sollten keine Angst vor dem Islam haben, sondern viel mehr vor den Angstmachern.

Sorgenvolle Grüße

Anonym 10. März 2011 um 12:23  

@ Siebenstein:

Im Grund sind das alles nur Ablenkungsmanöver von den aktuellen wirtschaftlichen und sonstigen existentiellen Problemen, die "wir" angehen müssten, es aber nicht tun, weil man/ frau nicht mehr weiterweiß mit dem alten, verbrauchten Schubladenwissen.
Ablenkung von den anstehenden Aufgaben, die "wir" nicht lösen, weil wir in einer globalisierten Welt immer noch unserem Ego verhaftet sind.

Anonym 10. März 2011 um 13:33  

Nun, der Islam kennt keine grundsätzliche Ächtung von Gewalt. Er ist ein Rechtssystem, er regelt die Gewalt. Christliche Kulturen tendieren zur Eliminierung privater Gewalt und sind auf den Staat und sein Gewaltmonopol angewiesen — islamische nicht. Im Gegenteil: Gewalt hat Prestigewert. Prophet Mohammed hat es vorgemacht und im Koran verewigt, dass die Fähigkeit zur Gewaltanwendung ein Zeichen göttlicher Erwählung ist, ähnlich wie der materielle Reichtum im Calvinismus. Gewalt hat im Islam eine strukturierende Funktion: Sie unterscheidet Oben und Unten, also Herr und Knecht, Mann und Frau, Gläubige und Ungläubige.

Anonym 10. März 2011 um 13:46  

an anonym von 12:23
"Im Grund sind das alles nur Ablenkungsmanöver von den aktuellen wirtschaftlichen und sonstigen existentiellen Problemen"

Das alte, falsche Totschlagargument mit dem längsten Bart der Welt - da es immer noch schlimmere loder angeblich schlimmere Probleme gibt, sind andere Themen nicht mehr berichtenswürdig. Pietätlös! Unappetitlich gar! Tatsächlich sind die meisten Menschen durchaus fähig auf mehreren Ebenen zu denken und somit auch Nachrichten zu verarbeiten.

Anonym 10. März 2011 um 14:56  

Der Artikel ist exakt nach Hamed Abdel-Samads "Gebrauchsanweisung für Islam-Versteher" verfaßt:

"Werfen Sie Islamkritikern Mangel an Kenntnis des Islam vor, reden Sie über die Heterogenität und Vielschichtigkeit der jüngsten abrahamitischen Religion und fragen ihn, von welchem Islam er denn nun rede. Bald verliert er die Übersicht im Labyrinth der islamischen Rechtsschulen und Strömungen, und die Debatte verläuft im Sande. Der Vorwurf der Islamophobie sollte nicht lange auf sich warten lassen."

Sogar die ägyptische Wochenzeitung Al-Youm al-Sabea bringt es fertig, einen kritischen Bericht nach den "Sünden der Muslime weltweit" zu veröffentlichen, die eine ablehnende Haltung gegenüber dem Islam in Europa möglicherweise verursacht hätten.
In Deutschland stemmt dich die Linke mit aller Gewalt gegen eine solche offene Streitkultur.
Dabei sind Relativismus und Wundenlecken sind doch die falschen Rezepte, um den auf die vielbeschworene Aufklärung des Islams hinzuwirken.

midrow 10. März 2011 um 15:09  

"Tatsächlich sind die meisten Menschen durchaus fähig auf mehreren Ebenen zu denken [...]"
Das Verhalten vieler Menschen vor und nach Bekanntwerden des Guttenberg-Plagiats zeigt jedenfalls, dass sie noch nicht einmal zwei Ebenen benutzen!

ad sinistram 10. März 2011 um 16:24  

Da kriechen sie wieder hervor, die Türkenhasser von Thilos Gnaden...

midrow 10. März 2011 um 17:05  

Der Artikel ist exakt nach Hamed Abdel-Samads "Gebrauchsanweisung für Islam-Versteher" verfaßt

Ein ziemlich durchsichtiger Versuch einer "sich selbst beweisenden Behauptung" ...

Ich denke, dass man Epikurs Gedanken gar nicht oft genug in seinem Bekanntenkreis zur Sprache bringen kann, um dem allgemein flachen Islamismus-Gerede wenigstens etwas entgegenzusetzen.

Anonym 11. März 2011 um 13:01  

Wobei die Medien durchaus alle dt. Christen (und auch Nichtchristen) gerne in in einen Topf werfen, immer nämlich dann, wenn von christlich/jüdischer Leitkultur die Rede ist. Hierzu ein Statement in einem anderen Blog, welches mir aus dem Herzen spricht.
http://heut-schon-gedacht.blogspot.com/2011/03/ich-kann-es-nicht-mehr-horen.html

TaiFei

Anonym 11. März 2011 um 13:22  

Es ist nur lächerlich, dass man hier mit einer differenzierten Ansicht als "Türkenhasser" tituliert wird.
Kein Wunder, dass ein Autor mit einem derart schwarz-weißen Weltbild nicht ernst genommen wird. Einfach nur dumpf und realitätsfremd.

ad sinistram 11. März 2011 um 14:54  

Zu anonym von 13:22 Uhr:

Mal veröffentlicht, damit man sieht, wie traurig es um den deutschen Rechten aussieht. Nicht mal mehr Argumente bringt er mehr, er geifert nur noch und fühlt sich beleidigt, wenn man ihn nicht Demokrat, sondern Türkenhasser nennt. Zu sehr hofiert hat man seine kruden Ansichten bislang, sodass er sich nun brüskiert sieht, wenn er beim Namen genannt wird...

V.L. 11. März 2011 um 20:54  

Ich kann zu dem Thema ein eindruckvolles Buch empfehlen, Peter Sloterdijk sagte dazu im "Philosophischen Quartett": "Es ist ein Buch von einem ungeheuren Kenntnisreichtum und einer Dichte und Genauigkeit der Wahrnehmung, die in dieser Debatte ihresgleichen sucht. Ich kann es also deswegen gar nicht genug empfehlen."

Es handelt sich um das Buch "Abschied von Multikulti" von einem Berliner Politikwissenschaftler.
Die bestechende Klarheit der Ausführungen, die sich auch wohltuend von Sarrazin abhebt, ist wirklich augenöffnend.

www.amazon.de/Abschied-von-Multikulti-Wege-Integrationskrise/dp/3935197462

Anonym 12. März 2011 um 13:40  

Mir fällt dazu Ralph Giordano ein:
"Es ist die Ehre der Nation, jeden Zuwanderer und Fremden vor der Pest des Rassismus zu schützen. Das kann aber nicht bedeuten zu schweigen oder abzutauchen, wo Sitten, Gebräuche, Traditionen und Mentalitäten der muslimischen Minderheit mit dem Grundgesetz unvereinbar sind. Das Verkehrteste, was man tun könnte, wäre, sich durch Beifall von der falschen Seite mundtot machen zu lassen. Diesen Triumph gönne ich den wahren Ausländerfeinden und Rassisten nicht."

Genau dieses Schweigen und Abtauchen zu den genannten Punkten ist hier oberstes Credo.

Dirk 12. März 2011 um 14:00  

zum allerersten Posting
"Hier wird doch "nur" die Konkurrenz von (Kirchen)Unternehmen ausagiert.
... Wären diese Unternehmen wirklich und wahrhaftig religiös, dann würden sie anders mit sich, untereinander und mit anderen umgehen. Dann gäbe es allerdings auch keine Konkurrenz mehr"

Man hat als Anhänger einer Glaubensrichtung nun mal teilweise andere Überzeugungen als ein Anhänger einer anderen Richtung. Das mit Firmenkonkurrenz zu vergleichen, ist albern.
Mir wird regelmäßig seit mittlerweile fast 20 Jahren von verschiedenen muslimischen Bekannten freundlich nahegelegt, doch zum Islam zu konvertieren. Typisches Zitat: "Werde einer von uns!"
Ich kann da nur immer antworten, das meine ganze Sozialisation und die mich umgebende Kultur so gut wie nichts mit dem Islam zu tun hat und ich mich daher nicht entfremde.

Electric Eye 13. März 2011 um 03:47  

@Dirk

Heizdeckenverkäufer auf Kaffefahrt?

Das sind so die typischen Märchen, mit denen du vielleicht ein paar ganz Senile im Altersheim überzeugen kannst.
Jeder andere sieht doch sofort, dass das wieder mal Bullshit ist.

Du musst wirklich nicht zum Islam konvertieren, aber eine Entfremdung von dir selbst könnte dir bestimmt nicht schaden.

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