Opfer zweierlei Würde
Dienstag, 15. Februar 2011
Das deutsche Kastensystem der Armen beherberge, nach bestem mittelalterlichen Brauch, würdige und unwürdige Arme, erklärt Ulrike Herrmann in einem taz-Artikel. Sie schreibt: "Anders als die Hartz-IV-Empfänger gehören die Leiharbeiter zu den "würdigen" Armen, die Solidarität einfordern dürfen. [...] Unwürdig ist jeder, der angeblich selbst schuld ist an seinem Schicksal. Also die Bettler und Vaganten, wie sie früher genannt wurden; die Langzeitarbeitslosen, wie sie heute heißen. Würdig hingegen sind alle, die trotz Arbeit arm sind oder nicht arbeiten können: Ausgebeutete, Kranke, Mütter - und Kinder." Und gerade Kinder, als "würdige Opfer" die sie darstellen, werden in heutiger Zeit dazu instrumentalisiert, zwischen Armen oder Opfern zu scheiden - "das Kind" nimmt die Paraderolle des "würdigen Opfers" ein, drückt andere Opfer- oder Armengruppen in die Rolle "unwürdigerer Opfer".
Kurt Dutz schrieb einmal, dass das Gerede von Kinderarmut vom eigentlichen Problem ablenke. Denn "arme Kinder gibt es hierzulande in der Regel nur als Kinder armer Eltern. "Kinderarmut" ist also kein "besonderes" Problem, das sich separat lösen ließe." Das trifft besonders in der Armutsdebatte den Nagel auf den Kopf. Man muß sich diese ganz besondere Prädestinationslehre, die sonderbare Resultate gebiert, mal vor Augen führen: da kann ein Kind unwürdiger Armer (Hartz IV-Bezieher) ein würdiges armes Seelchen sein - aber nur solange, bis es alt genug ist, entweder nicht mehr arm oder nicht mehr würdig sein zu müssen; das liegt dann in den Fähigkeiten des Herangewachsenen begraben. Die erwachsene Armut wird allerdings mit der augenscheinlich mittelalterlich-christlichen Losung "Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott!" gerügt - und das suggeriert: das Kind ist hilflos, gottverlassen, kein Gott oder wer auch immer hilft ihm.
Augenfällig sind all die Engagements prominenter Damen und Herren, die sich für Kinder einsetzen. Gegen Kindesmissbrauch, zur Hilfe an hungernden Kindern, zur Bekämpfung des Kindersoldatentums! Missbrauch an Erwachsenen, hungerne Erwachsene, erwachsenes Soldatentum: da zeichnet sich weniger Fürsorge ab. Einer missbrauchten Zwanzigjährigen wirft man nicht selten vor, ihr aufreizender Minirock sei doch Erklärung genug dafür, dass sie vergewaltigt wurde; warum bauen erwachsene Hungerleider nicht einfach Weizen an, fragt man blasiert; wer zwingt denn irgendeinen afrikanischen Mittdreißiger dazu, sich eine Uniform anzulegen, gibt man zu bedenken - unwürdige Opfer und Arme: sie sind einfach zu alt für bedingungsloses Mitleid und Mitfühlen, zu alt für Solidarität.
Die Hilfe an Kindern, die so richtig ist, wie die Hilfe an allen, die eben solche, Hilfe also, benötigen, sie ist ein emotionalisierter Ritus innerhalb der westlichen Gesellschaft - die Hilfe von UNICEF wird als bedingungslos richtig wahrgenommen; Hilfe für greise Bürgerkriegsopfer wird hingegen oftmals kritischer betrachtet, gerade auch dann, wenn es sich um Zivilisten auf Seiten politischer oder ideologischer Kontrahenten handelt. Sich bedürftigen Kindern zu widmen ist wahrlich eine noble Aufgabe - Bedürftige aber in Altersklassen zu kategorisieren, das ist so unehrenhaft wie unmoralisch. Gelegentlich macht ein moralisches Gedankenexperiment die Runde: "In einem brennenden Haus sitzt ein Sechsjähriger und ein Achtzigjähriger - die Zeit reicht aber nur, um einen von beiden zu retten: für wen entscheiden Sie sich?" Die Mehrheit griffe sich das Kind, mit dem Argument, der Greis hätte bereits ein Leben besessen - aber das ist unter den Aspekten der Ethik Unfug. Beide stellen, um es mit Albert Schweitzer zu sagen, Leben dar, das leben will; sich gegen das Leben zu entscheiden, egal wie alt es ist, es ist immer eine ethisch problematische Entscheidung. Der finale Rettungabschuss von entführten Flugzeugen, den das Bundesverfassungsgericht als nicht mit dem Grundgesetz vereinbar wertete, ist unter diesen ethischen Gesichtspunkten zu verstehen. Leben kann nämlich nicht gegeneinander aufgewogen werden; das Kind im Feuer hat denselben Lebenswillen und damit dasselbe Lebensrecht wie der Greis - der Greis würde niemals aus dem Feuer herausrufen, man möge den Knaben retten, er habe ja bereits genug gelebt. Ein solches Szenario eines brennenden Hauses mit seinen bemitleidenswerten Insassen ist keine Situation, in die man sich hineinwünschte, denn es ist eine Situation, in der man nicht rational entscheiden kann - und es ist immer eine Situation, in der das Leben so oder so verliert.
Die Entscheidung der Mehrheit, das Kind zu retten, atmet die Weltanschauung, wonach es würdigere Opfer gibt als andere. Opfer oder Notleidender ist nie gleich Opfer oder Notleidender - es gibt Attribute, die man berücksichtigt. Besonders eklatant zeigt sich die Diskrepanz bei der Opferbewertung immer dann, wenn emotionalisiert von Verbrechen an Kindern berichtet wird - der Ausfall Til Schweigers in einer abendlichen Talkshow ist geradezu ein Präzedenzfall dafür, wie man Verbrechen an Kindern, die selbstverständlich bestraft gehören, für gravierender und schwerwiegender erachtet, als Verbrechen an anderen gesellschaftlichen Gruppen. Jemand, der Kindern dergleichen antut, so entblödete sich Schweiger nicht zu fordern, solle keine Rechte mehr besitzen - alles andere sei deutsches Gutmenschentum, was ihn nebenbei sehr ankotze. Man lasse mal beiseite, wie ähnlich solcherlei Forderungen denen sind, die man auch in der NPD vernehmen kann, und man lasse auch beiseite, wie weit es bei so einer Forderung noch zur Todesstrafe ist: es geht auch hier explizit um Verbrechen an Kindern, die laut angeklagt werden, während die Anklagefreudigkeit immer dann wesentlich zurückhaltender wird, wenn die Opfer beispielsweise erwachsene Ausländer oder aufreizende Frauen sind - bei Senioren, die geschlagen werden, wütet die Öffentlichkeit dann schon wieder eher: denn auch der Greis ist zuweilen hilflos und daher jemand, der würdiger ist, bedauert und verteidigt zu werden. Doch nicht zu laut, denn Kinder sind unsere Zukunft, Greise aber nur unnütze Esser!
Nadja Auermann möchte ein Gesetz gegen Kinder-Models, wie sie es nennt; Til Schweiger möchte Personen, die Kinder missbrauchen, die Bürgerrechte aberkennen; Audrey Hepburn stritt für die hungernden Kinder der Welt. Keine Frage, leidende, missbrauchte, ökonomisch verheizte Kinder benötigen dringend Solidarität und unkomplizierte Hilfe; und wer Kinder auf solcherlei Weise belästigt, gehört bestraft. Das Primat, das da heißt "Kinder sind besonders hilflos!", ist aber nicht mehr als emotionalisierte Effekthascherei, ist das, was Schweiger auf Seiten derer, die die Resozialisierung gemeinhin für ein hohes und demokratisches Gut halten, wittert: nämlich Gutmenschentum. Ist denn ein erwachsener Mann, der wochenlang kaum etwas gegessen hat, unterernährt ist, nicht auch besonders hilflos? Oder ein erwachsener Soldat, dem man androht, man würde seine Familie töten, wenn er desertiert - ist der nicht ohnmächtig wie ein Kindsoldat auch?
Die Unterscheidung zwischen würdigen und unwürdigen Personenkreisen, die Hilfe benötigen, sie ist die Spielwiese der karitativen Selbstdarsteller aus Politik und Wirtschaft, Kunst und Kultur. Es brauchen nicht Kinder besondere Hilfe - Menschen in Notsituationen brauchen besondere Hilfe! Menschen im Allgemeinen, ohne Rücksicht auf ihr Alter! Man muß es ganz gezielt universalistischer formulieren! Das Kind leidet nicht mehr als ein Erwachsener leidet. Leise schwingt da ein verklärter Romantizismus mit, wonach das Kind eine besonders reine Seele habe - und aus diesem Romantizismus wird schnell christlicher Eifer, wenn man nämlich schlussfolgert, dass reine Kinderseelen immer den Vorzug haben sollten vor den Tiefen verunreinigter Erwachsenenseelen...
Kurt Dutz schrieb einmal, dass das Gerede von Kinderarmut vom eigentlichen Problem ablenke. Denn "arme Kinder gibt es hierzulande in der Regel nur als Kinder armer Eltern. "Kinderarmut" ist also kein "besonderes" Problem, das sich separat lösen ließe." Das trifft besonders in der Armutsdebatte den Nagel auf den Kopf. Man muß sich diese ganz besondere Prädestinationslehre, die sonderbare Resultate gebiert, mal vor Augen führen: da kann ein Kind unwürdiger Armer (Hartz IV-Bezieher) ein würdiges armes Seelchen sein - aber nur solange, bis es alt genug ist, entweder nicht mehr arm oder nicht mehr würdig sein zu müssen; das liegt dann in den Fähigkeiten des Herangewachsenen begraben. Die erwachsene Armut wird allerdings mit der augenscheinlich mittelalterlich-christlichen Losung "Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott!" gerügt - und das suggeriert: das Kind ist hilflos, gottverlassen, kein Gott oder wer auch immer hilft ihm.
Augenfällig sind all die Engagements prominenter Damen und Herren, die sich für Kinder einsetzen. Gegen Kindesmissbrauch, zur Hilfe an hungernden Kindern, zur Bekämpfung des Kindersoldatentums! Missbrauch an Erwachsenen, hungerne Erwachsene, erwachsenes Soldatentum: da zeichnet sich weniger Fürsorge ab. Einer missbrauchten Zwanzigjährigen wirft man nicht selten vor, ihr aufreizender Minirock sei doch Erklärung genug dafür, dass sie vergewaltigt wurde; warum bauen erwachsene Hungerleider nicht einfach Weizen an, fragt man blasiert; wer zwingt denn irgendeinen afrikanischen Mittdreißiger dazu, sich eine Uniform anzulegen, gibt man zu bedenken - unwürdige Opfer und Arme: sie sind einfach zu alt für bedingungsloses Mitleid und Mitfühlen, zu alt für Solidarität.
Die Hilfe an Kindern, die so richtig ist, wie die Hilfe an allen, die eben solche, Hilfe also, benötigen, sie ist ein emotionalisierter Ritus innerhalb der westlichen Gesellschaft - die Hilfe von UNICEF wird als bedingungslos richtig wahrgenommen; Hilfe für greise Bürgerkriegsopfer wird hingegen oftmals kritischer betrachtet, gerade auch dann, wenn es sich um Zivilisten auf Seiten politischer oder ideologischer Kontrahenten handelt. Sich bedürftigen Kindern zu widmen ist wahrlich eine noble Aufgabe - Bedürftige aber in Altersklassen zu kategorisieren, das ist so unehrenhaft wie unmoralisch. Gelegentlich macht ein moralisches Gedankenexperiment die Runde: "In einem brennenden Haus sitzt ein Sechsjähriger und ein Achtzigjähriger - die Zeit reicht aber nur, um einen von beiden zu retten: für wen entscheiden Sie sich?" Die Mehrheit griffe sich das Kind, mit dem Argument, der Greis hätte bereits ein Leben besessen - aber das ist unter den Aspekten der Ethik Unfug. Beide stellen, um es mit Albert Schweitzer zu sagen, Leben dar, das leben will; sich gegen das Leben zu entscheiden, egal wie alt es ist, es ist immer eine ethisch problematische Entscheidung. Der finale Rettungabschuss von entführten Flugzeugen, den das Bundesverfassungsgericht als nicht mit dem Grundgesetz vereinbar wertete, ist unter diesen ethischen Gesichtspunkten zu verstehen. Leben kann nämlich nicht gegeneinander aufgewogen werden; das Kind im Feuer hat denselben Lebenswillen und damit dasselbe Lebensrecht wie der Greis - der Greis würde niemals aus dem Feuer herausrufen, man möge den Knaben retten, er habe ja bereits genug gelebt. Ein solches Szenario eines brennenden Hauses mit seinen bemitleidenswerten Insassen ist keine Situation, in die man sich hineinwünschte, denn es ist eine Situation, in der man nicht rational entscheiden kann - und es ist immer eine Situation, in der das Leben so oder so verliert.
Die Entscheidung der Mehrheit, das Kind zu retten, atmet die Weltanschauung, wonach es würdigere Opfer gibt als andere. Opfer oder Notleidender ist nie gleich Opfer oder Notleidender - es gibt Attribute, die man berücksichtigt. Besonders eklatant zeigt sich die Diskrepanz bei der Opferbewertung immer dann, wenn emotionalisiert von Verbrechen an Kindern berichtet wird - der Ausfall Til Schweigers in einer abendlichen Talkshow ist geradezu ein Präzedenzfall dafür, wie man Verbrechen an Kindern, die selbstverständlich bestraft gehören, für gravierender und schwerwiegender erachtet, als Verbrechen an anderen gesellschaftlichen Gruppen. Jemand, der Kindern dergleichen antut, so entblödete sich Schweiger nicht zu fordern, solle keine Rechte mehr besitzen - alles andere sei deutsches Gutmenschentum, was ihn nebenbei sehr ankotze. Man lasse mal beiseite, wie ähnlich solcherlei Forderungen denen sind, die man auch in der NPD vernehmen kann, und man lasse auch beiseite, wie weit es bei so einer Forderung noch zur Todesstrafe ist: es geht auch hier explizit um Verbrechen an Kindern, die laut angeklagt werden, während die Anklagefreudigkeit immer dann wesentlich zurückhaltender wird, wenn die Opfer beispielsweise erwachsene Ausländer oder aufreizende Frauen sind - bei Senioren, die geschlagen werden, wütet die Öffentlichkeit dann schon wieder eher: denn auch der Greis ist zuweilen hilflos und daher jemand, der würdiger ist, bedauert und verteidigt zu werden. Doch nicht zu laut, denn Kinder sind unsere Zukunft, Greise aber nur unnütze Esser!
Nadja Auermann möchte ein Gesetz gegen Kinder-Models, wie sie es nennt; Til Schweiger möchte Personen, die Kinder missbrauchen, die Bürgerrechte aberkennen; Audrey Hepburn stritt für die hungernden Kinder der Welt. Keine Frage, leidende, missbrauchte, ökonomisch verheizte Kinder benötigen dringend Solidarität und unkomplizierte Hilfe; und wer Kinder auf solcherlei Weise belästigt, gehört bestraft. Das Primat, das da heißt "Kinder sind besonders hilflos!", ist aber nicht mehr als emotionalisierte Effekthascherei, ist das, was Schweiger auf Seiten derer, die die Resozialisierung gemeinhin für ein hohes und demokratisches Gut halten, wittert: nämlich Gutmenschentum. Ist denn ein erwachsener Mann, der wochenlang kaum etwas gegessen hat, unterernährt ist, nicht auch besonders hilflos? Oder ein erwachsener Soldat, dem man androht, man würde seine Familie töten, wenn er desertiert - ist der nicht ohnmächtig wie ein Kindsoldat auch?
Die Unterscheidung zwischen würdigen und unwürdigen Personenkreisen, die Hilfe benötigen, sie ist die Spielwiese der karitativen Selbstdarsteller aus Politik und Wirtschaft, Kunst und Kultur. Es brauchen nicht Kinder besondere Hilfe - Menschen in Notsituationen brauchen besondere Hilfe! Menschen im Allgemeinen, ohne Rücksicht auf ihr Alter! Man muß es ganz gezielt universalistischer formulieren! Das Kind leidet nicht mehr als ein Erwachsener leidet. Leise schwingt da ein verklärter Romantizismus mit, wonach das Kind eine besonders reine Seele habe - und aus diesem Romantizismus wird schnell christlicher Eifer, wenn man nämlich schlussfolgert, dass reine Kinderseelen immer den Vorzug haben sollten vor den Tiefen verunreinigter Erwachsenenseelen...
26 Kommentare:
Ein Kind, das sexuell missbraucht wurde, leidet ein ganzes Leben bis ins hohe Alter, bis zu seinem Tod. Wehe den Erwachsenen, die sich später öffentlich als Opfer sexuellen Missbrauchs in der Kindheit outen. Sie könnten sehr schnell gesellschaftlich als Täter gebrandmarkt werden da eben kein Kind mehr.
Die Heuchelei in dieser Gesellschaft gut auf den Punkt gebracht!
Es ist der erbarmungslose, alles durchdringende Leistungsgedanke, das Nützlichkeitsdenken, welches diese Gesellschaft immer weiter zerstört. Wer Dienstag abend (21 Uhr!) die erste Folge von 'Deutschland unter Druck' gesehen hat, durfte erleben, wie schon 5-jährige auf Leistung getrimmt werden. Dabei ist klar, dass bei dieser Reise nach Jerusalem nur für die fittesten Stühle da sind, die mit dem Verlust von Kindkeit und jugendlichem Burn-out bezahlt werden. In dem Beitrag wurde von einm 17-jährigen berichtet, dessen Eltern in seine Ausbildung eine Viertel Millon 'investiert' haben! Wem diese Summe fehlt, wird bei steigender Arbeitszeit und immer höherer Produktivität in das Strafbatallion der 'Faulen und Leistungsverweigerer' gesteckt.
Das Aufwiegen der Lebenswertigkeit verschiedener Bevölkerungsgruppen liegt in der Luft. Das Thema gibt es schon länger und wird zunehmend in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft umgesetzt.
Henry Kissinger hat wohl in seinem Memorandum 200 das Thema unter dem Begriff 'Triage' behandelt. Der Begriff kommt aus dem militärischen Bereich und es geht darum, die einen zu opfern, um andere zu retten.
Hollywood hat sich des Themas jetzt auch schon ganz unverhohlen angenommenin einem neuen Spielfilm, der sogar 'Triage' heißt und der diese Denkweise, dass man nunmal manchmal Leben opfern muss, offensichtlich in den Köpfen der Zuschauer implementieren soll.
Anschauungsmaterial sind ein kurdischer Arzt, der im Kriegsgebiet Schwerverletzte erschoss, weil er sie nicht behandeln konnte, und ein britischer Fotograph, der seinen Kollegen zurücklassen musste, um sein eigenes Leben zu retten (der Kurde kam allerdings in der Darstellung gar nicht gut weg, bei dem Fotographen nahmen wir als Zuschauer Anteil...)
Durch den Titel des Films ('Triage') werden tragische Einzelschicksale gleichgesetzt mit Entscheidungen, die man auf hohen Regierungsebenen trifft, und die dann sehr, sehr viele Menschen betreffen werden. Ich nehme mal an, dass man wahrscheinlich am ehesten die retten wird, die man als Arbeitskräfte noch brauchen kann.
Ich wage nicht, darüber nachzudenken, was da wohl noch auf uns zukommt...
Besonders widerlich die alljährliche Bettelei von sog. Prominenten in der Vorweihnachtszeit. Da kann man sich wunderbar selber feiern, und das mittels GEZ-Gebühren.
Derweil stehen in diesem Land Menschen an über 900 Tafeln nach Lebensmitteln an.
Ein Hauch von Wildwestromantik, tief in die Herzen der TV-Konsumenten gegraben. Frauen und Kinder zuerst ;-)
Karl Dutz hatte nicht ganz unrecht. Und auch Ulrike Herrmann neigt generell zum separierten Aussortieren von Problemen.
Die Mehrheit der Bürger weiß genau, dass ihr Risiko äußerst begrenzt ist, jemals in die Hartz-IV-Regionen abzurutschen. Lange arbeitslos sind vor allem Bildungsverlierer, Migranten und Ostdeutsche.
Sie träumt immer noch.
Kindern helfen zu wollen und gleichzeitig deren Eltern zu drangsalieren ist wirklich widersprüchlich wie nur sonst etwas. Wie kann es jemanden wundern, dass Kinder deren Eltern Tranfsers beziehen schlechtere Noten mit nach Hause bringen als ihre Altersgenossen. Lebensverdruss steckt an. Sorgen und Missmut schlagen durch. Sorgen der Eltern werden unmittelbar zu Sorgen der Kinder. Kinder aus armen Familien wissen i.d.R. erschreckend genau über die wenig erfreulichen Finanzen ihrer Eltern bescheid. Da hat man andere Sorgen als das nächste Testat. Und vor allem auch darum vererbt sich der soziale Status, weil wer die Eltern kleinhält, gleiches auch mit den Kindern tut. Gene muss hier niemand ins Feld führen. Wer den Kindern helfen will, muss zwangsläufig der gesamten Familie unter die Arme greifen oder aber zugeben, dass ihm eigentlich auch der Nachwuchs egal ist.
Seltsam, dass Kinder die erschrekcend genau um die klammen Kassen ihrer Eltern wissen, schlechtere Noten schreiben. Man könnte meinen, die hätten andere Sorgen als ihre Altersgenossen... Aber nein, natürlich kann sich jedes Kind gleich gut entfalten. Wer nicht der gesamten familie unter die Arme greift, aber davon spricht, den Kindern helfen zu wollen, ist ein Heuchler.
Die Ansicht, Kinder hätten eine besonders reine Seele, ist zutiefst epochen- und kulturspezifisch für das moderne westliche Bürgertum. Ethnologisch kann in anderen Kulturen genau die umgekehrte Ansicht nachgewiesen werden: Kinder hätten eine besonders schmutzige Seele, weil sie die soziale Moral der Erwachsenen noch nicht internalisiert haben. Und wer die seelischen Grausamkeiten mit ansieht (oder sich wenigstens selbst noch daran erinnert), die Kinder sich mitunter gegenseitig antun, und das ohne das geringste Unrechtsbewusstsein, ist kraft Vernunft eigentlich zur Annahme der zweiten Ansicht genötigt.
Mit dem Widerspruch dieser zwei Ansichten hat oft das Personal von Kindergärten zu kämpfen: Für die bürgerlichen Eltern einer Kleinstfamilie ist ihr Kind epistemologisch a priori ein Engel, und infolge dieser fetischistischen Verblendung ist es dem Personal oft nicht möglich, auch eine extrem offensichtlich von diesem Kind ausgehende Tyrannei zu problematisieren und zu beenden. In arrogantem bürgerlichem Warenfetischismus gegenüber der Ware Arbeit wird dann elterlicherseits dem „unfähigen“ Personal die Alleinschuld am offensichtlichen Problem zugewiesen.
ulrike herrmann und die taz - nun ja bild für grüne und so sollte man auch ihren artikel werten.
und die verlogenheit der "kinder"diskussion -da haben wir ja unsere leidensursel, die diese litanei perfekt beherrscht.
da werden arme gnadenlos noch ärmer gemacht, und weil dann dank defekter waschmaschine oder fehlender winterbekleidung nur noch der gammelfraß der tafeln auf den tisch kommt - und auch der nur, wenn die hartzfamily in stadtnähe ansässig ist, sonst gibts gar nix auffn tisch, - und selbstverständlich auch sonst kein cent für "irgendwelches bildungsmaterial" wie bücher etc. übrig ist, dann wird diesen armen kindern durch diese widerwärtige alte auch noch der "judenstern" bildungsgutschein angeheftet.
arme familien haben nun einmal arme kinder, und wer das leugnet oder diese dann auch noch stigmatisiert, der ist wirklich widerlich.
divide et impera funktioniert meistens. So auch bei jenen Klassen, Ethnien, Generationen und deren Kombinationen, die selbst unorganisiert sind und keine Stimme im Öffentlichen haben. Es funktioniert dort eigentlich am besten, weil die materiellen und symbolischen Voraussetzungen dafür fehlen. So sind sie dem Be-Greifen jener ausgesetzt, die diese Vorausetzungen haben. Der Schauspieler hat Geld und Berühmtheit, aber keine Bildung. Er wüßte dann auch, dass 90 % des Missbrauchs im trauten Familienumfeld geschehen und nicht durch illustre, einzelgängerische Lustmölche, die das Land nach kleinen Kindern abgrasen. Die Kinder werden gefickt in Vorzeigefamilien. (Man könnte beim Schauspieler fragen, was er mit seinen Kindern macht: gleich einem Religionsbekenntnis entscheidet der Vater im Kleinkindalter, welchen Beruf sein Kind zu erlernen hat: Schauspielerei. Und wieviel Geld er damit verdient.)
Die würdigen Armen passen sehr gut in jene Denkerkreise hinein, die letzthin gemeint haben, alles spiele sich im Diskurs ab. Der würdige Arme ist voll anerkannt, er erhält quer durch volles Lob, er kann sich blicken lassen, der Reiche identifiziert sich mit ihm, er findet in ihm seinesgleichen, der würdige Arme kann Stolz sein ob des erhaltenen Ritterschlages. Der Rest liegt in der Zukunft: es wird schon werden, des Leben ist hart, da gesteht sogar der Reiche in, dass er am Ende einfach Glück gehabt hat und der würdige Arme halt Unglück. Die Welt ist hier in Ordnung gekommen. Die gröbsten Ungerechtigkeiten sind getilgt. Das Materielle, naja, wer wird da noch herumreiten, es geht doch allen gut. Man kann nicht alles haben.
Der würdige Arme wird symbolisch und gefühslmäßig an seine Entwürdiger gebunden, indem man in seine Wunden gerade genug Heilsalbe schmiert, dass er gerade genug Zufriedenheit erfahren kann, um ja nicht auf die Idee zu kommen, Ernst zu werden. Genieße den Moment. Er ist flüchtig, Befriedigung ist seltenm vertue sie nicht, fordere das Unglück nicht heraus. Was will ich mehr Befridigung, wo ich doch überhaupt eine habe. Mehr Befriedigung, nein Danke. Das zarte Gefüge des Schicksals nicht ins wanken bringen,was man hat, das hat man. Realitätskunde. Man glaubt sich selbst nicht, man meinte, Arbeit führe zu Genuss, nein, viel, viel Arbeit führt zu kleinem Genuss. Der Hochleister wird übergroß, er ist der Mächtige, Arbeit führt bei ihm zu viel viel Genuss. Er muss ein Gott sein, ich ein Tier.
@Fleur
Tja ich fürchte, dass man für eben diese Situation schon bald eine Lösung aus dem Hut zaubert. Den unwürdigen Opfern "sprich Eltern" wird einfach das Sorgerecht entzogen um die armen Kinder zu schützen. Die Idee ist nicht neu und geistert bestimmt noch in irgendwelchen Schubladen herum.
TaiFei
Dein Artikel macht sehr deutlich, dass es sich bei der ständig praktizierten Unterscheidung zwischen den der Hilfe würdigen - und den der Hilfe unwürdigen Personenkreisen, um nichts anderes handelt als Faschismus.
So widerlich dieses Treiben!
Diana
Guttenberg der Freund der Kinder.
Der Ausschuß darf Kanonenfutter werden.
http://www.stern.de/politik/bundeswehr-will-geringqualifizierte-anwerben-1654122.html
Guttenberg muß weg.
1. Ulrike Herrmann habe ich nur beschreibend, nicht bewertend und aufteilend gelesen und verstanden
(Stichwort: Hören mit 4 Ohren.)
2. Til Schweiger und die für arme Kinder Spenden Sammelnden posaunen aus purem Eigennutz:
- aus Imagegründen
- um auf andere Art Applaus und Anerkennung zu erhalten, wenn er im Hauptberuf abnimmt,
- um die Alimente für die eigenen
Kids zu sponsorn (via TV-Honorare)
- um bessere Absetzungsmöglichkeiten
bei der Steuer zu haben
- um neue Kontakte für Aufträge zu knüpfen (z. B. Werbung)
- um davon abzulenken, dass sie u. U. selber bald zum Amt müssten
- um PoltikerInnen und Wirtschaftsleute kennenzulernen, die z. B. bei ARD und ZDF & Co. in höheren Gremien sitzen
- wiel sie sich in den Phasen ihrer Drehpausen selber nicht aushalten
- usw..
Und das ist alles erst der Anfang. Das was uns in einigen Jahren erwartet, wird uns mit Wohlwollen zurückblicken lassen, wenn nicht bald etwas passiert. Wenn man einmal richtig nachdenkt, ist es eigentlich unverantwortlich, dem Kinde gegenüber, es in diese marode Gesellschaft zu setzen.Schlimm so etwas von seinem Heimatland sagen zu müssen.
Sehr schön, wie hier darauf hingewiesen wird, dass es Opfer zweierlei Würde nicht geben sollte und dass das Gerede von würdigen und unwürdigen Armen unehrenhaft und unmoralisch ist. Von würdigen und unwürdigen Armen bis zu würdigem und unwürdigen Leben besteht vielleicht nur ein schmaler Grad. Leben darf nicht gegeneinander aufgewogen werden. Das ist auch die Hauptaussage des berühmten Weichenstellerurteiles des Bundesgerichtshofes. Ein Zug fährt auf einem Gleis, das beschädigt ist. Wenn der Zug weiterhin auf diesem
Gleis fährt, wird es zu einer Katastrophe kommen, bei der viele Insassen des Zuges sterben werden.
Aufgrund dieser Sachlage stellt der Beamte eine Weiche um, was dazu führt, dass der Zug auf
ein anderes Gleis gelenkt wird, an dem gerade zwei Streckenarbeiter einen Schaden reparieren.
Die Streckenarbeiter kommen infolge der Weichenumstellung ums Leben.
@landbewohner 11:59
ulrike herrmann und die taz - nun ja bild für Grüne ....
Du sprichst mir sowas von aus dem Herzen .... ;-)
Als Christ ist das alles kein Thema, da wird dieser Unterschied zumindest bei weitem nicht in dem Maße gemacht, wie sonst in der Gesellschaft.
Wären doch nur alle Christen geblieben. Das hat die Postmoderne nun davon.
Seelsorge, Suppenküchen, Wohn- und sonstiges Sachmaterial sowieso Hilfe bei der Arbeitssuche sind da für Erwachsene selbstverständlich.
Stimmiger Artikel. Die Kinderheulsusen in dem bekannten Kölner Forum haben mich sogar gesperrt, als ich vor eineinhalb Jahren auf den Mißstand hinwies. Dieser Artikel sollte von dessem Leiter, Herrn M.B., endlich auch begriffen werden (habe aber keine diesbezügliche Hoffnung.
gez. Braunes Hartz.
betrifft Posting des Anonym vom 16. Februar 2011 00:57:
Was Sie hier vertreten ist nicht Würde und schon gar nicht Christentum, eher die Ableistung einer Pflicht, mit der man meint, sein Seelenheil "erkaufen" zu können, Leute ihresgleichen nennen es ja geradezu die ChristenPFLICHT". Hat man diese pflichtgemäß abgeleistet, ist die Geschichte erledigt, der soziale Bezug fehlt vollständig. Würde definiert sich in unserer Gesellschaft über das Vermögen, frei mit dem Mittel des Geldes über seine Bedürfnisse entscheiden zu können. Wir leben nicht in einer Welt der permanenten Erdbebenopfer, in der eine unmittelbare Erstversorgung mit Sachleistungen lebensnotwendig und dadurch würdeerhaltend ist, da sie erst mal überhaupt das Weiterleben ermöglicht. Ihr propagiertes Tafel-, Sachleistungs- und Hilfe-zur-Arbeit Denken ist außerhalb einer erstversorgerischen Katastrophensituation menschenverachtend. Sie stellen sich mit diesem verächtlichen Tafeldenken hinter den neoliberalen Schichtenkrieg gegen die Armen, indem sie mit Ihrer Sachleistungsideologie den Sozialstaat von der Pflicht zur Geldleistung entbinden, den Wohlhabenden Steuergeld ersparen und die Armen zu archaischen Almosenempfängern, zu "Brotkrumenauflesern von des Reichen Tisch" machen. DAS ist in einer Geldgesellschaft würdelos. Bleiben Sie bitte mit Ihrer alttestamentarischen Christenpflicht da wo Sie hingehören - im alten Testament - und erkennen Sie bitte die sogenannten Tafeln als perfiden Angriff des Teufels gegen den Sozialstaat und die Bedürftigen. Betreiben Sie Ihr Christengeschäft sonstwo, meinetwegen in Afrika oder im Andromedanebel.
gez. Braunes Hartz.
Zwischen würdigen und unwürdigen Personenkreisen unterscheiden zu wollen, die Hilfe benötigen, zeugt nur von der Unwürdigkeit der Unterscheidenden.
@ Anonym, 16.2.11 - 10:40 Uhr:
Hm!!
Was müssten die christlichen (bzw. kirchlichen) HelferInnen in sich spüren und aushalten, wenn sie nicht mehr milde Gaben an von ihnen definierte Bedürftige verteilen könnten/ dürften!?
Mit dieser Art Hilfe wird die sog. Bedürftigkeit nur aufrecht erhalten.
Vielleicht sind immer mehr Menschen hie wie dort wirklich bedürftig, weil Christen (und andere kirchliche VertreterInnen) mit einem Teil ihrer Persönlichkeit ordentliche Erwerbsarbeitsplätze abbauen, Leiharbeit einführen, um weiter ihre Prämien zu kassieren.
Und mit dem anderen Teil ihrer gespaltenen, aber als ach so normal angesehenen Persönlichkeit verteilen sie (oder ihre mit ihnen im Geiste verbundene familiäre Verwandschaft)milde Gaben, nehmen tageweise Kinder von Archen als Gasteltern auf, behelfen Tafeln,sponsern diesen Lieferwagen für die die oft verwesten "Lebensmittel" - natürlich mit dem Firmenlogo drauf, usw. und lassen das auch noch schön in/ von der (christlichen Hof)Presse kundtun.
Christliche (und andere kirchliche) Umarmungen können so unsagbar erdrückend, mitunter tödlich sein - siehe die neue Berufsarmee, die es ganz christlich (wir leben ja nach Aussage vieler PolitikInnen unter christlichen Werten) Schulabbrechern & Co. ermöglichen soll, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen ... bis dieser ihnen in christlichen (kirchlichen) Wirtschaftskriegen für's christliche Vaterland abgeschossen wird. Beschlossen von christlichen Parteien.
Das Schlimme und die eigentliche Ursache ist die Heuchelei vor sich selbst, in sich selbt.
Irgendwann müssen sie von der Kanzel runter und dann selber auch im Schlamm waten. Dann viel Spaß bei den "herzlich" umarmenden Tafeln mit ihren nicht selten vermoderten "Lebens"mitteln, die die Supermärkte kostentechnisch nicht mehr ent-sorgen müssen ... und damit wiederum die eigenen Prämienzahlungen sicherstellen.
Bloß nicht an die Ursachen ran, sondern immer schön an den Symptomen rumdoktern.
Braunes Hartz und mein anonymer Vorposter:
Das Wort "Seelsorge" haben Sie doch offenbar überlesen in meiner Anmerkung vom 16. Februar 2011 00:57.
Warum unterstellen Sie, dass man nicht mit dem Herzen dabei sein kann bei diesen von mir angeführten Hilfen?
anonym vom 20. Februar 2011 18:30.
das muss aber ein sehr enges Herz sein, was sich an der Verfütterung von Speiseresten an Bedürftige erbaut (von Resten, die z.T.nicht einmal zur Tiermast zugelassen sind). Oder ihnen herablassend
»Lebensberatung« gewährt …
Na, und Ihre Seelsorge ist doch auch nur eine voraufklärerische Form von Gehirnwäsche – Mann Gottes, Sie sind nicht zufällig
ein Wiedergänger??
Vielleicht treffen hier nicht Oberflächliche auf Nachdenkliche sondern bloß Eltern auf Kinderlose. Als nachdenklicher bewußter Kinderloser war mir schon Grönemeyers "Kinder an die Macht" ein Gräuel. Das bedeutet aber keine Hinwendung zu GreisInnen und keinen Einsatz für deren Belange. Mein Prinzip ist stattdessen: "Nichts mit Menschen". Lieber setze ich mich für Denkmalschutz ein.
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