Eine feste Burg...

Montag, 21. Februar 2011

Da haben sie allesamt, diese Europäer, in Afrika gespielt, haben sich den schwarzen Kontinent in Scheibchen geschnitten, gegenseitig die herausgetrennten Stücke zugeschustert und abgeluchst, sich als Kolonialmächte zu Weltruhm geleiten lassen - und nun wollen sie von Afrika nichts mehr wissen. Damals, als ihnen Afrika noch am Herzen lag, da nannten sie sich noch nicht "EU", die Briten, Franzosen, Spanier, Italiener, Belgier, Portugiesen und Deutschen. Jetzt nennen sie sich so und glauben tatsächlich, sie könnten unter dem Namen, unter dem sie nun firmieren, allerlei historische Verantwortlichkeit von sich weisen.

Man habe doch die Kolonien aus ihrem Status entlassen, entschuldigen sie sich. In die Unabhängigkeit entlassen, schieben sie dann nach. Dabei war es ein Wechsel des Jochs - der Kolonialherr war irgendwann nach dem Zweiten Weltkrieg aus der Mode; er legte Gerte und Tropenhelm ab, warf sich in einen flotten Anzug mit Binder, nannte sich fortan Geschäftsmann oder Manager und trieb sein Unwesen nicht mehr mit der mitgebrachten Armee aus seiner Heimat, sondern kaufte sich Armeen vor Ort. Unabhängigkeit bedeutete häufig nur, dass man etwaige afrikanische Regimes stützte, sie mit Waffen belieferte, Volksaufstände durch sie unterdrücken ließ, damit auch weiterhin in aller Seelenruhe Erdöl, Diamanten, Gold oder Kakao zu Selbstkostenpreisen an- oder abgebaut werden kann. Unabhängigkeit nach dem kolonialen Zeitalter hieß auch, dass afrikanische Eliten fortan unabhängig unterjochen und unterdrücken durften - die europäischen Herrn, sie gaben nur hie und da Ratschläge und sorgten dafür, dass der ganze Zirkus, der nun antikolonial betrieben wurde, hinter einem freundlichen Anstrich verschwand.

Nun flüchten Nordafrikaner in großer Zahl über das Mittelmeer und die "Festung Europa" wird abermals zum Schlagwort. Sich aus der Verantwortung stehlen, so ließe sich "Festung Europa" auch übersetzen. Erst einen Kontinent kirre machen, alle sozialen Gefüge und Systeme aushöhlen, absorbieren, zerschlagen, Volksstämme gegeneinander aufhetzen, sie ihres Landes berauben, sie zu verschleppen, sie in Kriege zu schicken, die sie nie etwas angingen, ihnen eine Kultur aufzwängen, die heute noch einen bizarren Synkretismus aus Moderne und Kult, Wissenschaftlichkeit und Aberglaube befördert - und danach den Kontinent liegenlassen, ihn aus der Ferne steuern und lenken, ihn sich weiterhin gefügig und mittels Schuldknechtschaft an der kurzen Leine halten. Und dann käme erneut ein Augenblick, der Europa Verantwortung abnötigte und die einzelnen Nationen winken ab und sagen: Wir nicht, wir haben schon genug Asylanten! Und überhaupt, wir lassen aus Berlin, London und Paris unsere besten Unternehmen dorthin ausschwärmen - dann haben wir eine Win-win-Situation: unsere Unternehmen stellen billigst her und die Leute dort sind beschäftigt, sind in Lohn und... "Brot" sagen sie dann schon nicht mehr, damit es nicht allzu lächerlich wird.

Das Outsourcen der Verantwortlichkeit, wenigstens der Mitverantwortlichkeit, ist ja nichts, was nun als Erkenntnis reifte, da Nußschalen aus Tunesien oder Ägypten herüberschwappten. Man ist darin geübt. Das geht damit los, das die profanen Staatsregierungen Europas und deren Vasallen von Print und Broadcast, die Schuld wegen der Ausbreitung des HI-Virus, alleine der katholischen Kirche und ihrem päpstlichen Hardliner in die Schuhe schieben wollen - dass die weltlichen Kolonialherren einst große Stücke auf das Christentum hielten, weil es im Kern die Lehre der Zähmung und Zufriedenstellung ist, wird nicht als Wahrheit erachtet, die ein Stück Mitverantwortlichkeit bereithielte. Hält dann der Völkermord Einzug, wie damals in Ruanda, wo sich zwei Volksgruppen gegenüberstanden, die einst von den Europäern gegeneinander ausgespielt wurden, dann berät sich Europa und die Welt wochenlang darüber - nicht darüber, Entsatztruppen zu senden: nein, darüber wann ein Völkermord ein Völkermord ist! Denn wäre es keiner, würde man ja vielleicht ganz verfrüht Hilfe senden...

Afrika ist nur als Wirtschaftsfaktor spannend; Afrikaner nur als billige Arbeitskräfte und als Kunden und Käufer irgendwelchen zivilisatorischen Schnickschnacks. Arbeitskräfte billiger Art hat man in Europa zunehmend selbst; Kunden ohnehin - daher zieht man die Festung hoch, installiert noch mehr Zäune und sorgt dafür, dass noch mehr Flüchtlinge im ungemütlichen Wellengang und bei schöner mediterraner Brise ersaufen. Eine fest Burg ist unser Gott! Unser Gott Profit, unser Gott freier Markt, unser Gott Ausbeutung! Man macht die Schotten dicht und bastelt zeitgleich an der Beschneidung etwaiger Freiheitsrechte innerhalb Europas: denn zur Festungsmentalität gehört auch, dass sich die Insassen der Festung eingesperrt und ihrer Freiheit beraubt fühlen, erschlagen von dicken, grauen Mauern. Dass diejenigen, die an die Mauern klopfen, letztlich auch Produkte einer großmannssüchtigen Politik Europas sind, Produkte von Verwerfungen, die die europäischen Gesellschaften seit vielen Jahrzehnten in Afrika verursacht haben, wird innerhalb der Festung nicht laut ausgesprochen... warum auch? Denn die Festungsinsassen müssen ja gegen die Festungsstürmer in Stellung gebracht werden.



16 Kommentare:

Anonym 21. Februar 2011 um 09:14  

Lieber Roberto,

dass es so ist wie du es beschreibst, das wusste ich spätestens
seitdem ich das neueste Wek des Insiders Jean Ziegler gelesen habe.

Ohne dieses Buch gelesen zu haben, wäre es mir wohl schwer gefallen, deinen Worten Glaube zu schenken.

Danke für deine nochmalige Augenöffnung.

Liebe Güße

Rainer

Anonym 21. Februar 2011 um 09:17  

In diesem Zusammenhang ein interessanter etwas älterer Artikel:

Pierre Hillard zur geplanten Neuordnung des Nahen und Mittleren Ostens inkl. Nordafrika

Neuordnung des Nahen und Mittleren Ostens

Anonym 21. Februar 2011 um 09:29  

Die BRD als Nachfolge des Deutschen Reiches hatte nie Kolonien in Afrika. Frankreich und GB haben HEUTE noch Kolonien, und dass trotz der EU, ein Witz!
Auf den "Nachdenkseiten" läßt sich momentan ein Palast in Afrika bewundern.
Die Menschen dort sollten ihr Schicksal zur Abwechslung mal selber in die Hand nehmen, vielleicht klappt es ja jetzt mit Chinas Hilfe.Zumindest für die mit Bodenschätzen, den anderen ergeht es so wie uns in naher Zukunft...

Anonym 21. Februar 2011 um 09:41  

"Unabhängigkeit bedeutete häufig nur, dass man etwaige afrikanische Regimes stützte, sie mit Waffen belieferte, Volksaufstände durch sie unterdrücken ließ, damit auch weiterhin in aller Seelenruhe Erdöl, Diamanten, Gold oder Kakao zu Selbstkostenpreisen an- oder abgebaut werden kann."

Und damit das so bleibt, schreiben lili Blogger Jubelartikel über die deutsche Kriegsmarine und ihre charakterliche Prägung von Soldaten. Du weisst, wen ich meine. Und da es einer Deiner besten Freunde ist, wird dieser Text nicht freigeschaltet. Danke. Wollte ich auch nur mal sagen, um Eure Heuchelei und Widersprüchlichkeit vorzuführen.

ad sinistram 21. Februar 2011 um 09:49  

Einer meiner besten Freunde? Was will hier mancher über mich und etwaige beste Freunde wissen?
Lachhaft!

Anonym 21. Februar 2011 um 12:21  

@Roberto J. de Lapuente

Danke für diesen Text.

Er spricht mir aus der Seele.

Übrigens Noah Sow, eine schwarze Deutsche, schreibt in einem hochaktuellen Buch auch woher die Vorurteile der Deutschen gegen Schwarzafrikaner stammen:

Aus der Kolonialzeit.

So ist das bekannte Kinderlied für sie schon immer rassistisch gewesen.

Welches?

"[...]Zehn kleine Negerlein....[...]"

Noah Sow meint man sollte einmal "[...]Zehn kleine Weißbrötlein...[...]" einsetzen.

Da wird rasch klar, dass bekannte Kindergartenlied ist ein Relikt aus Deutschlands Kaiserzeit, und höchst kolonialistisch-rassistisch, dass manche auch im 21. Jahrhundert Kleinkindern vorsummen.

Vielleicht waren unsere PolitikerInnen, und Wirtschaftsbosse, einmal in solchen Kindergärten?

Gruß
Bernie

Daniel Limberger 21. Februar 2011 um 12:27  

Lieber Roberto,

ich möchte Dir meine uneingeschränkte Zustimmung zu diesem Beitrag geben. Lediglich als Ergänzung und Erweiterung sei an dieser Stelle auf einen Hörtipp verwiesen - einen Vortrag von Donnerstag vor vier Tagen, der sich mit den Aufständen in Nordafrika und im arabischen Raum befasst:

- „Tunesien, Ägypten – Revolution in unseren arabischen Diktaturen“ (Dr. Peter Decker, Nürnberg, Do., 17.02.2011) > http://doku.argudiss.de/data/11_02/aegypten_nbg_0211_ges.mp3

Liebe Grüßle

Daniel

Anonym 21. Februar 2011 um 14:59  

Sehr gut auf den Punkt gebracht, diesen ganzen nun schon seit Jahrzehnten andauernden widerlichen Neokolonialismus mit allen seinen verheerenden gesellschaftlichen Folgen für die meisten Menschen in diesen Ländern.
Doch Ignoranz und Zynismus in der "öffentlichen Meinung" der meisten "westlichen Demokratien" verdrängen diese Fakten mit einer wahren Meisterschaft.
Irgendwie sind "die dort unten" ja "selber schuld" mit ihren "mangelnden Demokratien", einem Mangel, der mit "unseren Demokratien" ganz selbstverständlich überhaupt nichts zu tun hat..., "günstiger" Tee und Kaffee, "günstiger" Fisch, "günstige" Südfrüchte aller Art, "günstige" Rohstoffe", demnächst "günstige" Bio-Treibstoffe..., das alles "für uns"...., wie könnten wir ihnen denn noch besser "helfen"? ....
Ganz aktuell: Elfenbeinküste!

MfG Bakunin

Matze 21. Februar 2011 um 15:28  

Roberto, du kannst dem Himmel danken, dass du in Deutschland und in Europa lebst, wo Menschenrechte und Demokratie vergleichsweise hoch angesehen sind. In praktisch jedem anderen Land oder auf einem anderen Kontinent würdest du doch an deinem Gift und deiner Galle über die Zustände dort ersticken, die du gar nicht so schnell rauslassen könntest (das Gift und die Galle), wie sie sich neu bilden...

Anonym 21. Februar 2011 um 15:29  

Hallo,

auf www.campact.de läuft eine Aktion gegen Gendreck.
Die EU-Kommission will Futtermittel erlauben, die mit Bestandteilen illegaler Genpflanzen verunreinigt ist. Morgen wird voraussichtlich entschieden-und Deutschlands Stimme ist ausschlaggebend. Fordert von Ilse Aigner, dass deutschland gegen die Pläne der Kommission stimmt.
Bitte weitersagen.

Anonym 21. Februar 2011 um 18:06  

@Matze

Die Zustände haben aber die "Demokratien" mit entwickelt, die du Roberto ankreiden willst.

Mit "Gift und Galle" hat das alles nichts zu tun.

Übrigens auch mich ekelt die neoliberal-markttaliban Doppelmoral nur noch an.

Obwohl? War das nicht immer so? Nicht einmal auf heutige Zustände in Nordafrika, und dem nahen Osten bezogen?

Wer hat den bei Franco fleißig Urlaub gemacht, während tausende von Menschen in Massengräbern verschwunden sind - bis zu Francos Tod. Waren das nicht Deutsche?

Waren das nicht ganz genau die Typen Sarrazin & Co., die heute wieder ihren Demokratiefeind, Antisemiten, Sozialdarwinisten und Rassisten raushängen lassen?

Ich würde mich nicht wundern, wenn einmal rauskäme, dass man die Zustände in der Sowjetunion und dem Ostblock als Deutscher durchaus als menschenverachtend angesehen hätte, aber als früher Markttaliban genau in diesen Ländern Urlaub gemacht hätte, wenn nicht sogar in Nordkorea oder im Kambodscha - als die Roten Khmer mordeten.

Deutschen Urlaubern traue ich mittlerweile jede Schweinerei zu, was das Geld ausgeben angeht.

Geht es dir nicht auch so?

Gibt es vielleicht auch beim gleichzeitigen Völkermorden in Ruanda, und dem Sudan, Horror-Touristen?

Mich wundert, seit der Entlarvung der Doppelmoral der neoliberalen "Eliten" in Deutschland rein gar nichts mehr.

Zorniger Gruß
Bernie

Anonym 21. Februar 2011 um 19:17  

Bernie, was soll denn an dem Lied "10 kleine Negerlein" rassistisch sein? Das ist doch der beste Beweis, wie da mit aller Gewalt abstruse Theorien geschmiedet werden. Wenn man statt "Negerlein" "Jungen" gesagt hätte, dann gäbe es wohl Aufregung, dass Jungen dadurch diskriminiert werden könnten?
Das Lied war mir als Kind wohlbekannt, später war ich Sitznachbar und in bester Freundschaft zu dem einzigen Schwarzen auf meiner Schule.

Anonym 21. Februar 2011 um 20:52  

"[...]Bernie, was soll denn an dem Lied "10 kleine Negerlein" rassistisch sein? Das ist doch der beste Beweis, wie da mit aller Gewalt abstruse Theorien geschmiedet werden[...]"

1. "Neger" sagt man nicht mehr, da es "Nigger" ähnelt, und was die "abstrusen Theorien" (Dein Lieblingsargument lieber "anonym"?) angeht, da empfehle ich Dir einen Blick in das Buch von Noah Sow "Deutschland Schwarz Weiß".

"[...]Wenn man statt "Negerlein" "Jungen" gesagt hätte, dann gäbe es wohl Aufregung, dass Jungen dadurch diskriminiert werden könnten?[...]"

Aha?

"[...]Das Lied war mir als Kind wohlbekannt,[...]"

Wohl jedem in Deutschland, aber der rassistische Hintergund erschloß sich mir auch erst nach der Lektüre von "Deutschland Schwarz Weiß".

"[...]später war ich Sitznachbar und in bester Freundschaft zu dem einzigen Schwarzen auf meiner Schule[...]"

Klassisches Argument, um davon abzulenken, dass der "einzigen Schwarze" wohl frei erfunden ist.

Ich könnte auch sagen mein Name ist Michel, und ich wohne auf Lönneberga...*grins*

Gruß
Bernie

Anonym 23. Februar 2011 um 17:25  

Bernie,
1. zu: "Wohl jedem in Deutschland, aber der rassistische Hintergund erschloß sich mir auch erst nach der Lektüre von "Deutschland Schwarz Weiß"."

Dann schreib hier doch kurz ein paar Zeilen dazu, ich wüßte gerne, wie das Lied unterschwellig rassistisch wirkt.

2. Zu: "[...]später war ich Sitznachbar und in bester Freundschaft zu dem einzigen Schwarzen auf meiner Schule[...]"
Klassisches Argument, um davon abzulenken, dass der "einzigen Schwarze" wohl frei erfunden ist.

Es entspricht der Wahrheit und ist auch recherchierbar. Der Vater (aus Ghana stammend und schon lange im Westen lebend) war damals, Anfang der '80er, einer der führenden Herzchirugen in Deutschland. Die Schule ( http://de.wikipedia.org/wiki/Kieler_Gelehrtenschule ) hatte damals etwa 800-900 Schüler, und er war tatsächlich der einzige Schwarze.

Nichts für ungut!

Anonym 25. Februar 2011 um 08:52  

"[...]Dann schreib hier doch kurz ein paar Zeilen dazu, ich wüßte gerne, wie das Lied unterschwellig rassistisch wirkt[...]"

Nö, keine Lust - lies das Buch. Falls Du kein Bock hast dafür Geld auszugeben - aus was für Gründen auch immer - kannste es ja auch ausleihen *grins*

"[...]Es entspricht der Wahrheit und ist auch recherchierbar. Der Vater (aus Ghana stammend und schon lange im Westen lebend) war damals, Anfang der '80er, einer der führenden Herzchirugen in Deutschland. Die Schule ( http://de.wikipedia.org/wiki/Kieler_Gelehrtenschule ) hatte damals etwa 800-900 Schüler, und er war tatsächlich der einzige Schwarze.

Nichts für ungut![...]"

Ja, klar, wer's glaubt wird selig.

Amüsierte Grüße
Bernie

Anonym 25. Februar 2011 um 08:57  

"[...]Nichts für ungut![...]"

Ich saß auch neben dem einzigen Türken in unserer Klasse, aber betone dies nicht extra bei einer Diskussion wo es um Rassismus geht - Eine typisch rechtsextreme Argumentationsstruktur nenne ich so etwas, weil ich aus Erfahrung weiß, dass gerade Rechtsextreme immer wieder - bei Ausländerhaß-Diskussionen - mit hirnrissigen Argumenten gegen Ausländer auftauchen, und kaum ist dies Argument von denen widerlegt kommt dann gleich: "Mein einziger Freund ist Türke, Schwarzer, Jude etc. usf."

Gar nicht drauf eingehen, lieber Bernie, ist die beste Idee auf diese - schon seit Jahren - durchschaute hirnrissige Ausredenstruktur.

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