Keine Randerscheinung. Gesamtkonzept!

Montag, 8. November 2010

Eine Antwort und Fortführung auf "Die eine, die besonders unbeliebte Säule des Islam". Gastbeitrag einer promovierten Islamwissenschaftlerin, die ungenannt bleiben möchte.

Ihr kritischer Blick auf die kapitalistischen "westlichen" Gesellschaften hat Sie, Herr De Lapuente, nun konsequent zu der Erkenntnis geführt, dass es einen bestimmten Grund für die jahrelange Propaganda und zunehmende Hetzjagd gegen Islam und Muslime innerhalb der westlichen Gesellschaften und darüber hinaus geben muss; und tatsächlich besteht dieser Grund in dem anderen Gesellschaftsmodell, das der Islam entwirft. Im Gegensatz zu Religionen wie Christentum, Hinduismus oder Buddhismus beinhaltet der Islam mit seinem Rechtssystem eine Lebensordnung, die alle Aspekte menschlichen - diesseitigen - Handelns leitet. Eine Säkularisierung hat der Islam nie erlebt, weil er sie nicht brauchte. Es ist auch nicht so, dass die Muslime den Islam als umfassende Lebensordnung jemals freiwillig verlassen hätten - wenn wir heute leider beobachten müssen, dass in der Praxis der Gesellschaften der islamischen Welt der Bezug zum Islam kaum über das individuelle und gemeinschaftliche Gebet und Personenstandsangelegenheiten hinausgeht, so ist dies eine direkte Folge des Kolonialismus, der systematisch die islamischen Systeme durch die der kolonialen "Mutterländer" ersetzt hat.

Was die Systeme der islamischen Lebensordnung anbelangt, so sprengt es sicher den Rahmen dieser Zeilen, über sie zu referieren, deshalb möchte ich nur einige Stichpunkte in Bezug auf die ökonomische Seite nennen.

Umverteilung der Reichtümer, das Verbot von Horten, Monopolisieren, Zinsnahme und Spekulation, machen einen wesentlichen Teil des islamischen ökonomischen Systems aus. Als wesentliches Problem des ökonomischen Systems wird nicht, wie im Kapitalismus, die Produktion und immer neue Eroberung von Ressourcen sowie die Erschaffung künstlicher Bedürfnisse betrachtet, das wesentliche Problem ist das der Verteilung – wie wird Reichtum auf eine Art und Weise verteilt, die möglichst vielen Menschen einen akzeptablen Lebensstandard sichert?

Nach dem Hadith des Propheten Muhammad, "Die Menschen sind Teilhaber in drei Dingen; Weidegründe, Wasser und Feuer", lässt sich unter anderem ableiten, dass die Quelle des Feuers (Öl, Gas; ferner Elektrizität im weiteren Sinne) nicht in Privatbesitz konzentriert sein darf, sondern der Gemeinschaft zugute kommen muss. Man denke nur an die enormen Energievorkommen in der islamischen Welt und die Auswirkungen, die es hätte, würden diese der Umma, der weltweiten Gemeinschaft der Muslime, und den Nichtmuslimen in der islamischen Welt zukommen (der Hadith erwähnt "Menschen" im allgemeinen und spezifiziert nicht "Muslime") - sicherlich eine signalrote Karte für Neocons weltweit sowie für ihre Verbündeten, Helfershelfer und Speichellecker auf den Thronen und in den Regierungspalästen der islamischen Welt.

Das ökonomische System des Islam erlaubt Privatbesitz - abgesehen von Gütern und Ressourcen, die im Gemeinschaftsbesitz bleiben müssen - und unterstützt Handel und wirtschaftliche Aktivität durchaus, verbietet aber genau die Verhaltensweisen, die gerade das kapitalistische System zum Wackeln bringen, mit den bekannten Folgen für die Unterprivilegierten weltweit. Zakat (Almosensteuer) hat eine sehr wichtige gesellschaftliche Aufgabe, ist aber nicht die einzige Vermögensabgabe, die Muslime (und zu einem geringeren Teil Nichtmuslime) zu entrichten haben, es gibt ferner Ushr (den Zehnt, erhoben auf landwirtschaftliche Erzeugnisse), den Khumus (oder fünften Teil, erhoben zum Beispiel auf Bodenschätze, Ressourcen, verborgene Schätze, gefundene Güter ohne Besitzer); den Kharaj (eine Bodensteuer, die auf bestimmte Regionen erhoben wird), und andere mehr. All diese Gelder kommen der Gemeinschaft zugute, bestimmte Budgets davon einigen besonders spezifizierten Gruppen von Unterprivilegierten, so wird die Zakat etwa an Arme, Bedürftige, Verschuldete, Reisende (das heißt: Menschen, die sich nicht an ihrem Heimatort befinden) und an die Freilassung von Sklaven (in der Frühzeit des Islam ein sehr wichtiges Signal) verteilt. Die Abgabe, welche Dhimmis entrichten (Jizyah), bleibt übrigens in der Regel quantitativ unter der Zakatrate von 2,5 Prozent auf das jährliche Vermögen - wobei zu erwähnen bleibt, dass Dhimmis - wie alle anderen Staatsbürger eines islamischen Gemeinwesens - von öffentlichen Geldern profitieren, etwa im Fall der Erwerbsunfähigkeit und des Alters, und praktisch aller Einrichtungen, die der Gemeinschaft zugute kommen.

Den tatsächlichen Widerstand gegen den so genannten politischen Islam erkläre ich mir aus der Erkenntnis der Eliten weltweit, dass ihre Pfründe akut in Gefahr sind, sollte irgendwo einmal jemand auf die Idee kommen, eben jenes Wirtschaftssystem (wieder) zu etablieren.

Man konnte seit dem Zusammenbruch der "kommunistischen" Systeme fast wie in einem Lehrstück für politische Propaganda beobachten, wie "der Westen" gezielt darauf hingearbeitet hat, sein neues altes Feindbild des Islam wieder zu entdecken - immer auf der Suche nach dem ideologischen Gegner, der Krücke für das eigene Selbstbewusstsein, dem Identitätstifter, der Reibefläche, an der man sich abarbeiten kann in den variabelsten "Mißständen" über die leidende entrechtete muslimsche Frau bis hin zum geschundenen Tier (man denke nur an die Millionen armer Schafe, die jährlich zum Opferfest ihr Leben lassen…). Zum Teil ist dieser Diskurs so skurril und so in Entbehrung jeden Bezugs zur Realität des Islam (wie er sich aus seinen Schriften verstehen lässt) und der Muslime weltweit, dass man sich als muslimischer Beobachter fragt, ob diesen Schwachsinn wirklich einer glaubt? Das Problem der "Zwangsehe" etwa wird in Deutschland mittlerweile als ein islamisches Spezifikum verstanden, in völliger Ignoranz jeglicher Kenntnis über die Bedingungen einer Eheschließung nach islamischem Recht und der Tatsache, dass sie wie jeder Vertrag des ausdrücklichen Einvernehmens und der Zustimmung beider Parteien bedarf, um Gültigkeit zu erlangen; in absichtlichem medialen Übersehen diesbezüglicher Stellungnahmen aller organisierten und nichtorganisierten Muslime in Deutschland und einer gewollten Vermischung und Identifizierung des eben gerade im islamische Sinne völligen Fehlverhaltens einer Minderheit von Menschen, die möglicherweise ihre ethnischen Wurzeln in der islamischen Welt verortet sehen, mit dem Islam.

Leider, sie glauben es, die Massen, was man ihnen täglich vorsetzt, sie schlucken die Feindpropaganda ohne aufzustossen. Ein Lichtblick zumindest, dass es immer noch einige wenige gibt, die sich weigern, mit dem Strom zu schwimmen, ihren eigenen Verstand einsetzen und nachforschen, mit Muslimen im Gespräch bleiben und erkennen, welche Mechanismen hier funktionieren und zu welchem Zweck.

Was die erwähnten Mißstände in der islamischen Welt angeht, möchte ich, ohne apologistisch zu werden, daran erinnern, dass die islamische Welt, nachdem sie in den Nachwehen des Kolonialismus gefangen war, nun zum Objekt einer neokolonialistischen Neuauflage geworden ist, ohne in der Zwischenzeit jemals wirklich durchatmen und reflektieren gekonnt zu haben. Nach der Zerstörung des Osmanischen Kalifates 1924 und dem Ausschalten des jahrhundertelangen Erzrivalen, wurde die islamische Welt aufgeteilt in Nationalstaaten mit diverser nationalistischer, republikanischer, wahhabitischer, pseudo-sozialistischer und vielen anderen Prägungen, deren Ziel es vor allem war, die Einheit und den Zusammenhalt der Muslime zu zerstören und sie schrittweise mehr und mehr von den Grundlagen des Islam und seiner Lebensordnung zu entfernen. Es ist heute wesentlich einfacher, von Frankreich aus nach Marokko zu reisen (besonders mit einem europäischen Pass), als vom Nachbarland Algerien aus als Algerier. Eine Eheschließung zwischen, sagen wir, einem türkischen Kurden und einer Irakerin ist fast undenkbar geworden ob der behördlichen Hindernisse und den Folgen für Kinder aus einer solchen Ehe, die womöglich als permanent Staatenlose durch die Geschichte gehen. Es gibt mannigfaltige Widersprüche in der islamischen Welt heute, im politischen, ökonomischen, sozialen Bereich, die eben nicht ein Ergebnis der Anwendung des Islam, sondern ein Ergebnis der Abwesenheit des Islam im täglichen Leben und in den Systemen sind.

Jules Monnerot hat einmal den Kommunismus als “Islam des 20. Jahrhunderts” bezeichnet. Der Vergleich kommt, wenn er auch vielleicht anders gemeint war, nicht von ungefähr. Der Islam ist der ideologische Rivale des Kapitalismus - wie es der Kommunismus für weniger als ein Jahrhundert war. Aus diesem Grunde setzen die Eliten der kapitalistischen Länder ihre gesamte Maschinerie auf die Diffamierung des Islam, wie sie zuvor alles an die Diffamierung des Kommunismus setzten, und noch weitaus heftiger. Man bedarf dazu nur einiger Zutaten, und schon hat man sich den inneren Feind herbeigezaubert, der in Vertretung des äußeren Feindes als Projektionsfläche für das Übel der Menschheit herhalten muß und in der Tat die ideale Rechtfertigung für Verteidigungsetat, militärische Auslandseinsätze und allerlei Beschneidungen der bürgerlichen Rechte darstellt.

Wer meint, Sarrazin und Konsorten seien eine Randerscheinung, soll wissen, dass sie Teil eines Gesamtkonzeptes sind. Ostentativ bekennende Musliminnen aus den Schulen und der Verwaltung zu vergrätzen (sie könnten eine Vorbildfunktion haben; Vorsicht Signalwirkung!), Hatz auf Konvertiten zu machen (fünfte Kolonne!), Einflussnahme besonders auf muslimische Kinder - die man ja schließlich noch braucht, rein demographisch gesehen (Zwangsteilnahme an Klassenfahrten, Feiern, Schwimm- und Sexualkundeunterricht, zum Teil sogar behördlichen Kindesentzug), neuerdings fast inquisitorische Befragungen und diskriminierende Kleider, nein, Entkleidungskontrolle (!) für muslimische Frauen (Ziehen sie bitte ihren Mantel aus! Wo kommen sie jetzt her?) bei Grenzübertritt; Erfahrungen, die mich plötzlich sehr an meine Familienbesuche in der damaligen DDR und die diversen Grenzerfahrungen erinnern; all dies sind Indikatoren des neuen ideologischen Grenzverlaufs. Wann werden wohl die ersten Mauerschützen wieder eingeführt, könnte man sich fragen, um sich dann gleich daran zu erinnern, dass ebendiese schon auf Irak und Afghanistan losgelassen wurden – zur Verteidigung der Spree-Demokratie am Hindukusch und überall sonst auf der Welt, wo diese am deutschen Wesen genesen soll - mal wieder!



16 Kommentare:

Anonym 8. November 2010 um 07:16  

Guten Morgen zusammen,

ich glaube,was ich gelesen habe.

Rainer

endless.good.news 8. November 2010 um 08:21  

Es mag ja sein, dass dies alles im Koran steht und der Islam auf dem Papier das Gegenstück zum Kapitalismus sein soll. Schaue ich mir die Realität an, dann muss man ernüchtert die "Arabischen Emirate" nennen. Auch andere muslimisch dominierte Länder werden sich im Kapitalimus einordnen. Auch im Christentum steht irgendetwas von Nächstenliebe und gegen gegen Gier. Theorie und Praxis sollten da sehr kritisch hinterfragt werden.

MCBuhl 8. November 2010 um 09:30  

Die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis ist das eine. Die Instrumentalisierung des Islams seitens einiger Moslems ist auch ein Aspekt, der in diesem Artikel leider unter den Tisch gefallen ist: gerade die genannten Beispiele, Sexualkundeunterricht, Klassenfahrt, Mantel/Kopftuch/Vollschleier --> insgesamt die Rolle der Frau! bedürfen dringend einer kritischen Betrachtung.

Dennoch ein wichtiger Artikel, da er die Pluralität der Meinungen abbildet, wenn auch, wie gesagt, eine gesundes Mass an Selbstkritik dringend notwendig ist!!

Anonym 8. November 2010 um 09:41  

Bekommen wir als Ersatz für eine nicht mehr vorhandene politisch unabhängige Arbeiterwegung nun den Islam?
"Is ja irre" würde wohl selbst dieser englische Komiker mit den großen Augen sagen....

Unislamische(Pardon!) Grüße von
Bakunin

Libero 8. November 2010 um 09:46  

„Ihr kritischer Blick auf die kapitalistischen "westlichen" Gesellschaften hat Sie, Herr De Lapuente, nun konsequent zu der Erkenntnis geführt, dass es einen bestimmten Grund für die jahrelange Propaganda und zunehmende Hetzjagd gegen Islam und Muslime innerhalb der westlichen Gesellschaften und darüber hinaus geben muss; und tatsächlich besteht dieser Grund in dem anderen Gesellschaftsmodell, das der Islam entwirft. Im Gegensatz zu Religionen wie Christentum, Hinduismus oder Buddhismus beinhaltet der Islam mit seinem Rechtssystem eine Lebensordnung, die alle Aspekte menschlichen - diesseitigen - Handelns leitet. [...]“
Das kann man so sehen, muß man aber nicht. Egal, welche Religion man unter die Lupe nimmt, in jeder findet man die eigentliche Sehnsucht des Menschen, die Sehnsucht nach der Antwort auf Fragen, die sich schlußgültig nicht beantworten lassen, auch Forschung und Wissenschaft haben uns bisher nicht wirklich weiter gebracht, sind also auch nichts anderes als eine Religion. Wir können also glauben, was uns seviert wird oder es sein lassen.
Die Gründe, warum Menschen unterschiedlicher Kulturen gegeneinander aufgehetzt werden, mit Fremdenhass gefüttert werden, liegen doch letztendlich in dem Ziel, das diejenigen verfolgen, die diese Hatz starten und immer schön am Köcheln halten und haben mit Religion wenig bis gar nichts zu tun.

landbewohner 8. November 2010 um 09:58  

theorie und praxis eben.
auch ich musste immer die auffallende armut in gerade islamischen ländern feststellen.
wieweit diese den kolonialherren oder dem islam zuzuordnen ist, möchte ich nicht beurteilen, da ich mich damit zuwenig befasst habe.
merkwürdig allerdings kommt mir dabei der überlieferte immense reichtum des religionsstifters vor sowie die in arabischen erzählungen immer wieder auftauchenden armen.
das ändert natürlich nichts an den betrachtungen der autorin am westlichen wertesystem.

radierer 8. November 2010 um 10:25  

Ich fand die Artikel von Roberto J. De Lapuente sehr wichtig und aufschlussreich; insbesondere auch den zur "unbeliebten Säule des Islam". Die "Fortführung" in diesem Gastbeitrag ist mir aber zu schlicht argumentiert, zu einseitig und zu unkritisch. Der Islam - wohlgemerkt der "eigentliche", von allen Kontaminationen der Realität gereinigte Islam - ist also Inbegriff alles Guten. Während alles Schlechte und Böse irgendwie durch den Kolonialismus verursacht ist. So macht man sich die Welt schön übersichtlich.

"Eine Säkularisierung hat der Islam nie erlebt, weil er sie nicht brauchte" - denn er komme ja schon mit einem integrierten Rechtssystem, das alle Aspekte des menschlichen Handelns leitet. Nach dieser Sichtweise wäre dann eine säkulare, gegenüber der Religion eigenständige Rechts- und Gesellschaftsordnung bloß eine Art Notbehelf, den nur Gesellschaften brauchen, in welchen die Religion nicht auch das gesamte diesseitige Leben umfassend geregelt hat. Hm.

Nein, Sarrazin ist gewiss keine Randerscheinung - dazu hat er offensichtlich zu viel ausgelöst. Die Folgen sind beunruhigend, erschreckend und widerwärtig. Aber ein Beitrag wie dieser trägt nicht zum besseren Verständnis dessen bei, was geschieht. Er bewegt sich in der gleichen Schwarz-Weiß-Logik wie Sarrazin und seine Anhänger. Er operiert genau wie sie mit der Andeutung von Verschwörungstheorien. Und er blendet dabei eine ganze Menge aus, was nicht in das eigene, schlichte Weltbild passt. Das Denkmuster ist sehr ähnlich. Nur die Vorzeichen sind ausgetauscht.

Anonym 8. November 2010 um 11:36  

"Nach der Zerstörung des Osmanischen Kalifates 1924 und dem Ausschalten des jahrhundertelangen Erzrivalen, wurde die islamische Welt aufgeteilt in Nationalstaaten mit diverser nationalistischer, republikanischer, wahhabitischer, pseudo-sozialistischer und vielen anderen Prägungen, deren Ziel es vor allem war, die Einheit und den Zusammenhalt der Muslime zu zerstören und sie schrittweise mehr und mehr von den Grundlagen des Islam und seiner Lebensordnung zu entfernen."
Es gibt einen islamische Einheit, wie es auch keine Einheit der Christen gibt.

Gerade der Versuch zumindest eine teilweise Einigung herbeizuführen (Panarabismus,) ist ja auch von muslimischen Ländern hintertrieben worden. Die Grenzfestlegungen der heutigen islamischen Nationalstaaten ist zweifellos ein Relikt der Kolonialzeit. Das heißt aber nicht, dass es ohne diese Grenzen nicht andere gäbe.
TaiFei

Anonym 8. November 2010 um 15:17  

T1
@Libero 8. November 2010 09:46
"Die Gründe, warum Menschen unterschiedlicher Kulturen gegeneinander aufgehetzt werden, mit Fremdenhass gefüttert werden, liegen doch letztendlich in dem Ziel, das diejenigen verfolgen, die diese Hatz starten und immer schön am Köcheln halten und haben mit Religion wenig bis gar nichts zu tun."

Das Ziel sicherlich:
http://www.nachdenkseiten.de/?p=7276#more-7276,

der Weg jedoch …

Das Problem ist, dass sie sich hervorragend zur Instrumentalisierung eignen. Und zwar nicht nur für beide Seiten, sondern jeweils auch innerhalb dieser jeweiligen Seiten, im Wechselspiel auf Pro und Contra und zwar in der Art, wie man es gerade zu sehen wünscht. Dabei kann der Übergang beinahe nahtlos in Nicht-Glauben-Argumentationen abgleiten und/oder miteinander verknüpft werden.

“(man denke nur an die Millionen armer Schafe, die jährlich zum Opferfest ihr Leben lassen…).“

Der Islam sieht hier die Schlachtung zum Opferfest für den Glauben, das Christentum verabscheut die Tötung dieses Tieres - zu dieser Zeit - in dieser Art.

Angesichts unserer eigenen Sitten und Gebräuche, sei es nun die Martinsgans, die es zu stopfen gilt, das mittlerweile als Fest der Fülle gedachte Weihnachten oder, ganz ohne Glaubensphilosophie (relativ gesehen), unsere alltägliche Massenproduktion, -haltung, -transport und -verarbeitung.

Insoweit sollte man viele unserer eigenen Betrachtungsweisen zwischen Theorie und Praxis kritisch hinterfragen.

Und m.E. kann man nicht umhin, sich die zeitliche Parallele zwischen dem Versinken des Kommunismus (nahezu vergangenes Feinbild) und dem Erstarken eines neuen Feindbildes in den Betrachtungswinkel zu ziehen. Der Artikel mag hier ggf. einseitig geschrieben sein, einige Dinge nur an der Oberfläche berühren. Was sollte er jedoch auch tun? Also innerhalb der Linearität unserer menschlichen Kommunikationsform, der Sprache und man beachte die Begrenzung der Zeichen in einem Block, so die intensive Ergründung ganze Literaturregale füllen wird und mehr als nur einen wissenschaftlichen Bereich berührt.

Ganz davon abgesehen, dass die gegenseitigen Argumentationen stets von einer Seite kommen, egal von welcher, und eine Seite immer aus einer Sichtweise bedient wird. Gegenseitige Vorwürfe beginnen für mich bereits hier ins Surreale, nicht Selbstreflektierende hineinzureichen. Wobei man bedenken sollte, dass generell hier eine Grenze der eigenen Möglichkeiten gesetzt ist, eine naturgegebene, zumeist unüberwindbare Schranke. Das sollte man erkennen, und zwar für beide Seiten.

Rein auf unsere, die christlich genannte Seite, könnte man lapidar sagen: „Bei uns ist der Bär los.“
Und wenn diese Bären los sind, hat es sich als nützlich erwiesen, stets auf ein Feindbild zu verweisen, das lehrt die Geschichte. Natürlich ist auch auf der Gegenseite gerade wieder einmal der Bär los.

T2 f.

Anonym 8. November 2010 um 15:22  

T2
Man muss nicht einmal gleich in sog. Verschwörungstheorien verbleiben, man könnte – angesichts der Historie und den Wissenschaften über den Menschen, von Menschen – wesentlich eher an einen natürlichen Reflex denken, der immer dann greift, wenn innerhalb einer Gemeinschaft derart Unruhe entsteht, dass sie zu zerbrechen droht. Um dieses Zerbrechen aufzuhalten oder aufzuschieben, greift man wohl stets und in allen unseren Lebenslagen zum Feindbild und sei es nur bspw. die Freundin der Frau (oder Freund des Mannes), der es zu verdanken sei, dass eben jene kleine Einheit zu zerbrechen droht oder zerbrochen ist. Manchmal sollen gar die eigenen Kinder dafür herhalten müssen. Das funktioniert ähnlich wie bei der sog. Babuschka-Puppe, nur stehen sich jeweils zwei gegenüber. Je größer die Gemeinschaft, desto größer muss das Feinbild sein. Letztlich, für den Menschen selbst, ist der Ursprung jedoch in der jeweils letzten Einheit zu suchen: „Du bist nicht ich, bist Du mein Feind?“ Auf die sog. Rechte des „Ich“, die sich für den Einzelnen hieraus ableiten, gehe ich nicht weiter ein, erklären Sie sich doch eigentlich fast von selbst.

Und Kolonialisierungen hin oder her, beachte man das Wechselspiel der Gewalten, Eroberungen und Versklavungen - nicht selten innerhalb der Instrumentalisierung von Glauben - historisch, rund um den Erdball, so erkennen wir doch, dass unser Zeitverständnis als nicht ausreichend betrachtet werden kann, um dem so oft zitierten Schlagsatz: „Wer aus der Geschichte nicht lernen will, ….“ Erkenntnis abzugewinnen.

Und aus diesem Grunde halte ich es für kontraproduktiv, ständig über die Frage zu sinnieren, wer denn angefangen hat, in dem man eine Größe der Babuschka-Puppen (stellvertretend für Nationen und Reiche) auswählt, wenn auch menschlich und verständlich. Meiner unmaßgeblichen Meinung nach, sei die Wurzel in der kleinsten Einheit zu suchen. Und erst dann, also m.E., wenn wir die Dimensionen der Zeit zu erfassen bereits sind, könnte man aus diesem Spiel auf der menschlichen Kreisbahn, die man schon nur auf unserer menschlichen Entwicklungszeitachse für eine Gerade hält (von der Undendlichkeit ganz zu schweigen), ggf. aussteigen, aber nur dann.

In der Zwischenzeit sollten wir uns bemühen, stets die Ziele, das cui bono, im Auge zu behalten. Und damit denke ich, haben wir eigentlich schon genug zu tun, so dass die Zeit für Feinbilder in der größeren Babuschka-Einheit knapp werden könnte und zwar für beide Seiten.

Trotzdem, so es eine Rolle spielen mag, denke ich, wir sind gerade in einer Epoche, in der „unsere Babuscha“ den weitaus größeren Druck auf die andere ausübt.

maguscarolus 8. November 2010 um 16:23  

Von keiner Religion sollte man sich die Lösung von Menschheitsproblemen erwarten. Da sind wir schon auf unseren Verstand angewiesen, so ungewiss auch jede Hoffnung ist, die darauf gründet.

Das Elend der muslimischen postkolonialen Degeneration als Ergebnis einer gigantischen konzertierten Weltverschwörung des Westens gegen die Länder mit muslimischer Bevölkerung darzustellen halte ich für eine unhaltbare Verfälschung der Geschichtszusammenhänge. Richtig ist allerdings, dass die Rohstoffgier der Industriestaaten auch auf muslimisch regierte Territorien zugreift, und die dortigen "Eliten" für ihre Zwecke korrumpiert. Das hat aber nicht ursächlich etwas mit einer Bekämpfung von Muslimen zu tun. Was die edlen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Prinzipien als Ausfluss islamischer Lebensweise nach den Regeln der Scharia angeht, so möchte ich mich doch eher auf meine Beobachtung der Verfasstheit existierender muslimischer Gesellschaften verlassen als auf die Darstellung in dem einführenden Text.

Manul 8. November 2010 um 17:06  

@endless.good.news:
"Es mag ja sein, dass dies alles im Koran steht und der Islam auf dem Papier das Gegenstück zum Kapitalismus sein soll. Schaue ich mir die Realität an, dann muss man ernüchtert die "Arabischen Emirate" nennen. Auch andere muslimisch dominierte Länder werden sich im Kapitalimus einordnen."

Nun, da sollte man allerdings nicht die Wandlungsfähigkeit des Islams unterschätzen. Im arabischen Raum sind inzwischen viele Banken aktiv, die nach den Regeln des Islams geführt werden und diese Banken macht es insbesondere erfolgreich, dass sie sich nicht an spektulativen Märkten betättigen.

Christentum und Islam kann man eh nicht miteinander wirklich vergleichen, da schon der Umgang mit der Ideologie dahinter ein ganz anderer ist. Der Islam ist sehr flexibel und reagiert an sich recht zeitnah auf Veränderungen innerhalb der Gesellschaft. Das Christentum ist dagegen schon immer eine sehr starre Ideologie gewesen, die zahlreiche Reformierungen in ihrer Geschichte benötigte, was uns viele verschiedene Kirchen mit ihren eigenen christlichen Ideologien beschert hat. Und Manches davon, was wir hier im Blog als raffgierig bezeichnen ist sogar Teil der Kalvinistisch-Christlichen Lehre.

Daher kann man sehr wohl sagen, dass es einen Kampf der Ideologien gibt, der diesmal wieder einen religiösen Hintergrund hat. Nicht umsonst wähnte sich US Präsident Bush in einem Kreuzzug gegen Ungläubige...

Hauke 8. November 2010 um 23:07  

Vorsicht, Sarkasmus:
In der Bibel steht man soll teilen und den nächsten lieben statt Gier und Mißtrauen walten zu lassen. Eigentlich ist der Westen in seiner ideologischen Grundlage, der Bibel, ja total sozialistisch. Nur hat sich das halt durch den einfluss der Kapitalisten geändert und alle waren auf einmal voll gemein zueinander. Der einzige Grund warum politische Wirrköpfe aus muslimischen Ländern etwas gegen Christen haben ist, dass er ja in seinen Grundwerten (die ohne Frage das Christentum liefert) also ideologisch für gerechte Güterverteilung ist. Wir sollten wieder so leben wie vorher als man die Bibel noch ernst nahm und alle total frei und glücklich waren.

Jegliche Parallelen zum obigen Artikel sind rein zufällig.

Anonym 9. November 2010 um 07:55  

Jules Monnerots Definition des Kommunismus als "Islam des 20. Jahrhunderts" ist völlig daneben. Man kann doch nicht eine flache Pseudo-"Philosophie" (es gibt nur die Materie - es gibt keinen Geist und keinen Gott) wie den materialistischen Kommunismus mit einer Religion wie den Islam vergleichen, der sagt, es gibt nur Gott. Nur Gott hat wahres Sein, weil der Kosmos eine Werdewelt ist, in der alles letztendlich zugrunde geht.
Anton Reiser

Anonym 10. November 2010 um 20:37  

Ich komme aus einem Kulturkreis, in dem der Islam die dominierende Religion ist und möchte gerne davor warnen den Islam weder zu dämonisieren noch zu idealiseren. Und genau in diesen Artikeln findet eine Idealisierung statt.
Erstens gibt es den Islam nicht. Der Islam ist ein Oberbegriff für verschiedene religiöse Strömungen, die ihren Ausgangspunkt im Koran finden.
Zweitens möchte ich darauf hinweisen, dass der Zakat eine Almosenabgabe ist. Die Betonung liegt auf Almose. Denn der Zakat soll 1/40 des Vermögens eines Muslims betragen.
Die islamischen Grundsätze haben nicht das Ziel die Besitzverhältnisse aufzuheben. Im Gegenteil verfestigen sie die herrschenden Verhältnisse und das Patriarchat. Auch haben nach der Koran die Frauen und Männer grundsätzlich verschiedene Rechte und Pflichten. Von einer Gleichberechtigung, gar von der Emanzipation der Menschen von Herrschaftsverhältnissen kann man auf keinen Fall sprechen.
Ich persönlich bin zu Religionen sehr kritisch eingestellt und kann im Islam kein positives Gegenbild im Verhältnis zum Westen sehen

Anonym 3. Dezember 2010 um 18:43  

Die "New York Times" berichtete über den Prediger Abu Adam aus München und zitierte deutsche Sicherheitsbeamte mit den Worten: "Wir wissen, dass Abu Adam gegen al-Qaida und die Taliban spricht und arbeitet und das ist wichtig." Er sei der einzige Imam in Deutschland, der das so tue.

Ein EINZIGER Imam in Deutschland, der gegen al-Quaida und die Taliban spricht... Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen vor dem Hintergrund des beschönigenden Artikels hier.

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