Ein, zwei, viele Oxis schaffen

Mittwoch, 8. Juli 2015

Oxi sollte der Gruß der europäischen Linken werden. Denn dieses Referendum in Griechenland macht trotz der Zustände dort Hoffnung. Das Nein zur Neoliberalisierung wurde endlich laut und deutlich formuliert. Oxi ist Selbstwertgefühl und ein Bekenntnis zu einer Ordnung, in der Kapitalinteressen nicht über den Menschen stehen. Lasst uns nun ein, zwei, viele Oxis schaffen.

Meinem Kind habe ich stets das wichtigste Wort verinnerlicht, welches ein Mensch von gewissen Format können muss: Nein. Dieses anti-affirmative Wort sei letztlich notwendig in einer Welt, in der einem Dinge zugetragen werden, die man für sich nicht haben will. »Nein« ist kein einfacher Weg. Wenn es zum Beispiel Nein zur Lehrerin sagen muss, weil etwas in Augen meines Kindes zu weit geht, dann ist das ein mutiger Akt. Und Teil des Reifeprozesses. Als Elternteil bin ich der Auffassung, dass ich diese Verweigerung seitens meines Kindes unterstützen muss. Jedenfalls nicht gleich verurteilen. Ich muss das Nein vielleicht nicht unbedingt als richtig erachten. Aber es hat eine Chance verdient. Und pauschale Aburteilung würde nur dazu führen, den Mut zur Negation zu untergraben. Nein zu sagen, Stopp, bis hierher und nicht weiter, ich möchte das nicht, das geht mir zu weit und so weiter: Das ist das allerwichtigste Wort des menschlichen Wortschatzes. Und in Griechenland heißt dieses Wort nun mal όχι.

Es war lange nötig, dass jemand Nein zu diesem Wahnsinn sagt. Zu einer Ökonomie, die die Menschen ausbluten lässt, ihnen die Würde nimmt und in Armut entlässt. In Griechenland war das Maß längst voll. Aber Oxi sollte ein Ruf für ganz Europa werden. Die Griechen haben uns gezeigt, dass man trotz größter Not noch Würde im Leib haben kann. Sie standen auf und sagten: »Nicht weiter, keinen Schritt mehr, ihr seid uns schon viel zu nahe gekommen.« Überall in Europa brauchen wir nun diese Haltung gegen den Neoliberalismus. Gegen Privatisierung, radikale Verwettbewerbung und laxe Steuerpolitik für Vermögende. Wohin eine massive Angebotspolitik führt, hat man nun letztlich gesehen: In den Widerstand. Und das macht den Verfechtern der Nachfragepolitik Hoffnung.

Wir brauchen Oxis in Spanien und Portugal, dort wo die Jugendarbeitslosigkeit eine Generation heranwachsen lässt, die perspektivisches Denken gar nicht mehr kennt. Den Irrglauben, dort hätte der Austeritätskurs gefruchtet, wie man das nun oft hört, muss man bekämpfen. Wir brauchen Oxis in Großbritannien, in dem der Thatcherismus noch immer fröhlich gegen die Arbeiterklasse vorgeht. Wir benötigen Oxis in den Teilen Europas, in denen man noch so satt vor seinem Abendessen sitzt, während Nachbarn, Freunde und Bekannte in prekarisierten Arbeitsverhältnissen darben. Ja, wie brauchen ein lautes Oxi in diesem Deutschland, das sich als Kontinentalprimus gibt, aber innerhalb seiner Grenzen eine Zwei-Klassen-Gesellschaft fördert und die Lage vieler arbeitender Menschen sukzessive verschlechtert.

Oxi sollte wie gesagt der neue Gruß der europäischen Linken werden. Denn mit dem Nein fängt man an, die alten Fesseln abzulegen. Das Nein ist der semantische Ausdruck von Selbstbewusstsein. Zuerst richtet man sich auf und sagt genau dieses Wort. So beginnt der aufrechte Gang. In einem der vielen Teile von »Planet der Affen«, erzählt ein Schimpanse die Geschichte des Beginns der Antrophomorphisierung seiner damals noch versklavten Gattung. Irgendwann richtete sich ein Affe auf, stand seinem Peiniger gegenüber und sagte »Nein«. Nur dieses Wort. Damit nahm alles seinen Anfang. Dieses Wort sprengt Fesseln. Und genau deswegen müssen wir es auch laut schreien. Oxi ist der Beginn dieser neuen Haltung. Wir müssen es nur sagen wollen. Und wir können es sagen. Lo podemos - wir können es und von dieser Gruppierung kommt vielleicht bald das nächste Nein zur aktuellen Lage.

6 Kommentare:

Wolfgang Oesters 8. Juli 2015 um 09:13  

Ein ausgezeichneter Artikel der meine 100%ige Zustimmung findet! - Es ist höchste Zeit, daß die Bevölkerung Deutschlands, Europas, ja der gesamten Welt sich nicht länger dem okönomischen Diktat einer kleinen Bevölkerungsminderheit und deren gewissenlosen (dafür aber gut bezahlten) Helfern unterwirft und sich durch die momentan noch immer vielfach ungehindert voranschreitende Privatisierung Schritt für Schritt immer mehr demokratische Rechte vorenthalten läßt. - So gehören beispielsweise Wasserrechte grundsätzlich nicht in Privathand, über den Einsatz außerordentlich riskanter Technologien muß auf ehrliche Weise basisdemokratisch abgestimmt werden, für Konzerne hochprofitable Genpatente und vieles Weitere was die gesamte Menschheit immer mehr zu versklaven droht müssen verboten werden. Es gibt da inzwischen eine sehr lange Liste von Ungeheuerlichkeiten, die von der Bevölkerung noch immer weitgehend unwidersprochen hingenommen werden, auch weil eine ganze Phalanx von gewissenlosen öffentlichen Meinungsträgern dies immer aus Neue massiv unterstützt. - Vieles, sehr Vieles liegt heute im Argen und es ist höchste Zeit, daß die gesamte Bevölkerung dies endlich mehr und mehr zur Kenntnis nimmt und sich entschlossen dagegen wehrt!

W. Oesters (zeitkrit. Website:achtgegeben.de)

anko 8. Juli 2015 um 09:14  

Ein Artikel der Mut macht NEIN zu sagen! Ich werde es üben, üben, üben ....

Anonym 8. Juli 2015 um 14:52  

ANMERKER MEINT:

Warum ist dieser Artikel gerade jetzt so wichtig?! Weil er all den aufgeblasenen Hetzern aus BILDCDUCSUSPD das entgegenschleudert, um das es eigentlich geht: Raus aus der neoliberalen Falle, weg mit Eurem scheiß Hochmut! Wer seid Ihr denn, dass Ihr glaubt, Ihr könntet Euch anmaßen, eine ganze Bevölkerung einfach so zu entsorgen? Genau von dieser habt Ihr profitiert in den vergangenen 5 Jahren! Diese Land hat Euch im Rahmen der Nato u.a. noch überflüssige Panzer abgekauft als eigentlich kein Geld mehr dafür da war, und zwar weil Ihr und Eure vielgerühmte Troika dies wollte! Dafür musste der "Kleine Mann" Griechenlands auch bluten. Ihr wollt nichts andres als diese Blutspur noch vermehren. Schämt Euch, Ihr marktkonformen Demokraten!!! Wie wär´s, wenn Ihr den mal der Moral den Vorrang geben würdet, Ihr geschichtsvergessenen Parvenues! Deutschland läge darnieder, wenn nicht vor nahezu 60 Jahren auch Griechenland mitgewirkt hätte am Schuldenschnitt für die damalige BRD - schon vergessen? Euch Herrenreitern wäre zu wünschen, dass die Pferde, die Ihr reitet, unter Euren Hintern krepieren!!OXI, nun erst recht!!!!!
MEINT (mit gerechtem Zorn) ANMERKER

Anonym 8. Juli 2015 um 19:21  

Dem Nein der Bildzeitung ist die dort mit Pickelhaube dargestellte Kanzlerin sehr wohl verpflichtet, um das griechische Nein schert sie sich hingegen einen Dreck. Letzteres bringt ihr - und ihren Masters - keine macht- und geldpolitischen Zugewinne.

Übrigens.
Wie oft werden wir gefragt, können Ja oder Nein sagen?
Alle vier Jahre. Bei den Wahlen.
Und selbst da können wir nur ein Kreuz machen.
Wahrlich, wahrlich, es ist ein schweres Kreuz mit der merkantilen Demokratur.

Aber zu Kreuze kriechen wir deshalb noch lange nicht.

Die Diener des Großen Geldes opfern gerade die Idee "Europa" auf dem Altar der Austerität namens des Knechtschaftsinstruments "Euro".
Das Nein eines ganzen Volkes ist diesen Herrschaften völlig wurst.
Nein, so geht es nicht.

Glaube niemand, was heute mit den Griechen getrieben wird, könne morgen nicht auch uns widerfahren!
Der Totalüberwachungsstaat feiert bereits fröhliche Urständ'.
Die Honecker-Stasi war gestern, die Obama-Stasi ist heute, da wird selbst die Kanzlerin nicht ausgenommen. Soviel Gleichheit vor dem Hegemon ist doch auch etwas (Un)rechtsstaat.

Ausgenommen, in jeder Hinsicht, werden wir alle.
Früher oder später
Da wie dort.
Das Große Geld ist wie ein bösartiger Krebs.
Es wuchert unkontrolliert.
Es zerstört.
Alles.

GreenTara 8. Juli 2015 um 20:39  

Der klugen Frau, die mir beibrachte, Nein zu sagen, bin ich von Herzen dankbar. Dein ein Nein ist Autonomie.

Danke für diesen Artikel.

Anonym 8. Juli 2015 um 22:34  

Presque tous les hommes sont esclaves, par la raison que les Spartiates donnaient de la servitude des Perses, faute de savoir prononcer la syllabe non. Savoir prononcer ce mot et savoir vivre seul sont les deux seuls moyens de conserver sa liberté et son caractère. (Chamfort)

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