Als Elvis in die Jahre kam

Montag, 2. Dezember 2013

Als ich hörte, dass die hessischen Grünen mit Bouffier ins Bett steigen wollen, habe ich mich zunächst aufgeregt. Die Grünen wollten ja eigentlich den Wechsel. So stand es auf vielen Wahlplakaten. Nach einer Weile habe ich mir gedacht: Was ist denn schon passiert? Dieses Arrangement mag zwar für Spötter lustig sein, aber eine Zäsur ist es ganz sicher nicht.

Der grüne Landesverband in Hessen hat ja immer schon suspekte Gestalten in seinen Reihen gehabt. An oberster Stelle Joschka Fischer oder Otto Schily. Tarek Al-Wazir ist nur die Fortführung dieser Realos mit geschmeidigeren Mitteln. Besonders im hessischen Teil der Partei wurde der historische Richtungsstreit zwischen Fundis und Realos ausgetragen. Seitdem die Ökosozialisten ausgemerzt wurden, gelten die hessischen Grünen als Hochburg des Realotums.

Jutta Ditfurth schrieb mal, dass die hessischen Grünen der Achtzigerjahre die linke Bastion der Gesamtpartei waren. Im Norden funkten teilweise rechtslastige Naturburschen in die Partei. Und in Baden-Württemberg schimmerte schon der KuK-Konservatismus (Kretschmann und Kuhn) durch. Aber in Hessen wollte man den linken Kurs aufrechterhalten. Bis man eben gegen die Realos verlor. Die hessischen Grünen waren also immer extrem zur Gesamtpartei gestellt, entweder linker oder rechter als die allgemeine Tendenz. Sagt das etwas über die hessische Mentalität aus?

Oder aber man wirkte ins Bundespolitische hinein. So wie es der Fischer-Clan von Mitte der Neunziger bis Mitte der Zweitausender tat. Man trug frech den Karrierismus und die seichte Inhaltslosigkeit als Programm voran und diente sich so als leicht zu befriedigender Koalitionspartner der Sozialdemokratie an. Spätestens seit 1998 ist die Bundespartei aus dem Hessischen heraus so sehr dem Mainstream angepasst, dass sie jederzeit als Alternative und Mehrheitsbeschaffer für den Konservatismus vorstellbar wurde.

Natürlich schimpfen nun die Leute. Sie befinden das für unglaubwürdig, dass die Grünen in Hessen mit der Union koalieren wollen. Aber das ist keine Sensation. Ist nur konsequent und liegt ganz im Wesen dieses Landesverbandes, dessen Opportunismus der gesamten Partei im Land trauriges Beispiel stand. Aus irgendeiner alten Achtziger-Romantik heraus glauben die Menschen, diese Partei sei eine Art soziales und ökologisches Gewissen. Das ist wie mit dem späten Elvis, den man immer noch als King of Rock 'n' Roll ankündigte, obgleich er nur noch Schmonzetten trällerte. Trotzdem verband man ihn auf immer und ewig mit dem Rock 'n' Roll. Doch nur der frühe Elvis machte in Hound Dog sexuelle Anspielungen. Später sang er brav und angepasst: "And you're always there to lend a hand/ In everything I doooo!" Er war nicht mehr derselbe.

Ich habe sogar von jemanden gehört, dass er glaube, diese Liebschaft zwischen Bouffier und den Grünen würde letzteren bei der nächsten Landtagswahl alle Sitze kosten. Und in meiner Empörung, so kurz nach Bekanntwerden des Koalitionsvorhabens, schrieb ich andernorts, dass die Grünen in vier Jahren dafür Scheiße fressen würden. Alles Quatsch! Nichts wird passieren. Die Grünen haben keinen Tabubruch begangen. Ein Begriff, den man diesbezüglich derzeit oft liest. Nach Hartz IV und der Absegnung von Kriegseinsätzen im Ausland, die sie im Bund mittrugen, ist die Stützung des reaktionärsten Landesverbandes der CDU nur konsequent. Nach allem, was man unter Schröder mittrug, kann man jetzt auch mal die Anrainer des Frankfurter Flughafens verraten und für Wohlstand und Wachstum auch mal den Fluglärm tolerieren, ohne gleich unglaubwürdig zu werden.

Nein, gar nichts wird passieren. Dass eine konservative Partei voller Karrieristen und Opportunisten mit einer anderen konservativen Partei voller Karrieristen und Opportunisten anbändelt, die überdies Posten in Aussicht stellt, ist das normalste von der Demokratie. Einige Wähler werden sie bei der nächsten Landtagswahl abstrafen, andere Wähler belohnen. Man sollte endlich aufhören, die Grünen als eine Partei anzusehen, die sie seit mindestens 20 Jahren nicht mehr sind. Elvis war letztlich auch nur ein Schmusesänger, der zufällig eine rockige Vergangenheit hatte.


8 Kommentare:

Friederike 2. Dezember 2013 um 09:07  

Der Vergleich mit Elvis ist grandios. Nach soetwas habe ich lange gesucht. Tragisch, aber wahr. Und Elvis war am Ende nicht nur brav und bieder, sondern auch noch fett und unbeweglich. Vielleicht ist das das allerschlimmste.

Anonym 2. Dezember 2013 um 11:23  

"[...]Dass eine konservative Partei voller Karrieristen und Opportunisten mit einer anderen konservativen Partei voller Karrieristen und Opportunisten anbändelt, die überdies Posten in Aussicht stellt, ist das normalste von der Demokratie[...]"

...es müßte heißen eine Demokratie von Karrieristen und Opportunisten....Deutschland steigt doch mittlerweile mit jeder massenmörderischen, menschenverachtenden Demokratie ins Bett, und der Wähler honoriert das sogar noch....

...man urlaubt im kriegszerrissenen Irak, Afghanistan - evtl. sogar in Syrien...handelt mit China - evtl. sogar mit Nordkoreas Handelszone...scheißegal wie oft Amnesty International diesen Ländern Mord, Massenmord, kz-ähliche Lager & andere Grausamkeiten vorwirft, und dies nicht einmal als Politiker oder Wirtschaftsboss sondern als ganz normaler Deutscher...

Zynischer Gruß
Bernie

Sledgehammer 2. Dezember 2013 um 11:37  

Eine "grüne" Entwicklungsgeschichte, erzählt in Adjektiven:
Fokussiert-engagiert-infiltriert-konsterniert-korrumpiert-desillusioniert-saturiert-absorbiert

RobatArt 2. Dezember 2013 um 11:41  

Schöner Vergleich.

Für die eigentliche Erkenntnis hast du aber lange gebraucht...ist das nicht seit Kabinett SchröderII jedem klar?

Anonym 2. Dezember 2013 um 13:10  

Und Joschka Fischer ist der grüne Elvis. Verfettet und aufgedunsen. Wie das Leben sich immer so schön wiederholt.

Anhänger des 04.08.1789

Peinhart 2. Dezember 2013 um 14:15  

"Im besten Sinne bürgerlich eben." -
Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über seinen künftigen Koalitionspartner, die hessischen Grünen

(Zitat desTages)

Anonym 2. Dezember 2013 um 15:08  

Oops sorry, der Satz:

"[...]Deutschland steigt doch mittlerweile mit jeder massenmörderischen, menschenverachtenden Demokratie ins Bett, und der Wähler honoriert das sogar noch....[...]"

....müßte eigentlich statt "Demokratie" "Diktatur" beinhalten, aber ansonsten bleib ich dabei die Deutschen der Jahre 2013/2014 sind nicht nur, was Politiker und Wirtschaftsbosse angeht zu einem Volk von Opportunisten und Karrieristen verkommen....Wirtschaftskrise sei dank....die ja nur auf dem Papier, und nicht im realen Leben ausgestanden ist...

Gruß
Bernie

Anonym 2. Dezember 2013 um 16:02  

ANMERKER MEINT:

Ich war dieser Tage als selbsternannter Sonderkorrespondent (SoKo) in politischer Mission unterwegs und konnte TAREK quasi im Traum zu einem Interview bewegen. Hier der erträumte Wortlaut:

SoKo: Herr ALWaz, ich darf Sie doch so nennen, was hat Sie eigentlich bewogen
zu Herrn Bouffiers Koalitionsgesprächen zu traben?

ALWaz: Die Verantwortung für unser Gemeinwesen natürlich, was sonst.

SoKo: Könnten Sie das für unsere Leser*innen etwas genauer beschreiben?

ALWaz: Aber klar, aber gewiss doch. Wir GRÜNE verstehen uns als Sachwalter der
Demokratie in Deutschland. Und da muss man halt schon mal über den eigenen
Schatten springen.

SoKo: Welchen Schatten meinen Sie denn?

ALWaz: Den Schatten der Angst. Wissen Sie, wer noch nie über den Schatten der eigenen
Angst gesprungen ist, weiß gar nicht was Angst ist.

SoKo: Aha, verstehe. Und um welche Angst geht es dabei?

ALWaz: Na ja, um die Angst vorm Schwarzen Loch. Sehen Sie, die CDU wird
immer wieder als ein Schwarzes Loch gesehen, was sie aber gar nicht ist. Eigentlich ist
sie nur eine rechtsliberale Partei, so wie wir eine Partei sind, die immer nach vorne
hin liberal ist.
Tja und da ist es an der Zeit, die Angst vorm Schwarzen Loch zu überwinden.

SoKo: Aha, ich verstehe. Sie wollen nicht vom Schwarzen Loch verschluckt werden sondern
in ihm tanzen.

ALWaz: Wenn Sie so wollen? Wissen Sie, wir wollen in diesem Land etwas verändern, etwas
voran bringen. Da sind Ängste eher kontraproduktiv.

SoKo: Ich verstehe. Und was sagen Sie der Wählerklientel, die Sie gewählt hat, damit die
Schwarzen endlich abgewählt werden in Hessen?

ALWaz: Denen sage ich:Habt Vertrauen, wenn wir mit den Schwarzen koalieren, dann tragen
die nächsten fünf Jahre eine GRÜNE HANDSCHRIFT.

SoKo: Und die wäre?

ALWaz: Na ja, der Flughafen in FFM wird auf dem jetzigen Stand eingefroren, die Gymnasien
kehren zu G9 zurück, in der Grundschule dürfen die Eltern wieder wählen, wohin
ihre Kinder nach dem vierten Schuljahr gehen sollen und im Bundesrat geht ohne
unsere Zustimmung gar nichts.


SoKo: So, so. Bleiben wir mal beim Flughafen. Es gibt das Gerücht , Sie wollten den be-
lärmten Hessen mehr Ruhezonen verschaffen.
ALWaz: Ach wissen Sie, ohne Kompromisse wird´s wohl nicht gehen. Wir werden auf jeden
Fall dafür sorgen, dass der nächtliche Fluglärm gerechter verteilt wird.

SoKo: Aha, und was Sie sagen Sie den Wähler*innen, die Sie gewählt haben, damit in Hessen
ein Politikwechsel stattfindet?

ALWaz: Der findet doch statt. Wir sind ganz vorne mit dabei. Wenn diese fünf Jahre um sind,
werden sie Hessen nicht wiedererkennen.

Soweit die Ausführungen von Herrn AL-Wiz, äh, Herrn AL-Wach, nein, Herrn AL-Waz, dem Chef der GRÜNEN in Hessen.
Weitere ANMERKEREIEN: KEINE

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