Facie prima

Dienstag, 8. November 2011

Heute: Das unmenschlich Böse, der Terrorist


Wie er medial aufbereitet wird, deutet in die hysterische Richtung, die er emotional auslösen los. Der Terrorist ist in der öffentlichen Darstellung kein Wesen mit menschlichen Zügen, sondern ein entmenschlicht zur Schau gestelltes Subjekt. Der Gemeinschaft aller Menschen steht er fern. Zwar grinst er auf Fotos, und Grinsen mag ein menschlicher Zug sein - aber er grinst im falschen Augenblick. Grinst vor seinem Richter. Unpassende menschliche Regungen entmenschlichen, stoßen ab, lösen in uns Prozesse aus, die jemanden für unmenschlich, nicht zugehörig erklären. Findet er seine Situation auch noch witzig?, fragen wir uns von Mensch zu Mensch. Falls ja, dann ist er kein Mensch mehr, dann ist er etwas Unmenschliches. Einen Unmensch, nennt der Volksmund so einen lapidar. Der Terrorist ist damit kein fehlgeleiteter, kein krimineller oder irgendwie verirrter Mensch mehr. Er ist das Böse. Der Terrorist hat damit, wie es Menschen zuweilen haben, keinen Anspruch auf Resozialisierung - das Böse ist nicht resozialisierbar.

Die mediale Abbildung des Terroristen, sein entweder abgrundtief böses oder zum falschen Zeitpunkt grinsendes Gesicht, forciert das Feindstrafrecht, das in den Köpfen vieler Juristen mittlerweile spukt. Menschen handeln manchmal unzurechnungfähig, manchmal kalkuliert gewalttätig - aber sie bleiben Menschen. Entweder hatten sie Motive dafür oder sie handelten psychisch erkrankt. Das sind menschliche Attribute. Sie bleiben daher Menschen. Der Terrorist nicht. Ihm attestiert man keine menschlichen Motive, ihm bescheinigt man nicht mal Krankheit. Er ist das Böse - und so hat er abgelichtet zu werden. Wenig sollte daran erinnern, dass wir es trotz allem mit einem Menschen zu tun haben.

Wer Terrorist ist, das definieren die, die sich terroristisch bedroht fühlen. Wie Terroristen auszusehen haben, entscheiden auch sie. Im Zarenreich waren es bärtige, bemäntelte Anarchistentypen, die Bomben unter dem wallenden Gewand trugen. Als Herschel Grynszpan im November 1938 (um genau zu sein: gestern vor 73 Jahren) einen deutschen Diplomaten erschoss, da ordnete Goebbels an, dass kein Foto des schmalen Bürschleins in den Zeitungen erscheinen dürfe. Stattdessen Karikaturen, die einen hässlichen Rabauken zeigten, der entmenschlicht wirken sollte. Goebbels wusste, würde der Leser das Foto eines schüchternen Jünglings sehen, man würde ihm den "Mordjuden" nicht abnehmen, gar Mitleid empfinden. Man durfte den Menschen nicht sehen, damit der Hass arbeiten konnte - und der mündete in die Reichspogromnacht. Heute muß man nicht karikieren, in Zeiten, da Fotos wie Sand am Meer beschaffbar sind, kann man warten, bis ein günstiger Augenblick die Karikatur überflüssig macht.

Eine Gesellschaft, die in jeden Bürger einen potenziellen Terroristen wittert, hat auch Bedarf an Ablichtungen, auf denen der potenzielle Terrorist entmenschlicht dargestellt ist. Vielleicht deshalb die Anordnung, auf Ausweisfotos nicht zu lächeln. Das wirkt unmenschlicher...


4 Kommentare:

klaus baum 8. November 2011 um 08:24  

Das eindeutig Böse, das der andere verkörpert, hat eine äußerst wichtige, seelenhygienische Funktion: das heißt, je eindeutiger der andere böse ist, um so eindeutiger ist man selbst der Gute, um so leichter fällt die Distanzierung vom Bösen.
Dr. Jekyll hat nie etwas mit Mr. Hyde zu tun gehabt.

Libero 8. November 2011 um 09:24  

"Wir sehen die Wesen und Dinge so, wie wir sie gerne sehen möchten und bilden uns ein, die Wahrheit erkannt zu haben. Doch hinter dem, was wir sehen, steht eine eigene Wahrheit, die von der vermeintlichen Wahrheit in unserem Kopf oft weit entfernt ist. Nichts und Niemand ist der, den Du denkst. Jeder und Alles ist seine eigene Wahrheit, die an der eigenen Grenze endet."
Autor ist mir leider entfallen :-(

Hartmut 8. November 2011 um 10:22  

Das Böse ist eine Konstruktion der menschlichen Ratio, die es in dieser Form in der Natur nicht gibt. (Die Natur kennt weder gut noch böse)

Das Böse hat der Mensch als Feindbild konstruiert, um seine Aggressionen hierauf zu lenken.

Seit biblischen Zeiten haben sich Herrscher, der Methode bedient, durch schaffen von Feindbildern (Böse) den Volkszorn (Aggressionen) gezielt hierauf zu lenken. - Wie uns die Geschichte lehrt hat das immer funktioniert.

Seitdem die "Antiterrorgesetzte" in Kraft sind, sieht es so aus, daß in jedem Mitmenschen ein möglicher, Verdächtiger (Feindbild), angenommen wird.

Die Folge hieraus ist Mißtrauen und Mißtrauen führt in die Zerstörung.

Buchtipp:

Das sogenannte Böse, Konrad Lorenz ,1963

Jutta Rydzewski 8. November 2011 um 18:20  

"Feindstrafrecht, das in den Köpfen vieler Juristen mittlerweile spukt".

Das spukt nicht erst mittlerweile sondern schon sehr lange, lieber Herr De Lapuente. Zunächst einmal ist die Begrifflichkeit, Feindstrafrecht, mal wieder extrem irreführend, zumal das so genannte Feindstrafrecht mit allem Möglichen, nur nix mit Recht zu tun hat. Es müsste schon eher FeindstrafUNrecht heißen, obwohl auch das noch viel zu harmlos ist. Das so genannte Feindstrafrecht, wie es besonders in der Nazizeit beliebt war, wird schon seit vielen Jahren immer wieder von schwarz-braun vernagelten Juristen vorgeschlagen oder gar (unterschwellig) gefordert. Der Strafrechtler und Rechtsphilosoph, Günther Jakobs, ist der Bekannteste dieser Truppe. Dabei wird zwischen Bürger und Staatsfeind "sauber" unterschieden. Den so genannten Staatsfeinden, z.B. Terroristen, wird, um es auf den Punkt zu bringen, schlicht und ergreifend das Menschsein ab. Diese Personen haben keine Rechte, und sind faktisch für vogelfrei erklärt; wie im Mittelalter. Gegen den so genannten Staatsfeind sind alle Mittel erlaubt. Jedermann kann mit ihm machen was er will. Es versteht sich von selbst, dass das so genannte Feindstrafrecht mit einem demokratischen Rechtsstaat völlig unvereinbar ist. Eigentlich versteht sich das von selbst, muss ich hinzufügen. Denn das stört die Rechtsstaats- und Demokratieverdreher überhaupt nicht; in "exclusiven" Juristen- und Journalistenkreisen wird immer wieder sehr gerne darüber "philosophiert". Ich stelle mir z.B. gerade die leuchtenden Augen der CSU-ler Geis und Uhl vor. Die westlichen Wertegemeinschaftler, an der Spitze die Oberwertler, Todesstrafe- und Folterfetischisten, USA, praktizieren das Feindstrafrecht, wenn es in den Terror-Kram passt, ganz selbstverständlich, und alle Wertegemeinschaftler drumherum halten das auch für normal, gucken zu und spenden Beifall. Ich erinnere z.B. an Bin Laden, an so genannte gezielte Tötungen, aber auch an Guantanamo oder andere Folterhöllen, die von den Amis und ihren Verbündeten weltweit "betrieben" werden. Und die "Führerin" Europas, das Merkelchen, hat "folgerichtig" in Sachen Bin Laden ihre große Freude zum Ausdruck gebracht. Es hat auch niemanden der westlichen Wertegemeinschaftler interessiert, dass der so genannte lybische Übergangsrat im August ganz offen zur Ermordung Gaddafis aufgerufen hatte. Damals hieß es: "Wer ihn tötet oder ausliefert wird Straffreiheit, und obendrauf eine Belohnung von 1,7 Millionen Dollar zugesichert." Keine Merkels, aber auch kein Journalist sahen in diesem Aufruf etwas Ungewöhnliches oder gar rechtsstaatswidriges. Kurzum, das FeindstrafUNrecht wird uns auch zukünftig begleiten, dafür werden die Politikdarsteller, insbesondere die mit dem schwarz-braunen Brett vor der Birne, schon sorgen. Motto: Wenn es gilt einen auserkorenen oder ausgeguckten Staatsfeind aus dem Wege zu räumen, dann lassen wir den ganzen demokratischen und rechtsstaatlichen Schnick-Schnack einfach weg. Wie sagte Herr Schäuble noch als Verfassungsminister: Natürlich müssen wir "Erkenntnisse", auch wenn sie unter der Folter "gewonnen" wurden, "nutzen" dürfen.

mfg
Jutta Rydzewski

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