Von China lernen heißt, erziehen lernen...

Dienstag, 8. Februar 2011

Amy Chua, Jura-Professorin in Yale, beschreibt in ihrem Buch "Die Mutter des Erfolgs", wie sie ihre Töchter drillte und schindete, um den bestmöglichen Erziehungserfolg zu verwirklichen. Bedrängnis und Einengung umschreibt sie als erzieherisches Stilmittel. Kinderseelen müssen unbedingt gebrochen werden, nur so würden sie zu wertvollen Mitgliedern der Gesellschaft. Gute Zensuren waren für Chua unerheblich, nur sehr gute Zensuren wurden von ihr akzeptiert - so habe sie es bei ihren Töchtern praktiziert: bei der älteren mit Erfolg, bei der jüngeren musste sie ihre harte Gangart überdenken.

Das hat in den Vereinigten Staaten eine Kontroverse ausgelöst. Chua beschreibe in ihrem Buch das asiatische Erziehungsideal, bei dem Individuen wenig, das Kollektiv alles gilt. Tatsächlich könnte man auch behaupten, dass das Kollektivdenken der chinesischen Gesellschaft, keine Leistung des Kommunismus (so er denn noch einer ist!) darstellt, sondern bereits vormals dort verankert war - Japan war ja nie kommunistisch, aber auch dort denkt man kollektivistischer als in Europa oder Nordamerika. Es käme daher im asiatischen Raum nur sehr wenig auf individuelle Bildungsmethoden an - die Gemeinschaft wird gebildet und daher muß der individuelle Trieb gezähmt und kanalisiert werden. Hier setzen Erziehungssadismen an, die Chua beschreibt: das einzelne Kind ist nichts, es hat seinen kindlichen Willen abzulegen und sich den elterlichen Vorgaben unterzuordnen - nebenher sichere das den Erfolg des Kindes und bereite diesem eine wohlige Zukunft.

Diese Erziehungsgrundlage, die auf Druck und Drangsal baut, zeitigt in China augenscheinlich Erfolge - brav ins Kollektiv integrierte Kinder, Humanroboter, die nicht frei denken, sondern mittels Terror in Schablonen gepresst werden, erklären die eine Seite des chinesischen Booms. Staatsbürger, die in Schulen vermittelt bekommen, immer die Klappe zu halten, wenn Autoritäten sprechen, werden sich niemals für Arbeitnehmerrechte, Umweltschutz oder Menschenrechte engagieren - wer es doch tut, der muß irgendwie durchgerutscht, dem Staat durch die Finger gegangen sein, wird daher zum Staatsfeind. Das menschenverachtende Erziehungswesen, das Chua beschreibt, das sie jedoch selbst nochmals überdenkt und teilweise karikiert, wird in den Vereinigten Staaten einerseits verteufelt, andererseits als Markstein zu einer neuen, erfolgreichen Bildungsoffensive gesehen; Neocons innerhalb der wankenden Weltmacht glauben inbrünstig, dass der Weg zurück in reaktionäre Bildungsmodi, die USA - die westliche Welt generell - zurückführen kann in die wirtschaftliche Erfolgsspur.

Glaubt man jenem Hype, der derzeit um dieses Buch betrieben wird, so steht die westliche Welt am Scheideweg. Entweder humanistisches Bildungsideal oder antiquierte Drillmethoden bei der Erziehung und (Aus-)Bildung von Kindern. Aufklärung gegen Zuchtmeisterei; Humanismus gegen Tortur; westliches Menschenbild, innerhalb dem die Kindheit als schützenswerter Raum betrachtet wird, gegen ein Menschenbild, in dem die einzelne Person farbloser Erfüllungsgehilfe ist. Da treffen (Geistes-)Welten aufeinander, die nicht kompatibel erscheinen und womöglich auch nicht sind. Dennoch gibt es unter Konservativen auch hierzulande Zustimmung, wenn Erziehungsmaßstäbe gefordert werden, die an Chuas erinnern - manchmal hat man den Eindruck, dass etwaige Konservative den Humanismus und dessen Bildungsideal für Teufelswerk halten, das den wahren Erziehungskanon (etwa sowas wie: "... hart wie Kruppstahl, zäh wie Leder, flink wie Windhunde...") leider außer Kraft gesetzt habe.

Gerät die westliche Welt, die einst von den Segnungen aufklärerischer Geister befruchtet wurde, weiter ins ökonomische Hintertreffen, dabei weiterhin penibel auf Irrlehren bauend wie jener, dass der Profit das einzige lebenswerte Ziel einer Gesellschaft ist - wobei Gesellschaft als eine Art nationales Unternehmen gesehen wird! -, dann werden auch solche Stimmen lauter, die meinen, den Individualismus als schuldigen Ungeist der Misere entlarven zu müssen. Dann hört man vielleicht Sprüche wie: von China siegen lernen heißt, erziehen lernen! Das asiatische Erziehungsmodell schockiert uns auch deshalb, weil wir ahnen, dass eine rundum ökonomisierte Welt solcherlei Erziehungsmethoden eigentlich befürwortet - sie erduldet humanistische Ansätze nur, sie liebt sie nicht; der Drill wäre ihr lieber, denn mit gedrillten Menschen lassen sich Geschäfte machen...



35 Kommentare:

Anonym 8. Februar 2011 um 08:39  

"... hart wie Kruppstahl, zäh wie Leder, flink wie Windhunde...")
Menschen mit einem Faibel für diese
Sekundärtugenden hatten wir doch erst neulich zu 90 % auf dem Blog von Jens Berger, als die Gorch Fock das Thema war. Sogar der Autor schwärmte: "Retrospektiv muss ich allerdings sagen, dass bei mir das Jahr Marine mehr zur charkterlichen Bildung beigetragen hat als zig Jahre Universität, Schule und Job,........"

Da befindest Du Dich aber in schlechter Gesellschaft.

Fleur 8. Februar 2011 um 08:57  

Am Beispiel Chinas kann man doch wunderbar sehen, welche Herrschaftsform und welches Gesellschaftssystem dem ökonomischem Erfolg am zuträglichsten ist. Statt aber den Wert des Ganzen angesichts der enormen Kosten in Frage zu stellen, pocht man nur umso mehr auf die gängigen Glaubenssätze. Wachstum ist halt per se gut. Egal, wem zum Nutzen, egal um welchen Preis.

Weil du's schon ansprichst: Selbst in Japan beginnt man allmählich die eigene Leistungskultur kritisch zu hinterfragen. Höchste Zeit, wenn man bedenkt, dass das Land bereits seit den 70er-Jahren ein Wort für Tod durch Überarbeitung kennt.
"Den herausstehenden Nagel einzuschlagen" wie der Japaner sagt, ist kein Konzept mit Zukunft. Hoffen wir, das wir hinfinden zu einer Wirtschaft und Gesellschaft, der mehr bleibt als nur die Gegenwart.

Anonym 8. Februar 2011 um 10:06  

Lieber Roberto J. de Lapuente,

dein Text in allen Ehren, aber bei Nachdenkseiten - so meine ich - stand vor kurzem auch ein Beitrag über die Ami-Chinesin, die du treffend beschreibst - Allerdings mit dem Hinweis, dass die PISA-Studie den China-Chinesen so zusetzt, dass die von Amy Chua wegkommen, d.h. die Erziehungsmethoden die diese Frau beschreibt - in deren Buch - sind nicht chinesisch sondern eben us-chinesisch - Die Volksrepublik China hat gemerkt, dass dieser Weg ein Holzweg ist, und bevorzugt daher andere Methoden als diese uralte Methode der chinesischen Erziehung.

Schau mal - unter Amy Chua - bei Nachdenkseiten vorbei.

Gruß
Bernie

Anonym 8. Februar 2011 um 10:09  

Hier der entsprechende Hinweis bei Nachdenkseiten unter Punkt 17 a bis 17c - vor allem der Punkt 17 a und der Kommentar dazu.

Gruß
Bernie

Rain Man 8. Februar 2011 um 10:32  
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Rain Man 8. Februar 2011 um 10:33  
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ad sinistram 8. Februar 2011 um 10:40  

Weil humanistisches Denken mißbraucht wurde, jetzt als Umkehrschluss, damit zu brechen? Das klingt irgendwie wie jene Floskeln, die mit der "Gutmenschelei brechen" wollen... ganz olle Kamellen!

Anonym 8. Februar 2011 um 10:47  

1. Und wovon soll dieses (mal wieder) ablenken?

2. Nun, jedes Land produziert sich einen Sarrazin, wenn es bei den wichtigsten und dringlichsten Themen nicht mehr weiterweiß.

Das dumme und intelligente Volk muss ja irgendwie be-schäftigt werden, damit es schön weiter abgelenkt ist.
Klappt ja auch!

Anonym 8. Februar 2011 um 10:52  

Daniel Limberger hat gesagt...

"Lieber Roberto,

Du übersiehst da etwas ganz grundlegend bei Deiner Verhimmelung des humanistischen Bildungsideals: .."

Das Bürgertum einschließlich Bildungsbürgertum als Ausbeuterklasse bzw. Mitverzehrer angeeigneten Mehrproduktes vornehmlicher Träger der "humanistischen Bildung", konnte da am Ende denn je etwas anderes herauskommen als Lüge und Heuchelei, im "günstigsten Fall" Weltfremdheit, Abgehobenheit?

Fragt Bakunin

Rain Man 8. Februar 2011 um 11:00  
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
Anonym 8. Februar 2011 um 11:06  

@Daniel Limberger

Bringst du da nicht was durcheinander? Der Philosoph Domenico Losurdo greift nicht den "Humanismus" sondern den "Liberalismus" an, der vom ersten Atemzug an einen Geburtsfehler hat - er versteht sich glänzend mit echter Sklaverei, in den westlichen Kolonien - z.B. den USA der Gründungsväter - und echter Zwangsarbeit, z.B. die Arbeitshäuser mit sklavenähnlichen Bedingungen in GB. Ein Geburtsfehler den der Neoliberalismus tausendmal potenziert, eben die negative Freiheit alle auszubeuten, die es sich nicht leisten können zu einer "Elite" zu gehören.

@Roberto J. de Lapuente

Irgendwie hab ich den Link-Hinweis vergessen, also noch einmal:

"[...]17.China als Vorbild für Bildung? [...]"

Quelle und alle Punkte:

http://www.nachdenkseiten.de/?p=8186#h17

Gruß
Bernie

Anonym 8. Februar 2011 um 11:10  

"[...]Da befindest Du Dich aber in schlechter Gesellschaft[...]"

Lieber anonym,

in welche Ecke willst Du Roberto J. de Lapuente stellen? Ist dir die Ironie im Beitrag entgangen?

Übrigens, dass die NS-Moral bei weiten Teilen der dt. "Eliten" seit 1945 nicht ausgerottet wurde hat neulich sogar ein jüdischer Autor in einem Buch nachgewiesen.

Roberto J. de Lapuente ist keiner von denen: Er will lediglich darauf hinweisen, dass eben, wie der oben erwähnte jüdische Autor, die NS-Moral von "anständig, Ehre, Treue etc. usf." wieder fröhliche Urstände bei dt. "Elite" feiert.

Ich halte übrigens, als Stammdeutscher, rein gar nichts mehr von meinen Landsleuten, eben weil man bis in den privaten Alltag hinein mit der nazistischen dt. Arbeits- und Erziehungsmoral konfrontiert wird, ebenso wie mit Überresten des wilhelminischen Rassismus gegenüber afrodeutschen Mitbürgern.

Meine Meinung über das neoliberal, rechtsgerückte Deutschland unter Maggie Merkel/Adolf Westerwelle.

Gruß
Bernie

Anonym 8. Februar 2011 um 11:17  

Ja, ja die böse Aufklärung und der böse Humanismus. Wären die nicht gewesen, dann würden wir immer noch in der dunklen Ahnungslosigkeit des Mittelalters sitzen, und fröhlich Hexen und Andersgläubige verbrennen. Luther sei dank ist das aber heute nicht mehr so, lieber Daniel Limberger, und wenn du dahin zurückwillst wie wäre es mit einem Eintritt in die erzkatholische Sekte namens Opus Dei oder die Evangelikalen für die aller Humanismus und alle Aufklärung auch Teufelszeug sind.

Ich bin mir fast sicher Amy Chua denkt da genauso wie du? Ich würde mich ja gerne irren, aber irgendwie habe ich bei deinem missionarischen Eifer den Verdacht, den sicher auch Roberto J. de Lapuente teilt.

ad sinistram 8. Februar 2011 um 11:24  

Luther war kein Aufklärer. Er war im Kern seines Wesens rückwärtsgewandt - sola sciptura, dieses Schlagwort lag ihm am Herzen. Wer aber Leben nach einer Schrift ausgerichtet haben will, der klärt nicht auf, der verdummt vielleicht sogar eher.

Mehr dazu läßt sich hervorragend in dem Büchlein "Schritt um Schritt in die Reformation" nachlesen.

Schritt um Schritt in die Reformation: Martin Luthers Weg zu einer neuen Kirche

Sol Roth 8. Februar 2011 um 11:32  

Gilt bei uns das Individuum mehr? Hier redet man nicht vom Kollektiv sondern vom Team/Gemeinschaft/Mannschaft. Wo ist der Unterschied?

Unsere Kinder werden genauso brutal unter Druck gesetzt. Bei uns packt man das alles nur in eine hübschere Verpackung ein (frühkindliche Förderung, ADS/ADHS, ...)

Rain Man 8. Februar 2011 um 12:04  
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
Anonym 8. Februar 2011 um 12:04  

"[...]Luther war kein Aufklärer[...]"

Mag schon sein, aber ich wollte eigentlich nur darauf hinweisen, dass in der säkularen Szene Luthers Bibelübersetzung als Beginn der Religionskritik gilt, die eben direkt in die Epoche der Aufklärung geführt hat.

Liege ich damit falsch?

Übrigens, mir sind auch die Schattenseiten des Luther bewußt, die Du ansprichst lieber Roberto J. de Lapuente, aber mir ging es rein darum, dass Luther mit der Bibelübersetzung ins Deutsche erst den Anfang setzte, der eben - siehe oben.....

Anonym 8. Februar 2011 um 12:08  

"[...]Wer aber Leben nach einer Schrift ausgerichtet haben will, der klärt nicht auf, der verdummt vielleicht sogar eher[...]"

Sehe ich ganz genauso, aber einen Unterschied gibt es doch: Wer die Schrift (meinst du die Bibel?) oft gelesen hatte, der war anfällig für Zweifel, und die führen eben direkt ins Hinterfragen der Schrift.

Nicht umsonst ging es vielen Ex-Theologen wie mir: Erst nach der Lektüre der Schrift wurde klar was für Unsinn darin stand.

Gilt jetzt mal - als Ergänzung - rein für die Bibelübersetzung, die ich hier in einem anderen Beitrag erwähne.

Erst Luther, und da bleib ich dabei, machte auch Deutschen den Weg frei für die Aufklärung - Würden wir die Bibel immer noch im unverständlichen Latein lesen, dann wäre es nie zur Reformation, und darauf dem Zeitalter der Aufklärung gekommen.

Oder irre ich da?

Anonym 8. Februar 2011 um 12:22  

Lieber Roberto,

Ms. Chua sorgt mit ihrem Loblied auf eine von uns übertrieben empfundene elterliche Strenge für Diskussionsstoff – nicht zuletzt wohl, weil man, siehe Thilo S., mit allzu differenzierten Ausführungen eben keinen Bestseller landet. Der Durchschnittsleser mag’s halt schlicht! Doch im Gegensatz zu unserem Thilo, der das Schicksal in den Genen ortet, geht es bei ihr immerhin um das exakte Gegenteil: Die Möglichkeit, Begabungen durch Disziplin und Konsequenz zu entfalten – statt sich vorschnell damit zu trösten, das eigene Kind sei zwar, na klar doch, hochbegabt, aber leider stinkfaul.
Ist Ms. Chua wirklich eine „typisch chinesische“ Mutter? Ich glaube, diese Behauptung geht eher auf den geschäftstüchtigen Verlag zurück! Der ursprüngliche Ausdruck „Tigermom“ bezieht sich wohl auf das Geburtsjahr der Verfasserin (1962 war das Jahr des Tigers) und ihre gemäß chinesischem Horoskop sich daraus ergebenden „tigerhaften“ Charaktereigenschaften.
Amy Chua steht jedoch, wenn ich ihre Biographie richtig deute, als eine mit einem (jüdischen) Amerikaner verheiratete Auslandschinesin (deren Eltern auf den Philippinen lebten, bevor sie in die USA auswanderten) keineswegs exemplarisch für die Bewohnerschaft oder auch nur die Elite der Volksrepublik, soweit diese Elite überhaupt Maos diverse „Säuberungen“ (mit ca. 75 Millionen Toten!) überlebt hat. Das Klischee, den Ostasiaten sei halt das „Individuum“ fremd, und ihnen allen gelte „nur“ das Kollektiv, trifft es genausowenig.
Im Gegenteil, es geht hier ja wie auch sonst durchaus um den Erfolg des einzelnen, der aber bitte zugleich einen sanften Abglanz auf die ganze Familie werfen soll. Ist das andererseits nicht fast überall so? Spontan fällt mir da der (jüdische) Witz vom Schreckensschrei der älteren Dame im Schwimmbad ein: „Zu Hilfe, zu Hilfe! Mein Sohn, der Doktor, ertrinkt!“
Ein Bekannter von mir, der in der deutschen Botschaft in Peking über die Zulassung von chinesischen Studenten an deutsche Universitäten zu befinden hatte,
erinnerte sich noch Jahre später mit Grausen an Riesenstapel hervorragender Zeugnissen, unter denen er die (zahlreichen) echten von den (noch viel, viel zahlreicheren) gefälschten trennen musste.
Offenbar zwingt die Tigermama ihre musikalisch begabte Tochter zu ihrem „Glück“ = Erfolg, so, wie die Mutter selbst seinerzeit von ihren ehrgeizigen Eltern zum Erfolg gezwungen wurde – wie übrigens auch Tigermoms zwei Schwestern, von denen diejenige mit dem Down-Syndrom immerhin noch bei den Paralympics Goldmedaillen einheimste.
Was ich hingegen typisch finde, ist, dass es bei diesen Erziehungsmaßnahmen stets um Mädchen zu gehen scheint. Schon Amy Tan hat in ihrem Roman „Töchter des Himmels“ mit viel Humor geschildert, wie vier chinesisch-stämmige Mütter in Kalifornien voreinander mit den Erfolgen ihrer jeweiligen amerikanisierten Töchter prahlen. Dahinter steht, fürchte ich, implizit der uralte Gedanke, dass Mädchen „eigentlich“ nichts wert sind – im Gegensatz zu Söhnen, die den Wert der Mutter durch ihre bloße Existenz aufpolieren, selbst wenn sie frech, faul und gefräßig sind (wie es bei den heutigen verwöhnten chinesischen Einzelkindern durchaus schon mal vorkommt).
Übrigens: Von einem geschäftlich sehr erfolgreichen chinesischstämmigen Bekannten, nur 15 Jahre älter als Ms. Chua, erfuhr ich zu meinem Entsetzen, dass seine verwitwete Mutter noch in den 1940er Jahren ihre vier kleinen Töchter „verkaufen musste“, um wenigstens ihn, den Sohn, großziehen zu können. Trotz seines später zusammengerafften Reichtums hat er seine Schwestern nie wiedergefunden...
(Verglichen damit haben es Sophie und Lulu, Ms. Chuas Töchter, doch wirklich gut getroffen).

Liebe Grüße
Saby

Anonym 8. Februar 2011 um 15:19  

Bernie: "in welche Ecke willst Du Roberto J. de Lapuente stellen? Ist dir die Ironie im Beitrag entgangen?"

Nein. Ist sie nicht. Nur Robertos Bruder im Geiste -Jens Berger- hat mit seiner Fangemeinde nun einmal ein regelrechtes, keinesfalls ironisches rhetorisches Vollbad in diesen Sekundärtugenden genommen.

antiferengi 8. Februar 2011 um 16:00  

@Daniel Limberger

der Humanismus wurde nicht "missbraucht", sondern DIENTE dem Zweck der Entwicklung der Bevölkerung kapitalistischer Staaten als überlegenes Konkurrenzmittel. Das ist kein "Missbrauch", sondern der ganze Zweck des Humanismus!

Das nimmt langsam paranoide Formen an. Genauso gut könnte ich deinen Wunsch nach "totaler" Aufklärung, als "dein" zweckdienliches Mittel zur Vermittlung dessen demagogisieren, was du selber unter Aufklärung verstehst. (z.B. immer die gleichen Links, zu den immer gleichen "Aufklärungslitaneien") Tu ich aber nicht. Ein wenig mehr Verhältnismäßigkeit bitte.

Anonym 8. Februar 2011 um 16:22  

Die Kultur, die den Humanismus hervorbrachte, brachte auch den Holocaust hervor. Woher sonst die Orientierungslosigkeit der Postmoderne?
Nachdem hier in fast jedem Blogbeitrag die Abwesenheit von Humanismus im Westen konstatiert wird, ist es bestenfalls schizophren, sich jetzt auf einmal auf "westlichen" Humanismus zu berufen.

LiPo 8. Februar 2011 um 16:34  

Ach, der Herr Limberger wieder:
"der Humanismus wurde nicht "missbraucht", sondern DIENTE dem Zweck der Entwicklung der Bevölkerung kapitalistischer Staaten als überlegenes Konkurrenzmittel."
Was liefert der olle Marx nicht für wundersame Argumente gegen den bürgerlichen Schei** wie Humanismus und Aufklärung, obwohl Marx ja selbst ein Kind jenes Humanismus gewesen ist.
Fortschritt gibt es doch sowieso nur im Korsett des Histamat; nur, China war damals terra incognita.
Gerade China: Seit den 1890igern versuchten chinesische Marxisten, die Sklaverhaltergesellschaft zu belegen, die ja VOR dem Feudalismus stattfinden sollte, was bis jetzt nicht gelungen ist. (Und ob man das chinesische Kaisertum mit dem europäischen Feudalismus in einen Topf werfen sollte, wage ich zu bezweifeln.)
Also kam Wittfogel (http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_August_Wittfogel) mit der These der hydraulischen Despotie, die man dann als Stadium der Stammesgesellschaft VOR den Feudalismus setzte.
(http://de.wikipedia.org/wiki/Historischer_Materialismus)
Dann klappt's auch wieder mit dem Histamat!

Und nun zum Eigentlichen:
Wer sich einmal mit der chinesischen Schriftkultur auseinandergesetzt hat, weiß, wieviel Drill und Disziplin dazugehört, Schriftzeichen in der richtigen Reihenfolge schreiben zu lernen, dazu kommt die Aussprache und die Bedeutungen.
Dazu dann das konfuzianische Weltbild mit einer strengen Hierarchisierung innerhalb der Familie und des Clans.
Dass Konservative ein solches Erziehungsideal bevorzugen, ist doch offensichtlich.
Da lobe ich mir doch das humboldtsche humanistische Erziehungsideal, das den "aufgeklärten" Menschen anstrebt.

ad sinistram 8. Februar 2011 um 16:35  

"Der Kultur wohnt die Hölle inne", wird ein Essay in meinem nächsten Buch lauten - das ist die These, dass dem, was wir hier Humanismus nennen, der Holocaust innewohnte. Diese These ist insofern richtig.

Es gibt auch heute, in Zeiten, da der Mensch ökonomischer denn je gestaltet wird, immer noch Zugeständnisse an humanistische Ideale - sie werden rarer, das ist richtig. Aber sie schimmern noch manchmal durch. Es gilt sie zu erhalten und zu reanimieren...

Anonym 8. Februar 2011 um 17:10  

"[...]Wer was gegen Kritik hat, der gehe bitte zum Kindergärtner und beschwere sich...[...]"

Yep, Dein Kompliment gebe ich gern zurück - Wie im Kindergarten! Der liebe Daniel hat immer recht, und die anderen Kinder sind Schmollnasen....

Einfach lachhaft.....*grins*

antiferengi 8. Februar 2011 um 17:40  

@Anonym 16:22,@Daniel

Nun, dabei geht es auch um Grundsätzliches.

Kapitalismus hat zur ökonomischen Profitalisierung von Menschen geführt.

Kommunismus hat zur gleichschaltenten Systemtechnokratie geführt.

Liberalismus hat zur Barbarei mit dem Geldbeutel geführt.

Humanismus hat (vorn mir aus) zum Holocaust geführt.

Aufklärung hat zum aufklärungsverklärenden Kostruktivismus geführt.

Leben, führt zum Tod.

Kennt ihr den kürzesten Weg zum Nihilismus? Nicht, dass ich etwas gegen diese Leute habe. Wer dies Tal durchschreitet, und es sogar schafft, - kann nur neue Hoffnung schöpfen. Aber er sollte sich doch wenigstens dazu bekennen. Ansonsten sind solcherlei Sondermaße, ein wenig zu funktional orientiert. Das meinte ich mit Verhältnismäßigkeit.

Anonym 8. Februar 2011 um 18:06  

"Es gibt auch heute, in Zeiten, da der Mensch ökonomischer denn je gestaltet wird, immer noch Zugeständnisse an humanistische Ideale - sie werden rarer, das ist richtig. Aber sie schimmern noch manchmal durch. Es gilt sie zu erhalten und zu reanimieren..."

...und das traue ich ehrlich gesagt nur den Konservativen zu. Aus dem bestechend einfachen Grund: Das Geschichtsbild und -wissen der Konservativen reicht für gemeinhein auch auf die Zeit vor den '30er Jahren des letzten Jahrhunderts zurück.

Setzen Sie mal ein Dutzend gebildete Linke und ein Dutzend gebildete eher Rechte zusammen und lassen Sie sie über Geschichte diskutieren.
Wie oft habe ich es erlebt, dass die Linken dabei so sehr viel schlechter aussahen, weil sie einfach wenig wußten von der Geschichte vor dem Nationalsozialismus.

Genau DARIN liegt der geistige Bankrott der Linken.
Und genau DAS ist der Grund, warum sie keine guten Ratgeber für die Zukunft sind.

Anonym 8. Februar 2011 um 18:34  

Lieber Roberto,

seit nunmehr einem knappen Vierteljahr verfolge ich deinen Blog mit einiger Regelmäßigkeit. Deine Kritik so fand und finde ich zum Teil immer noch richtet sich gegen die richtigen Symptome. Doch ich kann nicht umhin Daniel an dieser Stell recht zu geben und Systemkritik im weiteren Rahmen in Betracht zu ziehen. Vieles was diskutiert wird und was an Symptomen kritikabel erscheint träte tatsächlich ohne die (systematisch) eingepflanzte Konkurrenz der Individuen in dieser Form gar nicht erst zu Tage, würde sogar jeder Grundlage entbehren.

Die Kritik an der Wirtschaftweise und die die gesellschaftlichen Konsequenzen aus ihr hat der GSP tatsächlich gut dargelegt. Ich habe einige Zeit gebraucht um mit Freunden Kontroverse zu machen und ein Patentrezept wird freilich nicht geliefert, aber die Sache sehr gut beschrieben.

Aus diesem Grund und bei aller Wertschätzung muss ich dennoch sagen, dass mir nach dieser Aufklärung immer der "systematische" (d.h. die Mechanismen der Wirtschaftsweise) Blick auf die Symptome durch dich fehlt.

Ich danke dir dennoch und auch Daniel und hoffe dass wir konstruktiver sind... demnächst.

Viele Grüße,
_BB_

PS: "Konstruktiver" heißt nicht ungeprüft übernehmen, aber zumindest in erwägung zu prüfen und bewerten, was der Peter Decker da so Schlüssiges/Unschlüssiges von sich gibt

Anonym 8. Februar 2011 um 19:13  

"[...]Genau DARIN liegt der geistige Bankrott der Linken.
Und genau DAS ist der Grund, warum sie keine guten Ratgeber für die Zukunft sind[...]"

Wer sind den deiner Ansicht nach "gute Ratgeber für die Zukunf"? Was behauptest Du über "Linke"? Irgendwie habe ich von denen einen ganz anderen Eindruck.

Deine pauschalen Vorurteile passen eher zu alles Linkshassenden (nicht nur Parteien) aus der rechten Ecke.

Sind diese Stichwortgeber, um A.H. und dem verreckten Jörg Haider deine "guten Ratgeber für die Zukunft"? Nein? Für mich hört es sich aber so an.....

Anonym 8. Februar 2011 um 19:53  

Das das hiesige Bildungssystem im Wesentlichen ein Zwangs und Disziplinierungssystem ist, hat Foucoult herausgearbeitet. Vielleicht ist Frau Chua letztlich nur ehrlich und verbirgt die Drangsal nicht hinter hummanistischen Floskeln.

Gruß
Jufati

antiferengi 8. Februar 2011 um 20:25  

@Anonym 18:06 18:34
Oh weiah. Jetzt strickst du dir aber was zusammen. Da gibst genug Linke, die behaupten gerade anders herum, - dass die Konservativen kein Geschichtsbild haben. Naja, jedem seine eigene Darlegung der gewollten Seite. Aber zum Systemischen, - muss ich einfach was loswerden. Ehrlich gesagt, - ist es das was Robertos blog ausmacht. Warum man ihn so mag. Eben, - seine unsystemische Sicht. Es ist dieses Systemdenken, was immer wieder Menschen zur Sache werden lässt. Und damit sogar fähig ist, den Humanismus zu missbrauchen. Eigentlich alles zu missbrauchen. Wer wirklich ehrlich ist, - muss auch fähig sein, dieses Technokratiedenken in Frage zu stellen. Denn dies ist tatsächlich das, was die letzten zwei Jahrzehnte wirklich überhand genommen-, und damit seine Verhältnismäßigkeit verlassen hat.
Es macht keinen Sinn, zwischen linken oder rechten Systemdenkern zu unterscheiden, wenn beide Menschen zu Elementen eines Systemes erklären. Deshalb, sollte das Thema Humanismus, wieder auf den Tisch. Den in der Systemtheorie, ist rein logisch, - kein Platz dafür. Wenn du von Geschichtsschreibung erzählst, dann bitte auch die neuere Geschichte der Systemtheorie. Vielleicht ist das Thema nicht so sehr die graue Vorzeit, sondern die der letzten Jahrzehnte - und ihre Auswüchse. Z.B. - das Buch von Amy Chua und die Frage, warum man evtl. für systemischen Erfolg bereit wäre, ein ganzes Weltmodell aufzugeben.

Anonym 8. Februar 2011 um 21:00  

"[...]Nein. Ist sie nicht.[...]"

Aha?

"[...]Nur Robertos Bruder im Geiste -Jens Berger- hat mit seiner Fangemeinde nun einmal ein regelrechtes, keinesfalls ironisches rhetorisches Vollbad in diesen Sekundärtugenden genommen[...]"

Wo denn? Link-Hinweis bitte statt pauschaler Unterstellungen an SPIEGELFECHTER.

Dem Nähe zu rechtem Denken zu unterstellen grenzt ja ebenso an schwätzerhafter Diffamierung wie deine Verdächtigungen an die Adresse von Roberto J. de Lapuente - in dieselbe Richtung.

Darüber schon einmal nachgedacht?

Frägt sich
Bernie

Anonym 9. Februar 2011 um 09:56  

Hat der Humanismus den Menschen nicht in eine katastrophale Ausnahmestellung gebracht? (John Gray: "Von Menschen und anderen Tieren. Abschied vom Humanismus"). Nach der humanistischen Ideologie steht der Mensch außerhalb aller Naturzusammenhänge. Der Mensch ist mehr wert als Tier, Pflanze, Mineral, Landbasis. Hat der Humanismus (und auch das Christentum) nicht Mitschuld bzw. sogar die Hauptschuld an der katastrophalen Umweltbilanz der Menschheit? Die Menschheit, wenn man sie von außerhalb, als Orson Welles'scher Marsmensch, betrachtet, gebärdet sich wie "der Krebs der Erde" (E.M.Cioran). Der westliche Humanismus ist eine tödliche Sackgasse. Ökologisches Denken müßte den Humanismus ergänzen bzw. vollenden (auch Tiere, Pflanzen, Mineralien, selbst die Landbasis - siehe Aldo Leopold, die Ehtik des Jainismus oder der Bishnois (Wüste Thar/Rajasthan) - sollten Rechte haben). Ganz im Sinne von Hegels Satz "Das Wahre ist das Ganze".
Anton Reiser

Sabrina 11. Februar 2011 um 00:00  

Ok, bin Buchhändlerin. Habe in das Buch reingelesen. Finde es ziemlich übel und eine Verneinung der Kindheit, denn schon in frühen Jahren beginnt der totale leistungsdruck. Arbeite in einer Kette, daher ist das Buch auch am Lager. Ich bin teilweise entsetzt, wieviele Menschen dieses Buch kaufen. Und es sind teilweise die gleichen Kunden, die damals unbedingt den Sarrazin haben mußten. Schon bei diesem schwarzrotem Buch war ich über ämtliche Kommentare erschrocken. Ich mußte es zigmal als Geschenk verpacken. Genauso ist es nun bei diesem Buch. "Meine Nichte ist viel zu verwöhnt.", solche und andere Sprüche hört man als Buchhändlerin. Ich empfinde es schlicht als eine Absage an die Kindheit und als ABM für zukünftige Psychiater. Man muß sagen, das Klientel, wie bei Sarrazin, ist zu 90% aus der konservativen Bildungsschicht. Man kann nur sagen"19,90, bitte."

Auch möchte ich mich nun mal bei Roberto J. de Lapuente für seine guten Texte bedanken. Ich habe Dein Buch auch in unsere Buchhandlung geschmuggelt. Ein kleiner Hinweis in eigener Sache: Der stationäre Buchhandlung leidet unter amazon.de. Warum suchst Du Dir nicht eine stationäre Buchhandlung mit Internetservice, um Deinen Link zu Deinem Buch nicht mehr zu Amazon.de weiterzuleiten. Deine Texte passen nicht zu Amazon!
Beste Grüße, Sabrina

flavo 27. März 2012 um 14:34  

Produktion gereizter Seelen. Offenbar auch in China eine Sektion existent.
Gereizte Seelen, überall werden sie produziert. In ihrer Reizung neigen sie sich in den Gehorsam und inszenieren sich einen Kampf, in dem sie durchhalten müssen. Eine Mutter, die derartiges von ihren Kindern verlangt, ist eine Rabenmutter. Der Zögling wird es der Mutter aber ewig danken, um so verletzter er ist, um so mehr wird er gereizt sein und sich anreizen lassen müssen und wenn ihm seine Seelenreizung bis ins Alter hinein köperliche Züge einbringt, er wird noch lieber gigantische Menschenmassen verdammen, als von seinem getriebenen Bewusstsein ablassen zu können. Die Mutter stirbt und ihr lösendes Wort ist nicht mehr möglich: mein lieber Zögling, ich liebe dich, komm her, ich liebe alle deine natürlichen Impulse, ganz und fest. So werden Zombies produziert, die einer Unmöglichkeit hinter her getrieben sind. Gleich einem Phantasten: ich wünsche mir, dass Grokul mir mein Haar temperiert (ein unsinnger Wunschsatz bitteschön): ich werde alles dafür tun, sparen, leisten, arbeiten, folgen, Zähen zusammen beißen. Der Zombie will ähnliches, er irrt umher, wird zu Stahl und weiß nicht um die unmögliche Erlösung. Am Anfang hätte man das alles vermeiden können.

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