Vermittlungsausschuss heißt auch, den fabrizierten Ausschuss der Öffentlichkeit zu vermitteln

Donnerstag, 24. Februar 2011

"Die richtige Balance" habe man gefunden, urteilte Westerwelle. Und die Kanzlerin sei "sehr zufrieden" mit der Nachvollziehbarkeit, frohlockte Merkels Pressesprecher. "Mit großem Erfolg durchgesetzt", jubelierte Gabriel. Die vormals zerstrittenen Blöcke bekunden ihr großes Eiapopeia; alles einigermaßen zufriedenstellend verlaufen, jeder habe gewonnen und Positionen durchgesetzt - alle sind rundweg zufrieden mit der Überarbeitung der ALG II-Regelsätze. So sehr, dass eine heilige Tripel-Allianz der Zufriedenheit die Szenerie betritt.

Man hat sich eben auf die wahren Notwendigkeiten besonnen in diesem zweiten Vermittlungsausschuss, der die erste Variante, die Millionen von Langzeitarbeitslosen um üppige monatliche Apanagen gebracht hatte, vergessen machen sollte. Damals standen die Kombattanten noch unversöhnlich gegenüber, was ihnen öffentliche Rüge einhandelte - man bringe Bedürftige um ihre Bedürftigkeit, wenn man ihnen nicht eilends eine frohe Kunde von etwas mehr Zuwenig verkünde, las man allerorten. Wenn zwei Seiten jeweilige Interessen vertreten, hieß es weiters, dann würde das Demokratieverdrossenheit anfachen - in einer Demokratie, so stand jedoch zu Gebote, dürften sich zwei Ansichten nur auf dem allerkleinsten gemeinsamen Nenner treffen, nur dann sei alles in demokratischster Ordnung.

Was angemahnt wurde nahm man sich dann auch zu Herzen, setzte sich erneut in einem Vermittlungsausschuss zusammen und konzentrierte sich auf das wesentliche Element moderner Mediendemokratie: darauf, die beste PR für alle Parteien zu entwerfen, damit niemand sein Gesicht verliert. Vermittlungsausschuss hier und heute bedeutet, solange zu vermittlen, bis sich alle teilnehmenden Parteien als Sieger und Retter wähnen können. Am Ende sollen alle aus dem Ausschuss heraustreten und den geistigen Ausschuss, den sie fabriziert haben, als einen großen Wurf ausleuchten - Vermittlungsausschuss heißt: die Fehlproduktion, den fabrizierten Ausschuss also, vermittelt zu bekommen. Alle müssen erklären, besonders zufrieden zu sein; der Vermittlungsausschuss ist ein Ausschuss, der Zufriedenheit vermitteln soll - unter den Parteien natürlich, nicht bei denjenigen, denen man eine kleinkarierte Regelsatzerhöhung von nicht mal 1,4 Prozent vermittelt hat.

Und ganz nebenher sind jetzt die politischen Rubriken in den Zeitungen auch strotzend vor Texten, die Zufriedenheit atmen. Endlich sei die Politik in die Gänge gekommen, liest man da nun; endlich gäbe es einen Konsens; endlich habe man die "Institution Vermittlungsaussschuss" nicht entweiht, indem man über Gegensätzlichkeiten vermittelte (die freilich so weit nie auseinander waren!), sondern darüber, dass keiner der Teilnehmer sein Gesicht verlöre. Zufriedene Vertreter aller politischen Lager: das sei schließlich förderlich für die Demokratie!

Dass man in diesem zweiten Anlauf nicht über Verschlimmbesserungen befand, sondern darüber, dass auch die Sozialdemokratie als strahlender Gewinner heraustreten könne aus dieser illustren Runde, das ist das wahre Extrakt, aus dem Ausschüsse solcher Sorte sind. Wie können wir, werte Damen und Herren, so vor die Kameraobjektive treten, fragt man sich in solchen Ausschüssen normalerweise gegenseitig, dass wir unsere jeweilige Klientel nicht nur nicht verprellen, sondern vielleicht sogar dazu bewegen können, uns als Gewinner zu erachten? Es liegt doch in unser aller Interesse, dass keiner als Verlierer den Raum verlässt - wie also vermitteln wir unseren Wählern, dass jeder von uns erfolgreich war in dieser Runde? Dem Wähler dergleichen zu vermitteln: auch daher rühren solche Komposita wie "Vermittlungsausschuss"...



10 Kommentare:

klaus baum 24. Februar 2011 um 08:35  

ausschuß ist doch das, was schiefgegangen ist, was nix wurde, was man wegwirft, was gänzlich unbrauchbar oder nur als ausschuß brauchbar ist.

und was ist höhnisch vermittelt ist, ist das gegenteil davon. mit anderen worten: es wird mal wieder scheiße zu gold verklärt.
wenn der körper sich aus den speisen und getränken die nährstoffe herausgezogen hat, ist das, was im darm nach der verarbeitung übrig bleibt, ausgelaugter, stinkender abfall.

CDU/CSU/SPD/GRÜNE vergleichen wir mit darm und niere. sie ziehen in gestalt von diäten und reetungsschirmmoneten das beste für sich und ihre klientel heraus und überlassen dann den durch sie arm gemachten die pisse und die scheiße. also den ausschuß.

Berggeist1963 24. Februar 2011 um 09:23  

Was soll man denn anderes erwarten, wenn der Grossteil unserer Politmarionetten auch nur aus Ausschuss besteht? Es geht für sie nur noch darum, sich medial positiv darzustellen: "Hey, Ihr da draussen - wir hier sind alle Helden!" Die "Lösungen von Sachfragen" werden doch eh von den Drahtziehern im Hintergrund vorgegeben.
Wie sagte mal ein Bekannter von mir vor vielen Jahren? "Wenn aus einem Pisspott eine Kaffeetasse wird, dann ist´s schon Sch...""

Doch das eigentliche Problem ist unsere Bevölkerung. Die Mehrheit lässt nun mal lieber andere für sich denken. Wenn ich z.B. heute in unserem hiesigen Käseblatt lesen muss "Guttenberg nach Plagiatsaffäre beliebter als vorher" oder gewahren muss, dass die FDP in den Hamburger Senat gewählt wurde, da fasse ich mir nur noch an den Kopf und weine bitterlich.

Anonym 24. Februar 2011 um 09:24  

Warum ist in diesen rund 400 Verhandlungstagen mit rund 365 Pausentagen hier eigentlich nicht die Justizministerin, die Staatsanwaltschaft und das Bundesverfassungsgericht eingeschritten um diese Stümper zu sanktionieren?

Wenn mein Arbeitgeber mir früher einen überschaubaren Arbeitsauftrag gegeben und mir faire 30 Tage Ausführungszeit für dessen Erledigung eingeräumt hat, konnte ich mir auch keine 27 Tage Pause gönnen. Der hätte mich achtkantig rausgeschmissen.

Anonym 24. Februar 2011 um 11:27  

Vergesst mal alle nicht, dass diese "Einigung" erst zustande kam NACHDEM der Ur-SPD-Spießer Olaf Scholz vom Hamburger Mittelklasse-Spießertum zum neuen absoluten Kaiser gekrönt wurde!
Nur ein Zufall?

MfG Bakunin

Hartzkritik 24. Februar 2011 um 12:56  

man hört nur immer "Vermittlungsausschuss"!

Doch der hat sich doch gar nicht geeinigt, sondern nur abgenickt und durchgewunken. Entscheidungen wurden doch wohl eher in den "informellen Treffen" getroffen.

Das ist doch der eigentliche Skandal. Es gibt da ja den Artikel 77 GG, in dem beschrieben wird, wie sich die Sache mit einem Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag verhält.

Im übrigen haben Regierungsvertreter nichts in einem solcen Vermittlungsausschuss zu suchen. Und selbst diese informellen Treffen mit Beteiligung von Arbeitslosenobermutti Zensursula viel der Lügen waren nicht mal ein Unterausschuss. Unterausschüsse dienen dazu, dass eigentlich Fachleute bei einer Kompromissfindung helfen sollen. Doch wo waren diese, die zuletzt im Ende November 2010 vor dem Arbeits- und Sozialausschuss gehört wurden und dabei den vonderleyeschen Gesetzentwurf in der Luft zerfledderten?

Ein Farce, das Ganze, ein Skandal zudem, wie es abgelaufen ist und alle mal wieder ein rein politischer Entscheidungsprozess, bei dem am Ende der Regelsatz beschlossen wurde und die Nachvollziehbarkeit erst hinterher der Entscheidung angepasst wurde.

Der Spielraum, den die Bundesverfassungsrichter dem Gesetzgeber einräumten, wurde so fest angezogen, dass das Ganze wieder vor den richtern landet. So lange wird das Getöse weiterhin nicht abebben!

Es muss einen einfach missmutig stimmen, denn vor der Hamburgwahl hatte der eigentliche Vermittlungsausschuss gar nicht mehr getagt, vielmehr wurde bei den informellen Treffen keine Einigung erzielt. Dann ersparte man sich bei der Bundesratssitzung vor der Wahl eine Abstimmung, um danach wieder eine Entscheidung lediglich über informelle Treffen herbeizuführen, die eben nur noch durchgewunken und abgebickt wurden!

Hätte die SPD einen so berauschenden Wahlsieg in Hamburg eingefahren, wenn sie eben diesen nicht verfassungskonformen Komproniss schon vor der Wahl der abgenickt hätten? Das Ganze Ding bleibt eine Farce!

Anonym 24. Februar 2011 um 13:27  

Erst haben sie das Erziehungsgeld und des Übergangsgeld nach Bezug von Arbeitslosengeld gestrichen, um dann üppige fünf Euro zu "spendieren".

Es geht nicht nur um Arbeitslose, sondern auch um die Grundsicherung im Alter, auch da möchte man noch etwas Menschenwürde haben!

Anonym 25. Februar 2011 um 09:03  

Es bleibt dabei:

"[...]Wer hat uns verraten? Die Sozialdemokraten. Wer war deren Mitgestalter beim Verrat: Die grüne Partei[...]" - Frei zitiert die Ex-Grüne-Mitbegründerin aus dem neuesten Buch von ihr "Die Grünen - was die reden, was die tun". Die "Realos" in der Linkspartei bekommen auch ihr Fett weg, aber der Schluß von Jutta Ditfurth was die rot-grünen Regierungsjahre, und den damit verbundenen größten Sozialraub seit 1945 angeht, den teilen sogar renomierte Ökonomen aus dem "linken" Spektrum mir ihr.

Schwarz-Gelb führt dies nur weiter, und die rot-grüne Opposition tut so als wäre die die unbefleckte Jungfrau Maria.

"HarztIV"? Wir? Hat Merkel nicht schon als Kanzler Schröder agiert? War Schröder/Fischer nicht ein Deckname für die gute Merkel, die damals schon Kanzlerin war.

Fazit:

Volksverarschung auf ganzer Linie, und wer dies anprangert, der ist bei der rot-grünen Opposition untendurch, die mit ihrem "Kompromiß" ja gerade heute wieder gezeigt hat, dass die mit ein Motor des Sozialabbaus in Deutschland ist - Oder wer glaubt daran, dass die Grünen sich heute enthalten werden? Ich nicht mehr.

Anton Chigurh 25. Februar 2011 um 12:10  

Jeder sieht, was bei diesem "Vermittlungsausschuss" herausgekommen ist: nämlich dass sich KEINE der teilnehmenden Parteien ernsthaft um die Umsetzung des Karlsruher Urteils bemüht hat. Die Rechte und Belange der Benachteiligten ist diesen Politikern schlichtweg scheißegal gewesen. Ein widerliches Puppentheater, auf dem Rücken der Chancenlosen ausgetragen, als wahltaktische Schmierenkomödie.
Das ist Verrat am Volk, diese Leute sind (ich weiß, dass der Ausdruck negativ belastet ist, verwende ihn aber dennoch !) Volksschädlinge !
Jeder weiß doch im Prinzip, dass niemand (außer vielleicht der Linkspartei) in Berlin daran interessiert ist, eine grundlegende Änderung des Systems ALG herbeizuführen.
Wenn die Opposition genau so viel Energie darauf verwendet hätte, dem schwarzgelben Gesindel die Rote Karte im Vermittlungsausschuss zu zeigen, wie sie jetzt für die (völlig legitime) Hatz auf einen Hochstapler an den Tag gelegt hat, wäre wenigstens ein Krümelchen Glaubwürdigkeit übrig geblieben...
Die "S"PD hat sich eigentlich keinen Zentimeter zu ihren Wurzeln zurückbewegt. So bekämpft man nicht die menschenverachtende Politik der schwarzgelben Banditen !

Anonym 27. Februar 2011 um 16:08  

Und diese "S"PD fühlt sich auch noch bestätigt, durch die Wahl von Olaf Scholz.
Die glauben doch wirklich, ihre sogenannte "Wirtschaftspolitik" hätte ihnen den Sieg gebracht.

KlausH

Anonym 1. März 2011 um 00:42  

Mediendiktatur ist nicht falsch, beschreibt aber nur die Mittel. Es ist mittlerweile eine astreine, parteienübergreifende Schichtendiktatur. Die von der Oberschicht gelenkte Mittelschicht knöpft sich die Unterschicht als Buhmann vor und macht alles mit ihr, was sie nur will, Gesetze hin oder her, das spielt gar keine Rolle mehr. Die einzige parlamentarische Ausnahme ist die unterschichtige Linke, die in diesem System der Schichtenrepression prompt als 'nicht regierungsfähig' ausgeschlossen wird. Wer gewohnheitsmäßig im Stil der alten Republik auf Parteien setzt, hat das Problem nicht erkannt, denn durch einen Wechsel innerhalb der Mitteschichtsparteien ändert sich für die Unterschicht nichts - absolut nichts. Die Deutschen stehen auf gegen den Feind im Inneren - den Bierbüchsentrinker auf der Parkbank (versinnbildlicht). Wenn der weg ist, ist das Land befreit. Was ist das für ein Denken, nicht 1933 ? Zu hoch gegriffen ? Glaube ich nicht.
gez. Braunes Hartz.

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