Tina Merkel oder Wie sie den Kontinent formte
Montag, 24. August 2015
Letzte Woche gab es exakt zwei Möglichkeiten: Entweder der Bundestag würde erneuten Milliarden für Griechenland zustimmen und das Land in weitere Schuldknechtschaft entlassen und somit langfristig ruinieren. (So kam es dann auch.) Oder die andere Option wäre gewesen, dass man einen weiteren Kredit abgelehnt und damit Griechenland sofort ruiniert hätte. So oder so, beides scheint falsche Folgen zu haben. Oder anders gesagt: Herzlichen Glückwunsch, Frau Bundeskanzlerin, Sie haben die Alternativlosigkeit zu einem europäischen Misserfolgsmodell gemacht. Selten sah man das besser als letzte Woche.
Es war eine komplizierte Angelegenheit. Selbst für Menschen, die sich politisch interessierten. Würde man Griechenland erneut mit Geld aushelfen, so würde das Land zunächst nicht zusammenbrechen - und das ist ja an sich eine gute Sache. Man vertiefte damit aber auch die Abwärtsspirale, verewigt das Darben in Schulden für eine unabsehbare Zeit und schränkt damit den Handlungsspielraum sämtlicher griechischer Regierungen ein. Das hätte man vermeiden können, hätte man gegen neue Kredite gestimmt. Der Kreislauf aus Zinsen und Tilgung wäre unterbrochen gewesen. Aber gleichzeitig wäre die griechische Volkswirtschaft endgültig pleite gewesen. Auch dann wäre diese griechische Regierung handlungsunfähig gewesen. Beide Möglichkeiten hatten gute Gründe dafür und dagegen. Beide Möglichkeiten tragen im Keim eine fast identische Entwicklung: Die Untergrabung des Primates der Politik.
»Pest oder Cholera?« könnte man jetzt fragen. Aber beide Krankheiten sind mittlerweile heilbar. Eine Überdosis Arsen oder doch nur stetige Dosen derselben Substanz? Das ist die eigentliche Frage. Tödlich sind beide Varianten. Sie sind alternativlos. Denn das Weiterleben steht nicht zur Debatte.
Diese Entscheidung letzte Woche hat das Dilemma Europas ganz ausgezeichnet skizziert. Wir leben in der Alternativlosigkeit einer Ära, in der die marktkonforme Demokratie und ihre Befürworter das Ruder übernommen, in der Berlin Brüssel instruiert, Merkel den Kontinent hegemonial überrumpelt hat. Die Geisteshaltung dieser Epoche ist nicht an Alternativen interessiert, sondern an der Beibehaltung profitabler Ressourcen. Und wenn Geschäfte wegbrechen, sollen sie eben politisch gestützt und geschützt werden. Andere Ansatzpunkte sind in diesem Spiel nicht vorgesehen.
Es gab bei den Verhandlungen der Finanzminister Vergleiche, die sagten, dass man den Griechen die Pistole an den Kopf hielt, während sie aus freien Gewissen ihren Weg bestimmen durften. Dasselbe Prinzip wendet man auf Parlamentarier an, die über Gelder bestimmen sollen, ohne die es nicht geht und mit denen es letztlich auch nicht geht. Man schwindelt Optionen vor, die es faktisch in letzter Konsequenz nicht gibt. Entscheidungsfreiheit ist hier nur eine Phrase. Alternativen gibt es nur auf den ersten Blick. Nochmal Gratulation, Angela Merkel. Mehr und mehr reift Ihre Vorstellung einer »modernen Demokratie« zur Wirklichkeit heran. In der gibt es keine Alternativen mehr und demgemäß, wie es die »Gesellschaft für deutsche Sprache« schon 2010 festhielt, »keine Notwendigkeit der Diskussion und Argumentation mehr.«
Zwar kann man noch diskutieren, aber die Entscheidungsprozesse lotsen nicht automatisch in verschiedene Szenarien. Jeder gangbare Weg kulminiert in einer Entwicklung, die so gut wie identisch ist, egal ob man so oder so votiert. Wenn es aber keine verschiedenen Zukunftsszenarien mehr gibt, dann muss sich die gegenwärtige Demokratie fragen lassen, wozu sie noch gut ist. Und wenn man das fragt, stützt man gefährliche Entwicklungen. Merkel-Europa darf nicht alternativlos bleiben. Tut es das doch, ist auch die Demokratie keine Alternative mehr.
Es war eine komplizierte Angelegenheit. Selbst für Menschen, die sich politisch interessierten. Würde man Griechenland erneut mit Geld aushelfen, so würde das Land zunächst nicht zusammenbrechen - und das ist ja an sich eine gute Sache. Man vertiefte damit aber auch die Abwärtsspirale, verewigt das Darben in Schulden für eine unabsehbare Zeit und schränkt damit den Handlungsspielraum sämtlicher griechischer Regierungen ein. Das hätte man vermeiden können, hätte man gegen neue Kredite gestimmt. Der Kreislauf aus Zinsen und Tilgung wäre unterbrochen gewesen. Aber gleichzeitig wäre die griechische Volkswirtschaft endgültig pleite gewesen. Auch dann wäre diese griechische Regierung handlungsunfähig gewesen. Beide Möglichkeiten hatten gute Gründe dafür und dagegen. Beide Möglichkeiten tragen im Keim eine fast identische Entwicklung: Die Untergrabung des Primates der Politik.
»Pest oder Cholera?« könnte man jetzt fragen. Aber beide Krankheiten sind mittlerweile heilbar. Eine Überdosis Arsen oder doch nur stetige Dosen derselben Substanz? Das ist die eigentliche Frage. Tödlich sind beide Varianten. Sie sind alternativlos. Denn das Weiterleben steht nicht zur Debatte.
Diese Entscheidung letzte Woche hat das Dilemma Europas ganz ausgezeichnet skizziert. Wir leben in der Alternativlosigkeit einer Ära, in der die marktkonforme Demokratie und ihre Befürworter das Ruder übernommen, in der Berlin Brüssel instruiert, Merkel den Kontinent hegemonial überrumpelt hat. Die Geisteshaltung dieser Epoche ist nicht an Alternativen interessiert, sondern an der Beibehaltung profitabler Ressourcen. Und wenn Geschäfte wegbrechen, sollen sie eben politisch gestützt und geschützt werden. Andere Ansatzpunkte sind in diesem Spiel nicht vorgesehen.
Es gab bei den Verhandlungen der Finanzminister Vergleiche, die sagten, dass man den Griechen die Pistole an den Kopf hielt, während sie aus freien Gewissen ihren Weg bestimmen durften. Dasselbe Prinzip wendet man auf Parlamentarier an, die über Gelder bestimmen sollen, ohne die es nicht geht und mit denen es letztlich auch nicht geht. Man schwindelt Optionen vor, die es faktisch in letzter Konsequenz nicht gibt. Entscheidungsfreiheit ist hier nur eine Phrase. Alternativen gibt es nur auf den ersten Blick. Nochmal Gratulation, Angela Merkel. Mehr und mehr reift Ihre Vorstellung einer »modernen Demokratie« zur Wirklichkeit heran. In der gibt es keine Alternativen mehr und demgemäß, wie es die »Gesellschaft für deutsche Sprache« schon 2010 festhielt, »keine Notwendigkeit der Diskussion und Argumentation mehr.«
Zwar kann man noch diskutieren, aber die Entscheidungsprozesse lotsen nicht automatisch in verschiedene Szenarien. Jeder gangbare Weg kulminiert in einer Entwicklung, die so gut wie identisch ist, egal ob man so oder so votiert. Wenn es aber keine verschiedenen Zukunftsszenarien mehr gibt, dann muss sich die gegenwärtige Demokratie fragen lassen, wozu sie noch gut ist. Und wenn man das fragt, stützt man gefährliche Entwicklungen. Merkel-Europa darf nicht alternativlos bleiben. Tut es das doch, ist auch die Demokratie keine Alternative mehr.
1 Kommentare:
Eine sehr treffende Zusammenfassung des Dilemmas, besser sogar noch der Falle, in die wir alle von der herrschenden Politik gedrängt wurden. Einer Politik, die nur von einer Handvoll Leuten dominiert wird.
Man baue zwei scheinbar entgegengesetzte Sachverhalte auf, die dennoch am Ende auf ein- und dasselbe hinauslaufen. So lenkt man die öffentliche Wahrnehmung davon ab, dass es eventuell noch viel mehr, viel bessere Alternativen geben könnte. Und zum (schlechten) Schluß proklamiere man mit viel Tamtam eine dieser beiden "Lösungen" als gerechte und demokratisch gefällte Entscheidung, die alles zum Guten richten würde.
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