Unsere Neger im Osten
Montag, 31. August 2015
Sachsen mal wieder. Und Brandenburg. Thüringen legt auch nach. Sachsen-Anhalt ebenso. Mecklenburg-Vorpommern hat sich auch schon was geleistet. Warum ausgerechnet immer in den neuen Bundesländern dieser Hass auf Fremde? Liegt das in der sozialistischen Erziehung begründet? War etwa der real existierende Sozialismus auch nur so eine faschistische Gesellschaft mit Hammer und Sichel, ein den Rassismus förderlicher Staat? Haben die Heidenauer damals besonders eifrig Rassenkunde studiert in feschen Blauhemden? Heidenau? Darf man das eigentlich noch sagen? Heidenau? Das wird man doch noch mal sagen dürfen! Und dann diese vier Homunkuli mit ihren traurigen Fackeln von der Trierer NPD. Aus dem schönen Trier. Das in Mecklenburg-Anhalt - woher sonst? Tiefstes Nazi-Ostdeutschland eben. Das weiß man doch, Mensch!
Immer die Ossis. Nach der Wende hatten wir hier im Westen gesalzenen Abscheu vor ihnen. Die Arbeit würden sie uns wegnehmen. Sich im Sozialstaat ausruhen. Zum Arbeiten waren sie ja ohnehin nicht zu gebrauchen. Was haben die denn schon geschafft? Alles Nonsens gewesen drüben.
Dann klangen diese Vorurteile und Befürchtungen langsam ab und es gab rassistische Übergriffe in Rostock-Lichtenhagen, Greifswald, Wismar. Da war es uns wieder ganz klar, dass drüben nur Neonazis leben, fiese Ausländerhasser, durch und durch Rassisten. Die im Osten halt - weiß man doch! Solingen und Mölln lagen damals noch in Osten.
Dann klangen diese Bedenken behutsam auch wieder ab und die Arbeitslosigkeit stieg, Hartz IV stand in den Startlöchern und wir sahen es wieder ganz deutlich vor unserem westlichen Auge: Die Ossis sind faule Schweine, kriegen ihren Arsch nicht hoch, jammern nur und sind negativ eingestellt. Daher die hohe Arbeitslosenquote bei denen. Weil sie verwöhnt sind von Erich - sowas weiß man doch!
Dann klangen selbst diese Gedanken sukzessive wieder ab, denn auch im Westen wurde es wirtschaftlich schlechter und es summierten sich wieder Übergriffe auf Asylbewerber. Die Ossis waren doch immer schon rechts - auch als sie links waren. Och Mensch, das weiß man doch!
Und während all das geschah, erzählte man sich hierzulande, wie schlecht gebildet diese Leute im Osten doch waren. Dumm und mit Scheuklappen. Stauben jetzt bloß noch Soli ab, obgleich es ihren Kommunen großartig geht. Armer Westen! Ossis laufen bei RTL II über den Bildschirm. Dort sind sie Verlierer, Klageweiber und -kerle. Fremdkörper in der Gesellschaft. Teuer und subventionsgeil. Wie gut ginge es der Bundesrepublik doch heute, hätte sie diese Menschen nicht an der Backe. Der Genosse Honecker hätte sie uns doch noch eine Weile vom Hals halten sollen.
Egal was auch in diesem Land geschieht: Geschiehts auch im Osten, macht man daraus eine Mentalitätsfrage. Weil die Ossis als Teil dieser Berliner Republik mit denselben Affekten gesegnet sind, wie der ganze bittere Rest des Landes, taugen sie gar vortrefflich als Prell- und Sündenböcke, als Alibidebatte und Ablenkungsdiskussion. Wo man über Strukturen sprechen sollte, über blühende Landschaften, die es nie gab, über Treuhand und Zerschlagung, über Aberkennung der Lebensleistung, über abziehende Unternehmen und verwaiste Landstriche, über die Rückkehr von Wölfen vor den Toren Berlins und fehlende Anreize zur Schaffung von Arbeitsplätzen, da macht man eine Frage des ostdeutschen Charakters daraus. Die Ossis sind so gesehen unsere Neger. Denn die Schwarzen, drüben über dem Teich, die wollen ja auch nicht, lernen es nie. Soziale Ausgrenzung, rassistische Ressentiments und dergleichen, die können nichts dafür. Gibt es auch gar nicht. Das weiß man doch!
Die Schwarzen laufen hinterher, weil sie es so wollen. Das ist die Moral der Weißen. Alles keine Frage der Ethnie, sondern der Arbeitsmoral. Schwarze sind Schwarze, weil sie es wollen. Und Ossis sind Ossis, weil sie nur jammern. Einer ostdeutschen Kanzlerin und einem ostdeutschen Bundespräsidenten zum Trotz. In Washington sitzt ja auch ein Schwarzer im ovalen Büro. Erschießen sie deshalb weniger Schwarze auf den Straßen? Durchlässigkeit im Gefüge der Repräsentation für bestimmte gesellschaftliche Gruppen und zeitgleiche Ausgrenzung schließen sich gar nicht aus. Sie können synchron existieren. So kann eine Ostdeutsche kanzeln und der bittere Rest dennoch als tumbe Masse behandelt werden, die verantwortlich ist für jeden Missstand, den es so landesweit gibt.
Irgendwann flaut auch der Mob wieder ab, dann kommen neue Sorgen und dann werden sie wieder den Osten damit in Verbindung setzen. Die Finanzkrise hat man doch auch drüben verschuldet. Die Ossis konsumierten ja nicht ausreichend. Verballerten ihr Hartz IV für Kippen und Gewürzfleisch. Gut, jene Krise und fehlender Konsumanreiz hatten gar nichts, aber auch rein gar nichts miteinander zu tun. Aber im Westen ist man nicht kleinlich. Man nimmt es nicht so genau mit Argumentationsketten. So fällt die eigene Aufwertung leichter. Das weiß man doch!
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Immer die Ossis. Nach der Wende hatten wir hier im Westen gesalzenen Abscheu vor ihnen. Die Arbeit würden sie uns wegnehmen. Sich im Sozialstaat ausruhen. Zum Arbeiten waren sie ja ohnehin nicht zu gebrauchen. Was haben die denn schon geschafft? Alles Nonsens gewesen drüben.
Dann klangen diese Vorurteile und Befürchtungen langsam ab und es gab rassistische Übergriffe in Rostock-Lichtenhagen, Greifswald, Wismar. Da war es uns wieder ganz klar, dass drüben nur Neonazis leben, fiese Ausländerhasser, durch und durch Rassisten. Die im Osten halt - weiß man doch! Solingen und Mölln lagen damals noch in Osten.
Dann klangen diese Bedenken behutsam auch wieder ab und die Arbeitslosigkeit stieg, Hartz IV stand in den Startlöchern und wir sahen es wieder ganz deutlich vor unserem westlichen Auge: Die Ossis sind faule Schweine, kriegen ihren Arsch nicht hoch, jammern nur und sind negativ eingestellt. Daher die hohe Arbeitslosenquote bei denen. Weil sie verwöhnt sind von Erich - sowas weiß man doch!
Dann klangen selbst diese Gedanken sukzessive wieder ab, denn auch im Westen wurde es wirtschaftlich schlechter und es summierten sich wieder Übergriffe auf Asylbewerber. Die Ossis waren doch immer schon rechts - auch als sie links waren. Och Mensch, das weiß man doch!
Und während all das geschah, erzählte man sich hierzulande, wie schlecht gebildet diese Leute im Osten doch waren. Dumm und mit Scheuklappen. Stauben jetzt bloß noch Soli ab, obgleich es ihren Kommunen großartig geht. Armer Westen! Ossis laufen bei RTL II über den Bildschirm. Dort sind sie Verlierer, Klageweiber und -kerle. Fremdkörper in der Gesellschaft. Teuer und subventionsgeil. Wie gut ginge es der Bundesrepublik doch heute, hätte sie diese Menschen nicht an der Backe. Der Genosse Honecker hätte sie uns doch noch eine Weile vom Hals halten sollen.
Egal was auch in diesem Land geschieht: Geschiehts auch im Osten, macht man daraus eine Mentalitätsfrage. Weil die Ossis als Teil dieser Berliner Republik mit denselben Affekten gesegnet sind, wie der ganze bittere Rest des Landes, taugen sie gar vortrefflich als Prell- und Sündenböcke, als Alibidebatte und Ablenkungsdiskussion. Wo man über Strukturen sprechen sollte, über blühende Landschaften, die es nie gab, über Treuhand und Zerschlagung, über Aberkennung der Lebensleistung, über abziehende Unternehmen und verwaiste Landstriche, über die Rückkehr von Wölfen vor den Toren Berlins und fehlende Anreize zur Schaffung von Arbeitsplätzen, da macht man eine Frage des ostdeutschen Charakters daraus. Die Ossis sind so gesehen unsere Neger. Denn die Schwarzen, drüben über dem Teich, die wollen ja auch nicht, lernen es nie. Soziale Ausgrenzung, rassistische Ressentiments und dergleichen, die können nichts dafür. Gibt es auch gar nicht. Das weiß man doch!
Die Schwarzen laufen hinterher, weil sie es so wollen. Das ist die Moral der Weißen. Alles keine Frage der Ethnie, sondern der Arbeitsmoral. Schwarze sind Schwarze, weil sie es wollen. Und Ossis sind Ossis, weil sie nur jammern. Einer ostdeutschen Kanzlerin und einem ostdeutschen Bundespräsidenten zum Trotz. In Washington sitzt ja auch ein Schwarzer im ovalen Büro. Erschießen sie deshalb weniger Schwarze auf den Straßen? Durchlässigkeit im Gefüge der Repräsentation für bestimmte gesellschaftliche Gruppen und zeitgleiche Ausgrenzung schließen sich gar nicht aus. Sie können synchron existieren. So kann eine Ostdeutsche kanzeln und der bittere Rest dennoch als tumbe Masse behandelt werden, die verantwortlich ist für jeden Missstand, den es so landesweit gibt.
Irgendwann flaut auch der Mob wieder ab, dann kommen neue Sorgen und dann werden sie wieder den Osten damit in Verbindung setzen. Die Finanzkrise hat man doch auch drüben verschuldet. Die Ossis konsumierten ja nicht ausreichend. Verballerten ihr Hartz IV für Kippen und Gewürzfleisch. Gut, jene Krise und fehlender Konsumanreiz hatten gar nichts, aber auch rein gar nichts miteinander zu tun. Aber im Westen ist man nicht kleinlich. Man nimmt es nicht so genau mit Argumentationsketten. So fällt die eigene Aufwertung leichter. Das weiß man doch!