Kein Held, was er verspricht

Samstag, 13. Dezember 2014

Letztens sagte mir einer, »Die Frau war ne Heldin«. Ich wollte sein Empfinden nicht beleidigen und antwortete ihm nur, dass ich mit dem Begriff nichts anfangen könne. Dann ging ich weg. Solche Gespräche führen nur zu Zerwürfnissen, die unnötig sind.

Am gleichen Abend lauschte ich den Nachrichten im Radio. Es ging um den alternativen Nobelpreis. Snowden sprach. Manche behaupteten, er sei ein Held, erzählte er, aber der Begriff sei ihm völlig fremd. Er halte es für problematisch, wenn man Menschen zu Helden stilisiert. Manche Taten können zwar heldenhaft sein, aber der gesamte Mensch ist deswegen noch kein Held. Er hat mich sofort überzeugt. Was nicht schwer war, denn das, was ich über ihn gelesen hatte, war nicht nur chic. Der Mann gefiel mir von jeher nicht zur Gänze. Er hat zwar eine zweifellos mutige und heldenhafte Tat begangen - aber dass er in seinem früheren Leben (und auch noch jetzt?) ein Anhänger des Waffenbesitzes war und den Sozialstaat verachtete, ist in meinen Augen nicht besonders verehrungswürdig. Ein Held von Kopf bis Fuß ist er also nicht.

Ich kann mir ohnehin nicht vorstellen, dass ein Held sich den Arsch abwischt. Superman kackt nicht. Batman sitzt nicht mit Tageszeitung auf dem Scheißhaus und schabt sich die Öffnung sauber. Captain America sitzt im Einsatz nicht mal auf Stühlen, wie kann er dann Stuhlgang haben? Undenkbar! Menschen müssen das aber tun. Sollten sie. Das gehört zur Erziehung. Wer jedenfalls was auf sich hält, der tut es. Und weil dem so ist, kann kein Mensch ein Held sein. Heldenhaft ja, denn »heldenhaft« sagte ja: Dass eine beschränkte Handlung »wie ein Held« getätigt wurde. Und zwischen »wie etwas sein« und »sein« ist halt doch ein kleiner Unterschied.

Es gibt ein unstillbares Bedürfnis der Menschen nach Helden. In gewisser Weise ist es eine Suche nach der Reinheit. Manche kommen nie an den Punkt, an dem sie sich sagen, dass es eine solche Reinheit unter Menschen gar nicht gibt. Sie bewahren sich die Naivität, weiter an reine Wasser zu glauben. Aber jeder hat Fehler. Manche bestehen nur aus solchen. Andere verbergen sie hinter einer Tat, die man für höchst lobenswert erachtet. Man sollte das honorieren. Aber auf dem Teppich bleiben. Ich persönlich habe den Hype um Snowden nie richtig begriffen. Seine Offenlegungen schon. Die waren weittragend. Aber seine Person war für mir schlicht eine Person. Oh, ich war schon angetan von seinem Mut. Ich würde ihm auch Asyl gewähren. Aber eine unantastbare Instanz ist er nicht. Der Mann wischt sich auch den Arsch ab. Hoffentlich.

Die Heldin, von der mein Gesprächspartner sprach, die hatte er aus der Zeitung. Dort haben sie sie zu einer gemacht. Vielleicht war ihr Auftreten heldenhaft. Vielleicht. Ich bin Skeptiker. Weiche Indikatoren für eine Tendenz sind für mich keine harten Fakten. Nehmen wir an, sie ging dazwischen. Machte Zivilcourage. Dann war es mutig, pathetischer gesagt war es auch heldenhaft. Mehr nicht. Wahrscheinlich hatte auch diese Frau viele Fehler. Vielleicht zeigte sie viele der Affekte, die heute so die Gesellschaft bestimmen. Dinge wie Todesstrafenlaune, Gewaltbefürwortung oder Klassismus. Egal. Ich will niemanden was andichten. Auch kein Heldentum.

4 Kommentare:

Anonym 13. Dezember 2014 um 07:08  

Wahr geschrieben....der oberste "Bundesheld", unser aller Gauck, hat heute auch gezeigt, dass er nur ein Mensch ist, da redet dieser Kriegstreiber allen ernstens von "humanistischen Werten", wo jetzt wieder Ausländerwohnheime brennen.

Tja, wo sind den die gauckschen "humanistischen Werte", wenn die Behausungen dieser Menschen in ihren jeweiligen Heimatländern mit Drohnen, und sonstigen dt. Waffen in US-Besitz, zerstört werden?

Würde mich echt mal interessieren....

Zynischer Gruß
Bernie

Anonym 13. Dezember 2014 um 08:51  

Die einzigen, echten Helden hier sind Busfahrer und Kassiererinnen...

maguscarolus 13. Dezember 2014 um 15:05  

Der Begriff "Held" ist doch nicht mehr verwendbar, außer als Klischee. Kaum ein Missbrauch, der nicht damit verbrochen wurde. Das ganze hohle Pathos, das da gleich mit scheppert kann nur noch einfachste Geister "erheben". Man sollte das Heldenklischee zu Grabe tragen, aber es hat ja im Denken und Reden unserer politischen Hohlheiten einen Ehrenplatz. Sollen sie sich doch damit bekleckern!

Anonym 15. Dezember 2014 um 13:19  

Was ein Held ist? Gute Frage.

Selbst die ursprüngliche, altgermanische Bedeutung des Wortes (hali, halu): "freier Mann", "Krieger", ist nicht zufriedenstellend. In späteren Zeiten war es "die Hauptperson einer Dichtung" (sic!), also der wesentliche Protagonist einer Handlung. Und das ist "Held" auch heute noch:

Ein fiktionaler Charakter. Siehe Kino. Und das war's dann wohl auch schon.

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