Weihnachtsgrüße aus der Boombranche
Dienstag, 23. Dezember 2014
Das war es also. Der Kalender ist fast abgearbeitet. Der Abschnitt mit dem Kennzeichen Menschheit/2-014 war denkwürdig. Einerseits sind wir so eingeschläfert wie nie und nennen diesen Zustand optimistisch »Abgeklärtheit«. Andererseits sind wir außenpolitisch so waghalsig geworden, dass manche nun von der letzten Friedensweihnacht sprechen, die uns ins Haus stehe.
Ausgeschlossen ist letzteres nicht. Mit einem Freund habe ich mehrfach darüber gesprochen. Wenn er es liest, weiß er, dass er gemeint ist. Er behauptet, dass sich niemand an Rußland die Finger verbrennen werde. Das sei noch immer schief gegangen. Es sei undenkbar, dass dieser Größenwahn jetzt nochmal einsetze. Die NATO zündele nur. Mehr nicht. Das Argument ist gut, es lindert Sorgen. Nur was, wenn sich die Abbreviatur NATO tatsächlich aus NA für Napoléon und seinen Marsch auf Moskau und TO für den Tobsüchtigen und sein Barbarossa zusammensetzt? Anders gesagt: Dieses Argument ist nur eines, wenn man davon ausgeht, dass der Verstand noch richtig gluckst, der kühle Kopf die heiße Phase ersetzt.
Aber es gibt einfach Klimata, in denen die Vernunft nichts mehr gilt. Und in denen fällt man Entscheidungen, die keiner bei klarem Verstand treffen würde. Die ganze Geschichte besteht aus solchen Projekten. In sich radikalisierenden Zeiten passiert das zuweilen. Und Radikalisierungen sind derzeit ja überall. Salafisten, Pegida, Marktjünger, Merkelisten, Weiße gegen Schwarze, Finanzkapitalisten. Ausgleich ist nicht mehr. Alle wollen sie ihr Ding durchziehen, Verluste setzt man von der Steuer ab. Oder man setzt die Steuer gleich ganz ab.
Wie so eine Auseinandersetzung natürlich ausfällt, ob sie Stellvertreter an der Peripherie ausboxen oder man das klassische Todesspiel einleitet, das ist eine andere Frage. Aber so kurz vor dieser Pause, die ich mir jetzt bis Anfang Januar nehme, habe ich keine Antworten. Die braucht man heute ohnehin nicht mehr. Die Leute, die sich dieser Tage auf der Straße mit Rechtsextremen treffen, um für die Zukunft dieses Landes zu kämpfen, haben doch auch keine Antworten. Sie stellen ja noch nicht mal Fragen. Sie skandieren nur, dass sie ein relativ ausländerfreies Land wollen - für ihre Erben. Wie kommen diese Leute drauf, dass ihre Kinder das wollen? Glauben sie etwa, ihre Kinder werden mal genauso blöd sein wie sie es heute noch sind? Die Welt war vor einigen Jahren noch zu Gast bei Freunden. Da haben dieselben Leute noch gejubelt. Es hat sich viel getan seither.
Wahrscheinlich können sich in diesem Land soziale Verwerfungen nur so zeigen. Wo andernorts die Superreichen und die Konzerne angegriffen werden, sucht man sich hierzulande einfachere Gegenspieler. Französische Bauern kippen schon mal die eigene Milch auf die Straße und schimpfen auf die Dumpingpolitik. Oder sie sprühen Dienstgebäude mit Jauche voll, weil ihnen die Sanktionspolitik gegen Russland nicht gefällt. Hier malt man sich hingegen eine rechtsradikale Parole auf Pappe und stellt sich drohend vor einer Gruppe Schwarzer auf. Daher bleibt Occupy hier ein eher beschränktes Phänomen und finden die Mahnwachen unter rechter Kuratel regeren Zulauf. Soziales Erwachen geht wohl in Deutschland nur mit Aggression und Hass einher. Eigentlich ist der Michel mit seiner Zipfelmütze ein sympathischer Zeitgenosse, wenn man das so sieht.
So ist es in diesem Land. Es bewegt sich nichts. Und falls doch, dann macht man den Falschen Beine. So gesehen wäre mir ganz recht, wenn der Typ mit der Schlafmütze im Bett bleibt. Immer noch besser, als das, was er tut, wenn er schlaftrunken auf die Straße torkelt.
Dem geneigten Leser und all denen, die es weniger sind, wünsche ich ruhige Tage. Wenn ich zurück bin, wird »ad sinistram« schon ins achte Jahr gehen. Täusche ich mich, oder ist das für ein Weblog methusalemisch? Aber der Stoff will und will nicht enden. Blogs, die Kochrezepte verbreiten sind endlich. Irgendwann hat man alles gefressen. Blogs, die von der Liebe berichten, die vergehen. Die Liebe ist als Thema so beackert worden, dass nichts Neues folgen kann. Aber das Regiment des Irrsinns und der Umnachtung, das ist ein unerschöpflicher Topf. Ich bin also Freiberufler im richtigen Metier, Subunternehmer auf einem Expansionsmarkt, Tellerwäscher in einer Boombranche. Ich kann mir eine kurze Pause leisten. Unbezahlt. Man muss schließlich wettbewerbsfähig bleiben. Egal. Der Rohstoff meines Schaffens versiegt nicht. Bis demnächst.
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Ausgeschlossen ist letzteres nicht. Mit einem Freund habe ich mehrfach darüber gesprochen. Wenn er es liest, weiß er, dass er gemeint ist. Er behauptet, dass sich niemand an Rußland die Finger verbrennen werde. Das sei noch immer schief gegangen. Es sei undenkbar, dass dieser Größenwahn jetzt nochmal einsetze. Die NATO zündele nur. Mehr nicht. Das Argument ist gut, es lindert Sorgen. Nur was, wenn sich die Abbreviatur NATO tatsächlich aus NA für Napoléon und seinen Marsch auf Moskau und TO für den Tobsüchtigen und sein Barbarossa zusammensetzt? Anders gesagt: Dieses Argument ist nur eines, wenn man davon ausgeht, dass der Verstand noch richtig gluckst, der kühle Kopf die heiße Phase ersetzt.
Aber es gibt einfach Klimata, in denen die Vernunft nichts mehr gilt. Und in denen fällt man Entscheidungen, die keiner bei klarem Verstand treffen würde. Die ganze Geschichte besteht aus solchen Projekten. In sich radikalisierenden Zeiten passiert das zuweilen. Und Radikalisierungen sind derzeit ja überall. Salafisten, Pegida, Marktjünger, Merkelisten, Weiße gegen Schwarze, Finanzkapitalisten. Ausgleich ist nicht mehr. Alle wollen sie ihr Ding durchziehen, Verluste setzt man von der Steuer ab. Oder man setzt die Steuer gleich ganz ab.
Wie so eine Auseinandersetzung natürlich ausfällt, ob sie Stellvertreter an der Peripherie ausboxen oder man das klassische Todesspiel einleitet, das ist eine andere Frage. Aber so kurz vor dieser Pause, die ich mir jetzt bis Anfang Januar nehme, habe ich keine Antworten. Die braucht man heute ohnehin nicht mehr. Die Leute, die sich dieser Tage auf der Straße mit Rechtsextremen treffen, um für die Zukunft dieses Landes zu kämpfen, haben doch auch keine Antworten. Sie stellen ja noch nicht mal Fragen. Sie skandieren nur, dass sie ein relativ ausländerfreies Land wollen - für ihre Erben. Wie kommen diese Leute drauf, dass ihre Kinder das wollen? Glauben sie etwa, ihre Kinder werden mal genauso blöd sein wie sie es heute noch sind? Die Welt war vor einigen Jahren noch zu Gast bei Freunden. Da haben dieselben Leute noch gejubelt. Es hat sich viel getan seither.
Wahrscheinlich können sich in diesem Land soziale Verwerfungen nur so zeigen. Wo andernorts die Superreichen und die Konzerne angegriffen werden, sucht man sich hierzulande einfachere Gegenspieler. Französische Bauern kippen schon mal die eigene Milch auf die Straße und schimpfen auf die Dumpingpolitik. Oder sie sprühen Dienstgebäude mit Jauche voll, weil ihnen die Sanktionspolitik gegen Russland nicht gefällt. Hier malt man sich hingegen eine rechtsradikale Parole auf Pappe und stellt sich drohend vor einer Gruppe Schwarzer auf. Daher bleibt Occupy hier ein eher beschränktes Phänomen und finden die Mahnwachen unter rechter Kuratel regeren Zulauf. Soziales Erwachen geht wohl in Deutschland nur mit Aggression und Hass einher. Eigentlich ist der Michel mit seiner Zipfelmütze ein sympathischer Zeitgenosse, wenn man das so sieht.
So ist es in diesem Land. Es bewegt sich nichts. Und falls doch, dann macht man den Falschen Beine. So gesehen wäre mir ganz recht, wenn der Typ mit der Schlafmütze im Bett bleibt. Immer noch besser, als das, was er tut, wenn er schlaftrunken auf die Straße torkelt.
Dem geneigten Leser und all denen, die es weniger sind, wünsche ich ruhige Tage. Wenn ich zurück bin, wird »ad sinistram« schon ins achte Jahr gehen. Täusche ich mich, oder ist das für ein Weblog methusalemisch? Aber der Stoff will und will nicht enden. Blogs, die Kochrezepte verbreiten sind endlich. Irgendwann hat man alles gefressen. Blogs, die von der Liebe berichten, die vergehen. Die Liebe ist als Thema so beackert worden, dass nichts Neues folgen kann. Aber das Regiment des Irrsinns und der Umnachtung, das ist ein unerschöpflicher Topf. Ich bin also Freiberufler im richtigen Metier, Subunternehmer auf einem Expansionsmarkt, Tellerwäscher in einer Boombranche. Ich kann mir eine kurze Pause leisten. Unbezahlt. Man muss schließlich wettbewerbsfähig bleiben. Egal. Der Rohstoff meines Schaffens versiegt nicht. Bis demnächst.