Die, die den alten Kerl im Nachbarhaus erschossen
Montag, 11. August 2014
Wer nach den letzten Jahren immer noch glaubt, dass die Abwesenheit von Polizei bei Veranstaltungen grundsätzlich ein Risikofaktor sei, der hat wohl die Entwicklungen verpennt. Polizeiabsentia ist keine Gefahr, ihre Präsenz war es in letzter Zeit viel häufiger. Ohne sie wäre manches in Stuttgart und Frankfurt anders verlaufen.
Letzte Woche erklärte die Polizei in Nordrhein-Westfalen, dass sie aufgrund zu hoher Kosten ihre Leute aus Bundesligastadien abziehen wolle. Riesige Aufgebote wird es beim Fußball nicht mehr geben, es sei denn, es zeichne sich ein Spiel mit Konfliktpotenzial ab. Daraufhin das übliche Szenario in der Presse: »Droht den Fans das Chaos?«, konnte man lesen. »Das kann, das darf nicht so bleiben«, ereiferte man sich im beliebtesten Revolverblatt der Republik. Der Untergang des kickenden Abendlandes war deutlich aus den Texten filterbar. Ohne Hundertschaften glaubt man den Zusammenbruch des öffentlichen Friedens schon am Horizont zu sehen.
Wenn nicht immer und überall alles die Polizei regelt und beobachtet, dann glaubt man in Deutschland schon das Ende der öffentlichen Ordnung erreicht zu haben. Ohne regulative Macht, die stets vor Ort ist, meint man alles im Chaos enden zu sehen. Die uniformierte Exekutive, die patrouilliert und Präsenz zeigt, ist das Ruhekissen der Deutschen. Aber es ist nur ein altes Märchen, denn in den letzten Jahren war das Gegenteil der Fall.
In Stuttgart sorgte die Polizei dafür, dass ein friedlicher Protest mit Verletzten und einem Erblindeten endete. In Frankfurt wandte sie eine Leberwursttaktik (»in die Mitte hineinstechen, damit sie am Ende auseinanderplatzt«) an, die der Berliner Polizeipräsident 1967 schon gegen Studenten als Empfehlung herausgab. Polizeiübergiffe häufen sich. Mal erschießt man einen Mann in einem Berliner Brunnen; mal überwältigt man mit brachialer Gewalt einen Passanten, der nicht gleich spurt. In meinem Nachbarhaus wurde vor einigen Jahren ein Mann von der Polizei erschossen, der psychisch krank war. Er habe in seiner Wohnung randaliert und drei Beamte sahen keinen anderen Ausweg als den Gebrauch der Schusswaffe. Er wurde nach Medienangaben 67 Jahre alt. Ermittelt wurde nur sehr zögerlich bis gar nicht.
Amnesty International meldete schon vor Jahren, dass Polizeigewalt in Deutschland stark im Kommen sei. Und dass »mutmassliche Misshandlung und unverhältnismässige Gewaltanwendung« kaum Ermittlungen nach sich zögen. Transparenz gäbe es keine. Man decke in einen solchen Verdacht geratene Beamte eher noch.
Nein, ich will hier nicht die Vulgarität des RAF-Slangs bemühen und eindimensional behaupten, dass alle Bullen Schweine seien. Nein, das sind sie nicht! Viele von ihnen sind selbst nur das Instrument »höherer Interessen«, werden irgendwo hingestellt und bekommen den Auftrag, den Knüppel mächtig niederrauschen zu lassen. Gleichzeitig scheint die Polizei heute aber auch interessanter für Menschen zu sein, die ihre kleine, vom Staat verliehene Macht, gerne an anderen ausleben. Eine Ausbildung, die die »Kraft der Arroganz gegenüber dem Bürger« zulässt, wo eigentlich Bürgernähe gefordert wäre, tut ihr Übriges. Die Mehrzahl derer, die zur Polizei gehen, sind - und waren wohl nie - Leute mit Vorliebe für Gerechtigkeit. Da man die Gerechtigkeitsdebatte aber heute für überholt ansieht, muss auch die Polizei kein erhöhtes Interesse an »Gerechtigkeitsjünger« mehr aufweisen.
Grundsätzlich wollte ich nicht von einem Polizeistaat oder der durch und durch verlotterten Staatsgewalt sprechen. Aber dass man gleich den Niedergang des öffentlichen Friedens beschwört, nur weil die Polizei nicht mehr in voller Montur vor die Stadien dieser Republik zieht, das ist einfältiges Sicherheitsdenken und bestätigt nur, im welchen Paralleluniversum mancher Empörte zu leben scheint. Dass nämlich Absentia, also die Abwesenheit von Polizei, auch deeskalierend wirken könnte, auf die Idee kommt man im Staate polizeilich bewachter Biederleute eher nicht.
Denn wie viele fühlen sich mittlerweile durch die Präsenz von Polizisten mit Helm auf dem Kopf, Schild am Arm und Schlagstock im Halter bedroht? Mir wird trotz kühler Ratio flau im Magen, wenn ich bei Veranstaltungen solche Polizisten, die eher einem »Militär für das Inland« gleichen, in die Menge gaffen sehe. Wie mag es da manchem emotionalisierten Fan ergehen, wenn er aus dem Stadion kommt und durch so ein Spalier marschieren muss? Weniger bringt manchmal vielleicht mehr.
Letzte Woche erklärte die Polizei in Nordrhein-Westfalen, dass sie aufgrund zu hoher Kosten ihre Leute aus Bundesligastadien abziehen wolle. Riesige Aufgebote wird es beim Fußball nicht mehr geben, es sei denn, es zeichne sich ein Spiel mit Konfliktpotenzial ab. Daraufhin das übliche Szenario in der Presse: »Droht den Fans das Chaos?«, konnte man lesen. »Das kann, das darf nicht so bleiben«, ereiferte man sich im beliebtesten Revolverblatt der Republik. Der Untergang des kickenden Abendlandes war deutlich aus den Texten filterbar. Ohne Hundertschaften glaubt man den Zusammenbruch des öffentlichen Friedens schon am Horizont zu sehen.
Wenn nicht immer und überall alles die Polizei regelt und beobachtet, dann glaubt man in Deutschland schon das Ende der öffentlichen Ordnung erreicht zu haben. Ohne regulative Macht, die stets vor Ort ist, meint man alles im Chaos enden zu sehen. Die uniformierte Exekutive, die patrouilliert und Präsenz zeigt, ist das Ruhekissen der Deutschen. Aber es ist nur ein altes Märchen, denn in den letzten Jahren war das Gegenteil der Fall.
In Stuttgart sorgte die Polizei dafür, dass ein friedlicher Protest mit Verletzten und einem Erblindeten endete. In Frankfurt wandte sie eine Leberwursttaktik (»in die Mitte hineinstechen, damit sie am Ende auseinanderplatzt«) an, die der Berliner Polizeipräsident 1967 schon gegen Studenten als Empfehlung herausgab. Polizeiübergiffe häufen sich. Mal erschießt man einen Mann in einem Berliner Brunnen; mal überwältigt man mit brachialer Gewalt einen Passanten, der nicht gleich spurt. In meinem Nachbarhaus wurde vor einigen Jahren ein Mann von der Polizei erschossen, der psychisch krank war. Er habe in seiner Wohnung randaliert und drei Beamte sahen keinen anderen Ausweg als den Gebrauch der Schusswaffe. Er wurde nach Medienangaben 67 Jahre alt. Ermittelt wurde nur sehr zögerlich bis gar nicht.
Amnesty International meldete schon vor Jahren, dass Polizeigewalt in Deutschland stark im Kommen sei. Und dass »mutmassliche Misshandlung und unverhältnismässige Gewaltanwendung« kaum Ermittlungen nach sich zögen. Transparenz gäbe es keine. Man decke in einen solchen Verdacht geratene Beamte eher noch.
Nein, ich will hier nicht die Vulgarität des RAF-Slangs bemühen und eindimensional behaupten, dass alle Bullen Schweine seien. Nein, das sind sie nicht! Viele von ihnen sind selbst nur das Instrument »höherer Interessen«, werden irgendwo hingestellt und bekommen den Auftrag, den Knüppel mächtig niederrauschen zu lassen. Gleichzeitig scheint die Polizei heute aber auch interessanter für Menschen zu sein, die ihre kleine, vom Staat verliehene Macht, gerne an anderen ausleben. Eine Ausbildung, die die »Kraft der Arroganz gegenüber dem Bürger« zulässt, wo eigentlich Bürgernähe gefordert wäre, tut ihr Übriges. Die Mehrzahl derer, die zur Polizei gehen, sind - und waren wohl nie - Leute mit Vorliebe für Gerechtigkeit. Da man die Gerechtigkeitsdebatte aber heute für überholt ansieht, muss auch die Polizei kein erhöhtes Interesse an »Gerechtigkeitsjünger« mehr aufweisen.
Grundsätzlich wollte ich nicht von einem Polizeistaat oder der durch und durch verlotterten Staatsgewalt sprechen. Aber dass man gleich den Niedergang des öffentlichen Friedens beschwört, nur weil die Polizei nicht mehr in voller Montur vor die Stadien dieser Republik zieht, das ist einfältiges Sicherheitsdenken und bestätigt nur, im welchen Paralleluniversum mancher Empörte zu leben scheint. Dass nämlich Absentia, also die Abwesenheit von Polizei, auch deeskalierend wirken könnte, auf die Idee kommt man im Staate polizeilich bewachter Biederleute eher nicht.
Denn wie viele fühlen sich mittlerweile durch die Präsenz von Polizisten mit Helm auf dem Kopf, Schild am Arm und Schlagstock im Halter bedroht? Mir wird trotz kühler Ratio flau im Magen, wenn ich bei Veranstaltungen solche Polizisten, die eher einem »Militär für das Inland« gleichen, in die Menge gaffen sehe. Wie mag es da manchem emotionalisierten Fan ergehen, wenn er aus dem Stadion kommt und durch so ein Spalier marschieren muss? Weniger bringt manchmal vielleicht mehr.
5 Kommentare:
Und was hat uns diese abrüstende Entwicklung beschert? Der Kostendruck des Kapitalismus. Beinahe erleichternd, dass der Kapitalismus also auch antiautoritär und deeskalierend wirken kann.
Ein Staat, der auf die Bilanz schaut, kann sich wahrlich keinen Polizeistaat leisten.
die polizei ist häufig das problem, für dessen lösung sie sich hält.
man könnte es auch mit heisenberg sagen: die introduzierte polizei in einer konfliktsituation wird zum teil dieser situation und verschärft diese.
Na ja, gerade auf diesem Gebiet erweist sich die grundsätzliche
Richtigkeit der Faustregel:
Amerikanisierung = Brutalisierung.
Oder frei nach Paul Virilio:
Die hiesige Form der inneren Kolonisierung.
BW/ NATO/ EuGendFor brauchen halt noch ein bisschen Anwärmzeit bis zur Einsatzreife. Bis dahin werden die Freunde und Helfer als Hilfssoldaten (Miliz?) sie stellvertreten müssen.
Die zunehmende Gewalt gegen und durch Polizisten ist eben reziprok. Auf beiden Seiten findet eine Brutalisierung und Militarisierung statt.
Streifenpolizisten in Großbritannien tragen zum Beispiel, anders als ihre deutschen Kollegen, keine Schusswaffen. Sie müssen das nicht, weil es in Großbritannien wegen in der Vergangenheit massiv verschäürfter Waffengesetze fast keine Schusswaffen in Privatbesitz gibt - in Deutschland gibt es derer 10 Millionen, also eine Schusswaffe auf sechs volljährigen Mitbürger.
Polizisten können nicht die Ursachen von Kriminalität bekämpfen, nur deren Auswirkungen. Für die Ursachenbekämpfung ist die Politik zuständig. Der Fisch stinkt immer vom Kopf her.
Klar, nicht alle Bullen sind Schweine.
Aber wie sagte noch in der Serie „Heroes“ die FBI Argentin Audrey Hanson zum Polizisten Matt Parkman:
"Nun ja, die Statistik beweist, dass Polizeiarbeit eine bestimmte Art von Männerpersönlichkeit anzieht"
"Oh, und was wären das für Männer?"
"Arschlöcher."
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