Als ich den Rassisten nicht verstand und sich das Pack stritt

Samstag, 1. März 2014

Ich hatte mal zwei Kollegen. Der eine zog dauernd über Ausländer her. Und wenn er es nicht tat, riss er Italiener-, Juden- oder Negerwitze. Als Stoiber Kanzler werden wollte, gab ihm das die Hoffnung auf wirtschaftlichen Aufschwung und mehr Kontrolle ausländischer Schmarotzer. So lange ist das schon her. Na ja, der andere war ein Frömmler, kam irgendwie immer auf den Sonntagsgottesdienst zu sprechen. Wenn du ihn nach dem Toleranzfeld einer Welle mit einem Durchmesser von 30 Millimeter nach Passung h6 gefragt hast, landete er von der Antwort direkt beim Messgewand des Pfarrers und der schönen Predigt, die der letzten Sonntag gehalten hatte.

Beide mochten sich nicht. Nicht weil ihr Weltbild kollidierte. Was es vermutlich nicht mal tat. Eher so menschlich halt. Der Frömmler nannte den Rassisten einen faulen Sack und der Rassist verspottete den Frömmler, weil der nur noch sieben Finger hatte. Einmal fragte er ihn ganz keck, ob man mit einer halben Hand eigentlich noch wichsen könne. Dann blies er ihm den Rauch seines Zigarillo ins Gesicht. Der Frömmler revanchierte sich, indem er ihm Bohrer und Wendeschneidplatten stahl und sich dabei verstohlen die Hände rieb.

Mit dem Kerl mit sieben Fingern hatte ich unmittelbar zu tun. Er war meine Gegenschicht und glaubte wohl, er sei sowas wie mein Kontrolleur. Er sagte oft mal so Sachen wie: "Von den 50 Scheiben, die Du gestern gedreht hast, hatten zwei ein Schleifübermaß von 0,25 und nicht von 0,2." Hatte der doch tatsächlich alle nachgemessen. Ich habe mit den Schultern gezuckt und mir gedacht, dass er ein blödes Arschloch ist. Mir war es letztlich egal. Dass er Meldung beim Vorarbeiter über Stückzahlen und dergleichen machte, juckte mich auch nicht. So arme Schweine wie der haben ja sonst nur wenig im Leben.

Mit dem Rassisten hatte ich sogar noch mehr zu tun. Er arbeitete zwei CNC-Maschinen weiter und wir hatten meistens gemeinsam Spätschicht. Beim Abendessen unterbreitete er mir besonders nachdrücklich sein beschissenes Weltbild. Nebenher furzte er und griente dabei, sodass mir jeglicher Appetit verging. Irgendwann platzte mir der Kragen und ich warf ihm mein Gulasch ins Gesicht. Schade drum. Aber es wurde in den Schwaden, die aus seinem Darm krochen, einfach nur ungenießbar.

Dann eskalierte die gegenseitige Abneigung dieser zwei Vollidioten. Sie stritten regelrecht. Den Grund weiß ich nicht mehr. Vielleicht wusste ich ihn auch nie. Oder es gab gar keinen. Ein Wort gab das andere. Der Frömmler lief zum Werkstattleiter und erzählte dem alles, was der Rassist so trieb. Seine rassistischen Tiraden waren kein Gegenstand der Denunziation. Nur der ewige Clinch zwischen zwei Typen, die sich total was auf ihre Fachlichkeit einbildeten.

Der Rassist kam zu mir und beklagte, dass er nun Ärger habe und ständig "ins Meisterkammerl" müsse. Mittlerweile verstand ich den Kerl sogar. Er kam aus dem Donaumoos und die Leute nuscheln dort alle irgendwie. Anfangs sagte ich immer auf Verdacht Ja, obwohl ich nicht wusste, was er von mir wollte. Ich befürchte, ich habe da oftmals Dinge bejaht, die unanständig waren. Ach, Leute nicht zu verstehen ist göttlich. Ich bin auch für eine Quote im Radio. Keine, wie die Uneuropäer von dieser Alternative da jetzt fordern. Keine Deutschquote also. Eine, die quotiert, dass möglichst alle nicht Deutsch sprechen. Von mir aus Datooga, Urdu oder einfach nur nuscheln. Das hat Vorzüge. Ich weiß das aus Erfahrung. Als ich den Rassisten nicht verstand, wirkte er sogar sympathisch.

"Des Oarschloch, des hot erzäit, dass i in da Spätschicht Privatarbat mach", jammerte er mich voll. "Tust du doch", antwortete ich. "Jo, aba muass a des am Moasta dazäin?" Tja, das war ein Argument. Das hätte er nicht erzählen müssen. Ich habe immer drüber hinweggesehen. Natürlich habe ich beobachtet, dass er Drehteile programmierte und fertigte, die er dann privat verkaufte. Teilweise sogar aus dem Material, das er in der Firma fand. Mir war das egal. Hauptsache ich konnte in Ruhe den Kicker lesen. Und der Frömmler schimpfte auch bei mir über den "Kerl, der oiwei nix tuat". Ich antwortete, dass ich dachte, er fertige Teile für sich privat, wie kann er da faulenzen. Das war zu viel Dialektik für den Frömmler und er wich aus, kam auf seinen ehrenamtlichen Einsatz auf dem Kirchturm seines Dorfes zu sprechen.

Was hatte ich für eine Freude an diesen zwei Idioten, die sich bekriegten wie zwei geltungssüchtige Bauern beim Streit um ein Stückchen Brachland. Da war immer was los. Und Mitleid hatte ich mit keinen. Ich hoffte ja, sie würden sich eines Tages an die Gurgel gehen. Dazu hatten aber beide zu viel Schiss. Und irgendwann war der Rassist dann weg. Hat sich von heute auf morgen selbständig gemacht. Es hieß, er habe beim Abschied gesagt, dass er sich nun eine CNC-Drehmaschine gekauft hatte, die bei ihm in der Garage stehe. Deshalb hatte er wahrscheinlich in den Tagen davor Unmengen an Material zu seinem Privatauto geschleppt. Erzählt habe ich das aber keinem. Der Vorarbeiter hat mich Wochen später mal gefragt, warum der Kerl in der Spätschicht kaum Stückzahlen geschafft hat. Verpiss dich!, antwortete ich. Es war ein schlechter Zeitpunkt. Einen Tag davor hatte ich erfahren, dass ich auf dem Sozialplan schlechte Karten haben würde und ich mich schon mal um eine neue Stelle bemühen solle.

Wieder etwas später wollte er mich motivieren und hat mir gesagt, dass man nie aufgeben dürfe, wie beim Fußball. Schau dir den Carsten Jancker an, sagte er, der macht immer weiter und weiter, gibt nie auf. "Wenn du nicht gleich weiter- und weitergehst", antwortete ich, "kannst du dich auch gleich aufgeben, du blöder Schwanz". Vergleicht der meine Lage mit Sport. Da entdeckte ich junger Mensch, dass es eines für einen Posten oder ein Pöstchen nicht braucht: Intellekt. Na ja, jedenfalls hatte ich es mit der Ansage durchgestanden. Er quatschte mich nicht mehr an. Aber um den Kerl ging es mir ja gar nicht. Nur um Rassist und Frömmler. Aber warum eigentlich?

An die zwei habe ich schon so lange nicht mehr gedacht. Wie kam ich denn ausgerechnet jetzt auf sie? Achso, ja - als ich neulich vom Verfahren NPD gegen Gauck las, da hatte ich plötzlich ein ähnliches Gefühl wie damals. Ich kann beide so gut leiden wie Rassist und Frömmler. Und ich war so neutral in meiner Verachtung für beide, wie ich es nun bei NPD und Gauck bin. Sollen sie sich die Köpfe einhauen. Was geht es mich an? Ich mische mich nicht ein. Abstufungen bei der Verachtung mache ich nicht. Bei mir sind alle gleich. Vor allem die, die ich nicht ausstehen kann: Ich verachte sie in ausgewogener Gleichheit. Und wenn sich Spinner mit Spinner streiten, um Gaucks Wortwahl zu bemühen, dann lese ich wie damals verstohlen den Kicker, blicke hoch und freue mich, dass sich das Pack gegenseitig einseift.


3 Kommentare:

Manfred Peters 1. März 2014 um 13:19  

Spinner sagt z. B. der Vater zu seinem Sohn, wenn er etwas nicht ganz verstanden hat oder umgekehrt.
Wer sagt Dir, dass die sich nicht mögen?
Vielleicht mal etwas intensiver mit der Vita des Hr. G. und seinen Lieblingsonkel beschäftigen. :-(

stefanbecker 1. März 2014 um 15:12  

Ja lieber Roberto, das nennt man dann wohl Schadenfreude. Es ist diejenige, die einem bleibt als linkem Humanisten.

Schönes Wochenende

Braman 1. März 2014 um 22:40  

Eigentlich arme Menschen die in ihrer eigenen kleinen Welt gefangen sind und aneinander ihren Frust ab arbeiten.
Ich glaube, der Vergleich zu unserem Bundesgaukler und den Spinnern (das sind die, die sich angesprochen fühlen), hinkt ein wenig, da deren 'Ausdünstungen' uns alle betreffen können, ob wir wollen oder nicht.

MfG: M.B.

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