Die Ikone, die sie über die Leopoldstraße trugen

Montag, 31. März 2014

Der FC Bayern München schwebt nicht nur sportlich in anderen Sphären. In und um den Verein scheint man schon lange die sittliche Bodenhaftung verloren zu haben. Als »Bonzenverein« hat man ihn ja schon vormals bezeichnet. Was aber in der letzten Zeit geschieht, war so noch nicht da.

In München feierten sie diesen »Meistertitel ohne Gegenwehr« wie üblich mit Meisterschalen aus Pappendeckel und wedelnden Schals, die man sich in der Orlandostraße, vis-à-vis des Hofbräuhauses gekauft hat. Erkennbar klebten sie das ikonisierte Konterfei ihres verurteilten Ex-Präsidenten auf das selbst gebastelten Zeichen ihres fußballerischen Erfolges. Wie einen Che Guevara gutsituierter Leute trugen sie ihn durch die Straßen der Stadt und in die Kneipen der Leopoldstraße hinein. Beim Betrachten der Bilder freudetrunkener Bayern-Fans konnte man leicht glauben, hier würde eine Prozession voll satter Pietätlosigkeit stattfinden.

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Eine kurze Expertise über die kurzen Expertisen

Freitag, 28. März 2014

Kurz bevor wir in die Welt da draußen mussten, saßen wir da und starrten in das »Morgenmagazin«. Ich trank dabei wie immer zu dünnen Kaffee. Sie brachten etwas zum verschwundenen Flug MH370. Keine Ahnung was, einfach nur das übliche »Kommt-alle-aus-den-Betten-die-Welt-hat-was-Spannendes-zu-bieten-Gefasel«, das man im Fernsehen um diese Uhrzeit so hört. Die Maschine war zu diesem Zeitpunkt jedenfalls noch nicht gefunden worden.
   »Vielleicht wurde sie ja von Außerirdischen entführt«, sagte ich zu meiner Frau und nippte am Wasser, das Kaffee sein sollte.
   Sie verdrehte nur die Augen. Und das forderte mich heraus, meine These zu verteidigen. Nicht, weil ich an sie glaubte. Ich mag es nur nicht, wenn man mir mit verdrehten Augen kommt.
   »Meinst du vielleicht, es gibt außer uns nichts? Ist das alles?«
   Ich zeigte auf die drei gutgelaunten Wesen auf dem Sofa und den Nachrichten-Mann, der im Hintergrund eingeblendet wurde.
   »Die drei Trottel auf der Couch, die schmale Krawatte von dem Nachrichten-Kerl und die Raute der Kanzlerin? Das muss ja ein mieser Gott sein, dem nicht mehr einfällt.«
   Nein, hört auf Leute, ich hör euch ja schon lamentieren: Ich glaube neuerdings nicht an Gott. Dazu habe ich keine Zeit und auch keine Lust. Aber als Polemik eignet er sich manchmal ganz gut.
   »Was soll also an meiner Theorie so unglaubwürdig sein?«
   Ich nippte nochmal am Wasser.
   »Kann doch sein, oder?«
   Sie gab mir einen Kuss und verdrehte wieder die Augen. Ich nehme an, diesmal, weil ich so ein guter Küsser bin.
   Ich ließ es dabei bewenden, wir mussten ja nun auch vor die Haustüre, ins Reich der Ellenbogen, in dem man sich solcher Gedanken nicht hinzugeben hat, wenn man ein ordentlicher Mensch sein will.

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Der Mindestlohn nach Nahles

Donnerstag, 27. März 2014

Oder: Spartipps für »umsichtige Unternehmer«

Als Arbeitnehmer muss man die Beschlüsse der (Wirtschafts-)Politiker schon ganz genau im Auge behalten. Denn seitdem die Agenda 2010 ins Land ging, gibt es so viele Schliche und Maschen, um die Kosten für Arbeitskraft zu vergesellschaften, dass man an eine in sich geschlossene, logisch konstruierte und letztlich von wirtschaftlichen Einflüssen freie Reform gar nicht mehr glauben mag.

Wie die heutigen Stümper das politische Personal von früher adeln

Mittwoch, 26. März 2014

oder Diese Gegenwart taugt nie und nimmer zur »guten alten Zeit« sein.

Es machte »Bing«, die Schiebetüre des Lifts öffnete sich und dann stand Norbert Blüm im Studio von »Die Anstalt«. Uthoff und von Wagner suchten gerade noch eine »charismatischen Anführer«, der gegen die Privatenrente und die Aushebelung der Umlagefinanzierung auf die Barrikaden gehe. Und da kommt dieser Mann aus dem Lift und hesselt: »Also ich ... ich täts mache.« Standing Ovations. Die Zuschauer waren erkennbar aus dem Mittelstandshäuschen. Und für einen kurzen Augenblick schien es mir fast so, als habe sich das Publikum zurückgesehnt in eine Zeit, da jemand wie dieser bodenständige Mann noch Minister - und das in einer konservativen Regierung! - sein konnte.

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Auf den ersten Blick

Dienstag, 25. März 2014

Heute: Der verluderte Typ mit dem Goldkettchen, Vladimir Putin

Es war ja nie so, dass man den russischen Präsidenten stets ausschließlich als »seriösen Politiker« bebilderte. Er war aber auch selbst schuld daran. Schließlich posierte er ja nicht widerwillig mit all den Kameras, die auf ihn gerichtet waren. Sicherlich hätte sich auch mancher Ausritt ohne Journalisten einrichten lassen. Nun gut, die Bilder sind halt in der Welt. Und nicht nur das Internet verzeiht nichts - auch die Hände, die in Schubladen greifen, in denen Redaktionen solche Fotos parken, sind nicht sehr vergesslich. Bislang hat man meist eher polemische Texte mit diesen Fotos geschmückt. Oder Artikel, die vielleicht des Herrn Probleme mit Schwulen aufgriffen. Dass man jetzt aber Texte, die vor Kriegsbereitschaft und Entschlossenheit nur so geifern, mit solchen Bildern ausstattet, ist nicht einfach nur geschmacklos, sondern will eine Botschaft sein.

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Das »April, April!«, das erst zur Monatsmitte ertönt

Montag, 24. März 2014

Willkommen in der Endlosschleife neuer Wachstumsmeldungen. Nee, nicht die Wirtschaft wächst. Die wächst nur in den Prognosen. In der Realität passt man diese Zahlen dann wieder an. Aber die Langzeitarbeitslosen, die sorgen jedes Jahr um diese Zeit für Wachstum.

Mitte April 2011 meldeten die Gazetten, dass die »Arbeitsagenturen so viel strafen wie nie«. Im Schnitt kürzen sie »um 123,72 Euro im Monat«. In knapp 500.000 Fällen ging es »um Meldeversäumnisse« und »mehr als 102.000 Mal« war eine »als zumutbar angesehene Arbeit«, die nicht ergriffen wurde, der entscheidende Grund.
Mitte April 2012 hieß es dann: »Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger nehmen zu«. Die Leistungen seien »um 115,99 Euro im Monat gekürzt worden«. Erst weiter unten stand dann: »Betrugsfälle gehen zurück«.
Mitte April 2013 las man, dass »noch nie [...] so viele Sanktionen gegen Arbeitslose ausgesprochen [wurden] wie im letzten Jahr«. Durchschnittlich »110 Euro« habe man nicht ausgezahlt. In »697.000 Fällen« ging es um Meldeversäumnisse, 137.600 Strafen resultierten aus »der Weigerung, eine Arbeit aufzunehmen«.
Mitte März 2014 meldet jetzt die Bildzeitung in einem Vorbericht, dass die »Strafen gegen Empfänger auf Rekordniveau« lägen. Bis November des letzten Jahres hätten sich mehr als 94.000 geweigert, »bestimmte Jobs anzunehmen«. In mehr als 667.000 Fällen gab es Meldeversäumnisse.

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Wie mir Hoeneß fast auf die Zehen stieg

Freitag, 21. März 2014

Keine Verteidigungsrede auf Uli Hoeneß, aber ...

Wenn die Medien jetzt mit der Kamera draufhalten, wie Hoeneß in den Bau marschiert, dann ist eine letzte Grenze überschritten. Die Öffentlichkeit hat ein Anrecht darauf, über die vom Gericht bescheinigte Schuld informiert zu werden. Aber die Sühne ist nicht mehr für sie bestimmt.

Ich war nie ein Freund von Uli Hoeneß. Schon als Kind nicht. Anfang der Neunziger kam der FC Bayern mal für ein Freundschaftsspiel nach Ingolstadt. Das Stadion blieb aber relativ leer an diesem eiskalten Abend. Ich war jedoch dort. Als dann einige Fans anfingen, lauthals über Bayern-Torwart Aumann zu spotten, marschierte Hoeneß Richtung Fanblock, musste dazu durch den Bereich des Stadions, in dem ich recht verloren stand. Er gestikulierte wild in den Block hinein, hatte einen hochroten Kopf auf und erntete dafür Stinkefinger und Gesänge, die etwas vom »Arschloch« aussagten. Beim Rückmarsch stieg er mir fast auf die Zehen, rumpelte mich an, entschuldigte sich natürlich nicht, nahm mich nicht mal war. Ich war auch nur einer der namenlosen Gesichter, die seinen Erfolgsweg pflasterten. Immer als ich ihn später mit anschaulicher Arroganz in Studios sitzen und sprechen sah, dachte ich an diese Szene zurück.

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Exotisches Aussehen als Verdachtsmoment

Donnerstag, 20. März 2014

Die Berichterstatter straften letzte Woche die malaysischen Sicherheitsbeamten mit Belehrungen, weil die zwei gestohlene europäische Pässe durch ihre Lappen gehen ließen. Mit etwas mehr rassistischem Profiling hätte das gelingen müssen.
Letzte Woche hieß es noch, dass sich zwei asiatisch aussehende Männer mit je einem gestohlenen österreichischen und italienischen Pass auf den Flug MH370 begeben hätten, der angeblich zum Ziel eines terroristischen Angriffs werden sollte.

... wenn man trotzdem lacht

»Hier, [Anm.: in Bayern] wo ich den Grundstein meiner Bewegung einst legte, wurden nun mit Vorliebe die allerdümmsten Kraftmeier verehrt, die ihre scheinheilige Frömmelei und ihre jederzeitige Käuflichkeit durch das Leeren und Schwenken großer Maßkrüge zu verbergen trachteten und an denen die gelegentlichen Bordellbesuche noch das Ehrlichste waren.
[...]
An der Spitze des Landes stand eine klobige Frau mit der zuversichtlichen Ausstrahlung einer Trauerweide, die sich schon dadurch diskreditierte, dass sie den bolschewistischen Ostspuk sechsunddreißig Jahre lang mitgemacht hatte, ohne dass ihre Umgebung dabei irgendeine Form von Unwohlsein hatte feststellen können. Sie hatte sich mit den bayerischen Gemütstrinkern zusammengetan, einer wie mir schien, erbärmlichen Kopie des Nationalsozialismus, die halbgare, sozial wirkende Elemente statt mit nationaler Gesinnung mit der altbekannt ultramontanen Vatikanhörigkeit der Zentrumselemente vergangener Tage verbrämte. Weitere Lücken im Programm stopfte man mit Gebirgschützen und Blaskapellen, es war derart dürftig, man hätte nur so dreinschlagen mögen in die Reihen des verlogenen Gesindels.«
- der auferstandene Hitler über die CSU und Merkel in Timur Vermes' »Er ist wieder da« -

Darf man eigentlich schon wieder »Iwan« »zum Russen« sagen?

Mittwoch, 19. März 2014

Wer jetzt noch einen Beleg dafür braucht, dass die deutsche Sozialdemokratie nicht mehr ins linke politische Spektrum gehört, der muss nur der Rhetorik der letzten Tage lauschen. Denn auch wenn sie nicht direkt von »vaterlandslosen Gesellen« spricht, so meint sie genau dieses traditionelle Schimpfwort des Konservatismus gegen den linken Internationalismus, wenn sie auf »Die Linke« zu sprechen kommt.

Ob nicht auch die Konservativen vor hundert Jahren dem pazifistischen Flügel der Sozialdemokraten »ignorante Argumente« und nachgeplapperte »dumme Propagandalügen« attestiert hatten? Damals ging es selbstverständlich mit patriotischeren Trara ab. Das kann man heute nicht mehr machen, zumal man einen Europatriotismus beschwören müsste, der so richtig nicht in Schwung kommen will. »Schließt euch dem Burgfrieden an!«, ist die Parole, die Gabriel jetzt »Die Linke« an den Kopf knallt. Wie damals die Konservativen alle fremden Elemente im Staat fürchteten, so keift jetzt Gabriel gegen die, die er als potenzielle Überläufer versteht, die »Spiegel Online« aber noch gemäßigt »die Putin-Versteher« nennt. Während Gabriel der Partei vorwirft, sie würde auf Seiten Russlands argumentieren, laden SPD-Abgeordnete Gysi von parteiübergreifenden Gesprächen aus. Sie stören sich an seiner letzten Bundestagsrede, in der er sagte, dass es unglaubwürdig sei, wenn »Völkerrechtsverletzer einem Völkerrechtsverletzer« moralisch kämen. »Spiegel Online« spricht gar von einer »DDR-Staatsräson«, die da durchscheine. Aber sagte Gysi damit nicht auch, dass auch Russland etwas falsch gemacht hat? Können diese aufgeschreckten Hühner eigentlich noch dialektisch denken?

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Ganze Straßenzüge ohne Wähler

Dienstag, 18. März 2014

Die erste Kommunalwahl in Ingolstadt, die ich aus der Ferne beobachte. Die Wahlbeteiligung ist weiter abgesackt. Vor sechs Jahren gingen noch knapp 48 Prozent aller Wahlberechtigten zur Wahl. Diesmal lag die Wahlbeteiligung bei 42 Prozent. Ingolstadt - »Boomtown«, wie man es auch nennt - ist ein Musterbeispiel für die schlechte demokratische Verfassung, in der deutsche Großstädte sind.

Ich spare es mir an dieser Stelle zu erwähnen, dass der neue Oberbürgermeister seine absolute Mehrheit auf 22 Prozent der Stimmen aller Wahlberechtigten gebaut hat. Das ist leider mittlerweile so normal, dass es schon gar nicht mehr spaßig ist, es zur Sprache zu bringen. Ich will auf etwas anderes hinaus: Schon bei der letzten Kommunalwahl brachte es das Nordwest-Viertel, das Banlieu der Stadt, in dem es viele Hartz IV-Bezieher und Niedriglöhner gibt, in dem dementsprechend das Lohnniveau geringer und die Lebensqualität schlechter ist, auf nicht mal 31 Prozent Wahlbeteiligung. In manchen Stimmbezirken gingen dieses Jahr sogar nur 15 bis 25 Prozent der Wahlberechtigten an die Urne. Es muss geradezu ganze Straßenzüge ohne Wähler gegeben haben.

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Inmitten Zierkissen und blütenweißer Häkeldeckchen

Montag, 17. März 2014

Zuletzt hatten wir ein so zur Schau gestelltes Wohlverhalten gegen die Machthaber im Landesinneren bei gleichzeitiger Begeisterung für etwaige Rebellionen außerhalb des Landes in der Epoche des Biedermeier. Wie ja so viel heute an jene Epoche biederer Hausmusik und reichlich bestickter Zierkissen erinnert.

Es ist schon erstaunlich, wie sich die Zeiten gleichen. Im Vormärz fand sich der Spießbürger mit der Unterdrückung durch die Karlsbader Beschlüsse und den Wiener Kongress ab. Ihm gefiel es vielleicht nicht, dass die Aristokraten bessergestellt waren und sich jede Kritik verbaten, aber er hatte gelernt, wo sein Platz in dieser restaurativen Ordnung zu sein hatte. Mit den Irren, die die soziale Frage thematisierten und gegen die Stützen der Macht polemisierten oder gar rebellierten, wollte er nichts zu tun haben. Sie waren ihm suspekt und rochen nach Terroristen, die man damals »Anarchisten« zu nennen begann. Es brachte manche Unannehmlichkeit mit sich, wenn man sich politisch äußerte. Also tat man es nicht und verkroch sich auf sein Sofa, goss sich Tee ein, aß zwei Kekse und bändigte all die Triebe, die in dieses Zeitalter nicht so recht passen wollten.

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Eine Welt voller Hitler

Samstag, 15. März 2014

Kürzlich verglich Hillary Clinton mal wieder jemanden mit Hitler. Putin nämlich. Das Tea Party Movement vergleicht den Präsidenten, dem die Dame dient, schon lange mit ihm. Und außerdem gibt es Bildmontagen ihres Mannes als Hitler. Bei George W. Bush waren sich Naomi Wolf, Ali Chamenei und Herta Däubler-Gmelin einig: Der ist wie Hitler. Schon Nixon musste mit dem Vergleich leben. Chamenei meinte übrigens auch, dass Saddam Hussein wie Hitler gewesen sei. Das sah Enzensberger ganz ähnlich. Er hat Hussein als »Wiedergänger Hitlers« bezeichnet. Napoleon haben sie nicht verhitlert. Sie wussten ja noch nichts von dem, der da noch kam. Schlummerte schon in Cäsar ein Hitler?

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Zeiten, in denen die Linke sich als des Teufels Advokat aufreibt

Freitag, 14. März 2014

Es ist schon wieder geschehen. Man hat sich als Linker mal wieder entschuldigen müssen. Für einen, mit dem man ganz sicher nicht konform gehen kann. Ich sei ja nicht für Putin, sagte ich einem Kollegen, aber man muss die Sache doch auch mal so sehen: Die EU und die Bundesregierung haben diesem Kerl zugesetzt und ihre Grenzen nicht gekannt. Am selben Tag las ich einen Teaser bei den NachDenkSeiten, in dem es hieß: »Konstantin Wecker, bestimmt kein Freund des Systems Putin, kann diese Verlogenheit nicht mehr ertragen.« So geht es einem dauernd.

Immer wieder muss man Leute »in Schutz nehmen«, die einem fürchterlich widerlich sind. Das scheint zur Konstanten unserer Zeit zu werden. Jedenfalls wenn man der politischen Linken angehört. Das tut man ja nicht, um auf Deibel komm' raus irgendwie Opposition zu sein oder weil man etwa an einer querulantischen Persönlichkeitsstörung leidet. Da geht es um Werte des Humanismus und der Aufklärung. Was seltsam genug ist im Bezug zum Beispiel auf Putin. Es geht um Verstehenwollen und um Vermittlung zwischen Positionen und kulturellen Eigenarten - und vor allem um die Auflösung des simplifizierenden manichäischen Weltbildes, in dem das Licht mit dem Dunkel ringt und es also Gut und Böse als feste Kategorien gibt. Klar, an diesen Impuls des moralischen Unterscheidenwollens leiden wir seit den griechischen Philosophen. Aber die Welt ist eben nicht so eindeutig.

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Nie wieder?

Donnerstag, 13. März 2014

Rassismus und Sozialdarwinismus liegen nachweislich im Trend. Siehe Sarrazin und Kollegen. Und das, obwohl die Politik nicht müde wird, immer wieder an die faschistische Barbarei zu erinnern. Vielleicht liegt das auch daran, weil diese Gedenkkultur so abstrakt abgespult wird.

Als ich hörte, wie der Bundespräsident neulich in Griechenland um Verzeihung bat, da dachte ich mir, dass all diese Bekenntnisse immer gleich klingen. Es handelt sich schon lange nicht mehr um mutige Reden zum Thema, sondern um rhetorische Figuren, die einstudiert und festgefahren sind. Nach demselben Muster geraten auch die Erinnerungsveranstaltungen im Bundestag, die man jedes Jahr beobachten kann. Im Zuge des sich verschärfenden rassistischen und sozialdarwinistischen Klimas in diesem Lande, wirkt diese »Kultur des Nie wieder!« irgendwie aus der Zeit gefallen. Nach abgeschlossenem Festakt stülpt sich dieses Land dann wieder die Betroffenheit ab und geht zum natürlichen Tagwerk über, schmäht Arbeitsscheue, schimpft auf integrationsunwillige Ausländer und die dem Islam immanente Gewaltbereitschaft.
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#Aufschrei der Dummheit

Mittwoch, 12. März 2014

Quelle: mimikama.at
Bis vor kurzem gab es bei Facebook eine Seite, die sich »Wir suchen dich« nannte. Angeblich eine »Facebookgemeinschaft, die Personen hilft« und die vorgibt »gemeinsam nach vermissten Personen« zu suchen. Von einer Suche nach Personen konnte aber keine Rede sein. Der oder die Betreiber posteten Fotos von Gewaltakten und stellten dazu provokative Fragen. Unter dem Foto eines toten Mannes, der mit Messerstichen übersät ist, kann man lesen: »Das ist mit einem Kinderschänder in Südamerika passiert und soll auch so üblich sein. Was sagt Ihr dazu? Richtig oder Falsch?« Die Reaktionen, die damit geerntet werden, sind leicht zu kalkulieren und wohl auch so gewollt. Wie Motten, die das Licht ansteuern, ebnen sich selbstlose Weltverbesserer und Kinderschützer ihren Weg in die Kommentarspalten und offenbaren, wie dünn und teilweise schon abgeblättert der Lack der rechtsstaatlichen Zivilisation schon ist.

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Weniger Rotz auf Obst und Gemüse

Dienstag, 11. März 2014

Und jetzt etwas Positives. Man hat mir ja schon öfter gesagt, ich würde nur Negatives schreiben. Mein Blog beim »Neuen Deutschland« trage sogar den »Hiob« im Namen. Immer nur Hiobsbotschaften und so - geht es nicht mal unverzagter? Ich habe sogar einen Bekannten, der keine Nachrichten hören und sehen will, weil die nur Schlechtes dokumentierten. Ich sehe das anders. Manches kommt dort viel zu gut weg. Wenn sie uns sagen, was die Regierung alles so geleistet hat zum Beispiel.

Also von mir aus, mal was Positives: Nach vielen Jahren hat der Krankenstand mal wieder ein Plus verzeichnet. Er lag 2013 so hoch wie seit 14 Jahren nicht mehr. Das ist keine schlechte Meldung, auch wenn sie nicht ausdrücklich als frohe Botschaft markiert wurde. Nicht weil Menschen krank sind. Das ist schlecht. Aber wenn sie es schon mal sind, dass sie sich nicht zum Arbeitsplatz schleppen, weil sie um ihren Arbeitsplatz fürchten oder ihr Boss Druck macht, das ist doch nicht übel. Eine Trendwende mag das nicht sein. Die Techniker Krankenkasse, die die Zahlen lieferte, erklärt es dann ja auch mit einer Erkältungswelle. Aber dass die Patienten die sozialstaatliche Errungenschaft der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall auch in Anspruch nehmen, wenn es nötig wird, zeigt doch, dass nicht alles schlecht ist in diesem Land.

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Wer bezahlt die Spesen?

Montag, 10. März 2014

»Wer baute das siebentorige Theben? / In den Büchern stehen die Namen von Königen«, schrieb Brecht mal (»Fragen eines lesenden Arbeiters«). Und heute? Wer baut Fußballstadien in die Wüste? Wer setzt Stein auf Stein für Olympische Spiele? Und wer malocht an Protzbauten hierzulande?

In Katar riskieren Sklaventreiber das Leben ihrer menschlichen Ware. Das System Putin rieb Arbeitskräfte und Umland von Sotschi auf. Auf hiesigen Großbaustellen wie Stuttgart 21 oder BER dumpen sich polnische und bulgarische Ich-AGs und deutsche Niedriglöhner in Grund und Boden. Die globale Protzerei des Kapital reibt Heere von Arbeitskräften auf. Mal physisch und mal eher psychisch, aber immer auf Kosten derer, die schwitzen und sich plagen. »Wer bezahlte die Spesen?«, fragte Brecht zum Ende seines Gedichtes. Wer? Es sind die Sklaven und Tagelöhner, die Wettbewerbsschufter und Scheinselbständigen.

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Kommt wieder, wenn ihr mehr Stimmen erlangt

Freitag, 7. März 2014

Mit Unverständnis nahm ich letzte Woche die Freude von Die Linke über den Fall der Drei-Prozent-Hürde wahr. Und jetzt will sie auch Stimmung gegen die Fünf-Prozent-Hürde bei Bundestags- und Landtagswahlen machen. Ich sehe das so: Wahlen, bei denen die FDP nicht mehr aus dem Parlament fliegen kann, sind keine richtigen Wahlen mehr.

Sperrklauseln sind keine unvernünftige Einrichtung. Sie sind kleineren Parteien aber natürlich lästig. In einem schlechten Jahr kriegt man eben nur 4,8 Prozent zusammen und muss draußen bleiben, verliert Diäten und Ansprüche und muss zurück ins wirkliche Leben. Wahrscheinlich ist auch das das Motiv von Die Linke. Etwas mehr Selbstvertrauen, Genossen! Tut was dafür, dass es so nicht kommt und dann müsst ihr euch um die Klausel keine Gedanken mehr machen. Aber klar, Funktionäre aller Parteien wollen Sicherheit, mit Erklärungen von der Funktion der Sperrklausel braucht man ihnen nicht zu kommen. Sie finden immer Ausflüchte, warum sie sie nicht gut finden.

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Die »Chapos« und der »schlanke Staat«

Donnerstag, 6. März 2014

Für den meistgesuchten (und nun kürzlich gefundenen) Drogenboss der Welt gibt es Fürsprache von vielen Mexikanern. Sie fordern seine Freilassung. Ähnliches gibt es auch in Deutschland. Beides ist Anzeichen für den Verfall des staatlichen Gemeinwesens.

»Spiegel Online« sah sich kürzlich dazu berufen, die Proteste zur Freilassung des habhaft gewordenen Bosses des Sinaloa-Drogenkartells - ein Mann namens Joaquín Guzmán, auch »El Chapo« genannt - zu erklären. Dazu spannte man einen Bogen bis zu Pablo Escobar, den legendären Drogenhändler, und erläuterte, dass diese Gangster und Massenmörder auch Wohltäter für die Menschen gewesen seien. Wahrscheinlich hielt man in der Redaktion des »Spiegel« diese Proteste für Kriminelle für so spektakulär, dass man sie deshalb seiner Leserschaft erklären wollte. Dabei hat schon Eric Hobsbawn 1969 auf »Räuber als Sozialrebellen« hingewiesen. In weitaus kleinerem Maßstab (und mit nur scheinbarer sozialen Komponente) gibt es dergleichen auch hierzulande.

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Aus fremder Feder

Mittwoch, 5. März 2014

"Ein Ausländer, der in Deutschland reiste, mißfiel und gefiel durch einige Behauptungen, je nach den Gegenden, in denen er sich aufhielt. Alle Schwaben, die Geist haben, - pflegte er zu sagen – sind kokett. – Die anderen Schwaben aber meinten noch immer, Uhland sei ein Dichter und Goethe unmoralisch gewesen. – Das Beste an den deutschen Romanen, welche jetzt berühmt würden, sei, daß man sie nicht zu lesen brauche: man kenne sie schon. – Der Berliner erscheine gutmütiger als der Süddeutsche, denn er sei allzusehr spottlustig und vertrage deshalb Spott: was Süddeutschen nicht begegne. – Der Geist der Deutschen werde durch ihr Bier und ihre Zeitungen niedergehalten: er empfehle ihnen Tee und Pamphlete, zur Kur natürlich."

Der Märzsonntag, der sich wie Juli anfühlte

Dienstag, 4. März 2014

Man hatte mich am Sonntag zum Karnevalsumzug geschleift. Kurz davor informierte ich mich noch über die Lage auf der Krim. Und plötzlich stand ich unter all diesen fröhlichen Menschen, die zur Partymusik schunkelten, während ein drohender Waffengang über uns schwebte. Das war so bizarr und unwirklich. Ich meine, niemand sollte in Panik verfallen und die Lebensfreude aufgeben. Aber das bunte Treiben passte so gar nicht zur Stimmung, die aus dem Äther tropfte.

1914: Berliner warten auf die
Kriegserklärung
Ich dachte an all die Beschreibungen der Vorkriegswochen 1914, genannt Julikrise, die ich gelesen hatte. Die Menschen gingen in Cafés und flanierten durch Parkanlagen oder fuhren in die Sommerfrische, nutzten die Sonnenstrahlen aus und waren alle auf ihre Weise glücklich. Aber dass da etwas drohte, dass der Krieg in Lauerstellung war, das war ihnen schon irgendwie bewusst. Nicht erst seit Sarajevo. Schon vorher spürten sie was auf sich zukommen. Wieviele müssen damals durch die Straßen Berlins oder Wiens spaziert sein und diese trügerische Szenerie, dieses graue Idyll des Großstadtmolochs kopfschüttelnd begleitet haben? Die Menschen lagen einfach am Badesee herum und genossen die Wärme, während die Materialschlachten schon in Vorbereitung waren. Ja, dieser Märzsonntag fühlte sich ein wenig wie ein Tag in jenem Juli an. Und das nicht, weil derzeit die Temperaturen so erstaunlich hoch sind.

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