Wie der junge Markus bei Herrn Kracht in die Lehre ging

Freitag, 31. Januar 2014

Kurz bevor Lanz bei RTL anfing, wurde dort eine heute fast legendäre Talkshow eingestellt, die dem heutigen Sendeformat Lanz nicht unähnlich war. Wie Lanzens Format war sie nicht rein politisch gebunden, widmete sich auch gesellschaftlichen Themen und lebte von regelmäßigen Eklats. Der damalige Moderator hat sichtlich auf Lanz abgefärbt. Sein ganzer Stil ist von diesem Großmeister der Provo-Moderation geprägt. Er hat Lanz beruflich sozialisiert und war übertrieben gesagt so eine Art Mentor für ihn. Die Rede ist von Olaf Kracht und seiner Sendung, die sich Explosiv - Der heiße Stuhl nannte.

Tatsächlich erinnert Lanz' Frage- und Moderationsstil erstaunlich an jenen Herrn Kracht. Auch dann, wenn er nicht gerade unliebsame Politiker penetriert. Das strikte Dazwischenreden ist auch dann der Fall, wenn er nicht "auf Touren kommt". Zwischenfragen, bevor der Sprechende fertig ist mit seinen Ausführungen, musste nicht nur Wagenknecht erdulden. Bei ihr war es nur besonders virtuos.

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Guter Arbeitsloser, böser Arbeitsloser

Donnerstag, 30. Januar 2014

Der Plan der Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), Menschen früher die Rente zu ermöglichen, ist zu begrüßen. Wie dieser Plan aber zwischen Kurzzeit- und Langzeitarbeitslosen unterscheidet, macht deutlich, wie tief die soziale Segregation in den Köpfen vorangeschritten ist.

Ich glaubte, ich höre nicht richtig. Andrea Nahles will die Rente mit 63 umsetzen, ganz so wie sie in den Koalitionsgesprächen thematisiert wurde. Wer 45 Beitragsjahre aufzuweisen hat, soll früher in Altersrente gehen dürfen. Keine schlechte Nachricht. Fast ein bisschen sozialdemokratisch. Ein Punkt störte mich aber trotzdem.

Merkel droht den Ukrainern und steht dabei nicht mal auf

Mittwoch, 29. Januar 2014

In ihrer Regierungserklärung äußerte sich die Kanzlerin auch zur Lage in der Ukraine. Sie unterstütze die Opposition dort und zolle ihr großen Respekt. Sie tut das, weil sich die ukrainische Opposition "für die gleichen Werte [einsetze], die auch uns in der Europäischen Union leiten".

Welche Werte meint diese Frau denn? Die, die sie in Griechenland mit ihrer Austeritätspolitik erstickt? Oder dann doch eher jene, die sie in den Hartz IV-Reformen erblickt und für die sie bei alle europäischen Nachbarn als Notwendigkeit wirbt? Meint sie den Wettbewerb auf Lohndumping-Basis, der deutschen Unternehmen ordentlichen Exportüberschuss garantiert und den europäischen Nachbarn extreme Probleme bereitet? Oder die Polizeiattacken auf Systemgegner? Spricht sie von den europäischen Werten, die Frontex verteidigt oder dann doch eher die Europäischen Streitkräfte? Meint sie das feine Wertesystem, das sich zwischen unsinnigen EU-Richtlinien und elitärer Steuerbegünstigung erstreckt? Oder die privatisierten Gemeinwesen, die nur noch so heißen, weil sie ein ganz gemeines Wesen gegenüber denen an den Tag legen, die auf sie angewiesen sind?

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Wie einstmals Cánovas und Sagasta

Die erste europäische Postdemokratie und ihre Folgen.

Wer sich mit der neueren spanischen Geschichte etwas auskennt, mit der Zeit des Restaurationssystems um es genauer zu sagen, der hat vielleicht den Begriff "Pardo-Pakt" oder "Pacto del Pardo" schon mal gehört. Er ist die Überschrift zu einer parteiübergreifenden Scheindemokratie, die ab 1885 das restaurative Spanien prägte.

Als König Alfonso XII. im genannten Jahr starb, war sein Sohn noch nicht mal geboren. Seine Witwe Maria Christina übernahm bis zu dessen Amtsfähigkeit die Regentschaft. Um die Monarchie in dieser schweren Zeit zu sichern, kamen die Liberalen und die Konservativen, die beiden großen Parteien dieser Epoche, zu einer Vereinbarung. Sie beschlossen, ihren Parteienstreit und jeglichen Wahlkampf einzustellen. Der Pakt, der im königlichen Palast El Pardo geschmiedet wurde, sah vor, die Wahlergebnisse so zu fälschen, dass es bei jeder Wahl einen Regierungswechsel zwischen den beiden "Vertragspartnern" gibt. Die Liste der Regierungspräsidenten dieser Zeit liest sich dann auch monoton einfach: Cánovas, Sagasta, Cánovas, Sagasta, Cánovas ...

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... wenn man trotzdem lacht

Dienstag, 28. Januar 2014

"Wir machen immer einen Fehler: Wir investieren Gefühle, statt sie zu verschenken."
- Werner Schneyder -

Buhen, bis der Typ von der Bühne wackelt

Montag, 27. Januar 2014

Für eine Demokratisierung des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Tom W. Wolf schrieb via Facebook, dass er eine "Online-Petition namens "Raus mit Markus Lanz aus meiner Rundfunkgebühr" [für] nachvollziehbar" halte. Gleichzeitig sei sie aber "auch völlig albern". Wolf liegt richtig und gleichzeitig auch nicht. Recht hat er, weil Petitionen sich immer wieder als Löffel in der Schwertscheide erweisen. Unrecht hat er, weil der Zuschauer ansonsten keinerlei Möglichkeiten hat, die Ablösung einer untragbar gewordenen Person, die ihre Rechnungen von öffentlichen Geldern bezahlt, einzufordern. Diese Petition ist die schlichte Hilflosigkeit eines Publikums, das nicht einwirken kann auf ein Programm, dass es bezahlen muss.

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Der Drogenkoch und das Laissez-Faire

Freitag, 24. Januar 2014

Kürzlich berichtete der Stern über einen Restaurantbesitzer in den USA, der seinen Laden verkauft habe, um mit dem Erlös seiner an Krebs erkrankten Mitarbeiterin helfen zu können. Der Stern nannte das "eine Geschichte, die die Herzen wärmt". Ich nenne das eine traurige Geschichte. Es zeigt nur, dass man in den Vereinigten Staaten als Krebspatient entweder Geld haben oder Blue Meth kochen können muss, um seine Überlebenschancen zu wahren.

In der gefeierten und fabelhaften US-Serie Breaking Bad geht es um Walter White, einen Chemielehrer, der an Krebs erkrankt ist. Weil er sich die Behandlung nicht leisten kann und er seine Familie nicht mittellos zurücklassen will, setzt er seine Fachkenntnisse ein, um synthetisiertes Methamphetamin zu kochen - besser bekannt unter dem Namen Crystal Meth. Von da ab geht es mit voller Geschwindigkeit in die Unterwelt. Aus anfänglichem Skrupel wird Leidenschaft. Es ist faszinierend, diesem normalen Typen zuzusehen, wie er zu einem kriminellen Mythos wird, der aber nicht einfach nur ein harter Kerl ist, sondern ein teils weinerlicher Lappen und besorgter Ehemann und Vater. Mehr will ich hier über den Inhalt der Serie nicht erzählen. Es wäre schade um die Spannung.

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Nur die Normalität einer Konsumgesellschaft

Donnerstag, 23. Januar 2014

Was in den Medien im Falle des ADAC jetzt Manipulation genannt wird, ist in vielen Branchen gängige Geschäftspraxis. Wer glaubt denn ernstlich, dass allerlei Empfehlungen auf Seite Eins aus Überzeugung beworben werden?

Die Abstimmung des "Lieblingsautos der Deutschen" wurde über mehrere Jahre manipuliert. Das empört die Öffentlichkeit und viele ADAC-Mitglieder. Sie glauben nun ein falsches Bild von der Realität aus Deutschlands Autohäusern vermittelt bekommen zu haben. Von der massenpsychologischen Warte aus könnte man feststellen, dass dieses falsche Bild auch das Kaufverhalten manches Kunden beeinflusst hat. Denn viele VW-Golf-Käufer können doch nicht irren. Also kaufe ich mir auch einen!

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Die europäische Einbahnstraße

Mittwoch, 22. Januar 2014

Das politische Establishment Deutschlands ist normalerweise strikt auf Europa getrimmt. Es lobt die Idee der Europäischen Union. Kein Wunder, die deutsche Wirtschaft, für die es spricht, profitiert davon. Der Euro war ein Geschenk. Verbunden mit der Osterweiterung sowieso. Deutsche Unternehmen agieren jetzt zollfrei und ohne nennenswerte Hürden auf dem Kontinent. Der Export wurde gesteigert. Eine solche Idee müssen die Parlamentarier der Wirtschaftrepublik ja gut finden. Aber immer wieder sehen sie das Erreichte bedroht. Wenn diese störrische Union nicht so handelt, wie es die deutsche Wirtschaft gerne hätte. In solchen Momenten nennen sie die europäische Idee plötzlich anfällig und pervertiert. Dann werden sie dünnhäutig und wähnen sich unverstanden von einem Kontinent, der nur neidisch ist auf ihr schönes und erfolgreiches Land.

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Aus fremder Feder

Dienstag, 21. Januar 2014

"Unter der Herrschaft eines repressiven Ganzen läßt Freiheit sich in ein mächtiges Herrschaftsinstrument verwandeln. Der Spielraum, in dem das Individuum seine Auswahl treffen kann, ist für die Bestimmung des Grades menschlicher Freiheit nicht entscheidend, sondern was gewählt werden kann und was vom Individuum gewählt wird. Das Kriterium für freie Auswahl kann niemals ein absolutes sein, aber es ist auch nicht völlig relativ. Die freie Wahl der Herren schafft die Herren oder die Sklaven nicht ab."
- Herbert Marcuse, Der eindimensionale Mensch -

Das hohle Geschwätz eines redlichen Intellektuellen

Montag, 20. Januar 2014

Gauck wünscht sich mehr intellektuelle Redlichkeit. Gut. So will ich mich darin versuchen, lasse einige seiner Blüten links liegen, die er im Walter-Eucken-Institut fallen ließ, und stürze mich auf diesen einzigen Satz, der als zentrale Botschaft seiner Rede gelten kann: "Freiheit in der Gesellschaft und Freiheit in der Wirtschaft gehören zusammen."

So, nun mal ganz redlich. Durchleuchten wir dieses Konstrukt aus dem Mund des Bundespräsidenten mal intellektuell. Stellen wir zunächst mal einige kritische Fragen, die sich zwangsläufig aufdrängen: Ist eine Gesellschaft unfrei, wenn sie der Wirtschaft Maßgaben abverlangt, die zum materiellen und geistigen Wohl aller beitragen sollen? Ist sie es, nur weil sich ihre Wirtschaft an Regeln zu halten hat, die das Zusammenleben aller Menschen verbessern soll? Ist die Gesellschaftsfreiheit nur möglich, wenn Wirtschaftsfreiheit heißt, so wenig Steuern wie nur möglich bezahlen zu müssen?

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So dumm wie wir war keiner vor uns

Samstag, 18. Januar 2014

Das große Glück des Berufsanfängerjahrgangs 1993 war es, dass McKinsey noch keine Studien über die Zufriedenheit der Arbeitgeber mit den Lehrlingen abgehalten hat. Sonst hätte alle Welt erfahren, wie unzufrieden unsere Lehrherrn und Arbeitgeber mit uns waren.

Warum ist eine solche Studie eigentlich erwähnenswert? Waren nicht immer alle Alten mit den Jungen unzufrieden, seitdem der Mensch überhaupt denken kann? Die ollen Griechen jammerten ob der Jugend, die nachkam. Sie glaubten, ihre Kinder und Enkel würden alles in den Sand setzen. Heute heilen wir Krebs. Manchmal jedenfalls. So viel zum Thema "in den Sand setzen".

Als ich meine Lehre zum Schlosser begann, jammerten unsere Ausbilder viel über uns. Was die damals alles von der Schule schon wussten, als sie in den Beruf gingen - und wie wenig wir. Früher haben wir ohne elektronische Hilfe Wurzel gezogen und ihr habt das kaum mit dem Taschenrechner drauf, klagten sie. Hat uns wenig beeindruckt. Dazu schimpften sie uns natürlich faul und unmotiviert. Die gleichen Worte gebrauchen jene Arbeitgeber, die McKinsey so freimütig Antwort gaben, heute auch. So offen sind sie nur, damit sie der Schlussfolgerung der Studie Hand und Fuß verleihen. Nämlich: Schulen sollten weniger bilden, dafür schon mal damit anfangen, etwas auszubilden. Unternehmen an die Schulen und so. Man kennt das.

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Telefonate, die man im Schatten des Atompilzes führt

Freitag, 17. Januar 2014

Arbeit. Es geht immer nur darum. Die Hälfte aller Artikel, die so ein Magazin in die Welt setzt, hat mit Arbeit zu tun. Mit der Arbeitsmarktsituation oder mit Empfehlungen, wie man am Arbeitsplatz erfolgreich ist. Was bedeuten politische Entscheidungen für ihren Job? Und wenn ja, wie kann ich trotzdem Erfolg haben? Ja, selbst die Unterhaltung taucht in die Arbeit ab. Kaum ein Programm, in dem nicht Bewerbungen oder Stellengesuche zentrales Thema sind.

In manchen Sendungen retten Sterneköche den schlechten Arbeitsplatz von Leuten, die gerne Koch wären. Woanders wird Bewerbungsehrgeiz postuliert und erklärt, dass der, der wolle, auch könne und der, der besonders wolle, auch jegliche Chance bekomme. Dann gibt es Formate, in denen sich Arbeitgeber schön rausputzen, ihre Belegschaft bespitzeln oder wahlweise einstellen und in die Kamera erklären, dass sie Leistungsträger sind und bleiben wollen. Man sieht Leute beim Praktikum oder in der Probezeit, in der Routine des Arbeitsablaufs oder in Hochbetrieb. Immer nur Arbeit. Ohne sie scheint es keine Unterhaltung zu geben. Der homo laboris braucht sein Quäntchen Arbeit auch dann, wenn er nicht arbeitet. Er ist immer mit Arbeit, besser gesagt mit Erwerbsarbeit, beschäftigt. Wenn nicht körperlich und in Aktivzeiten, so doch wenigstens geistig und zur Kontemplation.

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Ständeordnung oder Integration?

Donnerstag, 16. Januar 2014

Natürlich ist es wahr, dass es die öffentlichen Kassen der europäischen Industrieländer stark belastet, wenn man Zuwanderern volle Sozialleistungen gewährt. Trotzdem ist das besser, als einen exklusiven Anspruch nur für Bürger erster Klasse zu definieren.

Seehofer kam mir in den letzten Tagen wie "Bill The Butcher" vor. Jener Bösewicht aus Scorseses Epos "Gangs of New York", der als Kopf der American Natives gegen die Zuwanderungsströme aus Europa agitiert. In einer Filmszene steht er am New Yorker Hafen, beobachtet wie die Emigranten aus den Schiffen steigen und sagt zu einem Lokalpolitiker, er sehe keine neuen Bürger, sondern lediglich Strauchdiebe und Räuber. Das ist kurios, denn ist Chef einer Bande ist, die selbst vor Straftaten nicht zurückschreckt.

Von Edmund Burke zu Joachim Gauck

Mittwoch, 15. Januar 2014

Eine besonders kurze Geschichte der politisch konservativen Freiheit.

Edmund Burke, der gegen die "Gleichmacherei" der Französischen Revolutionäre anschrieb, gilt heute als der Vater des politischen Konservatismus. Joachim Gauck, der sich die Aura eines Liberalen zugelegt hat, ist sein Urenkel. Ein kurzer Blick auf die Quintessenz von Burkes Werk verdeutlicht das. Auch er predigte Freiheit und meinte etwas ganz anderes damit.

I. Edmund Burke (1729 - 1797)

Gesellschaft war für Burke eine organisch gewachsene Ordnung, die nicht auf Vernunftprinzipien beruhe, sondern auf "the spirit of the gentleman" und "the spirit of religion". Wahre Freiheit ist die Freiheit zu tun, was sich zu tun gehört. Oder mit den Worten Burkes: "Wahre Freiheit ist die Freiheit, sich unter die Regeln zu fügen." Freiheit ist überdies, sich in Traditionen und Institutionen einzufügen. Der Bruch mit ihnen ist nicht freiheitliche Handlung, denn sie sind organisch gewachsen und daher nicht einfach zu amputieren.

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#Aufschrei der Dummheit

Dienstag, 14. Januar 2014


Das was sich Ende letzten Jahres im Online-Anhang der ZDF-Sendung Wetten, dass..? ereignete, als der Moderator nämlich eine Saalwette vorstellte, bei der er dazu aufforderte, dass möglichst wenige Menschen als Jim Knopf und Lukas auftreten sollten, hatte mit Protestkultur nichts mehr zu tun. Man kreidete Markus Lanz an, dass er sich rassistischer Tradition hingegeben habe, weil er Weiße dazu aufforderte, sich als Schwarze anzumalen. So wie in den Vereinigten Staaten, als die Rassentrennung noch viel strikter praktiziert wurde als heute. Als im ersten Tonfilm der Geschichte ein Weißer einen schwarzer Jazz Singer mimen musste, um das Sittengefühl jener Tage nicht zu verletzen. Um diesem "rassistischen Treiben" eines auszuwischen, formierte sich mal wieder ein #Aufschrei.

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Das neue Gesinde des Hauses Deutschland

Montag, 13. Januar 2014

Die spätviktiorianische Popkultur, in der wer leben.

Wenn man eine Sozialgeschichte des viktorianischen Bürgertums und seines Gesindes liest, erfährt man von arbeitenden Menschen, die keinen Dank oder gar eine angemessene Bezahlung erhalten haben. Sie mussten ihren Dienst unsichtbar erledigen und es kam nicht selten vor, dass die Herrschaften nicht mal wussten, wie ihr Personal eigentlich heißt. Man wollte es auch nicht wissen, um möglichst Distanz zwischen sich und diese Unterprivilegierten zu bekommen. Viele stolze Männer und Frauen zerbrachen und litten. Denn hätten sie aufgemuckt, wären sie auf alle Zeit gesellschaftlich geächtet gewesen. Wir sind dabei, diese Sozialgeschichte neu zu schreiben, indem wir diese Gesellschaft zu einem Haushalt machen, in dem es von domestic workers, wie dieser Stand im Englischen viel trefflicher heißt, nur so wimmelt.

Letztens erzählte mir ein Kurier, dass er nicht nur beschissen bezahlt werde, bei seinem Boss um allerlei gesetzlich garantierte Sozialstandards ringen müsse, sondern von den Leuten, die er beliefere, gar nicht als vollwertiger Mensch betrachtet würde. Sie sehen ihn nicht an, machen ihm nicht den Weg frei, obwohl er schwer beladen taumelt, sagen nicht Bitte und nicht Danke, grüßen nicht und geben ihm stattdessen ein Gefühl dafür, dass er jetzt gerade ein Störenfried ist. Ein anderer Lieferant teilte mir ähnliche Erfahrungen mit. Als der Lieferanteneingang von jener Dame zugeparkt war, die beliefert werden sollte, und er sie fragte, ob sie geschwind ihren Wagen zur Seite fahren könne, sagte sie nur pikiert: Sie sind doch Dienstleister. Nehmen Sie doch den Hintereingang.

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Als mir die Kanzlerin an die Hose ging

Samstag, 11. Januar 2014

Kollateralschäden einer Falschmeldung, die gar keine war.

Ich hatte Feierabend und wollte nur schnell heim. An der ersten roten Ampel kramte ich mein Handy hervor, klinkte mich kurz bei N24 ein und las: "Merkel gestürzt!" Ich konnte kaum darauf reagieren, denn die Ampel wurde schon wieder grün, ich musste weiterfahren. Also warf ich das Ding auf den Beifahrersitz und machte mir so meine Gedanken.

Wer hat sie denn gestürzt? Gabriel und seine Sozialdemokraten? Sind sie doch noch über ihren Schatten gesprungen und haben erkannt, dass ihre Entscheidung für eine Koalition mit der Merkel-Administration falsch war? Oder war es ein parteiinterner Putsch, das Ende aller Zickerei und ist nun von der Leyen neue Geschäftsführerin? Ich konnte mir beides nur schlecht vorstellen. Und dass das Militär nach ägyptischer Maßgabe "das Volk befreit", glaubte ich schon gleich gar nicht. Und warum zum Teufel berichtet das Radio nichts darüber? Ich fummelte herum, landete bei Klassik und Country und blieb kurz bei einem Sender hängen, auf dem Dusty How I Can Be Sure trällerte. Unter anderen Vorzeichen wäre ich dort geblieben. Aber so? In Zeiten der Rebellion trachtete es mir nach Infos.

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Wie der kleine Tramp zur roten Fahne kam

Freitag, 10. Januar 2014

Es gibt da eine Szene in Chaplins Moderne Zeiten, die mir in den letzten Wochen immer wieder in den Sinn kam, als ich diesen Hype um diesen Chodorkowski ohne Worte beobachtete. Ich spielte sie mir im Kopf vor, bemühte später YouTube und befand: Ja, diese Szene kommt einer Parabel gleich.

Sie geht ungefähr so: Der kleine Tramp war mal wieder arbeitslos geworden und flanierte mit seinem Stöckchen die Straße entlang. Ein beladener Lastwagen biegt um die Ecke und fährt unmittelbar an ihm vorbei. Da die Last des Fahrzeugs über die Ladefläche hinausragt, ist diese mit einer roten Fahne gekennzeichnet. Die löst sich jedoch und fällt zu Boden - Charlie direkt vor die Füße. Der klaubt das Ding, das an einem Stock befestigt ist, vom Boden auf. Fahnenschwenkend läuft er hinter dem Lastwagen her. Will auf sich aufmerksam machen, die Fahne dem Besitzer zurückgeben. Einige Augenblicke später biegt ein Pulk von Demonstranten um die Ecke. Sie laufen diesem mit roten Tuch wedelnden Bannerträger nach. Charlie bemerkt nichts davon, er starrt immer noch dem Lastwagen nach. Wedelt noch. Kurz darauf erfasst die Polizei die Demonstranten. Sie hat in Charlie den Anführer einer kommunistischen Kundgebung identifiziert.

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Die zur Gegnerschaft stilisierte Rechtsunsicherheit

Donnerstag, 9. Januar 2014

Im Überwachungsstaat gehört nicht viel dazu, um als kritischer Geist wider die Kontrollsucht eingestuft zu werden. Das hat man gesehen, als Justizminister Heiko Maas (SPD) ankündigte, die Vorratsdatenspeicherung auf Eis zu legen.

Schon im Dezember letzten Jahres äußerte sich der EU-Generalanwalt Pedro Cruz Villalón zur Vorratsdatenspeicherung. Die Medien machten daraus Schlagzeilen, die aufhorchen ließen. Kurz nachdem ich während einer Autofahrt im Radio gehört hatte, dass der Mann die Vorratsdatenspeicherung für rechtswidrig hält, erhielt ich via App eine Eilmeldung von Spiegel Online mit demselben Wortlaut. Erst Stunden später, als ich wieder daheim war, befasste ich mich intensiver mit der Meldung. Und siehe da, der Generalanwalt fand nur, dass das Vorhaben in der jetzigen Form rechtlich zweifelhaft sei. Ein grundsätzliches Problem mit dem massenhaften Sammeln von Daten aller Art hatte er jedoch gar nicht.

Ein Grundrecht auf billiges Personal gibt es nicht

Mittwoch, 8. Januar 2014

Die Frankfurter Allgemeine hat sich mal einen neuen Grund gegen den Mindestlohn einfallen lassen. Weil nämlich viele Selbständige nicht mal annähernd einen umgerechneten Stundenlohn von 8,50 Euro hätten, ist er irgendwie nicht gerecht. Und wovon sollen Unternehmer, die selbst so wenig in der Stunde haben, ihren Mitarbeitern Mindestlohn bezahlen? Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) unterfüttert diese Erkenntnis mit Zahlen und belegt, dass "ein großer Teil der Selbständigen [...] von der Hand in den Mund [lebt]".

Klar, an den Zahlen ist schwer zu zweifeln. Der Verfasser dieses Textes hat, wenn er es auf die investierte Arbeitszeit und das Einnahmevolumen umrechnet, nicht annähernd 8,50 Euro in der Stunde. Aber das ist kein Argument gegen einen Mindestlohn - es ist eines dafür.

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