The Lobbyist
Freitag, 28. September 2012
Reindl, immer dieser Reindl, immer er.
Wenn Benzin teuer ist oder teurer werden soll: Reindl.
Ist die Rede von Maut: Reindl.
Tempolimit und Innenstadtverbote: Reindl.
Stelle ich mir einen Pressesprecher, einen Lobbyisten vor, der nicht Mandatsträger bearbeitet, sondern die Öffentlichkeit nach Verbands- oder Unternehmenswillen schleift, so stelle ich mir diesen Mann vom ADAC vor, den ich seit Jahren in allen Nachrichtensendungen, auf allen Kanälen, vor hundert Tankstellen und achtzig Autobahnabfahrten gesehen habe.
Sein Standardsatz ist, dass immer die Autofahrer die Zahlmeister seien. Seiner Norm entspricht, dass der Autofahrer büsst, geradesteht und ausbadet. Der Spielplan seiner Argumente ist schmal. Sieht man ihn, weiß man, was er gleich sagen wird. Er ist das Gesicht schrecklich benachteiligter Autofahrer.
Ist der Sprit teuer, so sagt er: Immer sind es die Autofahrer, die Steuerkassen füllen!
Gegenüber den Mautmäulern, stellt er klar: Stets die Autofahrer, die bezahlen sollen!
Will man Innenstädte sperren, so schimpft er: Autofahrer zahlen alles, dürften dann aber die Straßen nur begrenzt nutzen!
Man muss sich diesen Text und die Arbeit dieses Mannes, wie jedes Lobbyisten an der Masse, mit der Melodie von The Entertainer unterlegt vorstellen und sich dabei einen stummfilmisch stummquasselnden und mit Händen argumentierenden Pressesprecher vor seinem geistigen Auge denken. Mit Kratzern auf der Tonspur unterlegter Ragtime zur flotten Laufgeschwindigkeit von Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Jeder Lobbyist wirkt auf mich wie eine übertriebene Aufnahme aus Stummfilmzeiten. Zwar reden sie nicht wenig, viel zu laut manchmal, aber sie rattern Plattitüden runter, wiederholen Wiederholungen, haben zurechtgelegte Phrasen, sodass es so wirkt, als sagten sie gar nichts, als seien sie stumm.
Ich will diesen Mann nicht verteufeln. Eine Kapazität seines Faches ist er auch nicht. Und es gibt sicherlich unsympathischere Pressesprecher. Er wirkt wenigstens onkelig - andere eher ekelig. Was er vertritt oder wegtritt, unter den Teppich tritt und zertritt, ist ja relativ harmlos. Auch Autofahrer brauchen Fürsprecher - Autofahren ist ja wirklich teuer. Aber ist es nicht zu einfach, mit immer gleichen Sätzen, die immer gleichen Argumente aus der Politik zu kontern? Könnte man beispielsweise nicht verstärkt Alternativen zum Autofahren einfordern als mächtiger Verband? Ist das nicht auch ermüdend? Macht es nicht irgendwo auch einen witzigen Eindruck auf den stillen Beobachter?
Ist doch ulkig, wenn der Reindl dem Benzinpreis die verbale Faust zeigt.
Ist doch witzig, wenn der Reindl, jetzt in neongelber Weste, vorher im Jackett, den Verkehrsminister rüffelt.
Es ist doch der beste running gag, wenn Reindl, jetzt hemdsärmelig, dieselben Worte wie vorhin gebraucht, um zu sagen, dass die Geschichte aller bisherigen Klassenkämpfe die Geschichte von Autofahrern sei.
Den Mann kannte ich nicht. Ich habe ihn kennengelernt durch seine stoische Dauerhaftigkeit. Man kennt sich halt vom Sehen. Wenn ich heute irgendwo höre, dass was auch immer es die armen Autofahrer seien, dann denke ich mir einen Reindl, einen zwischen Sendeanstalten und Terminen abgehetzten Herrn. Und irgendwie wächst er einem ans Herz, der lobbyistische Pressesprecher, dieser Interessensvertreter auf Arbeitnehmerbasis.
Geht das denen, die ständig Lobbyisten an ihrem Rockzipfel hängen haben, ähnlich? Plötzlich Sympathie für diesen Kerl, der immer und immer und immer wieder sagt, dass die Atomkraft weiterhin nötig sei? Hegt man plötzlich Zuneigung für den Burschen, der die Sorgen der hiesigen Arbeitgeber betont und betont und abermals betont? Lächelt man nicht belustigt, wenn erneut diese Frau vor einem steht, die meint, Privatrente sei Privatrente sei Privatrente sei Privatrente? Alle irgendwie niedlich in ihrer Beschränktheit, in ihrem Einsatz auf ein Ziel hin. Es wirkt halt so dumm und tapsig - und letztlich niedlich wie ein sich an eine Nuss klammernder Hamster vielleicht. Man hüte sich vor denen, die dümmlich wirken, denn die beeinflussen die Vertreter der Öffentlichkeit nachhaltiger als seriöse Gestalten, vermute ich.
Vielleicht muss man sich diesen Text über die Arbeit von Lobbyisten und über den Reindl, der eigentlich nicht richtig in diese Riege passt, auch als theatralische Tragödie vorstellen. Im Kino muss der Mime nicht dick auftragen, seine gespielten Gefühle können angedeutet werden, die Kamera ist nahe genug bei ihm, um jedes Fältchen einzufangen, um jede Träne, die ihren Lauf nimmt, sofort zu zeigen. Im Theater weint man nicht bedächtig, man tobt über die Bühne, schluchzt, johlt, wiederholt immer wieder, wie gemein die Welt sei und wie ungerecht das eigene Leben, schluchzt nochmals, brüllt Bä-hää-hää-hää-häää, nur damit der Typ auf den billigen Plätzen erahnt: Aha, der ist wohl traurig ...
Vielleicht muss man sich Lobbyisten als theatralische Mimen vorstellen - nur besser bezahlt und weniger verheult, nehme ich an.
Gut, der Pressesprecher ist nicht das, was man als Lobbyisten bezeichnet. Der Lobbyist macht mehr, er liefert von ihm bestellte Studien mit von ihm bestellten Ergebnissen im objektiven Ton, macht ein wenig Beratung. Nicht immer zwar, aber häufig kommt das vor. Jedoch manchmal reicht ja die bloße Berieselung durch Repetitio schon aus, um die Interessen seines Herrn zu erfüllen.
Reindl ist nicht der typische Lobbyist, er ist ja auch Pressesprecher. Aber müsste ich einen Film über Lobbyismus drehen, einen satirischen Unterhaltungsfilm mit Tiefgang, so würde ich mir einen Interessensvertreter ins Drehbuch schreiben lassen, der wie Reindl auftritt. Emsig zwischen ARD und RTL, weniger emsig bei der sprachlichen Modifikation seiner wenigen Botschaften an die Öffentlichkeit. Eine Spur Zynismus würde ich ihm aber obendrauf verleihen, die geht Reindl nämlich ab - um den zu beweisen, ist er vielleicht auch zu kurz im Fernsehen zu sehen; man sieht ihn ja nur, wenn er sagt, was er vorhin schon drei Programme vorher gesagt hatte ...
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Stelle ich mir einen Pressesprecher, einen Lobbyisten vor, der nicht Mandatsträger bearbeitet, sondern die Öffentlichkeit nach Verbands- oder Unternehmenswillen schleift, so stelle ich mir diesen Mann vom ADAC vor, den ich seit Jahren in allen Nachrichtensendungen, auf allen Kanälen, vor hundert Tankstellen und achtzig Autobahnabfahrten gesehen habe.
Sein Standardsatz ist, dass immer die Autofahrer die Zahlmeister seien. Seiner Norm entspricht, dass der Autofahrer büsst, geradesteht und ausbadet. Der Spielplan seiner Argumente ist schmal. Sieht man ihn, weiß man, was er gleich sagen wird. Er ist das Gesicht schrecklich benachteiligter Autofahrer.
Ist der Sprit teuer, so sagt er: Immer sind es die Autofahrer, die Steuerkassen füllen!
Gegenüber den Mautmäulern, stellt er klar: Stets die Autofahrer, die bezahlen sollen!
Will man Innenstädte sperren, so schimpft er: Autofahrer zahlen alles, dürften dann aber die Straßen nur begrenzt nutzen!
Man muss sich diesen Text und die Arbeit dieses Mannes, wie jedes Lobbyisten an der Masse, mit der Melodie von The Entertainer unterlegt vorstellen und sich dabei einen stummfilmisch stummquasselnden und mit Händen argumentierenden Pressesprecher vor seinem geistigen Auge denken. Mit Kratzern auf der Tonspur unterlegter Ragtime zur flotten Laufgeschwindigkeit von Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Jeder Lobbyist wirkt auf mich wie eine übertriebene Aufnahme aus Stummfilmzeiten. Zwar reden sie nicht wenig, viel zu laut manchmal, aber sie rattern Plattitüden runter, wiederholen Wiederholungen, haben zurechtgelegte Phrasen, sodass es so wirkt, als sagten sie gar nichts, als seien sie stumm.
Ich will diesen Mann nicht verteufeln. Eine Kapazität seines Faches ist er auch nicht. Und es gibt sicherlich unsympathischere Pressesprecher. Er wirkt wenigstens onkelig - andere eher ekelig. Was er vertritt oder wegtritt, unter den Teppich tritt und zertritt, ist ja relativ harmlos. Auch Autofahrer brauchen Fürsprecher - Autofahren ist ja wirklich teuer. Aber ist es nicht zu einfach, mit immer gleichen Sätzen, die immer gleichen Argumente aus der Politik zu kontern? Könnte man beispielsweise nicht verstärkt Alternativen zum Autofahren einfordern als mächtiger Verband? Ist das nicht auch ermüdend? Macht es nicht irgendwo auch einen witzigen Eindruck auf den stillen Beobachter?
Ist doch ulkig, wenn der Reindl dem Benzinpreis die verbale Faust zeigt.
Ist doch witzig, wenn der Reindl, jetzt in neongelber Weste, vorher im Jackett, den Verkehrsminister rüffelt.
Es ist doch der beste running gag, wenn Reindl, jetzt hemdsärmelig, dieselben Worte wie vorhin gebraucht, um zu sagen, dass die Geschichte aller bisherigen Klassenkämpfe die Geschichte von Autofahrern sei.
Den Mann kannte ich nicht. Ich habe ihn kennengelernt durch seine stoische Dauerhaftigkeit. Man kennt sich halt vom Sehen. Wenn ich heute irgendwo höre, dass was auch immer es die armen Autofahrer seien, dann denke ich mir einen Reindl, einen zwischen Sendeanstalten und Terminen abgehetzten Herrn. Und irgendwie wächst er einem ans Herz, der lobbyistische Pressesprecher, dieser Interessensvertreter auf Arbeitnehmerbasis.
Geht das denen, die ständig Lobbyisten an ihrem Rockzipfel hängen haben, ähnlich? Plötzlich Sympathie für diesen Kerl, der immer und immer und immer wieder sagt, dass die Atomkraft weiterhin nötig sei? Hegt man plötzlich Zuneigung für den Burschen, der die Sorgen der hiesigen Arbeitgeber betont und betont und abermals betont? Lächelt man nicht belustigt, wenn erneut diese Frau vor einem steht, die meint, Privatrente sei Privatrente sei Privatrente sei Privatrente? Alle irgendwie niedlich in ihrer Beschränktheit, in ihrem Einsatz auf ein Ziel hin. Es wirkt halt so dumm und tapsig - und letztlich niedlich wie ein sich an eine Nuss klammernder Hamster vielleicht. Man hüte sich vor denen, die dümmlich wirken, denn die beeinflussen die Vertreter der Öffentlichkeit nachhaltiger als seriöse Gestalten, vermute ich.
Vielleicht muss man sich diesen Text über die Arbeit von Lobbyisten und über den Reindl, der eigentlich nicht richtig in diese Riege passt, auch als theatralische Tragödie vorstellen. Im Kino muss der Mime nicht dick auftragen, seine gespielten Gefühle können angedeutet werden, die Kamera ist nahe genug bei ihm, um jedes Fältchen einzufangen, um jede Träne, die ihren Lauf nimmt, sofort zu zeigen. Im Theater weint man nicht bedächtig, man tobt über die Bühne, schluchzt, johlt, wiederholt immer wieder, wie gemein die Welt sei und wie ungerecht das eigene Leben, schluchzt nochmals, brüllt Bä-hää-hää-hää-häää, nur damit der Typ auf den billigen Plätzen erahnt: Aha, der ist wohl traurig ...
Vielleicht muss man sich Lobbyisten als theatralische Mimen vorstellen - nur besser bezahlt und weniger verheult, nehme ich an.
Gut, der Pressesprecher ist nicht das, was man als Lobbyisten bezeichnet. Der Lobbyist macht mehr, er liefert von ihm bestellte Studien mit von ihm bestellten Ergebnissen im objektiven Ton, macht ein wenig Beratung. Nicht immer zwar, aber häufig kommt das vor. Jedoch manchmal reicht ja die bloße Berieselung durch Repetitio schon aus, um die Interessen seines Herrn zu erfüllen.
Reindl ist nicht der typische Lobbyist, er ist ja auch Pressesprecher. Aber müsste ich einen Film über Lobbyismus drehen, einen satirischen Unterhaltungsfilm mit Tiefgang, so würde ich mir einen Interessensvertreter ins Drehbuch schreiben lassen, der wie Reindl auftritt. Emsig zwischen ARD und RTL, weniger emsig bei der sprachlichen Modifikation seiner wenigen Botschaften an die Öffentlichkeit. Eine Spur Zynismus würde ich ihm aber obendrauf verleihen, die geht Reindl nämlich ab - um den zu beweisen, ist er vielleicht auch zu kurz im Fernsehen zu sehen; man sieht ihn ja nur, wenn er sagt, was er vorhin schon drei Programme vorher gesagt hatte ...