In eigener Sache

Donnerstag, 22. Dezember 2011

oder: entschleunigte Festtage allen - auch den Ärschen.

Noch zwei Tage, zwei Texte, dann mache ich Schluss - mit dem Jahr. So wie das alle irgendwie auf ihre Art tun. Nach Samstag keine Worte mehr von mir in 2011. Rückblicke auch keine. Das deprimiert nur. Ausschau halten auch nicht. Das deprimiert nur. Über die Gegenwart berichten auch nicht. Das deprimiert nur.

Gegenwärtiges wie erst gestern: da wurden Jugendliche ausländischer Herkunft, die einen Mann in der U-Bahn verprügelt hatten, empfindlich bestraft. Die Staatsanwaltschaft glaubte, es handle sich um einen Fall von Deutschenfeindlichkeit, womöglich auch, weil das die Presse vorformuliert hatte. Der Richter konnte dieser Deutung allerdings nicht folgen - Strafe ja, aber nicht wegen "Hass auf Deutsche". Die Strafe ist unbestreitbar begrüßenswert - gäbe es ein beweisbares deutschfeindliches Motiv, hätte sie ruhig höher ausfallen dürfen. Kurios ist indes nur, dass Staatsanwaltschaften sich sehr schwer damit tun, rechten Gewalttätern Ausländerfeindlichkeit anzuhängen. Wie gesagt, nichts Aktuelles, nichts Gegenwärtiges heute - das deprimiert nur. Ich wollte damit auch gar nicht erst anfangen...

Einiges will ich jedoch noch sagen. Nichts, was sonst so zu lesen wäre an dieser Stelle. In eigener Sache halt...

Meinen Unterstützern will ich da beispielsweise danken. Das sollte ich viel öfter tun. Danke für die regelmäßigen Hilfen, die Anteilnahme, die Rückmeldungen und Erbauungen. Als der blondgelockte Altling vor nicht mal einen Monat von der Showbühne verschwand, ins Lichtermeer tauchte, um aufzusteigen in den Himmel, dort sitzt er zu Rechten... als er ging, da meinte er, er "habe es für Euch getan". Für sein Publikum, wollte er damit sagen. Freilich, dafür alleine tue ich es nicht - ich bin ja auch kein Entertainer. Es ist mir Anliegen, das zu schreiben, was ich zu sagen hätte, wenn ich einen Fernsehsender (oder eine Zeitung) führte - so könnte man das leicht holprig, aber dennoch trefflich formulieren. Dass es allerdings Leute gibt, die mich und mein Wirken schätzen, das ist mir Stütze und sicherlich auch Antrieb. Der Schreibende ist eitel, ich leugne es nicht - und er braucht Gönner und solche, die sein Werk anerkennen. Vielen Dank also...

Und bei all den Ärschen, die jeden Tag um ihre Messiase jammern, die finden ich würde Rassisten und adlige Snobs unfair behandeln, die mir wahlweise Cholera, Obdachlosigkeit oder Ableben wünschen, die soviel Herzblut in ihre Dummheit stecken, um sie in ellenlange Kommentare zu fassen, die ich kaum, manchmal auch gar nicht lese - auch bei den Ärschen möchte ich mich bedanken. Denn sie zeigen mir, dass dieses Land noch wesentlich maroder ist, als man das im Anflug von Optimismus manchmal glauben möchte. Die Ärsche und Vollidioten, die es ihren eigenen Verstand nennen, wenn sie Regierungssprech nachplappern oder mit dem gegelten Adelsmann im Geiste brüderlich herumknutschen, sie sind auf ihre Weise auch wertvoll. Gesundheit kennt nur, wer Krankheit kennt; Frieden nur, wer weiß, was Krieg ist; Sex wird geschätzt, wo es auch Phasen der Askese gibt. Keine These ohne Synthese - kein aufgeklärter Bürger ohne repressives Arschloch. Auch dem Gegenteil dessen, was mir lieb ist, sei Dank entrichtet. Denn auch die sind mir Antrieb...

In diesem Sinne wünsche ich niemanden schöne Weihnachten, weil ich hinter der Idee dieses Festes nicht stehen kann. Für meine Generation galt stets, dass "Weihnachten unter dem Baum entschieden wird" - tiefgründiger war die Weihnacht für uns nie. Auch keinen guten Rutsch will ich letztlich wünschen, denn mit dem ersten Tag des Januars beginnt nichts, endet nichts - das sind nur Marken von menschlicher Hand gesetzt. Willkürliche Grenzlegungen, wie so gut alles auf Erden, wie ich manchmal den Eindruck habe. Aber Ruhe, Gelassenheit und Besinnlichkeit, das kann man wünschen - und man kann sich wünschen, dass es ruhige Phasen dieser Prägung öfter im Jahr geben müsste. Zur Entschleunigung. Zur Stressbewältigung. Und das wünsche ich denen, die mir wohlgesonnen sind - und auch den arschigen, denn das unterscheidet sie von mir und uns: sie entmenschlichen den, den sie verachten - ich sehe sie trotzdem als Menschen. So fair muß man bleiben.

Anfang Januar kehre ich dann peu a peu zurück. Dann wird ad sinistram vierjährig - auch so eine menschlich-willkürliche Grenzziehung...

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21 Kommentare:

Minimal Anders 22. Dezember 2011 um 07:32  

Hach, Weihnachten, das Fest der Liebe.

http://9gag.com/gag/1133719?ref=fb-share

Ich würde auch nicht berichten. Im Grunde ist zum Jahr so ziemlich alles gesagt, was gesagt werden mußte. Und wie immer: noch viel mehr. Der Einzelhandel ist bisher unzufrieden, geh' doch mal shoppen.

Und gerne wieder im nächsten Jahr als Leser. Danke! Ne schöne Zeit bis dahin :)

ad sinistram 22. Dezember 2011 um 07:39  

Ach doch, an Heiligabend gibt es schon einen Text zu Weihnachten. So eitel bin ich dann doch. Titel: "Die Variablen des Heiligabend und deren Mehrwert"

Minimal Anders 22. Dezember 2011 um 07:49  

Wenn das auch zu Silvester klappt, setz' ich dann nochmal nach :)

stefanbecker 22. Dezember 2011 um 07:52  

Lieber Roberto de Lapuente,

ich verfolge ihren Blog nun seit mind. 3 Jahren, und ich bin ein großer Bewunderer ihrer sprachlichen
Fähigkeiten, die in der Lage sind in mir Wut,Trost,Solidarität,neues Wissen, Moral ,ethische Werte etc zu vermitteln. Dafür und für die die guten Wünsche am Ende dieses Jahres herzlichen Dank.
Ihnen wie immer alles Gute und weiterhin viel Anerkennung.Auf das sie davon Leben können.
Beste Grüße aus Münster
Stefan Becker

Ps.: Ohne Ärsche ware es langweilig

Inglorious Basterd 22. Dezember 2011 um 08:58  

Was die Willkürlichkeit der Termine, Feste und kalendarischen Ereignisse betrifft, sprichst Du mir aus dem Herzen.

Für die ersten Januartage habe ich bereits 3 Zentner "Frohes neues Jahr"
eingekellert; die muss ich noch loswerden.

ad sinistram 22. Dezember 2011 um 09:12  

Unwillkürlich wünscht man ein Schönes neues Jahr, wie man auch ein Frohes Fest wünscht - auch wenn man um die Willkür weiß. Ich hatte auch mal eine Phase, in der ich mich grundlegend verweigerte diesbezüglich. Habe ich mich rechtfertigt, erntete ich dümmliche, auch mitleidige Blicke. Daher beschränke ich mich mittlerweile meist auf "Ebenfalls" oder "Ebenso" - die Leute haben es gerne einfach.

Anonym 22. Dezember 2011 um 09:20  

*Ohne Ärsche wäre es langweilig*
Ja Siebenstein, aber es dürfen nicht zu viele Ärsche werden, was ich jedoch befürchte.
Der Mensch ist doch ein blödes Vieh, nicht wahr?!

Lieber Roberto, es liegt mir nicht, viele Worte des Dankens usw. zu machen.
Ich will es kurz machen:
Ein Trost ist der Blogger, der einem aus der Seele schreibt.
Und schön, wenn er deutsch schreibt und ein Arschloch ein Arschloch bleibt.
In diesem Sinne wünsche ich Ruhe und Gelassenheit für die kommende Zeit.

Micha 22. Dezember 2011 um 10:33  

Was ist denn so verwerflich daran, wenn sich ein Großteil der Menschen auf bestimmte Feiertage einigen?
Wie kann man sich daran dermassen hochziehen und gleichzeitig von Menschlichkeit reden?

Anonym 22. Dezember 2011 um 10:43  

Kein aufgeklärter Bürger ohne repressives Arschloch? Damit stellst Du ja die Hypothese eines 1:1-Verhältnisses auf, Roberto... Da wäre ich mir nicht so sicher...
Und damit ist auch klar, dass sich zu unseren Lebenzeiten nichts mehr grundlegend ändern KANN.

Anonym 22. Dezember 2011 um 11:12  

Sehr geehrter Herr Lapuente,

ich bewundere Sie für die exzellent durchdachten und sprachlich wunderbar formulierten Beiträge in Ihrem Blog. Sie sind eines der wenigen Leuchtfeuer in einem Meer von dummem und verkommenem Journalismus!
Ganz herzliche Grüße, Willi M.

ad sinistram 22. Dezember 2011 um 11:40  

Wer spricht denn von Verwerflichkeit? Wieder mal gar nichts verstanden, was?

Hartmut 22. Dezember 2011 um 13:50  

Lieber Roberto J. De Lapuente,

nicht nur Ihr Blog auch die beiden Bücher sind für mich erbaulich.

Ihre Gabe, Sachverhalte und das Zeitgeschehen treffsicher in Worte zu kleiden, manchmal auch zu gießen,
begeistert mich immer wieder aufs Neue.

Herzlichen Dank !

P.S. Zu den entschleunigten Festtagen möchte ich noch
Wilhelm von Humboldt
zitieren:
"Nicht bloß der einzelne Mensch in seinem Privatleben, auch die ganze Menschheit in ihrem weiten und verwickelten Lauf muß von Zeit zu Zeit still stehen und sich orientieren."

Anonym 22. Dezember 2011 um 14:42  

Sehr geehrter Herr De Lapuente,
der folgende Link soll nur meine Klugscheißerei spiegeln und nicht im mindesten Kritik: http://www.korrekturen.de/beliebte_fehler/wohlgesonnen.shtml

Vielen Dank für die bereits erschienenen und noch kommenden Texte, die mich in aller Regelmäßigkeit zum Denken zwingen, auch wenns mitunter schwerfällt.
Bitte nicht unterkriegen lassen.

Christian A.

ad sinistram 22. Dezember 2011 um 14:56  

Lieber Christian,

danke für den Hinweis. Ändern werde ich es dennoch nicht, denn...
... a) wäre es jetzt peinlich für mich.
... b) scheint es ein beliebter Fehler zu sein. Und da Sprache nicht statisch ist, sondern von den Sprechenden geprägt wird, hat das, was als Fehler deklariert wird, morgen schon kein Fehler mehr sein. ;)

Anonym 22. Dezember 2011 um 15:10  

Hallo Roberto,
mir wäre es lieber, Sprache würde von Denkenden geprägt, sprechen können einfach zu viele. (oder tun es zumindest)

Christian A.

ad sinistram 22. Dezember 2011 um 15:34  

Tja, was uns nicht allen lieber wäre ;)

Stephan 22. Dezember 2011 um 15:52  

auch den Ärschen, wie meinst du das?
den Ärschen, die denselben im Kopf mit sich rumtragen oden den Ärschen, die den ihren im Namen Gottes hinhalten dürfen?

Brutal real!

Anonym 22. Dezember 2011 um 16:16  

Soviel zu den Arschlöchern, die einfach dazugehören müssen. To spice up our lives.

Auf ein Neues.

http://cageybee-fluh.buzznet.com/user/photos/jerks-gary-larson/?id=1275076

Grüße
Heiko

klaus baum 22. Dezember 2011 um 20:51  

I wish yo a mwerry christmas and a happy new year!

wenn man es zynisch meint, kann man es noch sagen.

harzpeter 23. Dezember 2011 um 05:24  

Danke für 4 Jahre voller Texte, die zum nach-, mit- und umdenken anregen! Auch ich war früher mal ein "Arsch" und bin heute in der Wahrnehmung anderer Menschen vielleicht manchmal auch noch einer. Doch nicht zuletzt durch Blogs wie z.B. ad-sinistram wurde ich über die Jahre hinweg immer ein Stückchen weiter "entarscht".

Möge der Blogger Roberto J. De Lapuente noch viele Jahre ein Stachel im Arsch der "Ärsche" bleiben! Andererseits - es wäre natürlich besser, wenn es mangels Ärschen gar keine Stachel mehr bräuchte...

André 23. Dezember 2011 um 14:34  

Ärsche wird es immer geben. Und auch solche, die sich nicht dafür halten.

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