Sit venia verbo

Montag, 31. Oktober 2011

"Die Praktik Halloweens passt perfekt in unsere Zeit, in unsere Gesellschaft, ins Gruselszenario des Zeitgeistes. Während wir den Kindern einmal im Jahr einen solchen zügellosen Freiraum lassen, scheint in der Welt der Erwachsenen der Halloween-Geist vollends losgebrochen zu sein. Es ist eben keinesfalls nur der kindliche Egoismus, der mehr Freude an Halloween als am Martinstag entstehen lässt, sondern auch die Tatsache, dass ersteres Fest einfach besser ins Hier und Jetzt passt. Süßes oder Saures! könnte nämlich auch Lohnkürzung oder Arbeitsplatzabbau! heißen; oder Integration oder Ausweisung!; oder in ganz verächtlicher Form: Arbeit oder Hunger!; und in weltpolitische Formel gegossen: Erdöl oder Krieg!
[...]
Das Verschwinden des Martinstages zugunsten von Halloween ist sicherlich keine isolierte Erscheinung, sondern geht Hand in Hand mit der geistig-moralischen Umstrukturierung unserer Tage, in denen Nehmen seliger denn Geben ist, in denen die Egomanie zur seligmachenden Grundeinstellung einer Gesellschaft gedeutet wird. Wir zeigen unseren Kindern sowieso schon viel zu häufig, dass nur das Materielle von Bedeutung ist, man sich vor allem am Haben zu orientieren habe. Der Sozialarbeiter ist nicht, der Rechtsanwalt alles - solche Einteilungen lehren wir schon unsere Kinder. Und an Halloween zeigen wir ihnen, wie man es zu was bringt in dieser Welt, während es der Heilige Martin, dieser armselige Trottel, zu nichts gebracht hat, weil er aus seinem Mantel nicht zwei oder drei machen konnte, sondern diesen auch noch halbierte, weil er Umsatzeinbrüche an wärmendem Gewebe verzeichnen musste."
- Roberto J. De Lapuente, "Unzugehörig: Skizzen, Polemiken & Grotesken" -

... wo kein Fett, da ist auch kein Hirn...

Freitag, 28. Oktober 2011

Die taz hat ein neues Lieblingsthema und zeigt damit wieder mal, welche Klientel sie bedient: die einstmals kritische, in die unkritische Bequemlichkeit abgewanderte Mittelschicht; Grüne, deren einziger Grünstich vom verschimmelten kritischen Verstand her rührt. Die Tageszeitung der grau gewordenen Grünen, übt sich in Reflexionen über Fett und regt eine Fettsteuer an, wie es sie in Dänemark zu geben scheint.

Martin Reichert, der für den Artikel verantwortlich ist, verliert kein Wort darüber, dass Arme nur deshalb fettiger fressen - Reicherts Orginalton! -, weil Armut sich nicht leisten kann, wählerisch zwischen biologischem Anbau und Naturreinheit zu sein. Es ist mehr als snobistisch, so zu tun, als habe die Unterschicht die Wahl, gesünder zu essen und zu leben, wenn ein Kilo Bio-Möhren knapp drei Euro kostet, die Pizza aus dem Tiefkühler aber nur 79 Cent.
Seine Seitenhiebe auf Suff und Nikotin, die er sich natürlich nicht aufsparen will, unterstreichen das Sendungsbewusstsein. Gesoffen und geraucht wird nicht nur ganz unten, wie das der Verfasser des bürgerlichen Erbauungs-Artikels vermitteln möchte. Zigaretten- und Alkoholkonsum findet in allen gesellschaftlichen Schichten statt.

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Legitimitätsfragen!

Donnerstag, 27. Oktober 2011

Die Frage musste ja aufgeworfen werden: Wie kommen diese Typen eigentlich dazu, für 99 Prozent sprechen zu wollen? Die Antwort musste ja gegeben werden: Das haben schon mal welche in Deutschland gemacht, nämlich "eine kleine Gruppe von Nazi-Ideologen"! Da leben wir in einem Land, in dem man neuerdings ungeniert genetische Taschenspielertricks als Wissenschaft verkaufen darf, in dem man als Ausländer beäugt wird wie ein Stachel im Volkskörper, in dem Leitkultur deutscher Provenienz wieder diskutabel ist - aber nazistisch sind nicht diese Auswüchse und ihre Ideologen, nazistisch sind die, die gegen den Kapitalismus demonstrieren.

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... auf denen war der Mord obligatorisch, während er eine halbe Stunde davon entfernt ebenso streng verboten war.

Mittwoch, 26. Oktober 2011

Dass Soldaten Mörder seien: so weit will die deutsche Gerichtsbarkeit offensichtlich nicht gehen. Aber für fahrlässige Totschläger hält man sie zuweilen schon.

Der Pazifismus lebt noch

Sage nochmal einer, deutsche Soldaten könnten in Afghanistan wüten, ohne zu Rechenschaft gezogen zu werden. Das stimmt so nicht! Im ganz großen Stil können sie das schon, wenn wieder mal ein Kriegsminister oder ein General Kollateralschäden befiehlt, dann wird später kein Richter bemüht - dann wird hernach nur ein Untersuchungsausschuss beauftragt, die Affäre versanden zu lassen. Aber so im Kleinen, da herrschen Argusaugen - da kann man nicht durch die Gegend ballern, wie es einem gerade beliebt. Dann droht in heimischen Gefilden der Richter.

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De dicto

"Weitere Profiteure sind die Arbeitnehmer, von denen ein großer Teil in den betroffenen Flughafen-Anrainer-Kommunen leben dürfte. Sie dürfen sich über Arbeit freuen und nehmen dafür Lärm in Kauf. [...] Fest steht, dass viele Bürger Fluglärm erdulden, ohne dass ihnen der Ausbau unmittelbaren Nutzen stiftet. Für sie bleibt kein Trost, außer Geld. Sie müssen entschädigt werden."
- Winand von Petersdorff, Frankfurter Allgemeine vom 23. Oktober 2011 -
Zum Gesagten sei angemerkt: Ein gravierendes Problem im engen Europa ist es, dass immer mehr Menschen der Lärmhölle, bedingt durch Infrastruktur, ausgesetzt werden. Massive Gesundheitsprobleme, verursacht durch dauerhaften Stress, sind dann treue Begleiter durch den krachenden Alltag. Wie sich die europäische moderne Gesellschaft infrastrukturell stellen will, ist nicht nur eine Frage der verfügbaren Energie; man wird die sich verschlechternden Lebensbedingungen von Millionen von Menschen berücksichtigen müssen. Schon zwanzig Millionen Menschen leiden hierzulande am Lärm. Das kann kein Zukunftsmodell sein.

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Der Tag, der unser Leben veränderte

Dienstag, 25. Oktober 2011

Die Welt ist nicht mehr so, wie sie einst war. Heute vor zehn Jahren hat sich unser aller Leben verändert. Das las man bereits vor fünfundvierzig Tagen - dies geschah aber verfrüht. Am 11. September vor zehn Jahren hat sich wenig in unser aller Leben verändert. Für die Familien der Toten schon - für die Skyline New Yorks auch - und auch für die Versicherungen, bei denen Schadensfälle eintrudelten. Aber für den Rest der Menschheit veränderte sich zunächst wenig - manche waren emotional verändert, aber letztlich lief der Rest der Welt wie eh und je geschmiert.

Heute vor zehn Jahren änderte sich etwas. Heute vor zehn Jahren erblickte der USA PATRIOT Act das Licht der Welt - die Mutter aller Anti-Terror-Gesetze, die in der westlichen Welt folgen sollten. Als der Kongress dieses Machwerk verabschiedete, dass uns nach Guantánamo und zu Waterboarding lotsen sollte, war es einer dieser historischen Augenblicke, in dem sich die Welt, wie sie war, aus unserer Realität verabschiedete. Sie war urplötzlich ein Tummelplatz von Terroristen, von sieben Milliarden potenziellen Terroristen. Wer nichts zu verbergen hat, braucht sich nicht fürchten!, war die neue Losung - und der überwachte Bürger antwortete, dass er nichts zu verbergen habe. Dabei ist es nur gut, nur menschlich, dass es Dinge gibt, die man verbirgt. Persönliche Geheimnisse: plötzlich waren sie das Vorzimmer zum Terrorismus.

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Wir haben es nie gelernt

Montag, 24. Oktober 2011

Ich entstamme einer vernachlässigten Generation. Einer, die es nie gelernt hat, sich politisch zu artikulieren - einer, der man es nie beigebracht hat, den Mund aufzureißen, zu protestieren, wenn es zu viel wird. Man hat uns vernachlässigt, hat uns gesagt, wir sollen immer schön brav mit sein, nicht gegen - sollen mitschwimmen, mitmachen, mitrudern. Aber bloß nicht zu rücksichtsvoll, vielmehr egoistisch mitmachen, dann klappe es besonders gut im Leben.

Ich, als Teil meiner Generation, kenne das kaum, dass Menschen protestieren. In den Achtzigerjahren war ich noch zu klein. Als Junge sah ich Menschenketten, aber keinen Sinn darin. Der Aufbruch der DDR-Bürger war Folklore für mich; weinende Menschen, weich gewordene Grenzer, ein adipöser Kanzlerkönig, der sich als Erlöser bejubeln ließ - für mich damals nicht zu verstehen. Der Junge, der das sah, er fand es schön, kitschig und sicherlich herrlich romantisch.

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Haltet mir das Mitleid vom Hals!

Freitag, 21. Oktober 2011

Tritt wieder mal der Fall ein, dass ein schlechter Mensch, der ehemals Diktator oder Terror-Pate war, erschossen wird, ohne einem Gerichtsverfahren, vielleicht sogar einer internationalen Gerichtsbarkeit, überführt worden zu sein, so argumentiert man zuweilen sachlich, warum zweiteres sinnvoller gewesen wäre. Schuld und Sühne, werden bemüht - und der Anspruch der Demokratie, jeden einen fairen Prozess zu ermöglichen. Justitia sei auch gegen Tyrannen blind. Im aktuellen Falle, da man sah, wie Gaddafi zu Tode gebracht wurde, kommt noch etwas hinzu, was sich nicht sachlich begründen läßt.

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Ridendo dicere verum

"Man hatte dringend davon abgeraten, den Wald abzuholzen. Das Ministerium bestand darauf aus wirtschaftlichen Gründen. Ein halbes Jahr später begrub eine Geröll-Lawine den darunterliegenden Ort.
Der Minister erschien anlässlich des Treffens der bayrischen Bahnbesitzer und nahm dazu Stellung.
Er würdigte eingangs
führte dann aus
legte Wert auf die Fragestellung

wobei er besonders betonte
warnte ausdrücklich vor
vergass nicht, darauf hinzuweisen

dass er durchaus die Meinung vertrete

was ihn nicht daran hindere

an alle den Appell zu richten
fügte sofort hinzu
verleih seiner Hoffnung Ausdruck
bekräftigte ergänzend

räumte allerdings ein
bezweifelte
erinnerte aber
wobei er jeden Zweifel ausräumte

wies nocheinmal ernst darauf hin

und dann energisch zurück

Von 21 Uhr bis 22 Uhr 30

untermauerte er seine Ausführungen."

- Dieter Hildebrandt -

Schöne neue Bücherwelten

Donnerstag, 20. Oktober 2011

Der elektronische Fortschritt ist einnehmend, kann verhexen. Jedoch bleibe ich dabei: die vordringlichste Erfindung waren, sind und bleiben gebundene Papierbögen - auch Buch genannt. Doch ausgerechnet dieses sieht man bei Spiegel Online als lebensgefährlich an. Das alles hat es schon ähnlich gegeben. Man hat Bücher auf Indizes gesetzt oder den Flammen überstellt. Schließlich waren sie gefährlich oder entartet, was nur eine speziell kleinbürgerliche Benennung für gefährlich war. Heute erklärt man Papier für gefährlich, weil es die Fortentwicklung, das Lesen ohne Faserstoffe und Leimung, beeinträchtigt.

Parallelgesellschaft - nicht entweder oder

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Halbe Darstellung und falsche Verbündete

Dienstag, 18. Oktober 2011

Ob in der Tagesschau oder bei Springer, im Spiegel oder bei heute: alle erklärten sie, dass es am vergangenen Samstag die Menschen weltweit nur deshalb auf die Straßen gezogen hat, weil eine unbändige Wut auf die Finanzwirtschaft in ihnen gärt. Vulgärer sprachen manche Qualitätsmedien von der Gier der Banken, die die Occupy-Bewegung formierte. Vornehmer ausgedrückt schob man die Rekapitalisierungsabsichten und - vorhaben als Protestmotiv vor. Doch das ist nur ein unzureichendes Erklärungsmuster.

Verknappung der Motive geht am inhaltlichen Kern vorbei

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Veteranengeschwätz

Montag, 17. Oktober 2011

Über Wulff kann man ja sagen was man will. Dass er trantütig ist, langweilig, eine Sprachrhythmik besitzt, die in Tierschlaf versetzt - dass er so viel politischen Gehalt hat, wie Mineralwasser Alkohol - dass seine anonkelnde Art tapsig und gekünstelt wirkt. Das alles kann man über Wulff sagen. Aber dann muß man fair sein und nachschieben: Er ist der beste Bundespräsident, den wir, gemessen an den realistischen Chancen, die es damals zur Bundesversammlung gab, haben können. Sein damaliger Kontrahent, er konsolidiert mit seinen Ansichten und Frechheiten, die er so in der Presse verbreitet, mehr und mehr die Präsidentschaft Wulffs. Er gebiert aus dieser blassen Belanglosigkeit, die sich Christian Wulff nennt, einen Glücksfall. Letztlich muß man als Bürger auch noch froh sein, einen wie Wulff als Bundespräsidenten zu haben - besser als der andere, den damals Sozialdemokratie und Grüne ins Rennen schickten, ist er allemal.

Der findet nämlich die Occupy-Proteste "unsäglich albern" - romantische Vorstellung, eine andere Welt zu fordern, meint er ganz Snob. Dann folgt, was immer folgt bei Joachim Gauck: seine geballte Lebenserfahrung, die er als Keule gegen diejenigen benutzt, die in der Bundesrepublik nicht täglich ein Hosianna! frohlocken. In dem Land, in dem er lebte, da waren Banken besetzt und nichts war besser, erzählt er trocken. Er habe ja damals in einer Diktatur gelebt - er habe somit damals jedes Recht zum Protest gehabt. Damals gab es Protestberechtigung - heute aber...

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De auditu

Deutschland im Herbst. Blätter fallen - und traditionelle Herbstbegriffe. Einer davon lautet Linksterrorismus. Der ist auch jetzt wieder in aller Feder. Das ist seltsam, denn einen Rechtsterrorismus, den gibt es, von dem liest man nicht. Ein solches Wort stapft nicht durch die Gazetten, durch die Nachrichten. Der Terrorismus ist eine linke Angelegenheit. Fahndet man per Suchmaschine im Internet danach, so finden sich 112.000 Einträge linksterroristisch, aber weniger als 26.000 rechtsterroristisch. Es gibt Rechtsextreme, bloß keine Vertreter des Rechtsterrorismus.

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Deutsche Bahn und die Brandstifter

Samstag, 15. Oktober 2011

Ein Lehrstück mit Lehre.
Keine Burleske von Max Frisch.

Und so nahm er mit Schmitz und Eisenring das Maß der Zündschnur ab. Dass sie Brandstifter waren, diese beiden Kuriositäten, das ahnte Gottlieb Biedermann sehr wohl. Aber er half ihnen bei den Vorbereitungen. Hat die Deutsche Bahn denen, die nun Brandsätze ans Liniennetz montieren gewissermaßen auch. Auf andere Weise wie Biedermann - und nicht nur die Deutsche Bahn, die steht hier nur statthalterisch für Deutsche Bank, EZB, IWF, für Europäische Union, für verdaxte und minder verdaxte Konzerne und für allerhand andere Organisationen... kurz, für ein ganzes Regime aus neoliberalen, streng marktapodiktischen Einrichtungen, die sich zu einem globalen Ökonomie-Totalitarismus verschmolzen haben. Deutsche Bahn ist, wie Biedermann, nur ein Behelf. Biedermann konnte als Ersatzmittel, als geselliges Äquivalent, für die tumbe Masse derer angesehen werden, die zwar hinglotzen, durch ihre dicken Brillengläser, aber dennoch nichts sehen - nichts sehen wollen. Deutsche Bahn steht hier für Rationalisierung, Effizienz, für Straffung, für Gesundschrumpfungen bis zur Krankheit, für Knapsen, Sparen, Zurückhalten, für privatisierte Service-Wüste, für Entmenschlichung, Verroboterung, für Standardisierung und Gleichschaltung... sie steht für ein System, das mit System ausbeutet und die Rendite zur Allmutter erhebt.

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Der wichtigste Mann bei den Christsozialen

Freitag, 14. Oktober 2011

Leute beruhigt euch doch! Der Mann hat letztes Jahr vorgeschlagen, das Tragen von Burkas im Öffentlichen Dienst zu verbieten. Die Heere von Burkaträgerinnen, die öffentlich bedienstet arbeiten, waren natürlich empört. Wie Dienst tun ohne gänzlich verhüllenden Stoff? Aber wem erklärt man das - jeder von uns kennt schließlich Angestellte des ÖD in mondäner Burka! So einen Mann, der aus dem Nichts einen Verbotsvorschlag macht, der ungefähr so sinnig ist, wie das Untersagen von Lagerfeuern auf dem Grund von Baggerseen... so einen Mann kann man nicht mehr ernsthaft in die Verantwortung nehmen. So einer kann auch mal behaupten, es sei "alles rechtsstaatlich korrekt abgelaufen" - das schadet seinem Ansehen nicht. Er hat ja keines mehr - man nimmt ihn doch schon seit Jahren nicht mehr für ganz voll.

Aus dem Bilderbuch

Versammlungen und Demonstrationen hält er für eine höchst subversive Veranstaltung. Das bayerische Versammlungsverbot, das man CSU-intern gerne als Versammlungsgesetz bezeichnete, wuchs auf seinem Mist. Vorratsdatenspeicherung ist sein Steckenpferd - strenge Überwachung seine Leidenschaft. Für ihn scheint die Welt ein Tummelplatz des Bösen zu sein. Daher Verbotszwang, daher Überwachungsfetisch, daher die Freude an der Zerstreuung von Grundrechten. Die Gewalt geht vom Volke aus, liest man im Grundgesetz - dieser Satz macht ihm vermutlich Angst. Ein gewalttätiges Volk? Er setzt alles daran, die Gewalt aus dem Volke zu bekommen.

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Mein letzter Wille

Donnerstag, 13. Oktober 2011

Auf meinem Rechner findet sich keine Kinderpornographie. Auch keine Baupläne für Bomben, Sprengsätze oder Do-it-yourself-Minen. Mordpläne, nicht mal Mordabsichtserklärungen, finden sich gleichfalls nicht auf meiner Festplatte. Eine Datei, in der das Versteck zurückgehaltener Steuerzahlungen notiert wäre, wohnt auch nicht auf meinem PC. Ich bin, um es kürzer zu sagen, nicht bestrafungsrelevant. Das kann sich allerdings ändern. Nicht weil ich etwas täte, was mich einer Bestrafung näherbringen würde - das erledigen heute andere für einen. In der Dienstleistungsgesellschaft wird einem alles abgenommen: sogar die Straftat oder die strafrelevante Aktion.

Das heißt also, schon morgen könnten sie an meiner Türe klingeln, meinen Rechner per Verfügung mitnehmen und einige Stunden später erneut aufkreuzen, um mir schmucke Schellen unterhalb der Handwurzel anzulegen. Man könnte etwas gefunden haben, was ich nie zuvor gesehen, geschweige auf meine Festplatte gespeichert habe. Man mag sich gar nicht ausmalen, was das bedeutete. Plötzlich sind da Bauanleitungen zu finden oder nackte Pfadfinder - da ginge ein Leben zu Bruch; das ist nicht mehr zu kitten, selbst wenn die Unschuld hernach doch noch bewiesen würde. Semper aliquid haeret!

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Sit venia verbo

Mittwoch, 12. Oktober 2011

"Es mag manchem von uns [Anm.: Autoren und Schriftsteller] trösten, daß er möglicherweise Ewigkeitswerte schafft, dieser Trost sei ihm unbenommen, wenn er uns nicht hindert, uns hier und heute, gestützt auf diesem Gesamtverband, Gedanken darüber zu machen und einmal öffentlich darzulegen, wie wir unser Geld eigentlich verdienen. Vornehmerweise nennt man das Geld, das wir bekommen, Honorar. Das klingt, als wären wir sehr feine Leute. Ich fürchte, wir sind sehr feine Idioten. Wir lassen uns dirigieren, kujonieren, Prozente und Honorare diktieren, ohne je ernsthaft darüber nachzudenken, wer sie festgelegt hat und wie sie sich errechnen. Der geistige und politische Kredit, den wir der Bundesrepublik einbringen, ist ohnehin honorarfrei: wir verlangen nichts dafür. Es geht auch nicht um unsere gesellschaftliche Ehre, die verschaffen wir uns selbst. Es geht um unsere gesellschafts- und finanzpolitische Stellung."
- Heinrich Böll, "Ende der Bescheidenheit" -

Erst löschen, dann Pläne zeichnen

Dienstag, 11. Oktober 2011

Der vielleicht perfideste Trick neoliberaler Wadenbeißer ist es, die Kritik an ihrer Ideologie, die sie für keine Ideologie ausgeben, mit der Alternativlosigkeit abzuwiegeln. Indirekt geben sie dem Kritiker recht, geben aber sofort zu bedenken, dass es wahrscheinlich immer noch "die beste aller möglichen Welten" ist, in der wir leben. Wer keine Vision davon hat, was nach dem Neoliberalismus kommt, so erklären sie inquisitorisch, der soll auch nicht kritisieren.

Probleme lösen, die geschaffen wurden, um nur im neoliberalen Rahmen lösbar zu sein!

Solange man kein Patentrezept, kein "anderes Modell, in einem fertigen Ersatzteil-Set, das Versprechen einer ganz neuen, sauberen, garantiert schlüsselfertigen Gesellschaft" (Viviane Forrester) besitzt, soll man an der Problemlösung mitarbeiten, die sich innerhalb des Neoliberalismus befinden - sie sagen es natürlich nicht so, weil sie das N-Wort nicht verwenden. Sie sprechen auch nicht von System oder Ideologie; sie bauen auf der Prämisse, die doch jeden vernünftigen Menschen einsichtig sein sollte, nämlich dass Profit zu unser aller Wohlstand gemacht werden muß - viel Profit, sehr viel Profit, noch mehr Profit. Die unerwähnte Prämisse, die sie, falls sie sie überhaupt beim Namen nennen, auf Realpolitik oder Sachzwang taufen, sie wird Kritikern als Naturgesetzlichkeit untergejubelt. Sie raten daher, produktiv innerhalb der Grenzen zu kritisieren; realistisch sein, nicht utopisch: Probleme lösen in der Gesellschaft wie sie ist - nicht daran denken, wie sie sein könnte. Dabei löst man Probleme alleine, die vom Neoliberalismus geschaffen wurden, um in seinem Rahmen, mit seinen Instrumenten gelöst zu werden. Probleme, die den "ihnen zugedachten Lösungen entsprechen" (Forrester) sollen.

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