De dicto

Freitag, 7. Januar 2011

"Die Kanzlerin singt das Sternsingerlied auswendig mit"
- Hugo Müller-Vogg, BILD-Zeitung vom 6. Januar 2011 -
Zum Gesagten sei angemerkt: Während dieser Tage über das kommunistische Spasma der Lötzsch gewettert wird, bringt uns Müller-Vogg, Leib- und Magenschreiber der schwarzen Prominenz, seine Kanzlerin nahe. Eine singende, eine volksnahe, eine lebensbejahende, leicht untersetzte und frivole Person - eine, die auswendig mitpiepst, die Lachfältchen erzeugt, wenn man nur die Kinderlein zu ihr kommen läßt.

Wie muß sich diese Frau, die man Kanzlerin nennt, nach der DDR sehnen! Nach dem, was man Lötzsch unterstellt! Sie steht da, feist wie einst Ulbricht, irre starrend wie damals Honecker, singend und schäkernd und dabei eine dämliche, aber dafür bürgernahe Figur abgebend - wie dazumal jeder Staatsratsvorsitzende. Wenn es über die Granden des Staatsrates auch selten etwas Höfliches zu berichten gab: singend, sportelnd, als primus inter pares zurechtgerückt, gab es stets angenehme Presse. Lump konnte man sein: nur beherzt schmettern musste man können - gerne auch auswendig! Das FDJ-Mädel hat das beobachten dürfen damals, als sie noch junges Mauerblümchen war; sie hat sicherlich zugesehen, als Ulbricht seinen wohlverformten Körper in Objektive räkelte, turnte, lachte und sang - sie kopiert freilich nur, so wie alle Machthaber zu jeder Zeit Kinderlein zu sich kommen ließen, mit ihnen witzelten, mit ihnen tirilierten. Aber wenn man halt aus der FDJ kommt, dann entsteht da schon ein Geschmäckle - frei nach Adorno: nach der DDR ein Lied zu singen, das ist barbarisch...

Immer dann, wenn man nichts weiter zu berichten weiß, als dass irgendein korpulenter Volksvertreter brav mitsingt, dann ist der journalistische Gehalt etwaiger Elaborate, die die Gehaltlosigkeit dessen, was man optimistisch "Politik" nennt, bloßgelegt - wo singende Politiker Sujet sind, da hat die politische Kultur endgültig abgewirtschaftet: in Hintern kriechende Journalisten sind kein Kennzeichen für Freiheit, für Demokratie, für ein besseres Leben; Journalisten die singende Politiker zum Gegenstand ihrer Ausdünstungen machen sind Warnung, sind Anzeichen einer ganz traurigen Gesellschaft. Und sie sind Mahnung zugleich, denn sie warnen uns davor, dass die heutige Bundesrepublik letztlich der DDR doch ähnlicher ist, als sie glaubt!



8 Kommentare:

Desparada-News 7. Januar 2011 um 11:06  

"...bringen wir heut Gottes Segen und wir bitten euch um Geld“. Diese Passage des Sternsingerliedes stimmt ja jedenfalls immer, wenn Politiker es singen. Da wird Frau Kanzlerin gerne eingestimmt haben.
Die 200.-- Euronen, die sie gespendet hat, schmerzen da nicht so sehr. Ihr Prinzip dafür hat sie ja auch gleich geoutet: „Anderen helfen kann man nur, wenn man auf andere zugeht und um Hilfe bittet“.
Die Politiker brauchen ja immer viel Hilfe, besonders das Geld des Volkes, um dann den notleidenden Banken zu helfen, usw.

Anonym 7. Januar 2011 um 11:18  

Danke für, der Vergleich war lange überfällig, da immer mehr Menschen auffällt, dass Maggie Merkel eigentlich nichts anderes geschaffen hat als einen Kommunismus für Superreiche in einer DDR für Superreiche gleich Merkel/Westerwelle Deutschland.

So sieht wahrer Sozialismus für Reiche aus, den Armen nehmen und den Reichen geben zynisch ausgedrückt.

Gruß
Bernie

klaus Baum 7. Januar 2011 um 12:10  

Well roared, Lion. Treffliche Analyse und Polemik zugleich.
>>Und sie sind Mahnung zugleich, denn sie warnen uns davor, dass die heutige Bundesrepublik letztlich der DDR doch ähnlicher ist, als sie glaubt!<<
Eine Ähnlichkeit mit umgekehrten Vorzeichen. Sagen wirs so: In der DDR standen die Nullen vor der Zahl, hier dient die Regierung jenen, die genügend Nullen hinter der Zahl aufzuweisen haben.

klaus Baum 7. Januar 2011 um 12:27  

Noch einmal zu deinem vergleich mit der DDR. im archiv der nachdenkseiten lese ich folgendes über honecker:

>>Mit nicht enden wollenden Durchhalteparolen versuchte Honecker seinen Niedergang und den Absturz seiner Partei zu übertönen. Seine Erfolgsbilanz grenzte ans Komische. Seine einzigen Angebote sind abgedroschene Floskeln und die alten Klassenkampfparolen.<<

Sorry, der Beitrag ist von heute und muss richtig lauten:
>>Mit nicht enden wollenden Durchhalteparolen versuchte Westerwelle seinen Niedergang und den Absturz seiner Partei zu übertönen. Seine Erfolgsbilanz grenzte ans Komische. Seine einzigen Angebote sind abgedroschene Floskeln und die alten Klassenkampfparolen.<<
Es sind halt nur die Klassenkampfparolen von der anderen Seite.

Aletheia 7. Januar 2011 um 17:59  

Der heutige Zustand der Bundesrepublik hat Gemeinsamkeiten sowohl mit der DDR als auch mit dem NS-Regime. Und das dieses Land noch von einer Opportunistin par excellence geführt wird, bedeutet für das Establishment vor allem eines: Entspannung (und weitere Lebensfreude/n).

Und auch die folgende Tatsache (als nur ein Beispiel) wird unsere "Elite" hocherfreut zur Kenntnis genommen haben:
"In der Heimat Frischluft tanken, ist das Kanzlerinnen-Prinzip zwischen Rosenmontag und Aschermittwoch. Gemeinsam mit Büroleiterin und Ratgeberin Beate Baumann machte Angela Merkel traditionsgemäß auch in diesem Jahr (2008, Anm.) im vorpommerischen Küstenland PolitInventur beim Spazierengehen. Den Abschluss bildete, wie immer, ihr Aschermittwoch-Auftritt in Demmin. Dabei durfte sie erleben, wie lustig (sic) es zu Hause zugeht. Werner Kuhn, Ex-Bundestagsabgeordneter aus dem Ostseebad Zingst, der jetzt im Landtag sitzt, hielt die moderierende Büttenrede und thematisierte dabei den SPD-Linkspartei-Bündnispolitiker aus Berlin, Klaus Wowereit. Der schwimme gern mit Eisbär Knut im Pool, "so wird der Eisbär auch noch schwul". Lustvoll schlug sich das Publikum auf die Schenkel. Und zur Begrüßung des als Gast anwesenden Provinzgouverneurs aus Stettin, Norbert Obrycki, spielte die CDU-Festkapelle (sic) flott das Lied vom "Polenmädchen". Ein Lied, angestimmt beim Wehrmachtseinmarsch in Polen. In der Internet-Rubrik "Lieder der Wehrmacht" findet sich der Marsch vom Polenmädchen als Nummer 228 unmittelbar vor dem indizierten NS-Titel: "Denn heute da gehört uns Deutschland". Aber das Niveau (sic) der Veranstaltung kam so gut an, dass der Gast aus Stettin als auch Merkel natürlich versprachen, wiederzukommen zur "Zeit für deutliche Worte", so der Titel der Aschermittwochs-Konkurrenzveranstaltung zum bayrischen Polit-Spektakel."

Soweit aber auch das "Niveau" der "Hugenberg-Presse" über die polit. Nachfolger von DNVP/Zentrum/NSDAP.

Wohl eher eine Randnotiz ist es dann, wenn sich auch morgen das Kanzlerinnen-Zäpfchen Hugo Müller-Vogg im Enddarm von IM Erika wohlfühlen wird.

ars sutorius 7. Januar 2011 um 19:14  

"Und sie sind Mahnung zugleich, denn sie warnen uns davor, dass die heutige Bundesrepublik letztlich der DDR doch ähnlicher ist, als sie glaubt!"

Gehe davon aus, der Schreiber kennt die DDR nur aus westdeutscher Perspektive. Meine Erfahrung: Der Westen brauchte keine Angie Merkel um so zu werden wie er jetzt ist. Arschkriecherei und Duckmäusertum im Westen seit Kohl mindestens genauso groß wenn nicht gar schlimmer als in DDR (bin dort geboren und habe dort 26 Jahre gelebt). Viele Bundesbürger wären meiner Meinung nach aus denselben Gründen, aus denen sie heute einer Regierungspartei beitreten oder Staatsnähe suchen, auch SED Mitglieder geworden. Nämlich um "im Leben voranzukommen". Frau Merkel nutzt das nur aus! Sie mußte das nicht erst unters Volk bringen, das war latent da. Aber; Jugend lässt hoffen. Sehe ich z.B. an meiner Tochter (21 Jahre). Die lassen sich nicht mehr verschaukeln, sind viel weltoffener und kritischer. Nur muß die Angie-Generation erst mal weg. Insofern hoffe ich, Sarrazin hat recht und "Deutschland schafft sich ab", zumindest die jetzige Herrschaftsform.

Ralf 7. Januar 2011 um 23:06  

Lieber Roberto,

jede Type dieses herrlichen Artikels provoziert in mir spontane Ausbrüche laut jubelnder Zustimmung.
Als gelernter DDR-Bürger habe ich lange nach der Form gesucht, diese (Un-)Person gebührend zu würdigen, doch habe ich nie die Macht besessen, über die deutsche Sprache so zu herrschen wie Du!

Jetzt bleibt mir nur noch die Suche nach einem Unterschied zwischen dem Vergangenen und den Gegenwärtigen, den ich nach ersten, anfänglichen Misserfolgen im Reich der Fabel wähne...

Danke für so einen Artikel!

Anonym 8. Januar 2011 um 11:50  

ars sutorius

Danke für die Anmerkung über Helmut Kohl.

Ich, als "Wessi", der in einem Bundesland lebt, dass nun bald länger als die DDR von der CDU/FDP regiert wird - nämlich Mappus-BW - frage mich schon lange wieso eigentlich nur die Geschichte der DDR aufgearbeitet wird?

Ich bin schon seit "Birne" (=Helmut Kohl) der Ansicht, dass es schade ist, dass der Protestfunke nicht von der DDR auf die "alte BRD" übergesprungen ist - Bin heute noch neidisch auf euch "Ossis" deswegen.

Die "Wessis" waren nämlich damals schon der Haufen von Duckmäusern und Mitläufern, die nicht einmal die Krise, die wir jetzt haben, gesamtdeutsch auf die Straße treibt.

Ihr rieft einmal "Wir sind das Volk" - Ich hoffte damals, dass der Funke auch auf Kohls BRD überspringen würde, aber Westgeld hat dies ja verhindert, denn auf einmal hieß es "Wir sind ein Volk", und der Protest ebbte ab, statt überzuspringen :-(

Wie schon geschrieben, finde ich es heute noch schade, dass Kohl (der damals schon ebenso korrupt war wie Honecker und die Politbonzen der SED) nicht von einer Revolte weggeputscht wurde, die seine CDU auf dem Müllhaufen der Geschichte, wo die hingehört, entsorgt hätte.

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